Wir alle wissen: Verfassungsänderungen allein sind kein Garant für gesellschaftliche Veränderungen. Aber in Sachen Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen und im Kampf gegen Homophobie und Transphobie hat sich in Berlin im letzten Jahr gewaltig etwas bewegt. Vor zehn Monaten haben wir hier einen Aktionsplan gegen Homophobie beantragt, im April wurde er in veränderter Form beschlossen, und nur drei Monate später wurde er durch Arbeitsgruppen aus der Verwaltung und freien Trägern mit Maßnahmen unterlegt. Wie es scheint, wird er auch zur 2. Lesung im Hauptausschuss ausfinanziert sein. In vielen Bezirken – heute in Pankow – gibt es ähnliche Initiativen. Weil es der Sache dient, sind wir als Opposition und in bezirklicher Verantwortung gern die treibende, konstruktive Kraft.
Ja! – Ich möchte mit einem Zitat enden, und zwar mit einem Zitat von Roland Heintze, CDU-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg:
Mit dem Diskriminierungsverbot im Grundgesetz wird niemandem etwas weggenommen, aber vielen etwas gegeben.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Birk! – Das Wort für eine Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Braun von der Fraktion der CDU. – Bitte!
Herr Abgeordneter Birk! Ihr Redebeitrag gibt Veranlassung zu einer Kurzintervention. Ich möchte Folgendes klarstellen: Zur Modernität einer Partei gehört es nicht, darüber zu streiten, was im Grundgesetz ergänzt werden sollte und was nicht. Ich halte es allerdings für unfair, wenn Sie einer Fraktion hier im Hause – welcher auch immer – unterstellen, dass sie beispielsweise etwas gegen Homosexuelle oder Lesben hätte, weil sie eine bestimmte Ergänzung im Grundgesetz nicht vornimmt. Das ist ein Umgang, den wir uns hier im Hause nicht leisten sollten.
Lassen Sie mich noch auf einen zweiten Punkt eingehen – die Erörterungen im Kulturausschuss. Ich habe im Kulturausschuss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Antrag, das Schwule Museum in Berlin zu unterstützen, zumindest in der aktuellen Form, wie er vom Senat eingebracht wurde, systemfremd ist. Ansonsten sind Ihre Kulturpolitiker – Sie, Herr Schruoffeneger und insbesondere auch Frau Ströver – immer sehr schnell dabei zu fragen: Hat hier eine Evaluierung stattgefunden? Was sind die Gründe? Wo sind die Wirtschaftspläne und Ähnliches? – Insofern ist es schon auffällig, wenn man bei einem einzigen Haus diese Grundsätze verlässt, weil man das politisch so will. Man verzichtet in diesem Fall auf all das, weil es einem politisch lieb ist und man es haben will.
Es gibt viele Dinge in dieser Stadt, die man gern fördern würde – aus unterschiedlichen Gründen. Obwohl sie wichtig für diese Stadt sind, können wir sie uns nicht leisten. Niemand im Kulturausschuss und niemand im Abgeordnetenhaus – das unterstelle ich – hat etwas gegen dieses Museum, aber wir wollen nachvollziehbare Kriterien haben, nach denen eine Förderung überprüft wird. Diese Diskussion hatten wir, und ich finde es unfair von Ihnen, Herr Birk, wenn Sie hier so tun – wider besseres Wissen –, als ob irgendeiner etwas dagegen hätte, weil er gar gegen Homosexuelle oder Lesben sei. Das ist eine unzulässige Verknüpfung, und gegen die verwahre ich mich im Namen meiner Fraktion.
Herr Braun! Das ist doch gar kein Problem. Wir können uns ja darüber austauschen. Zum einen lag der Wirtschaftsplan vor.
Natürlich liegt er vor. Ein ausführlicher Wirtschaftsplan lag von Anfang an vor. Lesen Sie in der roten Nummer nach! Ich habe sofort hineingeguckt und ihn studiert. – Es liegt ein Wirtschaftsplan des Schwulen Museums vor, aus dem hervorgeht, dass zusätzlich zu der Förderung selbstverständlich noch weitere Förderung von außen kommen muss, denn es sind mehr Stellen eingestellt, als ausfinanziert sind. Das heißt, das Schwule Museum wird weiterhin auch Mittel von außen akquirieren und weiterhin viel ehrenamtliche Arbeit leisten, wie es bereits seit 25 Jahren geschieht. Es ist weltweit das einzige Museum dieser Art, es ist weltberühmt, und viele Leute kommen nur deswegen nach Berlin, um sich dieses Museum anzusehen. Bedauerlich, dass Sie es noch nicht in dieser Weise gewürdigt haben!
Auf der anderen Seite haben wir bei den freien Theatern und den anderen Theatern die Kriterien, die Sie eingefordert haben. Bei den Museen haben wir Sie in dieser Form, wie Sie sie hier vorgetragen haben, nicht. Und ich finde es unredlich von Ihrer Seite, dass Sie ausgerechnet dann, wenn ein Museum gefördert wird, mit dem Sie vielleicht Probleme haben, plötzlich Kriterien fordern, die Sie an anderer Stelle so auch nicht gefordert haben. Wenn man diese Kriterien möchte, sollte man das generell debattieren. Das kann man gern machen. Aber diesem Museum gleich die gesamte Förderung wieder wegnehmen zu wollen, die es jetzt bekommen soll, halte ich nicht für den richtigen Weg.
Ansonsten, glaube ich, haben Sie mich sehr wohl verstanden, was die Kritik an der CDU und übrigens auch an der FDP angeht – im Zusammenhang mit der Frage, warum Sie sich nicht dieser Grundgesetzänderung nähern wollen. Es ist natürlich ein grundsätzliches Problem, das Sie damit haben, und das können Sie nicht damit verschleiern, dass Sie sagen: Na ja, es gibt bei uns auch viele Lesben und Schwule und viele, die sich für Lesben- und Schwulenpolitik einsetzen. – Das gibt es, auch in Ihren eigenen Reihen. Ich sehe Frau Thamm da oben sitzen. Ich weiß ganz genau, wie sie sich einsetzt. Aber Sie sollten sich in Gänze vielleicht auch einmal weiterbewegen. Wenn Herr Gram sagt: „Wir haben etwas erkämpft.“, frage ich mich:
Wo war die CDU bei diesem Kampf? – Sie läuft jetzt ein Stück weit hinterher, und ich freue mich für jeden, der dazukommt. Aber eine wirklich überzeugende Arbeit in diesem Bereich haben Sie hier in Berlin in der Summe noch nicht geleistet. – Tut mir leid!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Birk! So schlecht scheinen wir das in Deutschland als FDP gar nicht zu machen. Nicht umsonst sind wir die drittstärkste Kraft in Deutschland, und Sie sind die fünftstärkste Kraft.
Es ist kaum nachzuvollziehen, warum Sie diesen Antrag für eine Bundesratsinitiative gleich zwei Mal hier im Plenum abfeiern wollen. Liebe Freunde von der Linkspartei! Sie feiern ihn einmal ab, wenn Sie den Antrag einbringen und im Plenum abstimmen lassen.
Aber es ist doch Ihre Priorität, die ich hier gerade sehe, Herr Dr. Lederer! – Und Sie feiern diese ganze Geschichte noch einmal ab, wenn der Senat den Vollzug meldet. Lieber Herr Dr. Lederer! Diese Feierstunde, die Sie hier veranstalten, steht im groben Missverhältnis zu den Erfolgsaussichten dieser Bundesratsinitiative für eine Grundgesetzänderung.
Sie scheinen bei dieser Feierstunde und bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten vergessen zu haben, dass nicht die Union, sondern die SPD auf 23 Prozent gesunken ist. Insofern können Sie sich die Erfolgsaussichten ausrechnen. Sie wissen, dass diese Feierstunde unangemessen ist.
Die Feierstunde steht auch im groben Missverhältnis zu den Erfolgen der großen Koalition – oder besser gesagt: zu den Erfolgen der SPD in der großen Koalition. Wie Kollege Gram schon gesagt hat, hat die SPD im Rahmen der großen Koalition gar nichts für die Gleichstellung erreicht. Was haben Sie im Steuerrecht erreicht? Was haben Sie im Adoptionsrecht erreicht? Was haben Sie im Beamtenrecht erreicht? – Sie haben nichts erreicht, und deswegen ist dieser Antrag für die Bundesratsinitiative ein Ablenkungsmanöver der Sozialdemokraten von dem eigenen Versagen in der großen Koalition.
Unsere Ablehnung – auch wenn Sie das nicht hören wollen – ist konsequent. Es gab in der Vergangenheit verschiedene Versuche von verschiedenen Gruppen, bestimmte Zielgruppen oder Interessengruppen in das Grundgesetz aufzunehmen. Das haben die Sportpolitiker für den Sport, die Kulturpolitiker für die Kultur und die Jugendpolitiker für die Kinder versucht. Lieber Herr Birk! Die FDP hat in jedem einzelnen Fall hier in Berlin gesagt: Wir verwehren uns gegen eine solche Änderung. Solche Änderungen sind Symbolpolitik. Sie bringen nichts. – Insofern ist es völlig daneben, hier so zu tun, als ob wir Ihren Antrag ablehnen, weil wir irgendwelche Probleme mit Homosexualität hätten.
Die Grundgesetzänderung, die Sie vorschlagen, ist reine Symbolpolitik. Sie bewirkt konkret nichts. Herr Birk! Es geht letztlich doch in erster Linie – und so habe ich Sie auch verstanden – um die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe.
Herr Dr. Lederer hat es bei der letzten Debatte zu diesem Thema doch auch gesagt: Es gibt kein Abstandsgebot im Grundgesetz. Eine Gleichstellung kann man auch ohne Grundgesetzänderung erreichen.
Herr Birk! Was haben Sie eigentlich unter Rot-Grün erreicht? – Das müssen Sie sich doch fragen lassen.
Warum hat denn Herr Fischer nicht den Staaten die Entwicklungshilfe gestrichen, die Homosexuelle diskriminieren? – Das müssen Sie sich doch fragen.
Herr Kluckert! Glauben Sie, dass das Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderung im Grundgesetz auch nichts bewirkt?
Ich bin der Auffassung, dass Menschen mit Behinderung in Deutschland weiter benachteiligt sind. Da haben Sie recht. Es mag sicherlich auch das eine oder andere bewirken, aber Diskriminierung von Behinderten haben Sie mit einer Grundgesetzänderung tatsächlich nicht ausgeräumt. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, und deswegen ist es – wie Sie schon sagten – ein gewisses Symbol, das Sie setzen möchten.
Wie gesagt, es gibt kein Abstandsgebot im Grundgesetz. Sie können das alles einfach gesetzlich regeln. Herr Birk! Es gibt aber auch keinen Grund dafür, hier ein Abstandsverbot in das Grundgesetz aufzunehmen – so, wie Sie es mit dieser Bundesratsinitiative vorhaben. Denn letztendlich ist es so, dass weiterhin Artikel 6 im Grundgesetz zumindest die Bevorzugung der Ehe ermöglicht. Ob ich das möchte oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Artikel 6 ermöglicht das, und deshalb ändert Ihre Bundesratsinitiative nichts daran, dass solche Abstände weiterhin dem einfachen Gesetzgeber möglich sind.
Ein einfacher Vergleich dazu: In Artikel 3 steht auch, dass man Männer nicht diskriminieren darf. Trotzdem ist es möglich, Männer bei der Wehrpflicht zu diskriminieren, weil es nämlich in Artikel 12a Grundgesetz steht. Insofern ist auch Ihre Bundesratsinitiative kein großer Wurf für die Gleichstellung.