Auch in diesem Haushalt wieder – aber das hat schon gute Tradition – können wir eine immense Quersubventionierung der BSR feststellen. Insgesamt sind mehr als 10 Millionen Euro in verschiedenen Titeln eingespeist,
die der BSR zugute kommen, ohne dass sie irgendwo geschlossen ausgewiesen werden. Das hat mit Haushaltsklarheit und -wahrheit aus meiner Sicht nichts zu tun.
Ein weiterer Punkt – auch hier ist der Finanzsenator unmittelbar betroffen – dreht sich um das Bestandsmanagement. Er sitzt in einigen Aufsichtsräten, insofern hat er mit Unternehmen unmittelbar zu tun und hat Führungsverantwortung für das Land wahrzunehmen. Wir meinen, dass die Kontaktpflege zu den Unternehmen in Berlin zentral organisiert werden muss – und zwar so, dass auf kurzem Weg alle benannten Probleme angegangen werden können. Eine besondere Bedeutung wird in den nächsten Monaten – darauf hat der Regierende Bürgermeister hingewiesen – angesichts der Wirtschaftskrise der Unternehmenssicherung zukommen. Hier werden wir uns unserer Verantwortung auch als Opposition nicht entziehen. Wenn es vernünftige Vorschläge gibt, Unternehmen gerade hinsichtlich des Kapitals abzusichern, werden wir uns dem stellen müssen. Es geht schließlich um den Wirtschaftsstandort Berlin.
Ich möchte noch einige Gedanken zu einem Aspekt äußern, der mir als dritter wichtig ist, nämlich das Standortmarketing. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir in Berlin verschiedene Assets haben. Eines, das ich immer wieder gern erwähne und auch an dieser Stelle ausdrücklich betonen möchte, ist, dass in unserer Stadt Menschen aus über 180 Nationen friedlich zusammenleben. Erst jetzt fängt die Politik an zu entdecken, dass wir in einer interkulturellen Stadt leben und welche Möglichkeiten und Konsequenzen das mit sich bringt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich hatte die Gelegenheit, als Vertreter meiner Fraktion den Regierenden Bürgermeister auf die Reise nach Istanbul begleiten zu dürfen. Das hat mich sehr gefreut, und ich habe eine Menge gelernt. Vor allem eines habe ich mitgenommen, und daran möchte ich Sie teilhaben lassen: Es gibt immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Türkei, die gern in Europa investieren würden, dies natürlich auch deshalb, um die Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU positiv zu beeinflussen. Welche Aktivitäten unternimmt aber das Land Berlin, um diesen Unternehmerinnen und Unternehmern eine Möglichkeit zum Wirtschaften zu bieten? Nach meiner Kenntnis keine gezielten. Hier haben wir ein Asset, hier haben wir eine Vergangenheit und Erfahrungen, die wir in die Waagschale legen sollten.
Zweites Asset, das nicht verkommen darf, ist die Infrastrukturentwicklung. Geradezu ein wenig neidvoll nehme ich zur Kenntnis, was man im Großraum Paris plant.
Wo hört hingegen unsere Infrastrukturentwicklung auf? – Bei vielen am S-Bahnring – so wie früher bei Herrn Strie
Wir benötigen eine Infrastrukturentwicklung, die sich auf die Metropolenregion bezieht. Das ist wesentlich. Jeder, der hier wirtschaftet, der hierher kommen möchte, braucht einen Ansprechpartner,
er interessiert sich nicht dafür, wo der Wirtschaftsraum Berlin aufhört, sondern wird genau gucken, wo er sich am besten niederlassen kann. Das heißt, wir benötigen auf Berliner Seite eine Konzentration der Wirtschaftsförderung und Wirtschaftsansiedlung bei Berlin Partner. Zu überlegen ist, die Technologiestiftung dort mit einzubeziehen und nicht nebenher laufen zu lassen. In diesem Zusammenhang könnte man auch gleich die Kampagne „Be Berlin“ dort mit eingliedern, anstatt sie als Exot am Rande laufen zu lassen. Mit Brandenburg zusammen braucht man eine Kooperation mit der Zukunftsagentur, damit sich die Metropolenregion entwickeln kann.
Nur wenn wir mehr Wirtschaftswachstum hier in der Stadt generieren, werden wir mehr Arbeitsplätze bekommen und werden perspektivisch auch wieder ein höheres Steueraufkommen zu verzeichnen haben. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Esser einige finanzpolitische Grundsätze erläutert und sich zur Klimaschutzpolitik der Koalition geäußert hat, will ich noch einige andere Linien dieser Haushaltsberatungen kurz darstellen.
Nach unserer Auffassung hat die Stadt keine Zukunft, wenn es nicht gelingt, die Eigeninitiative der Bewohnerinnen und Bewohner, der Unternehmen und Institutionen zu stärken
und die Motivation der Menschen zu erhöhen, sich selbst tatkräftig für die Stadt und ihre Entwicklung einzusetzen. Die staatlichen Institutionen alleine werden die Zukunft der Stadt nicht sichern können.
Das heißt, eine unserer Aufgaben ist es, die Rahmenbedingungen für Eigeninitiativen zu verbessern. Dazu gehört dann zum Beispiel die Verbesserung des Vereinsinvestitionsprogramms im Sport, anstatt alles selber zu
machen, aber es gehört – auch das haben wir getan – auch die Umschichtung in der Kulturförderung dazu. 2,4 Millionen Euro wollten wir von dem großen Tanker Opernstiftung wegnehmen, der sehr gut ausgestattet ist, und kleinen Projekten geben, die die Vielfalt der Berliner Kulturszene im Wesentlichen bestimmen, aber oftmals am Existenzminimum arbeiten. Es ist einfach unglaubwürdig, wenn diese rot-rote Koalition immer den Begriff „Mindestlohn“ im Mund führt, gleichzeitig aber bei diesen Projekten, gefördert mit Landesmitteln, Löhne von 3 bis 4 Euro die Stunde für normal hält.
Mindestlöhne scheint ohnehin eine der Schwachstellen von Rot-Rot zu sein. Im Verantwortungsbereich des Senators Zöllner gibt es eine Tochtergesellschaft der Charité, die deutlich unter 7,50 Euro zahlt, die juristische Verrenkungen unternimmt, um einen Tarifvertrag nicht anerkennen zu müssen, die Geld ausgibt, um Gutachten zu bezahlen, die uns dann erklären, dass der Tarifvertrag für das Bewachungsgewerbe für diese Tochter nicht gilt, weil dort nicht nur bewacht, sondern auch gereinigt wird. Das alles, um Mehrkosten von 100 000 Euro zu vermeiden. Eine Institution, die nach eigener Aussage pro Jahr 20 Millionen Euro Verlust aufgrund der verzögerten Umsetzung eines sinnvollen Raumkonzeptes durch die Politik macht, und dann 100 000-Euro-Beträge durch eine weit untertarifliche Bezahlung ihres Bewachungspersonals eintreiben will, das ist absurd, das ist lächerlich, das ist rot-rote Personalpolitik in Berlin.
Der Umgang mit dem Personal ist einer der großen Schwachpunkte von Rot-Rot. Der Bestand des Personals ist in vielen Bereichen nicht mehr ausreichend, um die Aufgaben zu erfüllen. Doch statt konstruktiv damit umzugehen und endlich Personalplanung und Aufgaben in Übereinstimmung zu bringen, greift der Finanzsenator in seiner Hilflosigkeit zum Mittel des Einstellungsstopps. Und die Fachverwaltungen auf der anderen Seite definieren täglich neue Aufgaben, ohne dafür alte, überflüssig gewordene Aufgaben wegfallen zu lassen. So wird ein Personalbedarfskonzept und ein Neueinstellungskorridor vorgelegt, der schon bei der ersten Nachfrage nach dem Bedarf für den gleichzeitig angeschobenen neuen Knast in sich zusammenfällt, weil es für diesen neuen Knast kein neues Personal vorsieht, während die Fachverwaltung 250 Stellen dafür haben will. Personalplanung ohne Aufgabenbezug ist schlichtweg wertlos.
Der Umgang mit den Bezirken, das muss man der Koalition lassen, hat sich mit dem Amtsantritt des neuen Senators gebessert, insbesondere auch durch die neue Staatssekretärin, die dafür jetzt zuständig ist. Aber Umgangsformen und klimatische Verbesserung allein kann nicht alles sein. Diese neue Gesprächsfähigkeit zwischen Bezirken und Senat muss jetzt endlich genutzt werden, um die strukturelle Fehlsteuerung der Bezirksfinanzierung zu beheben. Wir haben dazu die notwendigen Vorschläge ge
macht. Die fachpolitischen Vorgaben und die Produktdefinitionen der Kosten- und Leistungsrechnung müssen sich endlich aufeinander beziehen. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass qualitative und quantitative Anforderungen unter Berücksichtigung finanzieller Konsequenzen diskutiert werden können. Das wird ein schmerzhafter Prozess für Finanz- und Fachpolitiker werden. Aber wenn dieser Prozess nicht endlich beginnt, werden die Fachdebatten und dann die finanzpolitische Absicherung immer weiter auseinanderklaffen, und das zum Schaden der Stadt.
Herr Müller! Sie haben davon gesprochen, Sie hätten in Hunderten von Punkten Schwerpunkte gesetzt – einmal abgesehen davon, ob man Schwerpunkte in Hunderten von Punkte setzen kann. Frau Weiß von der Linksfraktion hat uns gestern erklärt, was ein solcher Schwerpunkt sei. 50 000 Euro für ein Kindermuseum hat sie als Schwerpunkt definiert. 50 000 Euro! Das ist nicht einmal eine Stelle im Vergleich zu dem, was Sie hier neu eingerichtet haben. Das ist noch nicht einmal ein Zehntel der Hebungen, die Sie im Personalbereich vorgenommen haben. Das ist Ihre Schwerpunktpolitik? Das ist Kleckerei, das ist Symbolpolitik. Das ist richtig, das ist notwendig, dem kann man zustimmen, aber das ist kein Konzept für die Stadt und keine Schwerpunktbildung.
Der Schwerpunkt Bildung und Wissenschaft, den Sie erwähnt haben, war im Haushaltsentwurf des Senats gar nicht enthalten. Die Verbesserungen für die Kitas waren nicht enthalten, der Kollege Esser hat das geschildert. Die Stellen für die Brennpunktschulen waren nicht enthalten, da musste der Hauptausschuss nachbessern. Die Schulreform war nicht enthalten, da musste der Hauptausschuss nachbessern. Was ist das eigentlich für ein Senat, der seine eigenen erklärten politischen Zielsetzungen nicht absichert und dabei dann auf das Parlament wartet und hofft, das Parlament werde es schon richten? – Das ist Arbeitsverweigerung eines Senats. Dieser Senat ist nicht mehr dazu in der Lage, Schwerpunkte seriös auszufinanzieren.
Stattdessen wird dann in die Vollen gegriffen. Der Geschäftsbedarf steigt um 18 Prozent seit 2008, die Dienstreisen um 26 Prozent, die Veröffentlichungen um 46 Prozent, die Veranstaltungen um 16 Prozent. Und, Herr Wowereit! Wer Konjunkturprogramme und Wirtschaftskrise dazu nutzt, um dann in den anderen Bereichen in die Vollen zu greifen und zu hoffen, dass es niemand merkt und das im Konjunkturprogramm untergeht, der hat sich vom Konsolidierungskurs verabschiedet, ob Sie es wollen oder nicht.
Wer neue Investitionen anschiebt, die die kommenden Haushalte mit 1,5 Milliarden Euro binden, wer neue In
vestitionen in einem Umfang anschiebt, die allein in diesem und im nächsten Jahr die Nutzfläche der öffentlichen Gebäude Berlins um 13 628 Quadratmeter vermehren, ohne die Folgekosten auch nur zu bedenken, der ist weit davon entfernt, ernsthafte Schwerpunkte und Prioritäten zu setzen. Allein die Folgekosten dieses zusätzlichen Flächenbedarfs werden den vom Finanzsenator akzeptierten Zuwachs von 0,3 Prozent Ausgaben pro Jahr in den nächsten Jahren wegfressen. Damit ist noch nichts von all dem, was der Kollege Esser vorhin erwähnt hat, von Inflationsausgleich oder sonstigem, überhaupt finanziert. Das ist unverantwortlich. Man muss sich vor dem Anschieben von Investitionen überlegen, wie man die Folgelasten trägt.
Wenn ich in den letzten Tagen in der Zeitung lese, dass Herr Müller, Herr Wolf, die S-Bahn gar nicht ausschreiben wollen, dass sie sehr zufrieden sind, dann frage ich mich: Wie kann man bei einem Unternehmen, das jährlich 230 Millionen Euro von uns bekommt und davon gleich 56 Millionen Euro an die Konzernmutter als Gewinn abführt, auf eine Ausschreibung verzichten? Einen besseren Beweis für die Notwendigkeit einer Ausschreibung gibt es doch gar nicht. Wie wollen Sie als Rot-Rot die Bahn unter Druck setzen?
Wir haben eine Krankenhausplanung und eine Gesundheitspolitik, die schlichtweg nicht mehr stattfinden. Ein Landeskrankenhausgesetz ist seit über einem Jahr angekündigt, doch die Senatorin taucht ab. Stattdessen läuft der Staatssekretär durch die Stadt und behauptet, man müsse die 90 Millionen Euro Krankenhausinvestitionen pro Jahr sichern. Gleichzeitig schimpft er auf den Bund, dass das Präventionsprogramm nicht gekommen ist. 90 Millionen Euro Krankenhausförderung sind 2,2 Prozent der Krankenhausbudgets der Stadt. Nehmen wir doch einmal 9 Millionen Euro davon raus, dann sinkt der Landesanteil am Krankenhausbudget auf 1,98 Prozent. Kein Krankenhaus wird pleitegehen, keine Auswirkungen auf die Qualität werden erkennbar sein, aber 9 Millionen Euro wäre ein Quantensprung für die gesundheitliche Präventionsarbeit in Berlin. Nein, stattdessen – und das ist typisch für Rot-Rot – wird auf den Bund gezeigt und von dort die Lösung erwartet. So wird es nicht funktionieren. Deswegen muss Politik auch in dieser Stadt stattfinden, man darf nicht nur auf den Bund zeigen.
Eine Schlussbemerkung zur Opposition: Auch die anderen beiden Oppositionsparteien haben versucht, Minderausgaben zu produzieren oder die Nettoneuverschuldung abzusenken. Wer dies allerdings tut, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, mit 80 Millionen Euro Mehreinnahmen im Jahr für verbessertes Marketing der Einrichtungen und Veräußerung von Namensrechten, wer also den Coca-Cola-Tower im Westen und den PepsiTower im Osten oder Ähnliches will, der ist einfach nur unseriös. Insofern hat Herr Wolf recht: Es gibt keinen ernsthaften Grund für uns, mit der CDU oder der FDP koalieren zu wollen.
Aber wir haben ein reales Problem: Wenn man Ihre Politik anguckt, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot, gibt es genauso wenig einen ernsthaften Grund, mit Ihnen koalieren zu wollen.