Protocol of the Session on November 26, 2009

Integration braucht Bleiberecht: Zukunft für Flüchtlinge in Berlin

Bitte schön, Frau Bayram!

Ich frage den Senat:

1. Wie lange will sich der Senat noch weigern, eine neue Regelung für die vom Bleiberecht betroffenen Migrantinnen und Migranten vorzulegen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Senat es bislang nicht geschafft hat, den Auftrag des Abgeordnetenhauses zu einer Bundesratsinitiative zu erfüllen?

2. Wie gedenkt der Senat die Situation der bislang vom Bleiberecht ausgeschlossenen alten, kranken und erwerbsunfähigen sowie geduldeten Migrantinnen und Migranten, die die Stichtagsregelung nicht erfüllen konnten, zu verbessern?

Danke schön, Frau Bayram! – Dazu der Innensenator. Herr Dr. Körting, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Bayram! Es steht dem Senat nicht zu, die Fragestellung zu kritisieren, aber ich glaube, die Antwort spricht für sich. Wenn Sie fragen: Wie lange will sich der Senat noch weigern, etwas vorzulegen?, und gleichzeitig wissen, dass die Senatsverwaltung für Inneres eine Bleiberechtsregelung mit Schreiben vom 4. August 2009 gegenüber dem Bundesinnenminister vorgeschlagen hat und dieses mit Schreiben vom 14. Oktober 2009 wiederholt hat, ist die Fragestellung, wie lange wir uns noch weigern, etwas eigenwillig.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Zur Frage Altfallregelung liegt bereits eine Bundesratsinitiative vor, die bisher nicht zum Erfolg geführt hat. Wir haben es vorgezogen, im Vorfeld der Innenministerkonferenz vom 3./4. Dezember auf eine Regelung hinzuwirken, um durch einen Beschluss der Innenminister in Zusammenhang mit dem Bundesministerium des Inneren nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes zu einer befriedigenden Regelung für die Betroffenen zu kommen.

Worum geht es? – Es geht um Leute, die inzwischen als Familien 10,5 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland

Senator Dr. Jürgen Zöllner

hier in Berlin wohnen, oder um Alleinstehende, die auch so lange hier wohnen. Die haben teilweise ihre Kinder hier, die Kinder sind teilweise hier geboren, sie gehen zur Schule. Wir halten es für unangemessen, denen jetzt mit Abschiebung und Ausweisung zu drohen. Wir haben vielmehr gesagt: Wer sich hier bei uns dadurch integriert, dass er sich ernsthaft und nachweislich um Arbeit bemüht, oder sich in anderer Art und Weise, wenn er aufgrund der Arbeitsmarktsituation keine Arbeit findet, darum bemüht, in unsere Gesellschaft integriert zu werden – sei es durch Sprachkurse, sei es durch ordnungsgemäßes Schicken der Kinder zur Schule usw. – muss dieses ausreichen, ihm für die nächste Zeit ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz zu verschaffen und ihn nicht wieder in einen Status fallen zu lassen, dass er mit Wirkung vom 1. Januar 2010 hier nur geduldet ist. Das haben wir vorgeschlagen. Der Bund hat sich dazu bisher nicht in der Lage gesehen. Die Koalitionsfraktionen auf Bundesebene sind in sich nicht handlungsfähig in der Frage, weil die CDU am liebsten nur eine Verlängerung der Regelung haben will mit der Konsequenz, in einem Jahr habe ich das ganze Problem noch mal, und die FDP auf Bundesebene nur einen Verschiebebahnhof bis zum Sommer machen und dann erneut entscheiden will.

Wir werden sehen, ob die anderen Innenminister und der neue Bundesinnenminister, der eigentlich von seinem Naturell her nach meiner Einschätzung eher geneigt ist, eine vernünftige Regelung mitzutragen, wirklich in der Lage sind, auf der Innenministerkonferenz zu einer abschließenden Regelung zu kommen oder nicht. Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Danach müssen wir weitersehen, wie wir verfahren.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Bayram? – Bitte, Frau Bayram!

Ja, und zwar will ich noch mal darauf eingehen, dass Sie in Beantwortung der Kleinen Anfrage gesagt haben, Sie hätten die Bundesratsinitiative nicht auf den Weg gebracht, weil dafür keine Zeit gewesen sei oder weil ein zeitliches Argument im Raum gestanden habe. Das hätte ich gern aufgeklärt. Weiterhin ist es schon so, dass unabhängig von dem, was Sie bereits hier vorgetragen haben, Berlin die Möglichkeit hätte, im Einzelfall die Dinge in der Verwaltungspraxis zu regeln. Dazu haben wir bislang von Ihnen noch keine konkreten Vorschläge gehört. Ich wäre dankbar zu hören, was tatsächlich passieren soll, wenn all die Initiativen, die Sie im Zusammenhang mit der IMK genannt haben, scheitern sollten.

Das war eine Gesamtfrage. – Bitte schön, Herr Senator!

Frau Kollegin Bayram! Eine Bundesratsinitiative würde ja bedeuten, dass ich jetzt bis zum Ende des Jahres ein in Kraft tretendes Bundesgesetz brauche. Dieses war im Hinblick auf Bundestagswahl und Konstituierung des Bundestages eine Illusion. Das ist nicht zu schaffen. Das wissen Sie auch. Insofern musste von vornherein gesehen werden, ob man eine Regelung findet, die ohne Gesetzgebung zum gleichen Ergebnis führt. Und darum haben wir uns bemüht. Sie wissen das. Sie wissen natürlich, dass ich jetzt nicht mehr oder auch schon ab Oktober nicht mehr in acht Wochen ein neues Bundesgesetz mache. Wir haben die Situation: Wir haben vielleicht 30 000 Leute bundesweit, die von der Regelung betroffen sind. Wir werden in Berlin im Einzelfall prüfen, ob im Hinblick auf das langjährige Verbleiben der Leute in der Bundesrepublik Deutschland und auf deren Integration hin eine Rückkehr nach dem Aufenthaltsgesetz unzumutbar ist. Dementsprechend werden wir auch ohne abschließende Regelung auf der Innenministerkonferenz in einer Vielzahl von Fällen helfen können. Ob wir das in allen Fällen können, weiß ich nicht. Sie wissen, dass für viele Bereiche die Zustimmung des Bundes erforderlich ist und die Gesetzgebung beim Bund liegt, soweit es das Aufenthaltsgesetz für Ausländer betrifft. Ich habe die Hoffnung, dass sich da was bewegt, wie gesagt. Ich habe ein gewisses Zutrauen zu dem neuen Bundesinnenminister, der offensichtlich eine andere Linie fährt als seine beiden Vorgänger. Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass da was Positives rauskommt. Aber es liegt eben nicht nur am Bundesinnenminister, sondern wir haben noch einige andere Kollegen, die in der Innenministerkonferenz mitreden, leider auch Kollegen von der CDU, der CSU und der FDP, bei denen ich im Moment noch nicht sehe, dass sie einer Lösung im Interesse der Menschen ohne Weiteres zustimmen.

Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Lux von der Faktion der Grünen. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Innensenator! Nur um noch mal ein bisschen Verständnis für die Fragesteller aufzubringen: Das Land, Ihre Behörde schiebt Minderjährige ab, schiebt Leute ab, die seit 20, 30 Jahren in Berlin sind, und schiebt Alte, Kranke, Schwache ab. Ich frage Sie deswegen, ob Sie – wenn Sie sich die Landeszuständigkeiten vor Augen führen, dort, wo wir selber entscheiden können – sich in Zukunft vielleicht zurückhalten würden, Empfehlungen der Härtefallkommission, die eben auch für solche Fälle gemacht sind, abzulehnen, dass Sie sich vielleicht nächstes Jahr in diesen Härtefallberatungen, wie es auch in anderen Bundesländern der Fall ist, als Senat eben den Empfehlungen der Härtefallkommission, wenn sie positiv sind, auch anschließen, ohne eine eigene Prüfung vorzunehmen.

Senator Dr. Ehrhart Körting

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Lux! Ihre Fragestellung hat nur noch begrenzt, um nicht zu sagen überhaupt nichts mit der Altfallregelung zu tun, sondern hat generell was zu tun mit der Frage, wie wir mit Härtefällen umgehen. Wenn solche Fälle als Härtefälle kommen, werden sie als Härtefälle entschieden. Ich weise aber mal darauf hin, dass im Verhältnis zu den betroffenen Ausländern kein Bundesland so viele Härtefälle positiv entscheidet wie Berlin. Das muss man sich mal ganz nüchtern vor Augen führen. Es gibt allerdings auch Härtefallersuchen der Härtefallkommission – so ungefähr 20, 30 Prozent –, denen ich nicht entspreche und – wie ich auch meine – zu Recht nicht entspreche. Es gibt Härtefallersuchen, wo jemand wegen Vergewaltigung zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden ist. Und dann ist er gekommen und hat gesagt, er möchte aber unbedingt in der Bundesrepublik Deutschland bleiben. Und die Härtefallkommission hat ein entsprechendes Ersuchen gestellt.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne) – Ralf Hillenberg (SPD): Das muss man sich mal überlegen!]

Und ich habe entschieden, ich mache das nicht. Ich möchte das den Leuten nicht zumuten, in solchen Fällen als besonderer humanitärer Härtefall zu sagen, da bleibt ein Vergewaltiger in Deutschland. Nein, mache ich nicht, können Sie machen, wenn Sie die Regierung haben, Herr Lux!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von Benedikt Lux (Grüne) und Anja Kofbinger (Grüne)]

Danke schön!

Jetzt geht es weiter mit der Mündlichen Anfrage Nr. 9 der Frau Kollegin Dr. Barth von der Linksfraktion über

Ausbildung von pädagogischen Fachkräften für Berliner Kitas

Bitte schön, Frau Barth, Sie haben das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie viele Studentinnen und Studenten haben mit Beginn des Ausbildungsjahres 2009/10 in Berlin eine Ausbildung bzw. ein Studium zu einer pädagogischen Fachkraft für die Arbeit in einer vorschulischen Bildungseinrichtung aufgenommen, und wie viele davon absolvieren ein Studium auf Fachhochschulniveau?

2. Wie schätzt der Senat den Bedarf an pädagogischen Fachkräften für die Berliner Kitas jetzt und in den nächsten Jahren ein, und wie will der Senat diesen decken?

Danke schön! – Dafür ist der Bildungssenator zuständig. – Bitte schön, Herr Prof. Zöllner!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Barth! Zur Frage 1: Die Statistik über die Studierenden an den öffentlichen und privaten Fachschulen im sozialpädagogischen Bereich wird für das laufende Schuljahr 2009/10 derzeit erarbeitet und leider erst Ende Dezember zur Verfügung stehen. Daher kann ich Ihnen keine neuen konkreten Zahlen nennen. An den Berliner Fachhochschulen werden insgesamt in drei Studiengängen Studierende für eine spätere Arbeit in einer vorschulischen Bildungseinrichtung ausgebildet. Zum Wintersemester 2009/10 wurden insgesamt 169 Studierende im ersten Fachsemester immatrikuliert.

Zur Frage 2: Zweifellos ergibt sich ein erhöhter Fachkräftebedarf aufgrund des vom Senat vorgelegten Gesetzentwurfs zur Einführung der beitragsfreien Förderung im Kindergarten. Demnach soll in den nächsten drei Jahren der bisherige Rechtsanspruch auf einen Halbtagsplatz für die Kinder ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt stufenweise durch einen bedarfsunabhängigen Anspruch auf einen Teilzeitplatz abgelöst werden. Hierzu wurden umfassende Vorkehrungen getroffen, über die ich Sie jetzt anhand von Beispielen gerne informieren kann. Es sind erstens zusätzliche Ausbildungskapazitäten geschaffen worden, die im Schuljahr 2009/10 drei Vollzeit- und vier Teilzeitklassen umfassen. Außerdem wurden vier private Fachschulen zum Schuljahr 2009/10 genehmigt. Eine fünfte Fachschule wird im nächsten Frühjahr – so hoffe ich – ihre Arbeit aufnehmen. Im Rahmen des bereits erwähnten Gesetzentwurfs sollen Regelungen zur Anerkennung von Fachkräften z. B. dahin gehend erweitert werden, dass Personen in einer berufsbegleitenden Ausbildung oder Personen mit anderen pädagogischen Ausbildungen aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen und Tätigkeiten sowie einschlägiger Fortbildungen berücksichtigt werden können. Denkbar ist auch, dass vonseiten der Träger dem Fachkräftebedarf insbesondere durch Veränderung von Teilzeit- zu Vollzeitbeschäftigungen begegnet werden kann. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten des Quereinstiegs und auch der externen Prüfung wie in Brandenburg in der Situation helfen, sodass ich meine, dass wir in der kurz vor uns liegenden Zeit die Probleme bewältigen können. Wie es langfristig aussieht, wird sicher auch von der Entwicklung insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland abhängen.

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Dr. Barth? – Bitte schön!

Ja, danke! – Herr Senator! Sie haben ziemlich ausführlich dargestellt, welche Aktivitäten in Berlin schon laufen. Zum letzten Satz, den Sie gesagt haben, würde mich interessieren, welche Aktivitäten vonseiten der KMK angedacht sind. Vielleicht gibt es auch auf der Bundesebene schon welche. Das würden wir gerne hören.

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte schön!

Sowohl die Schwerpunktsetzung als auch das Problembewusstsein für die Notwendigkeiten des vorschulischen Bereichs sind in Berlin überproportional ausgebildet, sodass wir in Bezug auf Gesamtaktivitäten der KMK noch etwas warten müssen.

Danke schön, Herr Senator! – Keine weiteren Nachfragen mehr!

Dann ist der Kollege Klaus-Peter von Lüdeke von der Fraktion der FDP dran mit einer Mündlichen Anfrage zum Thema

Bebauungsplanverfahren 7-29 Gasometer in Schöneberg?

Bitte schön, Herr von Lüdeke!

Ja, besten Dank! – Ich frage den Senat:

1. Welches Ergebnis hat die Rechtskontrolle des Bebauungsplanes 7-29 durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gebracht?

2. Warum wurde bei dem Bebauungsplan 7-29 kein Sondergebiet „Europäisches Energie Forum“ –EUREF – mit Zubehörbauten ausgewiesen?

Die Senatorin für Stadtentwicklung, Frau Junge-Reyer, hat das Wort zur Beantwortung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Die Rechtskontrolle konnte noch nicht abge

schlossen werden. Das zuständige Referat sah sich gezwungen, mehrere Unterlagen vom Bezirksamt nachzufordern. Aussagen dazu müssen ebenfalls noch gemacht werden, sodass es noch keine abschließende Prüfung im Sinne der Rechtsprüfung durch die zuständige Abteilung gibt. Es wird intensiv daran gearbeitet, aber wir sind von der Zulieferung der entsprechenden Unterlagen durch das Bezirksamt abhängig.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wie Sie eigentlich wissen, handelt es sich um eine Angelegenheit des Bezirks. Deshalb sage ich Ihnen deutlich, dass nach der bezirklichen Begründung zum Bebauungsplan die Ansiedlung von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit dem Schwerpunkt Energie geplant ist. Der Bezirk will dafür ein Kerngebiet ausweisen. Allerdings beabsichtigt der Bezirk nicht, ein Sondergebiet auszuweisen. Dies hat er ausdrücklich dargestellt. Er möchte im Rahmen dieses Kerngebietes auch andere Nutzungen zulassen und diese Nutzungsmöglichkeiten – gegebenenfalls in einem großen Umfang als Dienstleistungs-, als Geschäftsfläche welcher Art auch immer – natürlich nicht durch die Ausweisung eines Sondergebietes mit einem bestimmten Zweck einschränken. Er legt ausdrücklich wert darauf, dass es kein Sondergebiet werden soll.