Änderungen daran scheinen mir nicht opportun, ich sage das ganz offen. Denn eine Erweiterung des Ausschlussgrundes auf die alte Fassung bringt wieder viel größere Rechtsunsicherheit mit sich und zwingt im Zweifel das Verfassungsgericht, Dinge zu tun, die es eigentlich nicht tun darf, nämlich politische Entscheidungen zu treffen. Man muss es sich einmal vorstellen: Was soll die verfassungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle, von der früher immer die Rede gewesen ist, sein? Das eine Gericht sagt, bei 0,1 Prozent des Haushalts sei ein Volksbegehren unzulässig, das andere Verfassungsgericht sagt, dies sei bei 1,5 Prozent so. Das sind keine Kriterien und das lässt sich nicht juristisch entscheiden. In der Verfassung steht darüber nichts. Also finde ich es richtig, die Fassung, die wir eingeführt haben, zu nehmen und damit umzugehen. Es ist wichtig, dass derjenige, der eine Volksgesetzgebung initiiert, weiß, ob er es legal macht oder nicht. Dadurch ist die Fassung: Volksbegehren zum Haushaltsgesetz sind unzulässig, völlig in Ordnung, ausreichend und rechtssicher. Mit den Konsequenzen muss das Parlament umgehen, das ist nun einmal so – bei allen damit verbundenen politischen Problemen.
Insofern ist für mich das Urteil zum Kitavolksbegehren ein notwendiger Schritt auf einem zu erwartenden und erforderlichem Klärungsprozess zur Reichweite unserer neuen Verfassungsnorm. Das ist überhaupt kein Problem. Damit kann man völlig unaufgeregt umgehen. Künftig wissen wir, inwieweit solche Volksbegehren zulässig sind oder nicht, das ist damit ein für allemal entschieden.
Nicht geurteilt hat der Verfassungsgerichtshof darüber, ob die Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe offengelegt werden dürfen, ohne dass damit gegen höherrangiges Verfassungsrecht verstoßen wird.
Liebe Frau Kosche, das hat er nicht getan. Zu meinem Bedauern, möchte ich fast hinzufügen, denn es ist bekannt, dass ich die 1999er Teilprivatisierung für eine der gravierendsten Fehlentscheidungen des schwarz-roten Diepgen-Senats halte und finde, dass die Verträge alle lesen können sollten.
Es steht eben nicht im Urteil – wie der Kollege Ratzmann vorhin gesagt hat –, dass der Senat Mauschelei und Intransparenz begangen hätte und das nicht zulässig sei. Dazu steht überhaupt nichts im Urteil, denn entschieden hat das Verfassungsgericht, dass der Senat wegen einer Veränderung, die wir im Abstimmungsgesetz vorgenommen haben, überhaupt nicht mehr prüfen darf, ob eine Initiative für ein Volksbegehren mit höherrangigen oder Verfassungsrecht konform geht oder nicht. Hier bitte ich auch um Ehrlichkeit im Haus. Diejenigen, die damals über die Verfassungs- und Gesetzesänderung verhandelt haben, wissen, dass wir die Prüfung zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht gestrichen haben, weil wir sie nicht mehr wollten, sondern deshalb, weil wir sie für selbstverständlich hielten. Klar, dachten wir: Der Senat ist an Recht und Gesetz gebunden, der muss so etwas natürlich prüfen. Das war damals die Debatte im Kreis derjenigen, die über die Gesetze verhandelt haben. – Das haben wir nun davon. Das Verfassungsgericht hat daraus eine andere Konsequenz gezogen – durchaus mit beachtlichen Argumenten. Mich zumindest hat diese Konsequenz im ersten Moment überrascht.
Ich war überhaupt nicht Beklagter, lieber Kollege Richter, das sollten Sie wissen. Das Parlament war nicht Beklagter, ich war nicht Beklagter,
Man kann sich die Frage stellen, ob es sinnvoll ist – die Meisterin des guten Stils, Frau Pop –, den Aufwand betreiben zu lassen, die Tippeltappeltour, möglicherweise eine Abstimmung, damit anschließend der Senat oder das Abgeordnetenhaus mit einem Viertel seiner Mitglieder zum Verfassungsgericht gehen und ein solches Volksgesetz für nichtig erklären lassen. Ich halte das für ziemlichen Quatsch. Es ist gewiss nur begrenzt sinnvoll. Auch alle anderen Bundesländer kennen irgendeine Form der Präventivkontrolle in ihren Gesetzen, und wir wollten sie eigentlich auch. Selbst „Mehr Demokratie“ hat mir am Tag nach der Urteilsverkündung am Telefon gesagt, das sei nun nicht ganz im Sinne der Erfinder gewesen.
Und wenn wir ehrlich sind, dann ist es auch nicht im Sinne der Erfinder gewesen. Mein Vorschlag wäre hier eine Korrektur folgendermaßen, nicht mit der Rückkehr zur alten, weitgehenden Zulassungsprüfung durch den Senat, sondern eine neue Lösung. Der Senat möge einfach nur feststellen, dass die formalen Voraussetzungen eines
Volksbegehrens vorliegen, sonst nichts. Und der Senat und ggf. analog dem abstrakten Normenkontrollverfahren ein Viertel der Mitglieder des Abgeordnetenhauses soll vorab mit aufschiebender Wirkung beim Verfassungsgerichtshof eine Rechtsklärung herbeiführen können, wenn es Zweifel an der Übereinstimmung mit höherrangigem oder Verfassungsrecht gibt. Das ist sinnvoll. Das können wir so machen. Dann wäre eine Rechtskontrolle möglich. Es würde nicht über Quatsch abgestimmt. Und am Ende wüssten die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie da hingehen und wenn es eine Mehrheit gibt, dann hat dieses Gesetz danach auch Bestand. Ich finde, in dem Sinne sollten wir diskutieren.
Weitere Änderungen, die anstehen: Über die Transparenzregeln muss man nachdenken. Wenn künftig dreistellige Millionenbeträge bewegt werden können, will ich wissen, welche Initiativen mit welchem Geld da eigentlich was bewegen wollen. Wir sollten bei den Bezirken das Zustimmungsquorum einführen.
In Bezug darauf, wie wir mit den konkreten Volksbegehren umgehen, hat der Kollege Felgentreu gesagt, wie die Fraktionen mit dem Kitavolksbegehren umgehen.
Ich will noch zum Wasservertragsvolksbegehren sagen: Die Klärung, ob das rechtlich zulässig ist, was ich politisch will, ist mit diesem Urteil nicht geschehen. Wir haben eine Möglichkeit: Wir können als Parlament dieses Gesetz beschließen und den Senat sofort bitten, vor dem Verfassungsgerichtshof eine abstrakte Normenkontrolle darüber herbeizuführen, ob das zulässig ist oder nicht. Jedenfalls mit ein paar Floskeln aus dem 3. Semester, Herr Ratzmann, mit der Flucht ins Privatrecht und dergleichen allein ist es nicht getan. Wer sich der Form des Gesellschaftsrechts bedient, hat auch die Form des Gesellschaftsrechts einzuhalten. – Vielen Dank!
Bevor ich Frau Kosche das Wort gebe, lassen Sie mich einer angenehmen Pflicht entsprechen. Unter uns weilen vier Stipendiatinnen und Stipendiaten, deren Stipendien das Abgeordnetenhaus für ein Jahr ausgegeben hat. Sie nehmen das erste Mal an einer Sitzung teil. – Seien Sie herzlich willkommen!
Danke, Herr Präsident! – Herr Lederer! Sie haben mich ja eben in einer Art und Weise zum Kitavolksbegehren zitiert, wie ich mich überhaupt nicht geäußert habe. Ich hätte von Ihnen als Parteivorsitzendem erwartet, dass Sie
hier politisch auf dieses Urteil reagieren und sich vielleicht in dem Sinne äußern wie der Berliner SPDParteitag, der gesagt hat: Offenlegen, Gesetze machen und jetzt tun. Diese Politik hätte man vielleicht einmal erwarten können. Dass der Parteitag der SPD das eine und das andere will und die SPD-Fraktion dann nichts tut, wissen wir auch. Das ist nun nicht der Fortschritt.
Ich will die SPD-Beispiele hier nicht aufzählen, wir sind beim Wasservolksbegehren. Ich spreche hier für den Berliner Wassertisch und sage: Legen Sie die Verträge offen! Herr Lederer, Sie sind Parteivorsitzender. Sie könnten auch so einen Beschluss in Ihrer Partei herbeiführen!
Herr Präsident! Liebe Frau Kosche! Ich habe Sie überhaupt nicht zitiert, ich wollte nur um Ihre Aufmerksamkeit bitten und habe deswegen Ihren Namen genannt, um Ihr Ohr zu gewinnen.
Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus wird aufgefordert, ein Gesetz einzubringen, das den Forderungen des Volksbegehrens... entspricht.
Da sagte ich gerade, das wäre durchaus ein Vorschlag. Man kann darüber nachdenken, ob die SPD-Fraktion und wir das machen. Und dann stimmen wir alle dem zu. Ich habe aber auch gesagt, dass Sie nicht recht haben mit der Behauptung, in dem Urteil des Verfassungsgerichts stünde schon drin, das sei alles völlig mit höherrangigem und Verfassungsrecht vereinbar. Auch die SPD hat an dieser Stelle – tut mir leid, das muss ich an der Stelle einmal tun – in ihrem Beschluss noch ein bisschen zu lernen. Da steht nämlich auch:
Darüber hinaus soll die Partei eine öffentliche Debatte darüber führen, dass auch dann, wenn es zulässig ist, Regelungen im Bereich der öffentlichrechtlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge zwischen Staat und Dritten privatrechtlich auszugestalten, dies nicht dazu führt, dass diese Rechtsgeschäfte den Bedingungen des öffentlichen Rechts entzogen werden. Die öffentliche Kontrolle muss auch in diesen Fällen gewährleistet bleiben.
Dazu muss ich sagen: Das ist rechtlicher Unfug. Wer sich für die Handlungsformen des privaten Rechts entscheidet, muss mit den Konsequenzen des privaten Rechts leben. Das ist nicht zu ändern. Man kann nicht einerseits das Privatrecht benutzen, sich aber innig wünschen, dass die
Konsequenzen des Privatrechts nicht eintreten mögen, sondern die des öffentlichen Rechts. Das ist Quark. Deswegen muss man sich entscheiden, was man will. Und in dem Zusammenhang muss man sich dann auch entscheiden, ob man beispielsweise private Rechtsformen wählt, in denen man denen, mit denen man den Vertrag eingeht, einen gewissen Grundrechts- und Geheimnisschutz garantieren muss. Das ist ja das Problem bei Privatisierungen. Deswegen stehen wir ja gegen Privatisierungen. Deswegen sagen wir ja, wir wollen die öffentlichen Rechtsformen benutzen. Deswegen sage ich auch: Wir können das hier gern so machen. Aber die Rechtskontrolle werden wir trotzdem durchführen müssen. Und entgegen Ihrer Behauptung hat der Verfassungsgerichtshof bisher nichts unternommen. Er hat explizit gesagt: Das steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Wer das prüfen will, der soll danach im abstrakten Normenkontrollverfahren noch mal zu uns kommen. – Darauf werden wir es jetzt wohl hinauslaufen lassen müssen, wenn wir es ernst meinen.
Die Position meiner Partei zu den Berliner Wasserbetrieben, zu ihrer Teilprivatisierung und zu den Verträgen, liebe Frau Kosche, ist nicht nur bekannt, sondern seit langen Jahren immer wieder dieselbe gewesen. Wir waren ja auch einmal zusammen beim Verfassungsgerichtshof, als es darum ging, dafür zu sorgen, dass die Abgeordneten dieses Hauses in die Verträge hineinschauen können. Dadurch, dass Sie versuchen, gebetsmühlenartig immer wieder Misstrauen und Falschinformationen in die Öffentlichkeit zu streuen, ändert sich nichts daran, dass wir eigentlich an dieser Stelle politisch an derselben Front kämpfen, für dasselbe eintreten. So ist das nun mal!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihren Vorschlag, Herr Lederer, zur Rechtskontrolle nehme ich gern auf. Damit können wir gleich beim nächsten Haushaltsgesetz des Senats anfangen. Aber dabei werden Sie nicht ganz so gut aussehen, wenn wir diese durchführen.
Herr Felgentreu, Herr Lederer! Sie versuchen hier, Öffentlichkeit und Parlament mit technokratischen Redebeiträgen davon abzulenken, dass Sie vor dem Verfassungsgericht eine krachende Niederlage erlitten haben. Dieses Ablenkungsmanöver werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Das Verfassungsgericht hat mit seinem Urteil den Weg für beide Volksbegehren über die Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe und zur Kitaqualität freigemacht. Wir haben beide Volksbegehren von Anfang an unterstützt und sind nicht so im Ungefähren geblieben wie Sie. Wir freuen uns, dass der Senat mit seinem Versuch, die Volksbegehren abzuschmettern, gescheitert ist. Seitdem Sie regieren, kann ich mich nicht erinnern, dass Sie auch nur ein einziges Verfahren vor dem Verfassungsgericht gewonnen hätten. Sie haben jedes einzelne krachend verloren. Und wieder einmal sind Sie mit Ihrer Politik gegen die Wand gefahren und haben vom höchsten Berliner Gericht eine Ohrfeige erteilt bekommen,
für Ihre Politik, die konsequent an den Menschen in dieser Stadt vorbeiregiert, mit einem Regierenden Bürgermeister, der hauptsächlich mit taktischen Spielchen rund um die Besetzung des SPD-Parteivorstandes beschäftigt ist, einem Innensenator, der sich dazu aufschwingt, Volksbegehren für unzulässig zu erklären, obwohl er dafür gar kein Mandat hat. Ich frage mich, wie die Koalitionsabgeordneten sich selbst noch ernst nehmen können, nachdem sie diesem Unfug auch noch brav zugestimmt haben. Mit Rot-Rot ist das Parlament zur Abnickveranstaltung für diese Regierung geworden.