Protocol of the Session on February 25, 2010

[Daniel Buchholz (SPD): Eine Frechheit sondergleichen! – Martina Michels (Linksfraktion): Wir haben einen eigenen Antrag!]

Ich weiß, dass Sie einen eigenen Antrag hatten! Den hätten Sie aber nicht gebracht, wenn Bündnis 90/Die Grünen und CDU nicht tätig geworden wären.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Martina Michels (Linksfraktion): Der lag schon vor!]

Natürlich hätten Sie das nicht gemacht! – Die Mieterinnen und Mieter im Fanny-Hensel-Kiez haben eine solche

Mieterhöhung erhalten. Da geht es um 33 Prozent! Die Mieter haben lernen müssen, dass es nicht einmal Unrecht gewesen wäre, wenn der Vermieter eine Mieterhöhung um 300 Prozent angekündigt hätte. Auch dann wäre es rechtens gewesen. Den Vermieter trifft hier keine Schuld, der hat um 33 Prozent erhöht. Aber das ist ein Ergebnis Ihrer Wohnungspolitik! Das müssen Sie sich anrechnen lassen! Es geht ja nicht allein um den Ausstieg aus der Anschlussförderung, wo wir immer gesagt haben, dass man das differenzierter und auch zeitlich differenzierter machen muss. Es geht auch um die Aufhebung der Belegungsbindung. Beides zusammen führt dazu, dass in bestimmten Lagen unserer Stadt, in bestimmten Gegenden unserer Stadt, die lukrativ erscheinen, Mieten in dieser Weise drastisch steigen. Nur dort werden wir das erleben, nur dort haben wir das.

Deswegen haben wir beantragt, den Mieterinnen und Mietern sofort zu helfen und die ausgelaufene Härtefallregelung anzuwenden. Sie aber haben mit Ihrem Antrag beantragt zu prüfen, ob die Härtefallregelung hier angewendet wird. Und Sie haben als Prüftermin den 31. März angegeben! Am 31. März ist es aber viel zu spät! In der nächsten Woche müssen sich die Mieterinnen und Mieter entschieden haben, ob sie die Mieterhöhung akzeptieren oder nicht. Akzeptieren sie sie nicht, dann müssen sie innerhalb von acht Wochen ihre Wohnung räumen, ihr Umfeld aufgeben, müssen ihre Kinder aus der Schule abmelden, müssen sich neue Schulen suchen. All dies müssen sie innerhalb von acht Wochen machen – und gegebenenfalls auch noch Schönheitsreparaturen.

[Beifall von Astrid Schneider (Grüne)]

Deswegen besteht keine Zeit mehr, um zu prüfen, sondern jetzt muss gehandelt werden. Wir haben gefordert: Wenden Sie die Härtefallregelung an! Es geht um das Wohnen in der Innenstadt. Herr Arndt! Wenn Sie freudig berichten, dass es eine Kernaufgabe der SPD sei, dafür zu sorgen, dass man auch in Zukunft noch in der Innenstadt wohnt – insbesondere auch sozial schwache Mieter –,

[Dr. Michael Arndt (SPD): Ja, genau!]

dann, lieber Herr Arndt, müssen Sie unserem Antrag zustimmen.

[Burgunde Grosse (SPD): Nein!]

Sie aber haben unseren Antrag verweichlicht. Übrigens sind Ihre Genossen in Friedrichshain-Kreuzberg – auch die der Linkspartei – da viel klüger, denn die haben einen gleichlautenden Antrag als dringlichen Antrag eingebracht. Den haben alle Fraktionen der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, und genauso sollten wir es hier auch machen. Wenn es um Ihr Gewissen geht, dann wenden Sie es heute an! Tun Sie etwas für die Mieter in diesem Kiez, und beschließen Sie unseren Antrag! Denn der gibt Rechtssicherheit, und die brauchen sie ganz dringen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Kollege Buchholz von der SPD-Fraktion. – Bitte!

Meine Damen und Herren! Herr Stadtkewitz! Auf zwei Punkte Ihrer Rede muss hier direkt eingegangen werden. Dass Sie der SPD-Fraktion, die es maßgeblich vorangebracht hat, den Ausstieg aus dem überteuerten und völlig fehlgeleiteten Instrument „sozialer Wohnungsbau“ zu erreichen, Vorhaltungen machen, ist eine Ungeheuerlichkeit seitens Ihrer Fraktion, die offenbar bis heute nicht verstanden hat, dass dort Milliarden von Euro und DM versenkt wurden. Das haben wir als Koalition insgesamt in diesem Parlament beendet.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Joachim Esser (Grüne): Ihr habt es auch gemacht!]

Sie scheinen inzwischen davon abzurücken. Das ist an Traurigkeit nicht zu überbieten.

Zweite Feststellung: Wir alle sehen – das war letztes Mal im Bauausschuss das Thema, der Fanny-Hensel-Kiez; Betroffene aus diesem Kiez sind heute hier –, dass es dort Probleme gibt. Wir fordern mit dem Antrag der Koalition, dass die Senatsverwaltung die Härtefallregelung anders auslegen soll als bisher. Das ist ganz klar. Wenn Sie unseren Antrag gelesen hätten, hätten Sie es auch so gesehen. Hier im Parlament etwas anderes zu behaupten, das ist schlichtweg unredlich.

[Beifall bei der SPD]

Jetzt komme ich zum dritten Punkt, und da sieht man doch sehr deutlich, wer zu den Mietern und Mieterinnen in dieser Stadt steht und wer nicht. Herr Stadtkewitz! Sie haben kein Wort dazu fallen lassen: Wie stehen Sie zu dem Teil im Antrag der Koalition, der sich darauf bezieht, was die schwarz-gelbe Bundesregierung an Mieterrechten in der gesamten Bundesrepublik abschaffen will? – Dazu sagen Sie gar nichts.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Martina Michels (Linksfraktion): Ja!]

Da werden nicht Hunderte in Berlin betroffen sein, sondern davon werden bundesweit Millionen Mieterinnen und Mieter betroffen sein.

[Martina Michels (Linksfraktion): So ist es!]

Die schicken wir dann auch alle zu Ihnen. Ich kann da wirklich ärgerlich werden. Die schicken wir zu Ihnen und sagen: Diese Mieterhöhung haben Sie zu verantworten. – Oder wenn es darum geht, den Leuten Kündigungsfristen aufzudrücken! Das heißt, die Oma, die seit 20 Jahren in ihrer Wohnung wohnt, wird dann wohl demnächst durch Schwarz-Gelb nach drei Monaten rausgeschmissen.

[Zuruf von der SPD: Pfui!]

Das haben Sie zu verantworten. Das werden wir nicht zulassen. Das sage ich Ihnen ganz klar.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Was verbreiten Sie denn hier!]

Zur Erwiderung hat Kollege Stadtkewitz das Wort. – Bitte!

Herr Buchholz! Sie wissen genau, dass Sie hier absoluten Unsinn erzählt haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Erstens: Ich finde es richtig, dass Sie es geschafft haben, aus der sozialen Wohnungspolitik auszusteigen, die Sie selbst verursacht haben. Das begann 1972 mit Ihrem Herrn Kollegen Riebschläger – Gott hab ihn selig! –, der das ganze Ding mit der preistreibenden Kostenmiete erfunden hat.

[Daniel Buchholz (SPD): Ich sage nur: 16 Jahre Diepgen!]

Das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf. Aber wir haben Ihnen immer gesagt, dass es auch einen anderen Weg gibt, als bedingungslos und zeitlich auf einen Schlag auszusteigen, sondern dass man das objekt- oder kiezbezogen hätte betrachten müssen und man auch zeitlich differenziert hätte aussteigen können. Die Möglichkeit hätte es auch gegeben. – Punkt 1!

[Daniel Buchholz (SPD): Gab es nicht! – Weitere Zurufe von der SPD]

Punkt 2: Ich habe Ihnen vorgeworfen, nicht einmal in Erwägung zu ziehen, ob vielleicht die Belegungsbindung eine Möglichkeit ist, um den Preisanstieg in manchen Gegenden zu bremsen. Ich will das gar nicht für die ganze Stadt, aber ich will es in verschiedenen Kiezen – da, wo es notwendig ist.

Punkt 3: Bevor Sie sich an dem freien Wohnungsmarkt vergehen, der in Berlin noch halbwegs – von ein paar Problemecken abgesehen – funktioniert, sollten Sie erst mal gucken, was für einen Unsinn Sie angerichtet haben und welche Folgen das für die Mieter im sozialen Wohnungsmarkt hat. Denn Sie können nicht bestreiten, dass der Sozialmieter in dieser Stadt inzwischen wesentlich schlechter gestellt ist als der Mieter im freien Wohnungsmarkt. Wenn ich heute dem Sozialmieter empfehlen muss, dass er sich lieber eine Wohnung im freien Wohnungsmarkt suchen soll, weil er da mehr Rechtssicherheit hat und weil es da keine 300-prozentigen Mieterhöhungen gibt – da gibt es so etwas schon aus rechtlichen Gründen nicht, weil es strafbar ist, aber im sozialen Wohnungsbau ist es möglich –, lieber Herr Buchholz, dann sollten Sie sich die Frage stellen, ob Sie auf dem richtigen Weg waren. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Für die Linksfraktion hat nun Kollege Doering das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat: Die SPD hat heute als Priorität zwei Beschlussempfehlungen und zwei Anträge auf die Tagesordnung genommen, die sich mit der sozialen Wohnungspolitik befassen. Darauf will ich mich jetzt aber gar nicht weiter einlassen, sondern wir haben zwei dringliche Anträge, die sich mit einem konkreten Vorgang bzw. einem konkreten Fall befassen, nämlich der Mietenentwicklung im Fanny-Hensel-Kiez – Wohnungen, die aus der Sozialbindung gefallen sind. Dort oben sitzen Mieterinnen und Mieter, die betroffen sind, die 33-prozentige Mieterhöhungen erhalten haben und die sich bis Dienstag entscheiden müssen, ob sie die Mieterhöhung annehmen oder nicht – und wenn nicht, müssen sie innerhalb von acht Wochen aus ihren Wohnungen raus. Die haben ein Recht, von uns zu erfahren, wie wir mit diesem Problem umzugehen gedenken. Darauf sollten wir uns beschränken.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Zu der Frage „Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau“ möchte ich zunächst nur eins festhalten, Herr Stadtkewitz: Es mag ja sein, dass unter der Sozialdemokratie der 70erJahre der soziale Wohnungsbau eingeführt wurde. Aber zwischen den 70er-Jahren und dem Jahr 2001 gab es noch eine Regierung – die hieß Diepgen –, die fröhlich mitgemacht und an diesem System weitergearbeitet hat.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Martina Michels (Linksfraktion): Genau!]

Wir haben uns am Anfang unserer Koalition dafür entschieden, aus dem milliardenschweren Subventionierungsgeschäft auszusteigen, weil das unheimlich viel Geld gekostet hat. Die Folgen, die dieses System gebracht hat, sehen wir noch konkret am Fanny-Hensel-Kiez.

Zur Entwicklung: Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Seitdem wir aus dem System ausgestiegen sind, sind 13 000 Wohnungen aus der Sozialbindung entlassen worden – diese Zahl ist mir wichtig: 13 000! –, ohne dass wir bisher bemerkenswerte Änderungen an den Mieten feststellen konnten. Wir haben jetzt aber zum ersten Mal einen Fall, der so gelagert ist wie im Fanny-Hensel-Kiez. Das war auch der Anlass dafür, dass wir letzten Mittwoch im Bauausschuss darüber gesprochen haben. Was ist hier passiert? – Das möchte ich auch noch mal festhalten: Wir haben für den Fall des Ausstiegs aus der Sozialbindung ein Vorschrift, nämlich die Mietausgleichsvorschrift, die vorsieht, dass es für einen Übergangszeitraum von drei

Jahren einen Mietausgleich und Umzugshilfen gibt, falls es zu Mietsteigerungen kommen sollte.

Im vorliegenden Fall besteht aber das Problem, dass die Zeit verstrichen ist. Diese Wohnungen sind 2004 aus der Sozialbindung herausgefallen. Hier hätte die Schutzvorschrift bis 2007 gegolten. Wir sind jetzt aber an dem Punkt, dass ein neuer Vermieter die hervorragende Lage der Wohnungen am Potsdamer Platz erkannt hat und natürlich schamloserweise darauf spekuliert, dass Menschen mit geringerem Einkommen die Wohnungen verlassen, sodass er sie danach höchstmöglich teuer vermieten, wenn nicht sogar verkaufen kann. Das ist der Vorgang.

Da greift nach meiner Ansicht wieder die Mietausgleichsvorschrift – Stichwort Härtefall, Punkt 15.3 –, und genau das steht in unserem Antrag drin. Herr Stadtkewitz! Da steht wörtlich drin: Im Einzelfall ist zu prüfen, wenn eine besondere Situation entsteht! – Wir sagen: Das muss jetzt gemacht werden. – Ich sage auch ganz deutlich: Angesichts der Situation, dass sich die Mieterinnen und Mieter bis Dienstag entscheiden müssen – egal, was jetzt mit diesem Antrag passiert, ob im Ausschuss oder nicht –, erwarte ich vom Senat, dass bis Montag Klarheit bei den Mieterinnen und Mietern ist, was mit ihnen passiert und wie wir gedenken, mit ihnen umzugehen. Das erwarte ich schon.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herr Kollege Doering, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! Ich will das erst zu Ende führen. Es kann ja eine Kurzintervention geben. – Ich erwarte, dass das Angebot steht, das Frau Junge-Reyer im Bauausschuss gemacht hat, nämlich dass kommunale Wohnungsbaugesellschaften den Mieterinnen und Mietern Wohnungen anbieten. Herr Arndt! Wir haben aber inzwischen erfahren, dass zwar Wohnungen angeboten wurden, aber Menschen, die Hartz-IV beziehen und dementsprechend Wohnzuschüsse bekommen, können gar nicht in diese Wohnungen einziehen, weil sie durch das Jobcenter nicht finanziert werden. Das ist das Problem. Deswegen habe ich am Mittwoch im Ausschuss gesagt: Es scheint offensichtlich so zu sein, dass wir in einer Frist von acht Wochen den Mieterinnen und Mietern kostengünstige Wohnungen nicht anbieten können.

Deswegen brauchen wir Fristen. Die müssen entweder mit dem Vermieter vereinbart werden, oder wir müssen uns überlegen, wie wir den Mieterinnen und Mietern mit Unterstützung helfen. Deswegen brauchen wir bestimmte Fristen, in denen vernünftig Wohnungen angeboten werden können, in denen die Mieterinnen und Mieter sich Wohnungen aussuchen können und in denen sie die Mög