Protocol of the Session on June 25, 2009

Polizei ist dafür da, Ordnung und Sicherheit zu garantieren. Ich halte es für völlig verkehrt, hinterher eine Kostenfrage zu stellen. Der Rechtsstaat und die Sicherheit sind nicht kostenlos, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber dann bitte ich Sie doch, zumindest mit ehrlichen Zahlen zu operieren!

Die Unterstützungskräfte, die wir für den 20. Juni von anderen Bundesländern angefordert haben, werden uns voraussichtlich 346 000 Euro kosten. Die Rechnung bekommt man üblicherweise erst ein Jahr später, weil die anderen das erst sehr spät ausrechnen. Das sind zusätzliche Kosten, die vom Land Berlin getragen wurden.

[Kurt Wansner (CDU): Die bezahle ich gern!]

Alles andere ist eine Milchmädchenrechnung, wenn ich sozusagen jeden Polizeibeamten, den ich einsetze, mit Stundensatz und seiner späteren Versorgung dagegen rechne. Den kann ich übrigens bei allen Einsätzen theoretisch dagegen rechnen. Ich halte das für völlig verkehrt. Polizei ist dazu da, Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, wo immer es passiert, auch wenn es eine friedliche Veranstaltung ist. Natürlich kostet uns der BerlinMarathon, wenn Sie so rechnen, einige Hunderttausend oder Millionen Euro, weil ich entsprechend Polizei aufbieten muss. Aber keiner kommt doch auf den absurden Gedanken, deshalb machen wir das nicht, weil es Geld kostet. Nein! Recht, Sicherheit und Ordnung kosten Geld. Das ist eine entscheidende Frage, die müssen Sie auch beantworten. Sie müssen sie nur mit ehrlichen Zahlen beantworten, Herr Jotzo, Herr Lindner, und müssen sie nicht beantworten mit Zahlen von zwei Millionen oder ähnlichen.

[Zurufe von der FDP]

Auch bei der Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Einsatzes haben hier einige ziemlich herumgeeiert, dass muss ich schon sagen. Ich lasse die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen außen vor, weil sie schon vorher herumgeeiert hat und von allen Beteiligten entsprechend gewürdigt worden ist. Aber auch nach dem TempelhofEinsatz gab es plötzlich eine Debatte, ob das denn notwendig war, ob man die Leute nicht lieber auf das Feld hätte lassen sollen und mehr. Nein, meine Damen und Herren!

Senator Dr. Ehrhart Körting

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Wenn ich den massiven Rechtsbruch angekündigt habe, dann weiche ich dem massiven Rechtsbruch nicht dadurch aus, dass ich ihn legalisiere, indem ich die Zäune wegnehme. Das ist doch eine logische Konsequenz!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass man mit denjenigen, mit denen wir nachher unsere Probleme hatten – das waren ja nicht die friedlichen Demonstranten, mit denen wir die Probleme hatten, sondern Leute, die mit Enterhaken, mit Steinen, mit Flaschen oder ähnlichen Dingen zu der riesigen Demonstration gegangen sind –, nicht so oder so Probleme gehabt hätte. Mit diesen hätte ich meine Probleme so oder so gehabt – unabhängig davon, ob sie auf dem Tempelhofer Feld gewesen wären. Dann wären sie eben woanders hingegangen und hätten sich ein anderes Spielfeld gesucht, um in ihren Augen gegen die Staatsmacht zu kämpfen. Diesen Leuten gilt unser Kampf, und auch da kann ich nur all das unterstreichen, was Herr Ratzmann gesagt hat.

[Ramona Pop (Grüne): Es gibt Begehrlichkeiten für eine Freifläche in der Stadt!]

Ich bin nicht bereit, anderen Leuten zuzubilligen, zu bestimmen, wo ich wohne. Ob ich in einer Eigentumswohnung wohne, ob ich in Kreuzberg, am Prenzlauer Berg oder wo auch immer wohne, das ist meine Entscheidung. Das ist eine Entscheidung von freien Bürgern in dieser Stadt, und keiner hat das Recht, dieses mit Straftaten zu verhindern. Er wird von uns die Quittung bekommen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der FDP]

Jetzt hat noch einmal die CDU-Fraktion für zwei Minuten das Wort. – Herr Dr. Juhnke, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen. Zunächst einmal ist Folgendes bemerkenswert: In der Vergangenheit wurde der CDU-Fraktion immer wieder vorgeworfen, jede mögliche Frage und Fragestunde für das Thema Tempelhof zu gebrauchen. Insofern bin ich amüsiert über den Verlauf der heutigen Debatte, denn einige haben versucht, von den wirklichen Problemen im Bereich der inneren Sicherheit abzulenken und daraus eine Tempelhof-Debatte zu machen.

Ich möchte von unserer Seite auch noch eine Bemerkung hinzufügen, wenn wir schon einmal dabei sind: Es gab keine Mehrheit für die Schließung des Flughafens Tempelhof, sondern bei der Volksabstimmung wurde lediglich das Quorum nicht erreicht. Das gehört zur Wahrheit an der Stelle dazu.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ist das immer noch Trauerarbeit? – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

Zur Wahrheit gehört auch, dass der 1. Mai in die Hose gegangen ist, dass der Senat das erkannt hat und dass er haben möchte, dass ihm das nicht wieder passiert. Das ist in etwa der Status der inneren Sicherheit in Berlin. In dem Zusammenhang gibt es jetzt ein paar Lippenbekenntnisse, dass man ja auch bei dem Linksextremismus-Thema etwas machen muss. Aber ich sage Ihnen ganz offen: Auch wenn Herr Felgentreu in seiner wie immer sachlichen Art – das muss man fairerweise sagen – und auch Herr Wolf – die heute Kreide gefressen haben – Stellung genommen haben, eines haben Sie nicht getan: Sie haben keine Lösungen angeboten.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Was machen Sie denn?]

Außer Lippenbekenntnissen haben Sie nichts von sich gegeben. Es gibt nach wie vor eine einseitige Richtlinie der Regierungspolitik. Es wird nur gesagt, dass man sich mit Thema Rechtsextremismus beschäftigen will. Herr Körting! Sie kommen bei dieser Thematik nur dazu, rechte gegen linke Dinge aufzurechen. Das ist aber gar nicht das Thema. Man muss beides gemeinsam bekämpfen.

Herr Wowereit schweigt. Das ist auch bemerkenswert.

[Christoph Meyer (FDP): Er ist gar nicht da!]

Und ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe nichts Neues von Ihnen erfahren. Sie haben keine Lösung angeboten. Diese Koalition hat nicht die Kraft, sich mit den Problemen der inneren Sicherheit auseinanderzusetzen, und sie hat auch nicht den Willen dazu. Sie haben nur fertig. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Sie haben die Lösung in der Tasche! Wir sind gespannt.]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt noch für eine Minute Herr Dr. Felgentreu das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ratzmann! Ich danke Ihnen für Ihre klaren Worte und Ihre klaren Einschätzungen, was linksextremistische Gewalttaten in Berlin angeht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie die gleichen klaren Worte und die gleiche Einschätzung auch zu der problematischen Haltung Ihrer eigenen Partei in den vergangenen zwei Wochen gefunden hätten.

[Beifall bei der SPD und der FDP]

Es hätte nicht wehgetan, einfach mal zu sagen: Wir lagen falsch, tut uns leid, wir haben uns eines Besseren besonnen.

Senator Dr. Ehrhart Körting

Eine Anmerkung noch zu Ihnen, Herr Dr. Lindner! Sie haben gesagt – ich zitiere wörtlich –:

Die Staatsmacht hat sicherzustellen, dass sich jeder jederzeit überall aufhalten kann.

Herr Dr. Lindner! Bei aller Liebe, aber das kann sie nicht, und ich glaube, in einem Staat, in dem sie das könnte, würden Sie auch gar nicht leben wollen. Ein bisschen Verantwortung für die eigene Sicherheit und die Sicherheit des eigenen Eigentums haben wir alle. Die wollen wir auch nicht an den Staat delegieren, sondern die muss jeder Mensch weiterhin selber übernehmen. Sie wissen, dass es in Berlin, in Heide/Holstein und in Passau wahr ist: Es gibt Gegenden, wo man zu bestimmten Uhrzeiten lieber nicht hingeht, und das weiß man und daran hält man sich auch.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das haben Sie falsch verstanden!]

Der Staat schützt die Grundrechte. Er tut das konsequent und effektiv, aber es gibt auch eine Eigenverantwortung. Dass ich als Sozialdemokrat Ihnen als Liberalem das erklären muss, hat mich schon ein bisschen gewundert. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zum CDU-Antrag auf Drucksache 16/2383 empfiehlt der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung mehrheitlich – gegen CDU und FDP – die Annahme mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem Antrag gemäß Drucksache 16/2469 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! – Das sind die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Ersteres war die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen. Enthaltungen kann es eigentlich nicht mehr geben. – Ja! Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe nun die Priorität der CDU-Fraktion auf. Das ist

lfd. Nr. 4 a:

I. Lesung

Gesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung und der Teilhabe sowie zum Schutz von Menschen in gemeinschaftlich betreuten Wohnformen (Wohnteilhabegesetz – WtG)

Antrag der CDU Drs 16/2489

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat Herr Hoffmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Abschichtung des Heimrechts im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 eröffneten sich große Chancen für die Bundesländer, den neuen Entwicklungen im Bereich der Heime und Wohnformen für betreuungs- und pflegebedürftige Menschen mit eigenen Landesgesetzen besser Rechnung tragen zu können. Wir, die Berliner CDU-Fraktion, verbanden damals damit Hoffnungen, dass sich in diesem Zusammenhang auch die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg weiter verbessern und an einem länderübergreifenden Pflegeverbund gearbeitet werden würde. Trotz eines guten Auftakts mit einer gemeinsamen Pflegetagung im Herbst 2007 ergab sich aber auch zum Leidwesen der Träger und hier insbesondere derjenigen, die berlin- und brandenburgweit arbeiten, kein inhaltlicher Neuanfang.

Wo steht Berlin? – Die Senatorin versprach noch für 2009 ein Gesetz, weil das alte Heimgesetz, das zurzeit immer noch gilt, die von mir erwähnten neuen Wohnformen nicht erfasst. Dafür muss es aber unbedingt eine Regelung zum Schutze der dort Betreuten geben. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur das Stichwort „Wohnformen für demenzkranke Menschen“.

Mitte 2008 lag dann der erste Referentenentwurf vor, der bereits in dieser Fassung starker fachlicher Kritik ausgesetzt war. Auch die zweite Fassung vom Januar 2009 erhielt von den Verbänden in erster Linie aus fachlicher Sicht keine Zustimmung. Frau Senatorin! Das müsste Ihnen zu denken geben. War es nicht doch ein Fehler, das Pflegereferat in Ihrer Verwaltung einzustampfen? – Ich bin der Überzeugung, dass nicht solche divergierende Auffassungen zu den Referentenentwürfen zutage getreten wären, wenn Sie sich von Anfang an der fachlichen Kompetenz von Pflegefachleuten bedient hätten.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Jetzt zu den Kritikpunkten der Verbände und Pflegeexperten, von denen ich nur einige herausgreifen will: