Protocol of the Session on May 6, 2010

Punkte 3 und 4 Ihres Antrags: Es gibt aus meiner Sicht in gewisser Weise Vollzugsdefizite, insbesondere auf bezirklicher und auf Landesebene in den entsprechenden Verwaltungen. Aber das heißt nicht, dass es keine Kontrollinstanzen gibt. Die Verantwortlichen müssen ihre Steuerungsaufgaben und Kontrollfunktionen wahrnehmen. Eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems ist sicherlich sinnvoll. Aber dann müssen Sie uns auch Kriterien benennen. Was wollen Sie wie in welcher Form konkret weiterentwickeln? – Das geht aus Ihrem Antrag definitiv nicht hervor, und in Ihren Äußerungen haben wir dazu auch nichts gehört.

Zu Punkt 5 Ihres Antrags muss berücksichtigt werden, dass Mindeststandards und individuelle Rechtsansprüche vorhanden sind. Nicht alles kann also nur unter reiner Kosten- und Nutzungswirkung gesehen werden.

[Dr. Michael Wegner (CDU): Geistige Windstille!]

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident! – Für die SPDFraktion ist eine zügige Erarbeitung einer abgestimmten Transparenzcharta mit den Verbänden, den Trägern und den Wohlfahrtsverbänden wichtig. Es müssen also verbindliche Spielregeln und Verhaltensgrundsätze abgestimmt werden, die für alle gelten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Herr Kollege Schruoffeneger hat nun das Wort für die Grünen. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte mit dem Hinweis an den Senat beginnen, an den nicht anwesenden Senat – –

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Wieso nicht da?]

Da ist er ja, der Senat! – Sie dokumentieren seit sechs Wochen, dass Sie eigentlich nicht verstehen, was Ihre Aufgabe wäre. Ich ändere den Satz, weil besser, als die Kollegin vor mir das dokumentiert hat, kann der Senat das gar nicht dokumentieren.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Das, was wir hier erleben, ist schlichtweg die Arbeitsverweigerung einer gesamten Koalition.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Der erste Satz, den Sie immer vor sich hertragen: Das Bundesrecht erlaubt es uns nicht, Transparenz zu schaffen, uns zum Beispiel Wirtschaftspläne, Bilanzen anzusehen. – Blödsinn! Sie können in die Bilanzen einsehen, sie stehen im Internet.

[Senatorin Carola Bluhm: Vier Daten, das ist lächerlich!]

Na, und? Wenn ich in vier Daten sehe, dass ein Betrieb, mit dem ich Geschäfte mache, 12 Prozent Rendite im Jahr macht und Immobilienwerte anschafft, dann weiß ich, dass ich in den Neuverhandlungen der Verträge mit diesem Betrieb augenscheinlich anders verhandeln muss als bisher. Wenn ich mir das aber nicht ansehe, dann helfen mir auch diese vier Daten nicht.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Sie laufen durch die Stadt und sagen, Sie wollen Transparenzrichtlinien haben. Sie haben da jetzt 19 Seiten aufgeschrieben, die sollen Teil des Vertrags werden. Na, schreiben Sie doch da einfach hinein: Wir wollen die Wirtschaftspläne sehen. – Tun Sie alles nicht!

Viel schlimmer finde ich aber nicht das Versagen auf dieser Controllingebene, viel schlimmer finde ich, dass Sie sich aus der Fachpolitik verabschiedet haben.

[Andreas Gram (CDU): Absolut!]

Die Zahl der betreuten Obdachlosen in dem Angebotsegment, über das wir hier reden, ist in den Jahren von 2003 bis 2009 von 4 000 auf 7 000 Personen gestiegen, das sind 74 Prozent. Da kann man sagen, das ist ein Dokument für das totale sozialpolitische Versagen einer rotroten Regierung. Ihre Vorgängerin Frau Knake-Werner hat das anders interpretiert. Sie hat gesagt: „Ein Zeichen von Sozialstaat.“ Ich frage Sie: Wie haben Sie denn diesen Anstieg, die faktische Verdoppelung der Obdachlosen innerhalb Ihrer Amtszeit, analysiert? Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, dass sich in der gleichen Zeit die Zahl der Klienten der Treberhilfe von 400 auf 3 500 erhöht hat und damit faktisch der gesamte Zuwachs von 3 000 Klienten nur bei einem einzigen Träger stattgefunden hat?

[Mieke Senftleben (FDP): Vertretermentalität!]

Ist das nicht ein Signal, wo ich als Planungs- und Steuerungsbehörde sagen muss: Was passiert da eigentlich? Wo kommen die denn so plötzlich her, und warum nur bei einem Träger? – Nein, es ist Ihnen nicht aufgefallen, und wenn, dann haben Sie es für ein Zeichen von Sozialstaat gehalten. Ich glaube, dass es eher ein Zeichen ist, dass man da genauer hinsehen muss, wie Klientelbeschaffung funktioniert.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Und warum nimmt Berlin bis heute nicht am Benchmark der überörtlichen Kostenträger der Sozialhilfe teil? Dann wäre es nämlich aufgefallen. Wenn es Ihnen schon nicht aufgefallen wäre, dann wäre es vielleicht den Hamburgern aufgefallen und die hätten Ihnen die entsprechenden Fragen gestellt.

Gestern im Hauptausschuss haben wir das Thema diskutiert. Herr Fritsch hat eine Frage beantwortet, die ich ihm vor vier Wochen gestellt habe, nämlich die nach der Bewertung des gedeckelten Budgets in der Psychiatrie. Da sagte Herr Fritsch, Ihr Staatssekretär, gestern: Ich habe mich darum jetzt intensiv gekümmert. Wir haben festgestellt, dass wir einen erheblichen Verdrängungsprozess aus der Psychiatrie in den Obdachlosenbereich haben. – Richtig, das stimmt! Der Vertrag, das gedeckelte Budget der Psychiatrie, ist mittlerweile acht Jahre alt. Sie haben sich jetzt intensiv gekümmert und jetzt festgestellt. Ich sage: Das ist nicht nur ein Controllingversagen in wirtschaftlicher Art, das schadet den Betroffenen in der Stadt.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Und als Planungs- und Steuerungsbehörde tauchen sie nicht mehr auf. Sozialpolitik heißt jetzt „soziale Stadt“ und wird in der Stadtentwicklungsverwaltung gemacht. Das ist aber eine fatale Entwicklung, weil das Fachpolitik nicht ersetzen kann.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Zum letzten Punkt: Sie müssen nun für Ihr Versagen einen Schuldigen finden, deswegen geistert jetzt die Mär durch die Stadt, die bösen Träger zahlten so schlechte Tarife und beuteten die Mitarbeiter aus. Genau das, die Träger dorthin zu treiben, war Senatspolitik der letzten

acht Jahre. Der letzte Rahmenvertrag im Jugendbereich zum Beispiel – die sind noch schlimmer als Sie, das gebe ich Ihnen gerne zu – vom November letzten Jahres hat eine Kostenkalkulation, Teil des Vertrags, da wird gerechnet mit 209 Jahresarbeitstagen, das entspricht einer Arbeitswoche von 43,5 Stunden. Es wird ein Entgelt für eine IV-b-Stelle, ein Kind, verheiratet, 46 365 Euro in der Kostenkalkulation angemessen. Das sind 3 000 Euro weniger, als im öffentlichen Dienst dafür zur Verfügung steht. Arbeitszeit plus 15 Prozent, Gehalt minus 7 Prozent, das macht eine Abweichung gegenüber den Tarifen von 21 Prozent. Ihr Rahmenvertrag, Ihre Kostenkalkulation, dann stellt man sich hin –

Herr Kollege!

Ich komme zum Ende. – und sagt, die bösen Träger zahlten nicht nach Tarif. Was wollen Sie? Wollen Sie, dass Sie nach Tarif bezahlen und den Klienten 20 Prozent weniger Stunden anbieten? Oder wollen Sie, dass die Klienten betreut werden, und dann aufgrund Ihrer Vertragsgestaltung leider 20 Prozent unter Tarif bezahlt werden muss? Wer bestellt, der zahlt, der sollte dann aber auch zu seiner Verantwortung stehen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Breitenbach.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konnten die Debatte gestern schon einmal im Hauptausschuss führen. Ich konnte sie schon einmal verfolgen. Ich wiederhole noch einmal: Wenn die Herren der Oppositionsparteien, die jetzt hier schon gesprochen haben, auf einmal auf alles so leichte Antworten wissen und so viele Lösungsvorschläge haben, dann frage ich mich, warum Sie eigentlich nicht die im Fall der Treberhilfe aufgetauchten Probleme nicht schon vorher haben kommen sehen und angesprochen haben. Ich finde Ihr Verhalten an vielen Punkten auch selbstherrlich.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Andreas Gram (CDU): Das ist ja wirklich dreist! Was ist das heute für ein Argumentationsniveau? Das ist ja unterirdisch! – Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Nein, nein, das stimmt nicht. Ich gebe mir seit Wochen ausgesprochen viel Mühe, um im Fall der Treberhilfe zu argumentieren, aber ich muss sagen, ich habe mehr Fragen, während Sie immer wieder auftreten und sagen, dass Sie die Antworten hätten. Vielleicht kann ich es Ihnen bei dem Antrag, den Sie uns heute vorgelegt haben, zeigen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hoffmann?

Herr Hoffmann! Selbstverständlich!

Werte Kollegin! Es gibt aber einen Unterschied, ob ich in der Senatsregierung sitze mit einer zuständigen Fachverwaltung und die Kontrollfunktion habe oder ob ich hier die Möglichkeit habe, auf die Berichte der Regierung zu reagieren. Oder würden Sie mir da nicht recht geben?

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Herr Hoffmann! Da würde ich Ihnen selbstverständlich recht geben, aber ich muss Ihnen sagen: Was ich nicht verstehe, ist, wenn eine Oppositionspartei die Probleme schon vorher sieht, die möglicherweise Regierungsparteien nicht sehen, und sie aber vorher nicht nennen, da, finde ich, hat man in der Opposition auch eine Verantwortung. Soll ich jetzt davon ausgehen, dass Sie die Verantwortung nicht wahrgenommen haben, weil Sie jetzt schon alles wissen und alles vorher gewusst haben und vor allem immer schon alles besser gewusst haben?

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Ich würde jetzt zu Ihrem Antrag kommen. Sie möchten gerne, dass Wirtschaftlichkeit und Qualität von Leistungsverträgen im Jugend- und Sozialbereich kontrolliert werden, und zwar auf Grundlage der Rahmenvereinbarungen. Ich habe mir daraufhin die Rahmenvereinbarungen genauer angesehen und habe – wie Sie auch – festgestellt, dass dort Kontrollen vorgesehen sind. Es geht dabei übrigens um anlassbezogene Kontrollen. Das haben Sie nicht gesagt. Das heißt doch immer, es muss erst einmal ein Verdacht auf Qualitätsmängel oder Unwirtschaftlichkeit vorliegen. Wie wir wissen, hat es bei der Treberhilfe nicht vorgelegen.

In den Rahmenverträgen wird dann auch geregelt, wer wen wie überprüft. Und über diese anlassbezogenen Prüfungen hinaus gibt es zum Beispiel im Sozialbereich Qualitätsberichte. Diese Qualitätsberichte von rund 900 Verträgen werden jährlich geprüft. Jetzt, meine Damen und Herren von der CDU, sagen Sie, dass der Senat all diese Prüfmöglichkeiten – Herr Hoffmann, Sie haben es eben anders ausgedrückt, aber in Ihrem Antrag steht –: „niemals wahrgenommen hat“. – Das stimmt nicht! Wenn Sie sich nämlich die Beantwortung Ihrer Fragen ansehen, Rote Nummer 2010 C, werden Sie diverse Beispiele finden, wo anlassbezogene Prüfungen stattgefunden haben und es auch entsprechende Sanktionen gab. Das können Sie nachlesen. Es gibt überhaupt gar keinen Grund, Sie haben auch keine Grundlage dafür, jetzt einfach zu behaupten, es habe niemals Prüfungen gegeben.

Jetzt sind Sie diejenigen, die in Ihrem Antrag behaupten, dass diese Prüfungen, wie sie in den Rahmenvereinbarungen vorgesehen sind, „eine solide Basis sind“, so schreiben Sie. Jetzt sage ich Ihnen: Ich bin mir da nicht so sicher, sondern ich stelle vielmehr die Frage, ob bei den Rahmenverträgen nicht nachgebessert werden muss und ob wir darüber nicht vielleicht reden müssten.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt reicht es. Die ganze Zeit fragen Sie was, Sie hatten jetzt auch alle Chancen zu reden gehabt.

Was ich auch nicht verstehen kann: In Punkt 2 fordern Sie eine Prüfabteilung auf Senatsebene. Wenn Sie jetzt aber sagen, die vorgesehenen Prüfwege, die wir jetzt haben, seien eine solide Basis, komme ich mit der Prüfabteilung auf Senatsebene nicht weiter. Die Kollegin Radziwill hat es eben gesagt. Ich kann mit denen nichts anfangen, wenn ich die Rahmenvereinbarung als Grundlage nehme. Deshalb schließe ich daraus, dass Sie möglicherweise hier Veränderungen einführen wollen.

[Gregor Hoffmann (CDU): Ja!]