Würde man die Lernmittelfreiheit wieder einführen, würde das das Land Berlin 11 Millionen Euro kosten. Dieses Geld ist doch besser für die Einführung der Sekundarschule geeignet.
Wir haben mit den Haushaltsberatungen im Dezember zusätzlich – zusätzlich, Herr Steuer – 100 Lehrerstellen für die integrative Sekundarschule bereitgestellt. Und es wird auch viel Geld für bauliche Veränderungen geben.
Gestatten Sie mir noch ein Wort in Richtung von Herrn Steuer. Sie haben in Ihrem 29-seitigem Änderungsantrag nur alte Kamellen geliefert, nein, schlimmer noch, Sie waren rückschrittlicher, als ich es vermutet habe. Sie favorisieren – ich finde, nicht die 50er-Jahre, Herr Senator – eine Schulstruktur aus dem frühen 19. Jahrhundert. Den Vogel haben Sie jedoch mit Ihrem Antrag abgeschossen, dass Sie ein Wahlpflichtfach Religion wieder einführen wollen.
Da war ich Frau Senftleben im Ausschuss außerordentlich dankbar, denn sie hat sich als wahre Demokratin erwiesen
obwohl sie Ihrer Meinung ist –, dass man nicht gegen einen Volksentscheid die eigene Meinung plötzlich durch die Hintertür einführen kann.
Sie behaupten, das Durcheinander zu vereinfachen, halten aber krampfhaft am dreigliedrigen Schulsystem fest.
Abschließend bleibt mir zu sagen, dass wir heute – und darüber bin ich sehr glücklich, weil auch sehr viel eigene Lebenszeit in die Vorbereitung dieser Schulstrukturreform geflossen ist, das habe ich gern getan – eine riesige Reform anstoßen werden, die vielleicht nicht leicht werden wird, die aber bitter notwendig ist. Wir erhöhen damit die Chancen für alle Schülerinnen und Schüler, wir berücksichtigen den Elternwillen, und wir stärken die Profilbildung der Schulen. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat jetzt Herr Abgeordneter Mutlu das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich auf dem Zettel gesehen habe, dass uns für diese Rederunde pro Fraktion jeweils 15 Minuten zur Verfügung stehen, habe ich mich gefragt: Was willst du Neues sagen, Mutlu, was nicht schon gesagt worden ist.
Aber nachdem ich meinen Kolleginnen von der Linken, der SPD und der CDU zugehört habe, habe ich genug Material erhalten, um doch die 15 Minuten auszuschöpfen.
Sie wissen: Wir haben große Sympathien für diese Reform – nicht ohne Grund. Im März 2007 sind wir es gewesen, die aufgrund der Ergebnisse der Enquetekommission in Hamburg gesagt haben, die Zweigliedrigkeit als ein neuer Weg für Berlin sollte geprüft werden.
Wir haben etliche Debatten darüber geführt. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, als Frau Tesch oder Herr Zillich hier vorn gestanden und vehement für ihr Modell der Gemeinschaftsschule plädiert haben. Was nicht falsch ist, schließlich haben Sie das auch im Koalitionsvertrag so festgehalten.
Aber Sie waren nicht einmal bereit, über die Abschaffung der Restschule, der Hauptschule zu reden. Jetzt stellen Sie sich alle hier hin und sprechen von sich als die großen Reformer. Darüber lachen doch die Krähen.
Ich freue mich, dass Sie lernfähig sind und diesen Schritt gehen. Das wird aber nicht ausreichen. Wir haben Sympathien für diesen Vorstoß, diese Reform. Aber unsere Sympathie geht nicht so weit, dass wir das mit einer Zustimmung unterfüttern. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Hier wurde mehrmals das Stichwort Gleichwertigkeit bemüht – auch Elternwahlrecht und Ähnliches. Zur Gleichwertigkeit sage ich Ihnen Folgendes: Wenn auf dem Gymnasium das Probejahr weiterhin möglich ist – jetzt sechs Monate, in Zukunft zwölf Monate –, wenn auf dem Gymnasium Sitzenbleiben weiterhin möglich ist, dann kann von Gleichwertigkeit nicht mehr die Rede sein. Wenn diejenigen, die auf dem Gymnasium das Testat erhalten: Du bist ungeeignet für diese Schulform –, in die 8. Klasse der integrierten Sekundarschule zwangsläufig gehen müssen, abgeschult werden müssen, dann kann von Gleichwertigkeit dieser beiden Schulformen eben nicht mehr die Rede sein. Ganz im Gegenteil, Sie machen die integrierte Sekundarschule, die vom Ansatz richtig und wichtig ist, zum Auffangbecken gescheiterter Gymnasialschüler, Sie machen – –
Entschuldigung! Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium verlassen müssen. Sind sie mit der Begrifflichkeit einverstanden?
Diejenigen, die das Gymnasium verlassen müssen, müssen auf die integrierte Sekundarschule in die 8. Klasse und werden dort entsprechend für Unruhe sorgen, weil dort eine bestehende Klassengemeinschaft vorhanden ist, die sich schon seit einem Jahr kennt. Was ich damit sagen will: Nicht nur, dass Sie die Gleichwertigkeit damit ad absurdum führen, Sie degradieren die integrierte Sekundarschule. Das ist das Problem, weil es dem Kern dieser Reform widerspricht.
Nun zu Ihnen, Herr Senator Zöllner. Wir haben oft genug über diese Reform gesprochen und haben vieles in dieser Frage gemeinsam. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn Sie nicht Ihren Beitrag dazu geleistet hätten, wären diese beiden Koalitionsfraktionen nie den Schritt gegangen, einem Grünen-Antrag zur Gesetzesreife zu verhelfen. Aber dass Sie sich hier hinstellen und behaupten, wir Grüne wollten das Elternwahlrecht abschaffen, wie in Hamburg, das finde ich bei aller Sympathie – wir wollen kein Elternwahlrecht abschaffen, darum geht es gar nicht. Wir wissen, dass die Grundschulempfehlung heute eine sehr subjektive ist und häufiger auch falsch, dass viele Schülerinnen und Schüler, die auf die Hauptschule geschickt worden sind, locker das Gymnasium hätten schaffen können. Das Problem war nur, sie hatten einen Migrationshintergrund oder kamen aus der Arbeiterklasse, die Lehrerin auf der Grundschule, die es gut gemeint hat, dachte sich: Der wird es schwer haben auf dem Gymnasium. Er soll lieber auf die Hauptschule. – Wir wissen, die
Grundschulempfehlung ist subjektiv und muss abgeschafft werden. Deshalb haben wir uns dafür hier stark gemacht.
Aber wir wollten dieses Instrument durch ein anderes ersetzen, nämlich durch eine Grundschulförderprognose, die im 1. Halbjahr der 5. Klasse schon versucht, den Eltern einen Weg für ihr Kind zu zeigen. Wenn die Eltern mit diesem Weg nicht einverstanden sind, wenn es heißt: Dein Kind soll auf die Sekundarschule. –, und die Eltern das Kind lieber auf dem Gymnasium sähen, haben beide – Eltern wie Schule – anderthalb Jahre Zeit, im Rahmen von Bildungsvereinbarungen dafür zu sorgen, dass dieses Kind die „Anforderungen“ eines Gymnasiums schafft. Das ist ein qualitativer Unterschied
gegenüber dem, was wir jetzt haben. Das setzt natürlich auch Reformen in der Grundschule voraus. Wir müssen die Grundschulen dazu befähigen.
Unser Modell war außerdem nur für die 20 Prozent der Eltern gedacht – das besagen auch die jetzigen Statistiken –, die mit der Entscheidung der Grundschule nicht einverstanden sind. Dort wollten wir das Elternwahlrecht nicht abschaffen, sondern einschränken. Wir wollten den Kindern eine zweite Chance durch einen Probeunterricht geben. Das wird auch in unserem Nachbarland Brandenburg seit zwei Jahren mit großem Erfolg praktiziert. Weshalb wollten Sie diesen Weg nicht gehen anstelle des Selektionsinstruments Probejahr, das die integrierte Sekundarschule von vornherein degradiert? Das ist genau der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Im Bezug auf das Elternwahlrecht noch einmal – damit es nicht im Raum stehen bleibt: Die Grünen finden das Elternwahlrecht wichtig, sie wollen es nicht abschaffen. Wir in Berlin wollten einen anderen Weg gehen als in Hamburg. Leider hat Ihre Lernfähigkeit Sie an diesem Punkt verlassen. Sie waren nicht damit einverstanden. Deshalb müssen wir uns der Stimme enthalten.
Wer dann in der Opposition sitzt, lieber Kollege, werden wir dann sehen. Sie werden da, wo Sie sitzen, nicht mehr sitzen. Wir auch nicht.
Wir Grüne haben immer wieder auch aus der Oppositionsbank heraus, lieber Kollege – danke für das Stichwort
Verantwortung übernommen. Wir haben uns immer für gute und qualitativ bessere Bildung in Berlin eingesetzt.
Es ist kein Zufall, dass etliche Veränderungen, die in den letzten zwei Jahren hier stattgefunden haben,