Protocol of the Session on January 28, 2010

Immer wenn solche Berichte die schlechte soziale Lage beleuchten, ist der Aufschrei groß, und es werden neue Maßnahmen und Programme angekündigt. Leider muss man dann beim nächsten Bericht feststellen, dass diese vollmundig angekündigten und darüber hinaus sehr teuren Maßnahmen und Programme nichts genützt haben. Das ist der Rhythmus, wie ihn diese Stadt seit Jahren kennt.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Mit diesem politischen Aktionismus werden Sie den Anforderungen in keiner Weise gerecht. Sie bieten den Menschen, die arbeiten wollen, keine Perspektiven.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Sie bieten den Menschen, von denen die Friedrich-EbertStiftung als abgehängtem Prekariat spricht, keinerlei Hoffnung, ihrer Lebenssituation zu entkommen. Den Kindern dieser Menschen geben Sie höchstens die Aussicht auf ein Leben mit Hartz IV mit beschränkter gesellschaftlicher Teilhabe. Es ist doch bezeichnend für diese Stadt und für das, was der rot-rote Senat aus ihr gemacht hat, wenn Jugendliche und junge Erwachsene einen Dreisatz oder das Ausrechnen einer Fläche nicht mehr beherrschen, dafür aber alle Kniffe kennen, wenn es um die Beantragung von Hartz IV geht.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Ihre sozialpolitische Unfähigkeit versuchen Sie hinter symbolischen Forderungen nach hohen Sozialtransfers zu verbergen. Sie wollen die Armut durch möglichst hohe Sozialtransfers lindern. Damit doktern Sie aber nur an den Symptomen herum.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Und Sie meinen, einfach wegnehmen ist besser?]

Die Ursachen der Armut gehen Sie damit in keiner Weise an.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Diese Art von Sozialpolitik bestärkt mich in der Auffassung, dass Sie den Kampf gegen die Armut bereits aufgegeben haben. Für einen erlesenen Kreis der Massen von Arbeitslosen schaffen Sie künstliche, nicht wertschöpfende Arbeitsgelegenheiten. Diese sind nicht nur nicht wertschöpfend, sondern sogar wertvernichtend, indem sie reguläre Arbeitsplätze vernichten.

[Beifall bei der FDP – Ülker Radziwill (SPD): Das stimmt doch nicht!]

Die Menschen, die nicht das große ÖBS-Los gezogen haben, versuchen Sie durch hohe Sozialtransfers ruhigzustellen. Damit stellen Sie Menschen aber nicht nur ruhig, sondern Sie nutzen Sozialtransfers als gesellschaftliche Stilllegungsprämie. Damit wird sich die Lage insbesondere in den sogenannten Problemkiezen noch weiter verfestigen.

Entschuldigung, Herr Lehmann! Gestatten Sie – –

Nein, nein! – Das ist nicht nur in höchstem Maße unsozial, sondern volkswirtschaftlich töricht.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wir können es uns jetzt nicht mehr leisten, das Potenzial, das diese von Ihnen stillgelegten Menschen bieten, brachliegen zu lassen. Diese Menschen – egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund – müssen wir in unsere Gesellschaft, aber auch in den Wertschöpfungsprozess unserer Volkswirtschaft integrieren.

[Beifall bei der FDP]

Schön, dass das endlich auch unser Regierender Bürgermeister erkannt hat! Guten Morgen, Herr Wowereit! Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen in den letzten Jahren.

[Zurufe von der SPD]

Wie kann diese Integration funktionieren? Die vielen unkoordinierten Projekte und Maßnahmen, die teuer sind, aber keinerlei Wirkung zeigen, helfen uns schon mal nicht weiter. Sie sorgen nur für einen anhaltenden Boom in der sogenannten Sozial- und Integrationsindustrie, der deren Geschäftsführer und die daran hängenden Wasserköpfe gut ernährt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist gerade auch die hiesige Klientelpolitik der Grünen.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

Über die von der Stadtentwicklungssenatorin angekündigten 50 Millionen Euro für die Aktionsgebiete Plus frohlocken doch bereits jetzt die Gesellschafter der dortigen Quartiersmanager.

[Zurufe von den Grünen]

Für uns Liberale gibt es zwei Schlüssel, um die sozialen Verwerfungen dieser Stadt nachhaltig zu bekämpfen: Wirtschaft und vor allem Bildung!

[Beifall bei der FDP]

Schaffen Sie Rahmenbedingungen für die Entstehung von mehr Arbeitsplätzen! Sorgen Sie für klar identifizierbare Ansprechpartner, wenn Unternehmerinnen und Unternehmer in Berlin Geld investieren und Arbeitsplätze schaffen wollen! Hören Sie endlich damit auf, Gewerbetreibende zu schikanieren wie z. B. mit der Umweltzone!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Setzen Sie sich dafür ein, dass Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen von der immensen Steuer- und Abgabenlast befreit werden, die das Entstehen von Arbeitsplätzen ebenfalls verhindert.

[Beifall bei der FDP]

Statt unnötiger Bundesratsinitiativen sollten Sie diejenigen unterstützen, die den überregulierten Arbeitsmarkt reformieren wollen.

[Beifall bei der FDP]

Nicht Sozialtransfers schützen nachhaltig vor Armut, sondern Arbeitsplätze. Auch ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, der heute wieder hoch gelobt wurde, schützt nicht vor Armut, sondern reguläre Arbeitsplätze auf dem ersten Beschäftigungsmarkt.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Na, toll!]

Der zweite wichtige Schlüssel im Kampf gegen Armut ist gute und früh einsetzende Bildung. Die Kinder derjenigen, die in dieser Stadt scheinbar ohne Perspektiven sind, müssen dazu beitragen, den Wohlstand dieser Stadt sicherzustellen. Sie müssen später die Patente entwickeln, aus denen sich die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft speist. Die Kinder, die heute ihr Mittagessen in Suppenküchen zu sich nehmen müssen, weil teilweise die Eltern sich nicht ihrer Verantwortung stellen, müssen zukünftig als Facharbeiter und Ingenieure aus diesen Patenten Produkte entwickeln und produzieren, mit denen dann Arbeitsplätze geschaffen werden können. Diejenigen, die jetzt nur die Perspektive Hartz IV haben, müssen sich zukünftig um die vielen älteren Menschen in dieser Stadt kümmern, die auf Betreuung angewiesen sein werden.

Doch wie sieht es mit dem Bildungssystem aus? Schlecht sieht es aus. Bei allen Bildungsvergleichen landet Berlin stets auf einem der letzten Plätze. Brandbriefe und Hilfeschreie aus Berliner Schulen werden frech ignoriert.

[Ülker Radziwill (SPD): Deswegen auch die neue Schulstruktur!]

Der bauliche Zustand unserer Schulen spiegelt den gesamten Zustand des Berliner Bildungssystems wider.

[Beifall bei der FDP]

Ein Campus Rütli macht noch keinen Sommer. Und auch hier muss noch bewiesen werden, dass Berliner Schulen ihren Besuchern eine Perspektive bieten können.

[Beifall bei der FDP]

Der Schulsenator meint, dem Problem begegnen zu können, indem er die sogenannte Sekundarschule einführt. Das ist aber auch nur alter Wein in neuen Schläuchen, verbirgt sich doch dahinter die bereits in den 70er- und 80er-Jahren grandios gescheiterte Gesamtschule.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Nicht mal das haben Sie kapiert! – Ülker Radziwill (SPD): Falsch gelesen, Herr Lehmann!]

Sie werden damit keinem Jugendlichen mehr Lebensperspektiven verschaffen.

Auch in der frühkindlichen Bildung sieht es schlecht aus. Wenn, wie wir vorhin gehört haben, 25 Prozent der Berliner Schulanfänger – egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund – nur unzureichende Deutschkenntnisse vorweisen, zeigt uns das den erheblichen Nachholbedarf in der frühkindlichen Bildung.

[Beifall bei der FDP]

Hören Sie endlich auf, Milliarden von Euro in unnötige und ineffektive Programme und Projekte zu pumpen! Nutzen Sie das Gelder lieber, um gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher einzustellen, die dafür sorgen, dass unsere Kinder lernen können!

[Beifall bei der FDP]

Nutzen Sie das viele Geld, um Kitas und Schulen so zu gestalten, dass Kinder dort gern hingehen und Schulen zum Lernen einladen! Nur so legen Sie den Grundstein dafür, dass Berlin und seine armen Bürger aus dem Tal der Tränen herauskommen. – Herzlichen Dank!