Protocol of the Session on June 25, 2009

Das, was jetzt von der CDU zum Schluss noch einmal vorgebracht wurde, ist ein so weites Feld, dass wir es sicher mit allen Mitteln, die dieses Land zur Verfügung hat, nicht erforschen werden. Bezüglich des roten Terrors, der sich heute durch Ihre Themen zieht, muss ich mich von Ihren Vorstellungen distanzieren.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Ich darf übrigens noch einmal daran erinnern, dass alle, die seit 1990 in diesem Parlament sitzen, von Jahr zu Jahr immer wieder von der damaligen Gauck- und späteren Birthler-Behörde untersucht wurden. Ich denke zwar nicht, dass das ein falscher Weg war, aber wir müssen jetzt das Blickfeld erweitern. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Lux. – Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir uns zu so später Stunde noch der Verantwortung stellen, die wir gegenüber den Opfern des MfS, gegenüber den Personen, die wissentlich oder unwissentlich mit dem MfS zusammengearbeitet haben, und gegenüber der Geschichte und den kommenden Generationen haben. Denn nichts ist schlimmer, als dass die Schülerinnen und Schüler in diesem Land so hingestellt werden, als würden sie sich gar nicht für die Geschichte der DDR, der zweiten deutschen Diktatur interessieren und keine Kenntnisse über diese zweite deutsche Diktatur haben. Wir selbst müssen dazu eine wissenschaftliche Aufarbeitung über den Einfluss des MfS auf die Westberliner Behörden liefern. Deshalb sagen wir von Bündnis 90/Die Grünen: Wir unterstützen den Antrag der FDP.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Man sollte jetzt auch nicht verhehlen, dass es in den letzten Wochen durchaus ein paar Defizite bei der Aufarbeitung gab. Es machte den Eindruck, als wüsste bei der Berliner Polizei und im Innensenat die eine Hand nicht, was die andere tut. Es gab ein Akteneinsichtsgesuch, das vom LKA mitgezeichnet wurde. Das war dem Polizeipräsidenten aber bis vor Kurzem aber nicht bekannt. Hier liegt einiges im Verborgenen, was an Aufarbeitung in zarten Pflanzen bereits begonnen, aber nicht fortgeführt wurde. Die Initiative der FDP ist genau richtig. Ich bin dankbar, dass die es nicht so machen wie im Deutschen Bundestag, nämlich mit Gesetzesänderungen, die alle damaligen und heutigen Mitarbeiter von Westberliner Behörden unter Generalverdacht stellen. Die FDP will

Michael Braun

vielmehr eine gezielte wissenschaftliche Aufarbeitung. Deshalb ist der Konsens hier im gesamten Haus möglich.

Es kommt noch dazu, dass der Fall Kurras Anlass dazu war. Da fragt man sich, welche Querschläge einem die Geschichte verpassen kann. Ich sehe lauter Abgeordnete, die hier schon seit über zehn Jahren sitzen und heute betonen, es sei ein wichtiges Thema, aber ich frage Sie dann: Warum haben Sie diese wissenschaftliche Aufarbeitung nicht schon früher in die Wege geleitet? Warum müssen wir heute zu später Stunde darüber reden, obwohl das ganze schon lange hätte auf dem Tisch liegen können? Ich glaube, deshalb ist es noch einmal wichtig, hier aus dem gesamten Haus zu versichern, dass es richtig ist. Das hätte viel früher passieren können. Das muss sich auch Ihre Fraktion hier anhören, Herr Dr. Lederer.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ich möchte nicht aufgefordert werden, meine Rede zu beenden, wenn es um ein Thema geht, das Frau Seelig von den Linken gerade als besonders wichtig hervorgehoben hat. Ich glaube, diesen Spiegel sollten wir uns und unseren eigenen Behörden vorhalten. Wir sollten so ein bisschen zur Gerechtigkeit zwischen Ost und West beitragen, denn eins ist klar: Bedienstete aus dem Westen wurden nicht so intensiv überprüft wie solche aus dem Osten Berlins. Das sollten Sie nicht denunzieren, sondern genauso würdigen, wie alle anderen Redner hier.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Es ist wichtig, dass der Polizeipräsident heute verkündet hat, eine wissenschaftliche Aufarbeitung mit Prof. Dr. Klaus Schroeder, dem Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat von der FU-Berlin zu machen. Es war der Druck und die Ereignisse in den letzten Tagen, die dazu geführt haben. Wenn das nicht gewesen wäre, hätten wir nur politisch-moralisch im luftleeren Raum diskutiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion! Wir sollten nicht verschweigen, dass Sie die Zusammenarbeit mit der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen suchen, die Sie im Deutschen Bundestag am liebsten schon ins Bundesarchiv überführt hätten. Sie wollen zwar die wissenschaftliche Aufarbeitung, aber immer dann, wenn es konkret wird, wenn die Akten die eigenen Leute betreffen, dann klagen Sie gegen die Herausgabe dieser Akten. Da müssen wir Ihnen sagen: Bitte halten Sie an dem Konsens der wissenschaftlichen Aufarbeitung fest, und seien Sie konsequent! Sie können doch nicht eine Behörde, die Sie de facto abschaffen oder ins Bundesarchiv überführen wollen, jetzt um Hilfe bitten, damit sie uns bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Einflusses der Stasi auf Westberliner Behörden hilft. Auch das gehört zur Redlichkeit. Deshalb werden wir diesen Antrag gemeinsam positiv diskutieren. Ich bin froh, dass wir bereits im Vorfeld diesen Konsens erzielt haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Die lfd. Nr. 21 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich komme zu

lfd. Nr. 22:

Antrag

Landeseigene Immobilien für die Zukunft der Stadt nutzen

Antrag der Grünen Drs 16/2500

Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Kollege Otto. – Bitte schön, Herr Kollege!

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das ist wirklich tapfer!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Landeseigene Immobilien – das ist das Vermögen der Stadt Berlin. Wenn man einmal von unserem negativen Geldvermögen absieht, dann sind die Immobilien das, womit wir wirtschaften und womit wir für die nächsten Jahre Stadtentwicklungspolitik betreiben müssen. Der Liegenschaftsfonds hat bisher Kaufverträge für 6,8 Millionen m2 abgeschlossen. Das kann man auf der Internetseite nachlesen. Er hat dadurch 1,2 Milliarden Euro erlöst. Dieses Geld konnten wir im Landeshaushalt gut gebrauchen. Aber wo war die stadtentwicklungspolitische, wohnungspolitische Funktion des Liegenschaftsfonds? – Sie war bisher im Hintergrund bzw. überhaupt nicht zu sehen. Das wollen wir ändern!

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie sich den Antrag angeschaut haben, dann haben Sie feststellen können, dass wir wollen, dass die Immobilien zukünftig in vier Kategorien eingeteilt werden. Bisher gibt es nur zwei: einmal das Fachvermögen bei den Senatsverwaltungen, bei den Bezirken, bei anderen Behörden, das sind die Grundstücke und Gebäude, die für Verwaltungszwecke oder andere Zwecke des Landes verwendet werden. Alles andere geht bisher in den Liegenschaftsfonds und wird veräußert. Das greift zu kurz, insbesondere wenn man sich vorstellt, dass das Immobilienvermögen, wenn man so weitermacht, irgendwann – bis auf die Grundstücke, die Fachvermögen sind – alle sein dürfte. Wir sehen das differenziert und sagen: Wir müssen im Sinn kommunaler Daseinsvorsorge Grundstücke aufbewahren, die wir vielleicht in drei, vier oder zehn Jahren für landeseigene Zwecke benötigen. Darum geht es, das ist der Ansatz dieses Antrags.

Benedikt Lux

Die vier Kategorien seien kurz vorgestellt. Die Kategorie 1, das Fachvermögen – ich habe es bereits erläutert –, da würde sich nicht viel ändern. Von Verwaltungs- über Schulgebäude bis hin zu Spielplätzen oder auch Kleingärten, all das, was man wirklich heute schon aktuell für das Leben in der Stadt, für die Verwaltung, für Bildung, für Erholung benötigt.

Dann kommen wir zu einem neuen Fall, den wir in unserem Antrag beschreiben, das ist das sogenannte Vorratsvermögen. Sie alle wissen, wir haben Bezirke, in denen plötzlich, wie aus heiterem Himmel, festgestellt wird: Oh, hier fehlt eine Schule! – Es gibt Bezirke, da fehlen Spielplätze, Jugendeinrichtungen, die vielleicht vor fünf oder zehn Jahren so noch nicht als erforderlich eingestuft worden waren. Deshalb sagen wir: Für solche Fälle benötigen wir ein Vorratsvermögen.

Im Rahmen der Erarbeitung eines Gesamtkatasters muss für jede einzelne Liegenschaft entschieden werden, ob es heute Fachvermögen, Vorratsvermögen ist oder es zu veräußern ist. Beim Veräußern, was der Liegenschaftsfonds bisher macht, ist der finanzielle Erlös eindeutig die Priorität gewesen. Da wollen wir ran, nicht zuletzt deshalb, weil wir feststellen mussten, dass es eine Reihe von Fällen gegeben hat, in denen durchaus auch Abgeordnete aus unserem Kreis nicht zufrieden waren, weil sie gesagt haben: Ich weiß viel besser, was in dem Bezirk erforderlich ist. Denken Sie an die Ateliers in der Wiesenstraße oder an andere Gelegenheiten – Mellow-Park ist noch ein schönes Stichwort –, da waren wir nicht zufrieden mit dem einfach Verkaufen.

Die Schlussfolgerung unserer Fraktion daraus ist: Wir müssen ein Fondsvermögen gründen, das ein Gestaltungsvermögen ist, wo wir gezielt Grundstücke aufbewahren, die für wirtschaftspolitische, kulturpolitische oder wohnungspolitische Zwecke eingesetzt und verkauft werden sollen. Das ist die dritte Kategorie. Ich gehe davon aus, dass wir damit auch vielen Anforderungen gerecht werden können.

Die letzte Kategorie, das ist im Prinzip das, was bisher im Liegenschaftsfonds als Verkaufsvermögen gelistet ist, was er veräußert. Das wird es natürlich weiter geben, zumindest solange verkaufsfähige Immobilien existieren. Mit dieser differenzierten Herangehensweise wollen wir Berlin in der Stadtentwicklung zukunftsfähig machen. Ich freue mich auf die Debatte über diesen Antrag und hoffe auf Ihre Zustimmung. – Danke sehr!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Otto! – Die Redner der anderen Fraktionen haben mitgeteilt, dass sie ihre Reden zu Protokoll geben wollen.

Ich rede hier zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der durchaus bemerkenswert ist. Der Antrag enthält in seinem Duktus bereits im ersten Satz zwei unzutreffende Implikationen. Dabei handelt es sich keineswegs um semantische Irrungen. Es sind politische Enten.

Erstens: Dieser Senat und diese Koalition brauchen nicht zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung aufgefordert zu werden. Wir verkörpern sie geradezu, und zwar seit Jahren. Das geäußerte Lebensgefühl der Berlinerinnen und Berliner und der weltweite Ruf der Stadt bestätigen uns und unseren diesbezüglichen Erfolg eindrucksvoll.

Zweitens: Dieser Senat und diese Koalition brauchen nicht aufgefordert zu werden, Grundstücke nicht um jeden Preis zu veräußern. Wir stehen für einen behutsamen und ausgewogenen Umgang mit unserem Tafelsilber, und dazu zählen ganz ausdrücklich die noch rund 6 000 Grundstücke unseres Finanzvermögens. Zugleich unterliegen etwaige Unterwertveräußerungen einer strikten gesetzlichen Kautel. Sie unterliegen grundsätzlich dem Beratungs- und Zustimmungsvorbehalt unsere Hohen Hauses. Indem Sie diesen Umstand ausblenden, diskreditieren Sie die Arbeit des gesamten Hauses. Das weisen wir zurück, liebe Kollegen von den Grünen!

Gesellschaftszweck des Liegenschaftsfonds Berlin ist die Vornahme von Grundstücksgeschäften, die sich an wirtschafts-, stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Zielen orientieren.

Der Liegenschaftsfonds hat im Jahr 2007 594 und im Jahr 2008 584 Grundstücke veräußert und dadurch mehr als eine halbe Milliarde Euro für den Landeshaushalt erlöst. Bisweilen – und das soll im politischen Geschäft gelegentlich vorkommen – hat sich der Vertreter der Grünen im Steuerungsausschuss mit seinen Spontanideen nicht durchsetzen können. Hier nun aber drei von über 1 000 Grundstücksgeschäften der letzten beiden Jahre zu exponieren, zu denen Sie differente politische Bewertungen zu haben scheinen, und daraus abzuleiten, der Liegenschaftsfonds würde diesem Auftrag nicht gerecht, ist schon niedlich. Ich stelle anheim, Bockigkeit nicht länger zur politischen Kategorie zu erheben.

Dass die Koalition Grundstücke auch mit politischen Erwägungen, z. B. auch in exponierter Lage im Festpreisverfahren etwa an Baugruppen, vergeben will, hat sich zu Ihnen herumgesprochen und wird hier eilfertig als eigene Idee verkauft.

Zu einem besonderen Punkt nehme ich hier noch in gebotener Knappheit Stellung: Sie kritisieren – und darum scheint es wohl zuvörderst zu gehen –, dass vor einiger Zeit aufgrund der herausragenden Bevölkerungsentwicklung im Stadtteil Prenzlauer Berg Friktionen bei der Versorgung mit Schulplätzen entstanden sind. Dazu merke ich zunächst an, dass die Grünen zur Prosperierung dieses

Andreas Otto

Quartiers nichts, aber auch gar nichts beigetragen haben. Das ist Ergebnis unserer Stadtentwicklungspolitik. Sicher haben Sie erkannt, dass wir umfassend Informationen über die Schulentwicklung in allen Bezirken abrufen. Wir wollen belastbar wissen, wo Schulen mittelfristig vorgehalten werden müssen, und denken darüber nach, den Bezirken dort auch Unterlastigkeit zu erlauben. Insoweit besteht ggf. Handlungsbedarf bei den budgetunwirksamen Kosten. Umgekehrt können so auch Schließungsentscheidungen als erforderlich erkannt werden. Sich auf diesen sinnvollen Prozess draufzusetzen, nimmt Ihnen niemand ab, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen!

Zusammenfassend: Sie scheuen den Diskurs, das Abwägen von Für und Wider und wollen Politik verrechtlichen. Sie sehen für sich selbst voraus, keine Machtoption und keine Gestaltungskraft zu haben. Deshalb fordern Sie gesetzgeberische Selbstbeschränkung. Das vollständige Kreditverbot für die Landesparlamente, die sogenannte Schuldenbremse lässt grüßen.

Wir halten den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Landeseigene Immobilien für die Zukunft der Stadt nutzen“ für wenig zielführend. Er entspricht auch inhaltlich nicht unseren ordnungspolitischen Vorstellungen.

Zur Forderung der Grünen: landeseigene Immobilien für die nachhaltige Entwicklung der Stadt einsetzen. Nachhaltige Entwicklung ist für uns die Förderung und Unterstützung der Tatbestände, die der Berliner Wirtschaft und nicht der Förderung von Baugruppen und Sozialprojekten dienen.

Zur Forderung der Grünen: landeseigene Immobilien nicht um jeden Preis verkaufen. Nein, nicht um jeden Preis, sondern zum Höchstpreis an die Bieter, die unter wirtschafts- und fiskalpolitischen Aspekten das beste Angebot unterbreiten. Grundstücke in Filetlage sollten bei gleichem Angebotspreis nach unserer Auffassung an denjenigen Bieter verkauft werden, dessen Nutzungskonzept sich am besten in den Dienst der wirtschaftlichen Entwicklung stellt.

Zur Forderung der Grünen: landeseigene Immobilien in einem Gesamtkataster erfassen. Diesen Kataster gibt es bereits, ja sogar vierfach: