Protocol of the Session on March 11, 2010

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wilke! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Platta das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wilke! Ich bin erstaunt darüber, wie detailliert Sie hier einen Entwurf zitieren, den es eigentlich noch gar nicht gibt. Ich weiß nicht, aus welchen Quellen Sie zitiert haben, aber viele Punkte entsprechen nicht dem Stand, den die Koalition hat. Wir sind wahrscheinlich eine Arbeitsetappe weiter als Sie in Ihrem Denken.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wenn sich die FDP Sorgen über den Zustand der Koalition mit der CDU/CSU auf Bundesebene machen würde, wäre dies berechtigt, denn die letzte Umfrage unter der Bevölkerung zeigt 84 Prozent Unzufriedenheit mit dieser Regierungskoalition. Hier in Berlin gestaltet sich die Zusammenarbeit der Koalitionspartner anders. Wir haben eine klare zeitliche Zielsetzung auch bei der Erarbeitung des Klimaschutzgesetzes vereinbart. 2010, im Jahr des 20. Jahrestags des ersten Energieeinspargesetzes von Berlin,

Carsten Wilke

werden wir ein Klimaschutzgesetz verabschieden und damit eine deutliche Richtschnur für die erklärte CO2Minderung von 40 Prozent gegenüber den Emissionen von 1990 haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Diese CO2-Minderung ist übrigens nicht das erste Mal im Gesetz verankert, sondern wir haben sie auch schon in den Zielen der lokalen Agenda 21 verankert und beschlossen.

Entschuldigen Sie, Frau Platta! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?

Bitte schön!

Frau Platta! Sie sagen, Sie hätten einen klaren Zeitplan. Nach diesem sollte der Gesetzentwurf im Februar in den Senat gehen. Ist das denn passiert?

Das ist nicht der Zeitplan für die Erarbeitung des Gesetzes insgesamt. Vielmehr haben wir uns vorgenommen, bis zum Ende des Jahres auch im Abgeordnetenhaus dazu einen Beschluss zu fassen. Wie lange der Senat letztendlich dafür noch braucht, weiß ich nicht. Da hoffen wir nur, dass er ambitioniert und zielgerichtet daran arbeitet.

Die öffentliche Debatte über die Inhalte des Klimaschutzgesetzes läuft schon länger. Seit der Versendung des Referentenentwurfs vom 6. Juli 2009 an eine Vielzahl von Verbänden und Vereinen hat sich die Debatte auch am Text qualifiziert. Wie erwartet reichten die Stellungnahmen und Reaktionen je nach Vertretungsanspruch von hilfreicher Kritik und Verbesserungswünschen für mehr Klimaschutz bis zur vollständigen Ablehnung. Da entscheidet in Berlin der Wille zum Klimaschutz genauso wie in der großen Welt. An den Reaktionen zum Verlauf und zum mageren Ergebnis der Klimakonferenz von Kopenhagen konnten wir sehr eindrucksvoll sehen, wie die Welt damit umgeht.

Die Debatten um einzelne Passagen im Referentenentwurf haben aber auch gezeigt, dass es nicht ausreicht, Ziele zu haben. Wir in der Koalition wissen, dass es notwendig ist, die Auswirkungen auf die Entwicklung der Stadt als Wohn- und Lebensort auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel klar und nachvollziehbar zu betrachten.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir wissen, dass es nicht ausreicht zu sagen, die Nutzung der Sonne und der Umweltwärme wird uns in der Zukunft zu erheblichen Kosteneinsparungen bei den warmen Betriebskosten sowohl für die Eigenheimbesitzer als auch

für die Mieter führen, die die Mehrzahl der Berliner stellen. Die Koalitionspartner haben deshalb die Verwaltung beauftragt, für unterschiedliche Gebäudetypen und Wohnungsgrößen Modellrechnungen vorzulegen und die Folgekostenabschätzung voranzutreiben, die es uns ermöglichen soll, über Abfederungen für soziale Härtefälle zu entscheiden.

Wir nehmen in der Koalition auch solche angrenzenden Themen nicht aus wie beispielsweise die Anpassung der AV Wohnen und die Prüfung von Möglichkeiten weiterer Förderinstrumente zur Unterstreichung unserer Anforderung an die Sozialverträglichkeit der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes. Dies auch, weil es uns eben nicht darum geht – wie von den Kollegen aus der Fraktion Bü 90/Grüne immer wieder behauptet –, möglichst viele Ausnahmetatbestände zu ermöglichen.

Es geht auch nicht darum, ob neue Heizkessel und Wärmedämmung in Berlin das Abschmelzen der Gletscher im Himalaja verhindern, wie es kürzlich erst in einer Tageszeitung zu lesen war. Hier geht es vielmehr in erster Linie um die Kostendämpfung bei den warmen Betriebskosten. Um hier Erfolge zu erzielen, ist es notwendig, den weiter steigenden Kosten für fossile Energieträger, an denen heute wohl niemand mehr zweifelt, etwas entgegenzusetzen. Den kleinen Beitrag für den Klimaschutz wollen wir natürlich trotzdem leisten, den wir hier in der Stadt erbringen können.

Dieses Etwas, das wir einsetzen wollen, um die Senkung der Kosten zu erreichen, lässt sich konkretisieren: massive Reduzierung des Verbrauchs, effiziente Energienutzung und eben der zügige Umstieg auf kostengünstige, erneuerbare Energien. Innerhalb dieser Bereiche sehen wir auch die Technologieoffenheit und Wahlmöglichkeit für die Hauseigentümer und Unternehmer gewahrt.

Letztendlich holen wir mit dem Klimaschutzgesetz nach, was die Bundesregierung bisher vernachlässigt hat, nämlich die Betrachtung des Bestandes an Gebäuden, abgesehen von den wenigen Ausnahmen nach der Energieeinsparverordnung. Allen ist klar, dass die bisherige jährliche Sanierungsrate von 0,7 Prozent nicht die zügigen Erfolge bei der notwendigen energetischen Sanierung der Gebäude bringt. Hier brauchen wir mehr Tempo im Kampf gegen die steigenden Energiepreise und damit eben auch für den Klimaschutz.

Der Berliner Gebäudebestand bietet das größte Energieeinsparpotenzial. Nach ersten Berechnungen könnten mit dem Klimaschutzgesetz ca. 20 Prozent der jährlich erforderlichen CO2-Einsparungsraten im Umfang von ca. 4,8 Millionen Tonnen erreicht werden. Wir verkennen aber nicht die Potenziale, die in anderen Sektoren, zum Beispiel in Industrie, Verkehr, Ernährungswirtschaft und Lebensweise stecken. Deshalb sind die Teile des Gesetzes genauso wichtig, die sich mit der Erarbeitung von Konzeptionen und Programmen beschäftigen. Hier kommen wir dann auch zu den Entwicklungen, die mit dem Stu

fenmodell von BUND, Mieterverein und IHK angedacht sind. Wenn auch das langfristige Ziel von 2050 momentan im Arbeitsstand noch nicht verankert ist, haben wir es trotzdem schon in den Leitlinien für das Berliner Energiekonzept finden können.

Wir werden die Debatte zum Klimaschutz und zum Klimaschutzgesetz mit der Stadtöffentlichkeit zielgerichtet weiterführen. Davon versprechen wir uns mehr Akzeptanz bei der Umsetzung erforderlicher Maßnahmen und die breite Bereitschaft vieler, auch mit eigenen Aktivitäten und Selbstverpflichtungen für den Klimaschutz zu wirken. Für die Fertigstellung des rechtssicheren Gesetzestextes erwarten wir nunmehr eine konzentrierte und sachdienliche Zusammenarbeit der angrenzenden Senatsbereiche wie Stadtentwicklung, Wirtschaft, Soziales und Finanzen – das dann auch noch vor der Sommerpause, damit die Diskussion am konkreten Text einschließlich aussagekräftiger Begründung in den Gremien des Abgeordnetenhauses beginnen kann. Dann lohnt es sich auch für die Medien, über einen Text zu berichten, der der Presse offiziell zugänglich gemacht wurde. Jeden weiteren, nicht abgestimmten Zwischenstand zu kommentieren, schafft eher Langeweile statt Aufmerksamkeit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Platta! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat jetzt Herr Abgeordneter Schäfer das Wort.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Jetzt aber los!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das einzige nennenswerte klimapolitische Vorhaben aus zehn Jahren Rot-Rot liegt heute in Trümmern vor uns. Frau Lompscher, das ist Ihre Verantwortung!

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ihr neuer Entwurf ist vom Ansatz her falsch, weil er nicht den Energieverbrauch in den Gebäuden schrittweise verringern will. Ihr Entwurf ist durchsetzt von Ausnahmeregelungen, für jeden eine andere. 70 bis 80 Prozent der Gebäude fallen heraus, die übrigen Eigentümer können nach 19,5 Jahren die Heizung austauschen, und dann entgehen sie jeder Klimaschutzverpflichtung.

[Daniel Buchholz (SPD): Das ist falsch!]

Doch, das stimmt!

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist der falsche Entwurf! – Uwe Doering (Linksfraktion): Aus welchem Entwurf zitieren Sie?]

Frau Lompscher! Mit Ihrem Vorgehen gefährden Sie das ganze Vorhaben. Sie ignorieren ohne Not die Beschlüsse Ihres Koalitionspartners. Fraktionsbeschluss, Parteitagsbeschluss: für ein Stufenmodell, das beim energetischen Zustand des Gebäudes ansetzt. Sie diskutieren das gar nicht. Sie gehen nicht in die Öffentlichkeit. Sie nehmen die Einladungen zu Veranstaltungen zum Klimaschutzgesetz nicht wahr. Sie verprellen neben der SPD viele weitere Akteure in der Stadt. Und, Frau Lompscher, es gibt in dieser Stadt – das ist ungewöhnlich – kaum grundsätzlichen Widerstand gegen ein Vorhaben, ordnungsrechtlich Klimaschutz für Gebäude vorzuschreiben. Es gibt in Berlin ein Bündnis, das von BUND über Mieterverein bis zur IHK reicht, für einen Klimaschutzgesetzentwurf, der weiter geht als Ihrer.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Carsten Wilke (CDU) – Gernot Klemm (Linksfraktion): So ein Quatsch!]

Das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland. Sie aber prüfen deren Vorschlag noch nicht einmal ernsthaft. Sie halten es noch nicht einmal für nötig, ein Gutachten in Auftrag zu geben, wie man das umsetzen kann, sondern machen das mit ihren zwei Hausjuristen – die ich schätze –, denen aber die ausreichende Zeit für so etwas fehlt. Sie ignorieren anders lautende Aussagen von renommierten Anwaltskanzleien, die sagen, dass das möglich ist.

[Zuruf von Udo Wolf (Linksfraktion)]

Es ist mir völlig unverständlich, wie man bei solch einer Ausgangslage, einer Stadt, die nach einem Klimaschutzgesetz quasi ruft, die Sache so versemmeln kann.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Henner Schmidt (FDP) und Carsten Wilke (CDU)]

Ich lese aus einer Pressemitteilung der IHK von heute vor:

Die IHK fordert vom rot-roten Senat mehr Mut bei der Überarbeitung des bisherigen Entwurfs für ein Berliner Klimaschutzgesetz. … Die Berliner Wirtschaft sei bereit, einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz in der Hauptstadt zu leisten … „Dafür brauchen wir aber ein klares Bekenntnis zu Technologieoffenheit und Planungssicherheit als Leitplanken eines Klimaschutzgesetzes.“

Was zwischen den Zeilen steht, das ist das Wichtigste: Es gibt von der IHK keinen grundsätzlichen Widerstand gegen Ordnungsrecht beim Klimaschutz. Von solch einer IHK träumen andere Umweltminister nachts. Sie haben sie hier und nutzen es nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Wir Grüne wollen ein Klimaschutzgesetz, das am Energieverbrauch der Gebäude ansetzt und diesen in Stufen durch Dämmung und erneuerbare Energien verbessert. Die größten baulichen Energieschleudern sind zuerst an der Reihe, danach nach und nach die anderen. Das Ziel

Marion Platta

lautet: 2050 Passivhausstandard und 100 Prozent erneuerbare Energien.

Genau so funktioniert das Modell von BUND, IHK und Mieterverein, das so genannte Stufenmodell. Dass sich so unterschiedliche Akteure auf solch ein Modell einigen, geschieht deshalb, weil es so gut ist. Es hat umweltpolitische Vorteile – es orientiert sich an Klimaschutzzielen, ihres nicht –, wirtschaftspolitische Vorteile – es garantiert Planungssicherheit für die Investoren, es ermöglicht ihnen, die für die Mieter günstigsten Klimaschutzmaßnahmen zu wählen, was Ihres nicht tut, im Gegenteil, Sie schaffen Planungsunsicherheit, weil der Senat nach Ihrem Entwurf die Grenzwerte jederzeit nach Gutdünken ändern kann. Und sozialpolitisch haben wir ebenfalls Glück, weil der Mieterverein nicht sagt: Hilfe, Klimaschutzgesetz, das könnte Belastungen bringen. Stattdessen ist er weitsichtig und sagt: Wenn wir nichts tun, ist das für die Mieterinnen und Mieter dieser Stadt das Schlimmste, weil sie dann den Heizkostensteigerungen hilflos ausgeliefert sind. Wir haben als Grüne immer gefordert, dass man ein Klimaschutzgesetz sozialpolitisch flankieren muss. Bei Ihrem muss man das nicht tun, weil es gar keine Wirkungen haben, weil es keine sozialen Härten geben wird. Wenn Sie dieses Gesetz durchbringen, müssen Sie sich aber Gedanken machen, wie Sie den Menschen wegen der Steigerungen der Heizkosten helfen. Das hilft dem Klima nicht. Besser ist es andersherum, zu helfen, diese Investitionen zu bewerkstelligen.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Senatorin Lompscher! Es ist nicht mehr viel Zeit für ein Klimaschutzgesetz in dieser Legislaturperiode: Senatsberatungen, zwei Lesungen im Parlament, Anhörungen, viele Ausschussberatungen, das alles braucht Zeit. Wir stehen in diesen Tagen am Scheideweg: Bekommen wir noch ein vernünftiges Klimaschutzgesetz nach dem Stufenmodell, oder bekommen wir einen wie auch immer gearteten Alibientwurf, der vielleicht Ihr Gesicht wahrt, aber ansonsten nicht viel schützt, auf gar keinen Fall das Klima?

Sie können mit Ihrer Rede heute das Ruder herumreißen. Sie können heute sagen: Ja, ich gehe auf das Stufenmodell. Das Stufenmodell wird von der SPD, wird von uns gefordert, sogar die FDP und die CDU haben Sympathien erkennen lassen,

[Gelächter bei der Linksfraktion]