Protocol of the Session on June 25, 2009

Ob wir uns auch in der Koalition auf einen solchen oder ähnlichen Antrag werden einigen können, ist noch zu diskutieren.“

Wir haben es heute mit einem typischen Antrag der Grünen zu tun. Sie erkennen ein Problem, suchen nach Lösungen und schießen dann über das Ziel hinaus. Die FDP im Bundestag war nicht nur schneller, sondern hat auch den besseren Antrag gestellt. Die Grünen wissen genau, dass selbst für den Fall, dass dieser Antrag hier im Haus die Mehrheit erhält, er im Bundesrat keine Zustimmung erhalten wird.

In der Sache ist richtig, dass wir ein Problem mit den Anforderungen für den Nachweis der deutschen Sprachkenntnisse im Ausland haben. Es ist auch richtig, dass es fragwürdig ist, ob der Nachweis von Deutschkenntnissen ein taugliches Mittel zur Bekämpfung von Zwangsehen ist. Aus diesem Grund hat sich die FDPBundestagsfraktion bei der Änderung des Aufenthaltsgesetzes im Jahr 2007 gegen den Nachweis von Sprachkenntnissen ausgesprochen. Wir hätten uns gerne durchgesetzt, aber die Mehrheit von SPD und CDU hat uns überstimmt.

In ihrem Antrag begründen die Grünen die Streichung der Notwendigkeit der Deutschkenntnisse mit einem Verstoß gegen Artikel 6 des Grundgesetzes und den praktischen Problemen bei der Umsetzung. Die Begründung enthält leider keine Ausführungen darüber, welche Auswirkungen diese Regelung für die Zwangsverheiratungen hatte. Das wäre doch der spannende und richtige Ansatz gewesen, um die gesetzliche Regelung infrage zu stellen. Die FDP-Fraktion würde es begrüßen, wenn dies evaluiert wird. Im Ausschuss können wir gerne erneut über die Regelung an sich debattieren. Vorher hat das Ganze doch eher etwas von einem Blindflug und das wollen wir bei allen Zweifeln, die wir an dieser Regelung haben, nicht unterstützen.

Die Grünen gehen nach aktueller Rechtsprechung fehl in der Annahme, dass die Regelung des § 30 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz gegen das Recht auf Familienzusammenleben gemäß Artikel 6 GG verstößt. Dies lässt sich zumindest dem Urteil vom 28. April 2009 des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nicht entnehmen. Dort wird diese Regelung ausdrücklich als rechtmäßig angesehen. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde jedoch zugelassen, sodass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Die FDP-Fraktion hat sich entschlossen, nicht die gerichtlichen Verfahren abzuwarten, sondern setzt sich dafür ein, dass die tatsächlichen Anforderungen an den Sprachkenntnisse keine unzumutbaren Hürden sein dürfen. Diese haben sich in der Praxis dadurch herausgebildet, dass die

Auslandsvertretungen angewiesen wurden, in der Regel nur das Sprachzertifikat „Start Deutsch 1“ des Goethe- Instituts e.V. anzuerkennen. Eine derartige Umsetzung der Regelung des Aufenthaltsgesetzes ist vom Gesetzgeber weder vorgesehen noch intendiert, weil dies in der Praxis eine deutliche Verschärfung der Anforderungen zur Erlangung eines Visums zum Zwecke des Ehegattennachzugs bedeutet. Wir müssen also nicht das Gesetz ändern, sondern wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch andere Sprachkursanbieter akzeptiert werden, die Sprachkursangebote im Internet gestärkt werden und eine einheitliche Qualitätssicherung für die Abnahme von Deutschprüfungen geschaffen wird. Nur dann wird man den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht, dass es in einzelnen Ländern den Betroffenen aus Gründen der schlechten Infrastruktur oder der finanziellen Situation nicht möglich ist, Hunderte Kilometer zurückzulegen, um einen dreimonatigen Sprachkurs zu absolvieren. Es muss egal sein, wie der Einzelne die notwendigen Grundkenntnisse der Deutschen Sprache erlernt. Wichtig ist nur, dass diese Kenntnisse nachgewiesen werden und ein einheitlicher Maßstab zur Überprüfung geschaffen wird.

Die FDP-Fraktion wird aus diesem Grund im Innenausschuss einen Änderungsantrag zum Antrag der Grünen stellen. Neben den Änderungen zu den Voraussetzungen zum Erwerb und der Kontrolle von Sprachkenntnissen fordern wir auch, eine allgemeine Härtefallregelung in § 30 Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. Die Grünen haben das Problem richtig erkannt, nach den Änderungen der FDP-Fraktion haben sie dann auch einen guten Antrag. Ich werbe bereits jetzt um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich komme jetzt zu

lfd. Nr. 24:

Antrag

Justizvollzugsanstalt Heidering/Großbeeren jetzt stoppen

Antrag der Grünen Drs 16/2502

Für die Beratung ist jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten vorgesehen. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Kollege Behrendt. – Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn etwas Grundsätzliches: Ich bin ins Parlament gewählt worden, weil hier das Forum von Rede und Gegenrede ist, nicht weil es heißt, um 20.00 Uhr macht jeder seins. Wir werden hier so lange unsere Anträge

Udo Wolf

seins. Wir werden hier so lange unsere Anträge vorstellen, wie wir es für richtig halten!

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie dazu nichts zu sagen haben, dann ist das bedauerlich!

[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Sie müssen auch inhaltlich was sagen, nicht nur reden!]

Wir kommen zu unserem Antrag „Großbeeren stoppen“. Die Justizvollzugsanstalt Großbeeren ist überteuert, sinnlos und nicht erforderlich. Wir haben vorhin bereits darüber gesprochen, dass im Haus der Justizverwaltung zum Teil mit falschen Zahlen gearbeitet wird. Auch in diesem Fall mussten wir das erneut konstatieren. Die Zustimmung zu dieser Justizvollzugsanstalt in Brandenburg auf der grünen Wiese ist gleich mit doppelt falschen Zahlen erkauft worden. Zum einen ist von Anbeginn an mit viel zu geringen Baukosten ins Parlament und in den Senat gegangen worden. Kaum war die Zustimmung da – die Linke muss sich natürlich fragen lassen, ob sie sich das auf Dauer gefallen lässt –, wurde die Katze aus dem Sack gelassen, und es wurde zugegeben, dass die Baukosten steigen, ohne dass auch nur ein Spatenstich gemacht worden ist. Sie steigen um 50 Prozent!

Nun sind 120 Millionen Euro für die Errichtung dieser Justizvollzugsanstalt vorgesehen. Ich wage die Prognose – weil die Baukosten im Land Berlin durch das Konjunkturpaket II schon wieder stark steigen –, dass das nicht ausreichen wird. Wir werden wohl weitere Kostensteigerungen zu erwarten haben.

Ich komme zum zweiten Teil der falschen Zahlen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Von wem?

Von dem Kollegen Kohlmeier?

Ja, Herr Kohlmeier, bitte!

Herr Kollege Behrendt! Können Sie mir sagen, in welchem Zusammenhang die Ausführungen, die Sie gerade machen, zu Ihrem Antrag stehen? Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Neue Argumente höre ich jetzt von Ihnen nicht.

Die kommen jetzt. Ich komme nämlich zu den nicht eingetretenen Gefangenenprognosen. Sie haben damals 2004 und 2005 vorausgesagt, wir müssten damit rechnen, dass jährlich die Gefangenenzahlen im Land Berlin um 3 Prozent ansteigen, und haben dann errechnet, dass im Jahr 2010 eine so große Lücke besteht, dass genau die neue Justizvollzugsanstalt notwendig ist. Es ist aber mitnichten so, dass die Gefangenenzahlen seit dem Jahr 2004 und 2005 angestiegen sind. Sie sind überhaupt nicht angestiegen, weder um 1 Prozent noch um 2 Prozent oder um 3 Prozent. Wir haben seit 2005 kontinuierliche sogar leicht fallende Gefangenenzahlen im Justizvollzug des Landes Berlin.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wegen der guten rot-roten Politik ]

Das mag an vielen Faktoren liegen, Herr Kollege Lederer. Dann kommen Sie doch aber bitte zur Einsicht und geben hier heute zu, dass diese neue Justizvollzugsanstalt nicht mehr erforderlich ist.

[Beifall bei den Grünen]

Jetzt komme ich zu dem vorauszusehenden Einwand, es sei zu spät, diese Pläne zu stoppen. Wenn man sich dort vor Ort begibt und die Baufläche anschaut, wird man unschwer feststellen, dass dort noch nicht sonderlich viel passiert ist. Es gab ein paar Rodungsarbeiten. Es liegen dort lediglich ein paar interessante Sandhaufen, die eher an Hünengräber als an bauvorbereitende Maßnahmen erinnern. Uns interessiert, was sich unter diesen Plastikplanen für Sondermüll befindet. Was wird es kosten, diesen Sondermüll abzufahren, der dort offensichtlich so schädlich ist, dass man ihn schon mit Plastikplanen abdeckt? Inwiefern trägt das wieder zur Steigerung der Baukosten für die gesamte Justizvollzugsanstalt bei? Dazu erfahren wir jedoch nichts.

[Beifall bei den Grünen]

Es sind für dieses Jahr lediglich Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 3 Millionen Euro für bauvorbereitende Maßnahmen für Planungsarbeiten vorgesehen. Die großen Kostenbatzen kommen erst im nächsten Jahr. Ich kann all jenen, die zur Einkehr bereit und offen für ein rationales Argument sind, dringend anraten, einmal nach Hamburg zu schauen, wo man endet, wenn man mit viel zu viel Gefängniskapazitäten plant und arbeitet. Dort sind die Gefängnisse nur zu 60 Prozent ausgelastet, weil sie auch in den letzten 10 bis 15 Jahren mit falschen Gefangenenprognosen gearbeitet haben. Das verursacht ganz erhebliche Mehrkosten, die gesamten Flächen und Personal vorzuhalten. So etwas sollten wir in Berlin nicht nachmachen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich kann deswegen nur an Sie appellieren, Herr Senator Nußbaum: Schauen Sie sich die Pläne noch einmal ganz genau an! Rechnen Sie das im eigenen Haus noch einmal nach! Man kann sich auf die Berechnungen aus dem Haus der Justizverwaltung nicht verlassen. Schauen Sie sich die

Entwicklungsgeschichte dieses Baus an! An den vorgelegten Zahlen werden Sie unschwer erkennen, dass wir auf dieses Gefängnis verzichten können. Es tut hier nicht Not, aufgrund der Gefangenenzahlen ein neues Gefängnis zu bauen. Wir sollten vielmehr einen Teil des Betrages – wir werden nicht den ganzen brauchen – nutzen, um die dringend notwendige Sanierung in den Altbauten in Moabit und Tegel anzugehen. Dort fehlen bisher jegliche Pläne. All die Kollegen, die weiterhin an dieser Heidering-Idee festhalten, müssen sich von mir fragen lassen, ob sie im Ernst glauben, dass wir 120 Millionen Euro oder 150 Millionen Euro verbauen und parallel noch Mittel bereitstellen können, um die Sanierung in Tegel und Moabit zu finanzieren. Das ist völlig illusorisch. Wir müssen hier eine Priorität setzen und die Sanierung in Tegel und Moabit angehen, und dieses müssen wir schnell und nicht erst in zwanzig oder dreißig Jahren tun.

Herr Kollege, ist das der Schlusssatz?

Das ist mein Schlusssatz, Herr Präsident! – In Anstalten des vorletzten Jahrhunderts lässt sich kein moderner Strafvollzug durchführen. Hier sollten Sie Ihren Schwerpunkt in der Rechts- und Innenpolitik setzen und sollten nicht überflüssige Haftanstalten bauen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kohlmeier.

[Zuruf von den Grünen: Wo ist der Laptop?]

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Behrendt! Sie sind auch nicht in das Abgeordnetenhaus gewählt worden, damit Sie die Abgeordneten und die Öffentlichkeit mit Ihren schwachsinnigen Anträgen quälen. Sie sind ebenfalls nicht gewählt worden, um eine selbstverliebte Kreuzberger Show abzuliefern und den Rächer der Enterbten zu spielen.

[Unruhe bei den Grünen – Beifall bei der SPD]

Mit dem Antrag, den Sie heute einreichen, werden fundamentalistische Forderungen aufgestellt, ohne zu erkennen, welche Maßnahmen in der Sicherheits- und Justizpolitik für diese Stadt notwendig sind. Gerade Sie haben mehrfach in diesem Haus –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – mit äußerst scharfen Worten die Unterbringungssituation im geschlossenen Vollzug gegeißelt. Es waren die Grünen, die die Unterbringung in der JVA Tegel zum Teil als persönlichkeitsstörende Hoffnungslosigkeit bezeichnet haben.

Heute veranstalten Sie genau das Gegenteil. Sie fordern den Stopp des Baus der JVA Heidering. Genau diese Zustände wollen wir mit der JVA Heidering in den Gefängnissen verbessern. Herr Behrendt! Ich kann Ihnen sagen: Schizophrenie ist kein politisches Konzept, und Politik nach dem Chaos-Prinzip ist es auch nicht. Ich rate Ihnen zu mehr WUMS statt Wankelmut, dann können wir mit Ihnen in diesem Haus auch viel mehr anfangen.

Aus justizpolitischer Sicht ist der Bau der Justizvollzugsanstalt Heidering notwendig. Wir brauchen 648 zeitgemäße Haftplätze für den geschlossenen Männervollzug. Sie haben recht, dass die Überbelegung in den vergangenen Jahren und Monaten zurückgegangen ist. Das Hoch vom Februar 2007 mit 5 600 Gefangenen haben wir nicht mehr. Derzeit liegt die Belegung bei 101 Prozent. Spätestens seit Siegburg müssen aber alle Rechtspolitiker wissen, dass die Mehrfachbelegung eines Haftraumes schreckliche Folgen haben kann. So müssen in Tegel in der Teilanstalt I zurzeit 258 Hafträume mit weniger als 5 Quadratmetern belegt werden. Die neue Anstalt wird dazu beitragen, um genau diese unzeitgemäße Unterbringung von Gefangenen zu beenden.