Denn wenn uns das nicht gelingt, wird es uns auch durch Repression nicht gelingen, die Gewalt zu beenden. Der Schutz des Eigentums stößt an Grenzen. Dass in Berlin und in anderen deutschen Städten jede Nacht Milliardenwerte weitgehend unbewacht auf der Straße parken, ist nur dank einem breiten Konsens möglich, dass man sich an diesen wertvollen Gegenständen nicht vergreift. Dieser Konsens ist eine Frucht des sozialen Friedens in unserem Land. Aber wie der soziale Frieden selbst ist er keine Selbstverständlichkeit. Der Konsens ist fragil und angreifbar. Das hat eine kleine Zahl von Gewalttätern erkannt. Und weil wir nicht neben jedes Auto einen Polizeibeamten stellen können und das auch gar nicht wollen,
können wir bei der Bekämpfung der Gewalt nicht einseitig auf Repression setzen. Das wäre der falsche Weg. Die Polizei muss ermitteln, Verbrechen bekämpfen. Das tut sie. Sie ist dabei schon erfolgreich gewesen, und sie wird auch wieder erfolgreich sein. Aber mit Polizei allein – hier stimme ich ausdrücklich mit dem Polizeipräsidenten überein – werden wir das Problem nicht lösen.
Mit polizeilichen Mitteln erreichbar ist aber der Schutz des öffentlichen Eigentums. Ich bin froh, dass es der gewaltbereiten Szene am vergangenen Sonnabend nicht gelungen ist, auf das Tempelhofer Feld zu gelangen.
Der Staat hat deutlich gemacht, dass er willens und fähig ist, Gewalt zu verhindern. Dazu, Herr Senator Körting, an dieser Stelle noch einmal Dank und Anerkennung der SPD-Fraktion für Sie und die Einsatzkräfte der Berliner Polizei!
Die Politik der ausgestreckten Hand hat sich bewährt. Die Berliner Polizei lädt zur Deeskalation ein, aber sie kann und wird auch zupacken, wenn es nötig ist. Dieser Grundsatz muss in vergleichbaren Situationen weiterhin zum Tragen kommen. Die eigentlichen Lösungen können nicht
an die Innenpolitik delegiert werden. Es wird auf uns alle ankommen, die Bürgerinnen und Bürger über die Zusammenhänge und Folgen der wirtschaftlichen Krise glaubwürdig aufzuklären. Wir müssen im Großen Lösungen finden für die soziale Sicherheit der Menschen in der Stadt, für Arbeitsplätze, für eine Zukunftsperspektive für die jungen Leute in den Risikonachbarschaften. Wir müssen auch in Zukunft dafür sorgen, dass die soziale Mischung und die soziale Balance in attraktiven Innenstadtlagen nicht verlorengeht oder wiederhergestellt wird. Wir müssen dauerhaft sicherstellen, dass die Berlinerinnen und Berliner Wohnungen zu erschwinglichen Mieten finden.
Und im Kleinen müssen wir darauf hinwirken, dass dort, wo neue Spielräume für das Zusammenleben wachsen können, nämlich auf dem Tempelhofer Feld, jetzt behutsam die ersten Schritte zur Öffnung für alle erfolgen. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat jetzt Herr Abgeordneter Ratzmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat uns heute wieder zu einem schwierigen Problem in der Stadt – wie üblich elegant formuliert in einen Antrag gegossen – eine Aktuelle Stunde präsentiert. Und Herr Henkel hat uns heute in seiner gewohnt eleganten und differenzierten Art Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem angeboten.
Ich sage Ihnen, Herr Henkel, wenn Sie weiter solche schwerwiegenden Probleme in Ihrer grobschlächtigen Art anpacken, dann werden Sie diese Stadt nicht dahin kriegen, diese Probleme auch zu lösen, jedenfalls nicht mit uns.
[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Frank Henkel (CDU)]
Im Gegensatz zu Ihnen, lieber Herr Henkel und auch lieber Herr Juhnke, spreche ich in diesem Hause keiner Fraktion ab, dass hier für alle eines klar ist: In diesem Haus wird es niemand goutieren, dass Politik mit Brandanschlägen gemacht wird, weder die Fraktionen auf der Linken noch die Fraktionen auf der Rechten. Das ist kein Stil, der in dieser Stadt geduldet wird, und das muss uns alle hier im Haus einen.
Deshalb muss in dieser Aktuellen Stunde die Solidarität der Demokratinnen und Demokraten an erster Stelle stehen. Herr Juhnke! Wir haben das bereits in einer Presseerklärung erklärt, der Parlamentspräsident hat es heute zu Beginn der Sitzung getan und Ihnen die Solidarität des Hauses versichert. Ich will das auch noch mal hier persönlich machen. Wir verurteilen die Brandanschläge vor Ihrem Haus aufs Schärfste. Seien Sie sich unserer Solidarität ebenso gewiss! Wir sind nicht immer einer Meinung, vielleicht auch oft nicht einer Meinung, aber wir werden immer dafür kämpfen, dass Sie Ihre Meinung frei äußern dürfen.
Dieser Anschlag vor Ihrem Haus hat besondere Aufmerksamkeit erfahren, weil er sich offensichtlich gegen einen demokratisch gewählten Politiker und seine öffentlich geäußerten Positionen gerichtet hat. Aber nicht nur er verdient Aufmerksamkeit, sondern auch alle anderen Anschläge. Es ist kriminell, ein Auto vor dem Haus eines Politikers anzustecken. Es ist aber ebenso kriminell, einen x-beliebigen Pkw, wo auch immer, anzuzünden, nur weil er in der falschen Straße parkt. Wer meint, damit Politik machen zu können, der muss mit der Ablehnung aller politisch Verantwortlichen und Denkenden in dieser Stadt rechnen und das zu spüren bekommen. Es kann nicht angehen, dass selbst ernannte Wächterräte hier in Berlin darüber bestimmen, wer mit welchem Wagen wo parken darf, oder gar, wer wo welches Haus bauen darf. Das zu bestimmen, ist Aufgabe gewählter und legitimierter Gremien. Wer das infrage stellt, der stellt uns hier infrage.
Ich sage hier auch ganz klar, die Geländewagen gehören besteuert, dass es nur so brummt. Über Bauanträge entscheiden die Bezirksämter und die BVVen. Über Stadtentwicklungspolitik entscheiden wir hier und der Senat. Wer wo parken und fahren darf, das bestimmt immer noch die Straßenverkehrsordnung und niemand anderes. Wer sich dagegen mit Brandanschlägen zur Wehr setzt, der gehört verfolgt mit rechtsstaatlichen Mitteln, dem gehört der Prozess gemacht. So einfach ist das.
Es darf auch in dieser Frage kein klammheimliches Augenzwinkern bei solchen Anschlägen geben. Das darf es von niemandem geben. Sätze wie „Man muss halt wissen, wo man mit welchem Auto parkt“, sehr geehrter Herr Innensenator, erwecken einen falschen Eindruck von Legitimation. Dieser Feierabendterrorismus ist apolitisch, primitiv und idiotisch.
Ich sage hier auch ganz klar, ihn zu bekämpfen, ist nicht nur eine polizeiliche Aufgabe, sondern auch eine Aufgabe von uns allen, weil wir dafür mitverantwortlich sind, was für ein Klima in dieser Stadt herrscht und wie die Gemeinschaft aller Demokratinnen und Demokraten mit so einem Problem umgeht. Deswegen sage ich hier auch, wir werden die Polizei mit dieser Aufgabe nicht allein lassen.
Aber was die Union „roten Terror“ nennt, hat doch in Wahrheit nichts mit rot, gelb, grün oder auch nur mit links zu tun, selbst wenn Sie das so gerne hätten, meine Damen und Herren von der CDU!
[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion – Beifall von Frank Zimmermann (SPD) – Zurufe von der FDP]
An einigen Orten in dieser Stadt hat sich ein kleiner harter Kern von Verwirrten selbst zur Kiezpolizei ernannt, um seinen Mitmenschen mit erhobenem Zeigefinger ideologisch zu erziehen und notfalls mit Brandsätzen in der Faust zu drangsalieren.
Natürlich geht uns Bündnisgrüne das in besonderer Weise an. Die hauptsächlich betroffenen Wahlkreise werden in diesem Parlament von Mitgliedern meiner Fraktion vertreten. Wir sind in diesen Teilen mittlerweile das, wovon Sie, meine Damen und Herren von der CDU, nur träumen können, nämlich eine echte Volkspartei. Deshalb werden wir uns auch um dieses Problem kümmern und uns nicht davor wegducken.
Ich sage hier ganz klar: Bezirke wie Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow kennzeichnet eine hohe Lebensqualität. Sie sind liberal, tolerant, vielfältig und gerade deshalb ein besonderer Anziehungspunkt für junge Leute und Kreative. Diese Mischung aus Alteingesessenen und neu Hinzugezogenen macht gerade die Attraktivität dieser Gemeinschaften aus. Die Menschen, die dort leben, benötigen keinen Nachhilfeunterricht in politischem Anstand und Moral von selbsternannten Wächterräten. Deshalb teilen wir – unabhängig von der Frage der Mittel – die politischen Ziele dieser Kiez-Talibane nicht.
Sie spielen sich als Hegemonialmacht auf, die bestimmen, wer in welchem Kiez wie leben darf. Alles, was anders und fremd ist, wird abgelehnt. Mit der politischen Idee der Grünen hat das nichts zu tun. Engstirnigkeit und Intoleranz gehören wohl eher zum Repertoire anderer Parteien hier im Haus, die lieber Protestfähnchen in Hundehaufen stecken und überfüllten Mülleimern mit geballter Zivilcourage den Kampf ansagen als eine moderne Großstadtpolitik zu betreiben. Unser Stil ist das jedenfalls nicht.
Es muss in unser aller Interesse sein, dass in die sozial schwachen Gebiete, in die sozial schwachen Stadtteile auch Menschen mit besserem Einkommen ziehen und ihr
Geld dort investieren – und zwar so, dass alle etwas davon haben. Natürlich verschließen wir die Augen nicht vor dem Problem der Gentrifizierung, die in einigen Kiezen ein großes Problem darstellt. Wenn die Innenstadt keinen Platz mehr für Menschen mit wenig Geld lässt oder einfach nur anderen Lebensvorstellungen, dann ist die soziale Balance in dieser Stadtgesellschaft gefährdet. Wir haben im Parlament als Grüne sehr oft auf dieses Problem hingewiesen. Wir haben auch Vorschläge unterbreitet, wie man dieser Gentrifizierung entgegentreten kann, etwa mit neuen Regelungen in der Mietenpolitik. Diese Vorschläge sind jedoch von Rot-Rot alle abgelehnt worden. Meine Damen und Herren aus der Regierung, wir warten bis heute auf Ihre Vorschläge, wie Sie mit diesem Problem umgehen wollen! Dabei allerdings unterscheiden wir zwischen Rot-Rot und Schwarz-Gelb, denn von Schwarz-Gelb erwarten wir gar nichts mehr.
Das Ganze ist nun in der letzten Woche mit der geplanten Besetzung des Flugfeldes Tempelhof so richtig schön zu einer explosiven Mischung und einem Brei verrührt worden. Der Senat hat keine Idee, wie er mit dem Flugfeld umgehen will. Unsere Forderung nach Öffnung haben Sie immer abgelehnt, meine Damen und Herren aus dem rotroten Senat. Herr Körting kommt offensichtlich mit dem Problem der brennenden Autos und der sonstigen Brandanschläge hier in der Stadt nicht klar. Da wird flugs dieses Flugfeld zu einem politischen Ausweichmanöver hochstilisiert. Ich sage ganz klar: Natürlich haben wir Grüne das Anliegen, dass das Flugfeld geöffnet wird, immer unterstützt.
Wir halten auch an diesem Ziel weiter fest. Ich bedaure es aufs Tiefste, dass auch dieses berechtigte Anliegen durch die Vermischung mit den Anschlägen die im Rahmen der „Action Week“ stattgefunden haben, so desavouiert worden ist. Auch das ist ein demokratisches Problem, wenn man solche wirklich brennenden Probleme in der Stadt nicht mehr ideologiefrei diskutieren kann. Wir haben, nachdem es die Anschläge vor dem Haus von Herrn Juhnke gegeben hat, klar die Konsequenzen daraus gezogen und die Veranstalter der geplanten Besetzung von „Squad Tempelhof“ aufgefordert, auf ihre Aktion in dieser Mischung zu verzichten. Hier haben wir konsequenter gehandelt als andere hier im Haus.
Das ändert jedoch nichts daran, dass die Politik, die RotRot mit diesem Gelände betreibt, einfach grotesk ist. Sie verspielen systematisch die Unterstützung, die Ihnen die Stadtgesellschaft bei der Schließung des Flughafens gegeben hat. Wir haben eine breite Zustimmung bekommen im Rahmen eines Volksentscheids. All diese Menschen erwarten und haben erwartet, dass das Flugfeld jetzt nicht zu einer „Gated Area“ wird, einer leeren Wiese, die dann auch noch von Hundertschaften der Polizei bewacht wird, sondern zu einem offenen Gelände, das allen zur Verfügung steht, wo Sport und Spiel betrieben werden, und das die Stadtgesellschaft endlich wieder in Besitz nehmen
kann. Aber genau diesem Anliegen kommen Sie mit Ihrer Politik nicht nach. Ich finde es geradezu absurd – –