Protocol of the Session on September 10, 2009

Jetzt sage ich noch mal etwas zu dem Vertrag, weil Herr Steffel eben wieder bewusst gelogen hat. Für Qualitätseinschränkungen gibt es eine fünfprozentige Deckelung. Für Quantitätseinschränkungen gibt es überhaupt keine Deckelung. 100 Prozent nicht erbrachte Leistung sind 100 Prozent kein Geld. Was wollen Sie da noch abziehen? – Das ist völlig absurd.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und dass Sie diesen Unsinn hier drei Mal wiederholen, ändert doch nichts daran, dass es Unsinn bleibt.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Abgesehen davon ist auch das wieder typisch. Erst redet man davon, der Markt regle das alles; wenn sich dann

erweist, dass der Markt gar nichts regelt, wird nach dem Staat geschrien, in dem konkreten Fall in Gestalt des Regierenden Bürgermeisters und der Stadtwicklungssenatorin.

[Christoph Meyer (FDP): Wir haben keinen Markt! – Björn Jotzo (FDP): Es gibt keinen Markt!]

Hier laufen Ermittlungen ab. Diese Ermittlungen werden darauf hinauslaufen zu prüfen, inwieweit hier vorsätzlich schädigende Handlungen vorgenommen worden sind. Wenn das so ist, dann gibt es nicht nur Strafen, sondern auch Schadensersatzpflicht, die weit über das hinausgehen, was man in solchen Verträgen vereinbaren kann. Dazu gibt es nämlich Bundesrecht. Die Kündigung des Vertrages – das ist hier schon mehrfach gesagt worden – ist reines symbolisches Handeln ohne jeden Realitätsbezug. Bei den Grünen kommt noch ein wenig moralische Selbstüberhebung dazu. Deswegen finde ich es auch sinnlos, hier Zwischenfragen zu beantworten, denn dieser moralischen Selbstüberhebung will ich nicht noch Brennstoff zuführen.

Der Worte sind genug gewechselt. Das Beispiel S-Bahn ist ein Lehrstück für alle Berlinerinnen und Berliner.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Mit ee!]

Ich hoffe, Sie haben hier auch zugehört, obwohl es noch einmal eine zusätzliche Runde sein musste. Das musste unbedingt sein, weil sich die Opposition diese Chance

[Özcan Mutlu (Grüne): Sie haben hier ja nichts zu sagen!]

Özcan, irgendwie habe ich Angst, dass du uns hier mit einem Herzkasper vom Stuhl kippst. Dann wird die Sitzung unterbrochen, und wir kommen nicht mehr zur Haushaltsberatung. Das können wir doch nicht ernsthaft wollen. Also schalte doch einfach einmal einen Gang zurück.

[Özcan Mutlu (Grüne): Peinlich ist das! Ihr habt hier nichts zu sagen; das ist das Problem!]

Die Grünen haben hier heute geschrieen – das alles zusammen genommen, ist noch einmal eine dritte Rederunde. Es ist alles gesagt. Deswegen können wir an der Stelle Schluss machen. Ich glaube schon, dass die Berlinerinnen und Berliner genau wissen, welche Schlussfolgerungen sie aus dem S-Bahn-Desaster und dieser Debatte zu ziehen haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Als letzter Redner hat für die FDP-Fraktion Dr. Lindner das Wort.

[Unruhe – Daniel Buchholz (SPD): Noch ein Verkehrsexperte! Ich habe Sie noch nie in der S-Bahn gesehen!]

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Wenn Sie gestatten, kehre ich zum parlamentarischen Sie zurück. – Herr Regierender Bürgermeister, es war sehr spannend, wie Sie wieder suggerierten, Schuld an allem sei die FDP.

[Beifall bei der FDP – Heiterkeit]

Das hören wir uns jetzt schon seit Wochen an. Wir regieren zwar seit 1998 im Bund und seit Mitte der 80er-Jahre in Berlin nicht mehr, aber dank unserer charismatischen Art kriecht der Geist des Neoliberalismus schon seit Jahren in sozialdemokratische Schädel – natürlich auch in Grüne, fast schon in Linke und CDU-Schädel – und vergiftet den ganzen Raum. Deswegen wird seit 1998 überall neoliberale Politik gemacht,

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie auch mal gefragt, warum?]

obwohl wir gar nicht regieren. Das ist wirklich ein ganz erstaunliches Phänomen.

Er kriecht zum Beispiel in die sozialdemokratischen Schädel von Tiefensee oder Herrn Steinbrück, Herrn Clement; sie sind alle verseucht gewesen, um einmal zu einer Verantwortung auf Bundesebene für die Bahn, die S-Bahn und die Deutsche Bahn, zu kommen. Das gilt auch für Herrn Schröder, der den Mehdorn berufen hat. Das ist auch ein klassischer Neoliberaler. Werner Müller, im Aufsichtsrat, ist Sozialdemokrat.

[Christian Gaebler (SPD): Der ist parteilos!]

Parteilos, das ist klar, aber er war auf eurem Ticket da drin, er war schließlich auch unter Schröder Wirtschaftsminister. Nicht vergessen zu erwähnen möchte ich für Berlin Herrn Wowereit, Herrn Strieder, Frau JungeReyer. Das sind alles Sozialdemokraten, aber schuld ist die FDP.

[Heiterkeit bei der FDP]

Das können Sie vielleicht auf Ihren Parteitagen Ihren Leuten verzapfen. Da draußen glaubt es keiner.

[Beifall bei der FDP]

Auf die Parteitage verweisen Sie dann. Aber der SPDParteitag hat etwas ganz Anderes beschlossen als die bösen Tiefensees und Steinbrücks und alle anderen. Seien Sie stolz auf Ihre Erfolglosigkeit, dass Sie es nicht geschafft haben, sich mit diesen Fragen durchzusetzen, und Sie es lieber unter der Decke halten. Erzählen Sie uns auch noch, wie wirkungslos Sie in den letzten Jahren gewesen sind! Das ist wirklich bemerkenswert.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Lassen Sie mich zum Thema Privatisierung der Bahn zwei Sätze sagen. Ich finde es schon erstaunlich, wie in diesem Haus hier auf einem Sanierungskurs der Deutschen Bahn herumgehackt wird, der wirklich beispiellos ist.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Allerdings!]

Da kann mir das Eine oder Andere auch nicht gefallen. Aber wohin wollen Sie denn wieder? Wollen Sie wieder zurück zu dem von Referenten geführten alten Staatsunternehmen Reichsbahn oder Bundesbahn, das über Jahrzehnte ein Milliardengrab für den deutschen Steuerzahler war? Wollen Sie wirklich wieder dorthin zurück?

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das hat funktioniert!]

Wollen Sie wieder, dass der deutsche Michel, der deutsche Steuerzahler jedes Jahr von seinen Steuergeldern, die er bezahlt, Milliarden Euro in die Deutsche Bahn subventioniert? Das kann doch nicht ernsthaft Ihr Wille sein. Es ist jedenfalls nicht der Wille der FDP, und wir werden auf jeden Fall dagegen kämpfen, dass wir zurück in die alte Staatsbude fallen, die den Steuerzahler Milliarden Euro gekostet hat.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deswegen danke ich Herrn Mehdorn und der Führung der Deutschen Bahn, dass sie sie aus diesem Milliardengrab heraus und hin zu einem international wettbewerbsfähigen Unternehmen geführt hat.

[Martina Michels (Linksfraktion): Mit kaputten Bremsen!]

Die FDP hat sich gegen das ursprüngliche Privatisierungsverfahren gestellt. Das ursprüngliche Verfahren hat diese Mischform vorgesehen. Wir wollen – das zieht sich quer durch alle Ebenen –, dass die Infrastruktur – Bahnhöfe, Gleise – in hundertprozentigem Staatsbesitz bleibt. Der Betrieb kann dann umgekehrt privatisiert werden.

[Beifall bei der FDP]

Die Privatisierung – jetzt kommen wir zum Kern der Debatte – ist doch gar nicht der Punkt im Sinne eines Veränderns der Rechtsform oder eines Veränderns der Aktionärsstruktur. Das hat doch damit gar nichts zu tun. Das ist das, was sich ein sozialdemokratisch leicht neoliberal vernebelter Kopf darunter vorstellt.

[Martina Michels (Linksfraktion): Jawoll!]

Wir wollen Wettbewerb. Es kommt doch gar nicht auf die Aktionärsstruktur an.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Rendite wollen Sie!]

Ich zeige Ihnen noch ein Bespiel auf Landesebene. Es geht um die Wasserbetriebsprivatisierung. Das sind auch sozialdemokratische Ergüsse. Sie haben genau dazu geführt, dass Sie ein staatliches Monopol teilprivatisiert, damit die Kontrolle verloren haben und jetzt Renditeverpflichtungen eingehen müssen, ohne wirklich Wettbewerb zu haben.

Hier sage ich Ihnen als zweiten Punkt: Merke, aus freier demokratischer Sicht haben wir lieber ein staatliches Monopol als ein privates Monopol.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber dort, wo man Wettbewerb organisieren kann, verlangen wir, dass auch Wettbewerb betrieben wird. Wir haben es im Luftverkehr, um Ihnen einmal Beispiele zu nennen. Gleiches gilt für die Telekommunikation. Da ist auch die staatliche Infrastruktur, die Flughäfen, in staatlicher Hand. Die Vergabe der Slots befindet sich auch unter staatlicher Kontrolle. Der Betrieb selbst ist jedoch wettbewerblich organisiert. So wollen wir es auch hier haben.

Jetzt kommen wir zur S-Bahn. Sie können doch nicht ernsthaft erwarten, dass sich die Zustände der S-Bahn ändern, wenn Sie hier erklären – das war auch noch höchst widersprüchlich –, dass Sie auch langfristig gar keinen anderen Anbieter dieser Leistung als die Deutsche Bahn sehen. Was glauben Sie denn, was diese dann für eine Leistung erbringen? Wer sich sicher sein kann, dass er trotz aller immer wieder neuen Fehler und Verfehlungen immer wieder Auftragnehmer bleibt, ist ein schlechter Auftragnehmer. Das ist inzident. Das ist ein diesem Konstrukt innewohnender Fehler.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]