Protocol of the Session on May 20, 2010

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Goetze das Wort. – Bitte schön, Herr Goetze!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten lieber darüber reden, wie überfordert der Senat mit seiner Finanzpolitik ist – deswegen haben wir das entsprechende Thema beantragt.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Es reicht nicht, sich nur Gedanken darüber zu machen, wo die 5 Milliarden Euro herkommen, die Berlin nicht selbst erwirtschaftet, sondern man muss sich auch Gedanken darüber machen, wie man selbst Geld reinkriegt, um die dringenden Probleme zu lösen.

Im Berliner Senat hat der Regierende Bürgermeister die Richtlinienkompetenz. Die Richtlinie von Klaus Wowereit – durch seinen Haushaltsplanentwurf 2010/2011 belegt und von Linken und Sozialdemokraten beschlossen – lautet: mehr Geld ausgeben! Wowereit wollte offenbar nicht kleinlich sein und es noch mal so richtig krachen lassen. So sind es 600 Millionen Euro Mehrausgaben im Doppelhaushalt geworden, die sicherlich nicht zufällig kurz vor den Wahlen 2011 ausgegeben werden sollen. Arm ist man ja sowieso schon, wird sich der Regierende gedacht haben, und ändern kann und will man auch nichts. Dann soll es wenigstens noch mal so richtig sexy sein, auch wenn man dazu insgesamt mehr als 2,5 Milliarden Euro neue Schulden pro Jahr machen muss.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie Ihr Langzeitgedächtnis zu Hause gelassen?]

Dann ist es auch konsequent, wenn sich die Berliner Landesregierung und darin ein Regierender und sieben Senatoren ums Geldausgeben kümmern. Das zeugt zwar nicht von Kompetenz und Linie, die Richtung in die finanzpolitische Katastrophe ist aber vorgezeichnet.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Da gibt es aber ja noch den Finanzsenator Nußbaum – nach mehr als vier Jahren Finanzsenatorentätigkeit in Bremen von Klaus Wowereit an die Spree geholt. Seine Bilanz ist zwar nicht so kernig – ausweislich der Zahlen der Bremer Finanzverwaltung hatte Bremen 2007 den höchsten Schuldenstand pro Einwohner, die höchsten Zinsausgaben je Einwohner, die höchsten Personalausgaben pro Einwohner im Bundesländervergleich, Bremen war anerkanntes Haushaltsnotlageland –, aber trotzdem, er war der geeignete Mann für Berlin. Damit passte der Neue zwar perfekt ins Senatsteam, versprochen wurde den Berlinern aber, dass jetzt alles besser werden würde. Was passierte aber stattdessen? – In seiner ersten Haushaltsrede führte der Finanzsenator vor einem Dreivierteljahr aus, welche Veränderungen und Einsparungen es im Berliner Haushalt geben müsse, und gespannt erwartete die Stadt eine entsprechende Ausgabenlinie. Hier wurde Nußbaum gleich das erste Mal gedemütigt, denn der Senat hatte keine Einsparungen beschlossen, nicht einmal den Status quo beibehalten, sondern er hatte die bereits erwähnten 600 Millionen Euro für zusätzliche Ausgaben beschlossen. Auf der offiziellen Webseite der Finanzverwaltung rechnete der Finanzsenator danach dezidiert vor, welche Einnahmeausfälle Berlin schon jetzt ausgleichen müsse und welche gewaltigen Risiken darüber hinaus noch bestünden – wahrscheinlich durfte er das im Senat nicht machen, also musste er es über seine Webseite tun. Anstatt aber auch nur ansatzweise zu reagieren, ignorierten Wowereit und der übrige Schuldensenat die glasklaren Zahlen des Finanzsenators und beschlossen eine mittelfristige Finanzplanung nach dem Motto: nach mir die Sintflut. Im Senatsdeutsch heißt es wörtlich:

Die für die Ausgabenanpassung erforderlichen Beschlüsse werden im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung 2012/2013 gefasst.

Völlige Verantwortungslosigkeit, dieser Senat war nicht mehr handlungsfähig!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Alle anderen Mahnungen von Nußbaum wurden auch ausgesessen. Der Finanzsenator will mindestens 350 Millionen Euro einsparen, so wird er im „Tagesspiegel“ zitiert. Alle Ausgaben sollen überprüft werden, zur Not müssten die Bürger mehr zahlen. Man wolle Personalkosten und öffentliche Investitionen und Sachausgaben kürzen. Wie wurde das von Senatssprecher Meng kommentiert? – Das sei Nußbaums Blick in die Zukunft, die Diskussion darüber habe im Senat noch nicht einmal angefangen. Da möchte man doch gleich hinzufügen: Und das ist nicht das Einzige, was in diesem Senat noch nicht einmal angefangen hat!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sozialdemokraten und Sozialisten machen sich heute mit ihrem Thema der Aktuellen Stunde Sorge um die Gelder und Kredite, die sie weiterhin von den anderen Bundesländern und vom Bund bekommen wollen, obwohl sie mit

den Berliner Landesfinanzen umgehen wie die Panzerknacker mit Onkel Dagoberts Geldspeicher.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Da war nix mehr drin, den hatten Sie schon geplündert!]

Während selbst Bremen inzwischen schon einen Sonderausschuss des Parlaments für die Umsetzung der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz hat, stecken die roten Vogel Strauße des Senats die Köpfe weiterhin in den Berliner Schuldensumpf. SPD und Linke fahren mit ihrer ungehemmten Ausgabenpolitik und ihrer einzigen Hoffnung auf eine Schuldenhilfe durch Dritte absolut unverantwortlich, aber volle Kraft den griechischen Kurs

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das ist ja lustig!]

und weinen schon jetzt die Krokodilstränen über vorhersehbare Konsequenzen.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben heute beantragt, darüber zu sprechen, wie diese Koalition ihren Finanzsenator ausgesessen, ignoriert und gedemütigt hat, und wir wollen nicht weiter die ungehörten Rufe in der rot-roten Einsparwüste verhallen lassen. Deshalb müssen wir heute über die Berliner Landesfinanzen diskutieren und nicht über die Zuschüsse der anderen Länder und des Bundes für Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Hämmerling das Wort. – Bitte schön, Frau Hämmerling!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wowereit! Wir möchten wissen, warum Sie am Weiterbau der A 100 festhalten wollen. Nach der NRW-Wahl haben Sie Rot-Grün als mögliches Bündnis gefeiert, und jetzt brüskieren Sie uns, uns Berliner Grüne, mit Ihrem Fraktionsbeschluss für die A 100.

[Gelächter bei der SPD]

Wir können und wir werden das nicht akzeptieren!

[Beifall bei den Grünen]

Dieser Weiterbau der A 100 ist ökologisch und finanzpolitisch verantwortungslos, er ist überflüssig, denn der motorisierte Individualverkehr nimmt bis 2025 um 15 Prozent ab, 15 Prozent, Herr Wowereit! Der Bund finanziert die drei Kilometer kurze Betonpiste für 430 Millionen Euro auf Pump. Sie diskutieren heute über die Finanzkrise, und auch für den Bund muss gelten:

Investitionen unter dem Motto „Hauptsache, der Mischer dreht sich“ darf es nicht mehr geben!

[Beifall bei den Grünen]

Berlin zahlt ja immerhin 60 Millionen Euro für die A 100. Wenn Sie die in die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel investieren, werden viele Berlinerinnen und Berliner aufs Auto verzichten.

[Gregor Hoffmann (CDU): Ist doch Blödsinn!]

Dann entstehen neue Arbeitsplätze, und die Berliner Wirtschaft hat überall in der Stadt freie Fahrt.

[Beifall bei den Grünen]

Wer verantwortungsvoll regiert, darf die A 100 nicht bauen!

[Beifall bei den Grünen – Gregor Hoffmann (CDU): Quatsch!]

Meine liebe SPD-Fraktion!

[Oh! von der SPD]

Die Grünen, die Linken und Ihre eigene Basis wollen die A 100 nicht – Senatsplaner, CDU und FDP wollen sie. Vorgestern haben Sie den Weiterbau der A 100 beschlossen – eine Klatsche für Ihre Basis. Ich bin gespannt, ob sich Ihre Partei so bevormunden lässt. Die grüne Basis würde sich das nicht gefallen lassen, und Sie sehen ja: Unsere Wählerinnen und Wähler honorieren das.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Michael Müller (SPD)]

Mit Ihrer Entscheidung, Herr Müller, nehmen Sie ganz klar Kurs auf die große Koalition, und ich sage Ihnen: Das hat Berlin nicht verdient!

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Herr Wowereit! Warum überlassen Sie den Betonlobbyisten das Regieren? – Das Maßnahmepaket, das den Weiterbau der A 100 begleiten soll, ist seit einem Jahrzehnt Bestandteil Ihrer Senatsplanung. Sie können alle sehen, was daraus geworden ist.

Die Straßenbahngleise, die Senator Strieder vor zehn Jahren am Potsdamer Platz gebaut hat, rosten vor sich hin. Die SPD hat kein Geld für Straßenbahntrassen; für Straßen schon: die Französische Straße, die Axel-SpringerStraße, der Molkenmarkt – überall ist für Straßenbau Geld da. Bei der Tram reicht es nicht einmal für eine Planfeststellung. Papier ist geduldig, und Ihr Maßnahmeplan ist ein Witz, weil Sie keine Finanzierung haben – genau wie in der Vergangenheit.

Herr Wowereit! Ihre Betonfreunde behaupten, die Innenstadt würde durch die A 100 entlastet. Das ist doch Unsinn!

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie sich einmal den Stadtplan ansehen – wahrscheinlich haben Sie noch nicht reingeschaut –, dann

sehen Sie, dass der 16. Bauabschnitt vor dem Friedrichshain endet. Und was machen die 60 000 Fahrzeuge, wenn sie da dann vor der Umweltzone stehen? Na, was wohl? – Sie fahren da hinein. Dann fahren sie weiter Richtung Alex oder sie fahren auf der B 96 a. Das ist genau der Grund, warum der Bund diese Autobahn finanziert. Sie wird nur deshalb finanziert, weil so eine Transitverbindung quer durch die Stadt entsteht. Vor allem der LkwVerkehr wird in den verkehrsärmeren Nachtstunden die Abkürzung über die Warschauer Straße, die Danziger Straße, die Schönhauser Allee nach Norden wählen. Logisch! Die Fahrzeit ist ja dieselbe wie auf dem Ring, aber die Mautkosten werden gespart.

Die Folge ist: Statt der Wohngebiete in Neukölln, die Sie entlasten wollen, werden die im Norden belastet. Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Pankow bekommen den Durchgangsverkehr. Das heißt: mehr Lärm und Abgase in der Umweltzone, aber auch stärkere Verkehrsbelastung an den Unfallschwerpunkten Warschauer Straße und Schönhauser Allee. Sie dürfen ganz sicher sein, meine Freundinnen und Freunde von der SPD, dass wir den Widerstand in diesen Wohngebieten organisieren werden.