Er hat damit nicht nur die ihm dieses Privileg gewährenden Polizeibeamten in eine Zwickmühle gebracht, sondern auch eine gewalttätige Eskalation riskiert, denn leicht hätten die anderen Demonstranten,
bei denen die Polizei erfolgreich um die Einhaltung des Rechtsrahmens bemüht war, für sich ebenfalls diesen Rechtsverstoß reklamieren können, was zu unübersehbaren Folgen geführt hätte.
Dass unmittelbar, nachdem die Sitzblockade eingenommen worden war, wie durch ein Wunder ganz plötzlich ein Kamerateam zur Stelle war – ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Es handelte sich dabei auch keinesfalls um einen Akt von Zivilcourage, denn worin besteht der Mut, von Polizei rundum beschützt gegen Rechtsradikale zu demonstrieren? Diese Ablehnung ist ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Es erfordert in dieser Gesellschaft aktuell weit mehr Mut und Zivilcourage, die Stimme auch gegen die demokratiegefährdenden Linksradikalen zu erheben.
Eine Sitzblockade gegen Links werden wir von Herrn Thierse jedoch vergeblich erwarten dürfen. Aber er war ja nicht allein. Eine Reihe von weiteren Vertretern der politischen Zunft war scheinbar ebenfalls dem unwiderstehlichen Sog des Medieninteresses erlegen. Auch sie sollten sich fragen, wie sie ihrer Vorbildwirkung und ihrer rechtsstaatlichen Verantwortung zukünftig besser gerecht werden können.
Einen Beitrag zum Thema Vorbildwirkung und Verantwortung hat sicher auch die gemeinsame Erklärung von vier Parteien dieses Hauses zur Verurteilung von Brandanschlägen geleistet.
Auch nach der Lektüre des Entschließungstextes der FDP erschließt sich mir nicht, warum diese nicht gleich dem gemeinsamen Text beitreten konnte. Nichtsdestotrotz werden wir, da wir inhaltlich natürlich keinen Dissens haben, den heute hier zur Abstimmung stehenden Anträgen unsere Zustimmung geben.
Die CDU freut sich über jeden, der ihrem beständigen Kampf beitritt und konstruktive Lösungen dafür anbieten will, wie wir den politischen Rändern wirksam entgegentreten können. Bei der CDU bedeutet das: eine konsequente Ablehnung jeder Form von Extremismus, ob von
rechts oder links, ob durch Auslandseinflüsse oder Religionen motiviert. Wir unterscheiden nicht zwischen guter und schlechter Gewalt, und das konsequent. Uns hat man nicht zum Jagen tragen müssen wie diesen Senat. Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Glück, dass Sie die Thierse-Debatte als Ersatzdebatte nach diesem 1. Mai bekommen haben, denn ansonsten hätten Sie ja nicht viel beizutragen.
Ich will hier gleich noch einmal sagen: Der 1. Mai in Berlin war ein erfreuliches Ereignis – bei allem, was leider wieder an Gewalt zu beklagen ist. Im Mittelpunkt standen ganz deutlich die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Sie haben in der DGB-Demo für den Mindestlohn demonstriert; sie haben den Neonazis verwehrt, durch den Prenzlauer Berg zu marschieren; sie haben ein fröhliches und lautes Myfest in Kreuzberg gefeiert, und auch radikale Parolen und Transparente führten nicht zu Ausschreitungen aus der 18-Uhr-Demo heraus.
Wir haben eine besonnene, kluge und lernende Polizei erlebt. Das ist nicht selbstverständlich. Denn was wurde im Vorfeld an Bürgerkriegsszenarien beschworen, Tote könnte es geben, Linke gegen Rechte würde unweigerlich zu Gewaltorgien führen, das über viele Jahre entwickelte Deeskalationskonzept der ausgestreckten Hand sei endgültig gescheitert und Wasserwerfer müssten endlich wieder zum Einsatz kommen. Hut ab vor der Besonnenheit von Polizistinnen und Polizisten! Hut ab vor einer Polizeiführung und einem Innensenator, die sich auch durch noch so wütende Kommentare beispielweise aus der Bundes-CDU nicht von ihrem Konzept abbringen ließen.
Nein! Wir haben in diesem Jahr kein plötzlich neues Konzept erlebt. Es ist einfach nach den Erfahrungen des letzten Jahres weiterentwickelt worden, wie auch in den Jahren zuvor Dinge verändert wurden. Das meine ich mit lernender Polizei. Was haben wir am 1. Mai Jahr für Jahr unter CDU-Innensenatoren erlebt! Neue Konzepte mussten her, die dann auch nicht funktionierten. Nie wurde kontinuierlich an der Chance gearbeitet, Gewalt wenigstens zu minimieren. Deeskalation galt als Unwort.
Das gerade Gesagte gilt im Übrigen auch für die Walpurgisnacht. Wer sich noch erinnert, wie vor Jahren unweigerlich bei Eintritt der Dunkelheit überall Feuer im Mau
erpark brannten, Flaschen und Steine prasselten, Tausende Schaulustige der Feuerwehr und Sanitätern den Weg versperrten, muss doch begreifen, was sich Schritt für Schritt verändert hat. Natürlich ist niemand vor Rückschlägen gefeit, wie im letzten Jahr, wo auch äußere Umstände hinzukamen wie das späte Anreisen der Unterstützungskräfte. Aber ich bin froh, dass das Herbeireden von Gewalt in diesem Jahr nicht gegriffen hat.
Besonders am Herzen liegt mir die Tatsache, dass Neonazis am 1. Mai in Berlin in mehr als vier Stunden nicht weiter als 800 Meter gekommen sind, weil sich ihnen Zehntausende Menschen friedlich in den Weg gestellt haben.
Und die Diskussion, ob sich Herr Thierse auf die Straße setzen durfte oder nicht, interessiert mich dabei nur zweitrangig.
Es waren die Anwohner aus der Bornholmer Straße, die mit witzigen Parolen, mit Kochtöpfen und Sprechchören den Neonazis gezeigt haben, dass sie auf ihrer Straße nicht erwünscht sind. Und Tausende andere haben stundenlang auf diesen Straßen ausgeharrt.
Es ist richtig, dass das Versammlungsrecht ein hohes Gut ist. Wer weiß das besser als jemand, der aus der DDR kommt. Und es ist die Aufgabe der Polizei, dieses Recht auch für diejenigen durchzusetzen, die als erstes dieses Recht abschaffen würden, wenn sie könnten. Aber es ist auch das Recht der anderen, gegen einen solchen Aufmarsch zu protestieren, und zwar in Sicht- und Hörweite, wie es das Verfassungsgericht bestätigt hat. Wir wissen um die Gratwanderung für die Polizei, und wir wissen auch, dass ziviler Ungehorsam ihr das Leben nicht leichter macht. Aber wir dürfen uns auch nicht an Neonaziaufmärsche gewöhnen. Versammlungsrecht ist Minderheitenrecht, aber eine derart menschenverachtende Minderheit muss auf ihre dumpfen Parolen die Antwort der Zivilgesellschaft erhalten.
Nun kommen wir zu den Anträgen der FDP, die dem Linksextremismus mit einer ganzen Antragserie Paroli bieten will.
Es geht nicht darum, hier irgendetwas kleinzureden. Auch zum 1. Mai gab es Aufrufe zur Gewalt, Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails in einer Szenezeitung. Es gab den furchtbaren Wurf eines Feuerlöschers von einem Dach, bei dem zum Glück niemand zu Schaden kam. Und auch in Pankow ist ein Polizist offenbar nicht von Rechten erheblich verletzt worden. Auch die entsprechenden
Wir dachten, dass Sie beabsichtigen, Ihren Sammelantrag zur Bekämpfung linksextremistischer Gewalt, der gefloppt hatte, nun in den daraus entnommenen Einzelanträgen zu qualifizieren, sodass man sich ernsthaft damit auseinandersetzen kann. Stattdessen haben wir wieder die Imagekampagne für die Berliner Polizei, die das Ansehen der Polizeibeamtinnen und -beamten wiederherstellen soll. Mit Verlaub – nach diesem 1. Mai hat die Polizei ihr Ansehen ganz sicher nicht verloren!
Dann wollen Sie die Prävention verbessern. – Das wird schon gemacht, Herr Jotzo, umfangreich und kontinuierlich. Sprechen Sie doch einfach mal mit Ihrer Polizei!
Was meinen Sie eigentlich mit „problematischen Bevölkerungsschichten“? Und schauen Sie sich auch gleich noch Demokratieerziehung in Schulen an, bevor Sie fordern, sie müsse jetzt eingeführt werden. Jedenfalls haben die Stiftung Aufarbeitung und der Landesbeauftragte für die Stasi auch zum Komplex DDR sehr gutes Unterrichtsmaterial erarbeitet. Im Übrigen ist mir neu, dass sich linksextremistische Kreise ausgerechnet auf einen autoritären Staat wie die DDR beziehen, wie Sie das in Ihrer Begründung irgendwie herstellen wollen.
Dann haben Sie noch den Comic „Andi“ entdeckt, den Sie als so hilfreich ansehen, dass Sie ihm einen ganzen Antrag widmen. Meine Erfahrung mit jugendgemäßen Auftritten des Verfassungsschutzes, wie es in Berlin etwa auch mit Videospielen versucht wurde, war: Sie lösten eher große Heiterkeit als Betroffenheit bei der Zielgruppe aus.
Also auch zu diesen vier Anträgen: Herr Jotzo! Sie sind leider wieder nicht Klassenprimus bei der Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus. Ich glaube, das machen wir schon alle sehr gut und ernsthaft, im Gegensatz zu Ihnen.
Wie gesagt: Sie haben Ihr Ziel Klassenprimus nicht erreicht, sondern im Gegenteil: Klassenclown. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „1. Mai nazifrei!“ – Dieser Spruch ist am vergangenen Wochenende nicht nur Wunschdenken geblieben, sondern wurde durch
die Berlinerinnen und Berliner dieser Stadt zur Wirklichkeit. Die Zivilgesellschaft hat ein starkes demokratisches Zeichen gesetzt, und die Rechtsextremisten mussten bei ihrem Zug durch Pankow nach wenigen Hundert Metern umkehren. Und das ist alles friedlich passiert. Das ist ein gutes Zeichen, und das war ein guter Tag in Prenzlauer Berg.