Protocol of the Session on June 25, 2009

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Peinlich, lieber Her Behrendt, wird es, wenn man hört und liest, welche Alternativvorschläge Sie zum Bau dieser Haftanstalt haben.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Sie schreiben in Ihrer Antragsbegründung, es gebe bei den Inhaftiertenzahlen eine leichte Rückläufigkeit. Herr Behrendt sagt sogar, es gebe eine Entspannung bei der Belegungssituation. Das ist ein ganz neuer Ton von den Grünen, den ich erstmals in diesem Antrag vernommen habe. Im Ausschuss und sonst haben Sie immer anderes behauptet. Anders ist im Übrigen auch die Vollzugsrealität bei uns in der Stadt. Lieber Herr Behrendt, Sie sind ja ein fleißiger Kollege! Die Mittwochszahlen von gestern, Sie haben Sie bestimmt gelesen – ich mache ganz schnell: JVA Moabit 103 Prozent Belegung; JVA Tegel 103 Prozent; JVA Plötzensee 112 Prozent Belegung; JVA Charlottenburg 106 Prozent Belegung; die Summe im geschlossenen Männervollzug – ich kürze ab: 104 Prozent. Das ist eine Überbelegung, wie wir sie seit Jahren in unserer Stadt haben.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Dann, meine lieben Grünen, lese ich auf Ihrer Homepage, was Sie über Strafvollzug denken. Artikel vom 28. November 2008:

Es fehlt an finanziellen und räumlichen Ressourcen.

[Gelächter bei der CDU]

Auch ein neues U-Haft-Gesetz wird dem nur begrenzt abhelfen können, denn für eine Ausweitung der Besuchszeit oder eine verbesserte Regelung des Paketempfangs ist nicht genügend Personal vorhanden. Zudem ist die Haftanstalt überbelegt. Es fehlt an Zellen und Räumlichkeiten, der Bau ist sanierungsbedürftig.

Hallo! Was passt denn hier zusammen?

[Gelächter bei der CDU – Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das passt doch mit Ihrer beinahe schon peinlichen Ablehnung von Heidering überhaupt nicht zusammen!

Verehrter Herr Kollege! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit!

Herr Präsident! Sie erlauben mir, meinen geschätzten Kollegen noch einen letzten Knaller grüner Dialektik zu Gehör zu geben.

[Heiterkeit bei der CDU]

Herr Behrendt hat im Rechtsausschuss gemerkt, dass diese pauschale Ablehnung des Neubaus von Heidering ein bisschen unglaubwürdig ist. Darum hat er sich Gedanken gemacht, wie wir die Belegungssituation in der Haft entspannen können und hat in der 40. Sitzung des Rechtsausschusses gesagt: Hohes Alter sollte doch per se einen Haftunfähigkeitsgrund darstellen. – Ganz toller Gedanke! Ich glaube auch nicht, dass er das ernst gemeint hat. Das würde doch bedeuten, nähme man diesen Vorschlag von Herrn Behrendt ernst, –

Herr Rissmann! Es muss jetzt Schluss sein! Verzeihen Sie bitte!

würde bei einer willkürlich gesetzten Altersgrenze – –

Nein! Sie sind jetzt schon beim dritten Schlusssatz.

Dann ende ich, Herr Präsident, und wünsche uns allen eine schöne Sommerpause.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP]

Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Dott das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lux hat mir gerade zugerufen, ich solle nicht vergessen, woher ich komme. Herr Lux! Ich komme von den Linken, die sich viele Jahre gegen einen Neubau gewehrt haben,

[Beifall bei den Grünen]

und zwar aus richtigen und damals auch nachvollziehbaren Gründen.

[Clara Herrmann (Grüne): Jetzt nicht mehr?]

Sven Rissmann

Wir sind an einer bestimmten Stelle von dieser Strategie abgegangen, nämlich in dem Moment,

[Zurufe von Dr. Frank Steffel (CDU) und Mario Czaja (CDU)]

als klar wurde, dass die Menschenwürde der Gefangenen unter diesen Bedingungen nicht mehr zu wahren war. Das, was sich jetzt in Tegel und in anderen Haftanstalten abspielt, ist mit dem Grundrecht, das auch inhaftierte Menschen haben, oft nicht mehr zu vereinbaren.

[Benedikt Lux (Grüne): Dafür brauchen Sie keinen Neubau!]

Wenn Sie, so wie ich, regelmäßig am Runden Tisch für ausländische Strafgefangene teilnehmen würden, –

[Dirk Behrendt (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Nein, Herr Behrendt! Sie können nachher fragen. – dann würden Sie wissen, dass die Anstalten, die daran beteiligt sind, vor allem darüber klagen, dass ihnen die Mehrfachbelegung – und die haben wir nicht bloß in Tegel – das Leben schwermacht, dass sie keine Übersicht haben und dass sie unter den Bedingungen, die sie dort haben z. B. auch unter Bedingung mangelnder Arbeitsmöglichkeiten, ihrem Resozialisierungsauftrag überhaupt nicht nachkommen können.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Behrendt?

Nein, danke schön, ich möchte erst einmal meinen Gedanken zu Ende führen. – Ich finde es einfach schäbig von den Kollegen der Grünen, hier auf dem Rücken der Gefangenen und der Bediensteten ein solches Wahlkampftheater abzuziehen,

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der CDU und der FDP]

denn das hat nichts damit zu tun, eine sachgemäße Rechtspolitik durchzuführen. Natürlich sind wir alle hier dafür – da sind wir uns im Rechtsausschuss auch meist einig –, dass Resozialisierung der Hauptinhalt der Arbeit im Justizvollzug sein muss.

Aber wenn Kollege Behrendt, der, wenn ich mich nicht ganz irre, ja aus dem Richterberuf kommt, hier zu vertreten meint, dass wir die Gefängnisse unkompliziert dadurch leerer bekommen könnten, dass andere Arten von Strafen verhängt werden, dann wissen Sie viel besser als ich, die ich keine Juristin bin, dass wir das als Politiker nur ganz wenig beeinflussen können. Das sind Urteile, die von Gerichten festgelegt werden. Dass die Bundesgerichtsbarkeit sich in den letzten Jahren verschärft hat und höhere Strafen verhängt werden, wissen Sie.

Dass sich die Lage in unseren Gefängnissen in den letzten Jahren – Gott sei Dank – ein wenig entspannt hat, begrüßen wir alle hier. Aber das ist tatsächlich nicht der einzige Grund für unsere veränderte Auffassung. Den Neubau unterstützen wir nicht nur wegen der Überbelegung, schon gar nicht wegen der Überbelegung im Frauenvollzug. Wir haben, um es den Kollegen zu sagen, die sich da nicht so auskennen, so ungefähr 5 200 Männer im Knast und etwas über 200 Frauen. Es ist also im Zehnerbereich, wenn der Frauenvollzug überbelegt ist. Das lässt sich auch anders regeln.

Wenn wir also davon reden, dass dieser Neubau nötig ist, dann stelle ich mir vor allem vor, dass dafür einer dieser vorsintflutlichen anderen Teilanstalten geschlossen werden kann. Wenn geschlossen ist, dann kann man auch über Rekonstruktionen oder ähnliche Dinge nachdenken. Wie wollen Sie das bei vollem Betrieb bewerkstelligen?

[Benedikt Lux (Grüne): Aber 120 Millionen Euro verbauen?]

Natürlich gibt es Teilanstalten in Tegel, die man zumachen kann. Oder man könnte die Einrichtung Lehrter Straße z. B. einsparen. Man kann andere Einrichtungen anders benutzen, als es jetzt der Fall ist. Es geht nicht darum, der Summe von Haftplätzen, die wir jetzt haben, über 600 hinzuzufügen, es geht vor allem darum, die Bedingungen für die Insassen und für die Bediensteten – und das in großem Maße – zu verbessern.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Benedikt Lux (Grüne): Dann sparen Sie sich die 120 Millionen Euro!]

Was das Geld betrifft, würde ich mich sicherlich auch freuen, wenn wir das Geld an anderer Stelle einsetzen könnten.

[Beifall bei den Grünen]

Ich bin ja, wie Sie wissen, die Vorsitzende des Sozialausschusses und kann mir durchaus ganz viel Geld für den sozialen Bereich vorstellen,

[Benedikt Lux (Grüne): Dann kämpfen Sie, Frau Dott!]

aber die Arbeit mit Inhaftierten ist auch Sozialarbeit. Ich bin dafür, dass deren Würde gewahrt und nicht gebrochen wird, dass es genügend Personal gibt, damit sie auch arbeiten können, dass die freien Träger ordentlich einbezogen werden können. Sie brauchen alle vernünftige Bedingungen. Sie brauchen auch Platz und die großzügig geplanten Arbeitsplätze in Heidering.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aus diesem Grund kann ich mit Ihren Antrag, so wie er hier gestellt ist, einfach nichts anfangen, und muss sagen: Mehr als Populismus ist nicht drin.