Protocol of the Session on June 25, 2009

Deswegen ist es wirklich misslich, was für eine Vorlage uns bei diesem Gesetzentwurf durch die Senatsverwaltung vorgelegt worden ist. Eine Kostenschätzung – es wurde bereits gesagt –, die vom Wortlaut eigentlich den Anschein erweckt, für alle Justizvollzugsanstalten zu gelten – 2,5 Millionen. Danach kommt in der Ausschusssitzung

heraus, dass damit wohl angeblich nur die Jugendstrafanstalt gemeint sein würde, eine Strafanstalt, die – wie bereits gesagt – von diesem Gesetzentwurf eigentlich gar nicht erfasst ist, sondern der Erwachsenenvollzug. Und dann sagen uns die Experten, dass eine Kostenschätzung überhaupt nicht möglich ist, zurzeit gar keine seriösen Fakten vorliegen, um Kosten zu schätzen. Ich kann nur sagen, das wird uns noch beschäftigen.

[Christian Gaebler (SPD): Stimmen Sie denn zu?]

Das wird ein Nachspiel haben, denn wir alle wissen, dass Angaben ins Blaue hinein den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllen. Wer arglistig täuscht, hat das Parlament betrogen. Das werden wir in der Zukunft aufklären, ob diese Senatsverwaltung dieses Parlament belogen hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Danke schön, Herr Dr. Kluckert!

Zum CDU-Antrag Drucksache 16/1749 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der FDP die Ablehnung. Wer dem Gesetz zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU. Die Gegenprobe! – Das sind die Regierungsparteien und Bündnis 90. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag damit bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Zur Beschlussvorlage empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Annahme. Wer der Drucksache 16/2247 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind FDP, CDU, SPD und Linkspartei. Danke schön! Die Gegenprobe! – Das ist Bündnis 90. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Damit ist das Gesetz zur Verhinderung von Mobilfunkverkehr auf dem Gelände der Berliner Justizvollzugsanstalten so beschlossen. Enthaltungen habe ich nicht gesehen.

Die lfd. Nr. 6 war Priorität der Fraktion der CDU unter dem Tagesordnungspunkt 4 a.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

I. Lesung

Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Berlin (Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz – UVollzG Bln)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2491

Ich eröffne die I. Lesung, zu der eine Beratung nicht mehr vorgesehen ist. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Rechtsausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre. – Dann ist das so beschlossen.

Dr. Sebastian Kluckert

Wir kommen zu

lfd. Nr. 8:

a) I. Lesung

Zehntes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der Grünen Drs 16/2496

b) I. Lesung

Gesetz zur Stärkung der bezirklichen Demokratie und Selbstverwaltung (Selbstverwaltungsstärkungsgesetz)

Antrag der Grünen Drs 16/2497

c) Antrag

Starke Bezirke für Berlin I: bezirkliche Aufgaben gesetzlich festschreiben

Antrag der Grünen Drs 16/2498

d) Antrag

Starke Bezirke für Berlin II: Status der Bezirksamtsmitglieder ändern

Antrag der Grünen Drs 16/2499

Ich eröffne die I. Lesung. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Person von Herrn Birk. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Ihnen heute ein umfangreiches Antragspaket zur Umsetzung des politischen Bezirksamts und zur Stärkung der bezirklichen Demokratie vor. Es ist mit Bezirksvertreterinnen und -vertretern gemeinsam erarbeitet worden, und wir unterstreichen hiermit: Wir stehen zu den Bezirken und lassen uns unsere Überzeugungen auch nicht abkaufen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir erinnern uns: Auf der letzten Plenarsitzung ist etwas sehr Bemerkenswertes passiert. In einem Änderungsantrag der Koalition zu einem Antrag zu den Bezirksfinanzen wurde in einem letzten unscheinbaren Absatz das Proporzbezirksamt gelobt und damit das politische Bezirksamt begraben. Damit wurde eine Frage von Verfassungsrang mal eben ad acta gelegt. Warum musste das von Rot-Rot an dieser Stelle betont werden? – Weil dahinter ein Deal stand.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Was, ein Deal?]

Der Finanzsenator musste noch einmal 8 Millionen Euro zusätzlich für die Bezirke herausrücken. Dafür verzichtete die Linkspartei wie angekündigt auf das politische Bezirksamt. So billig ist die Linkspartei zu haben. Demokratie zum Schleuderpreis! Das war ein ungeheuerlicher Vorgang.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Damit setzt Rot-Rot einen traurigen Schlusspunkt in der Abkehr von ihrer eigenen Programmatik bezüglich der Bezirke.

Die SPD amüsierte uns letztes Jahr mit einem Vorschlag, wonach ein Bezirksbürgermeister eine Machtausstattung bekommen sollte wie ein direkt gewählter Oberbürgermeister, ohne direkt gewählt zu sein. Dann sollte es neben einem halben politischen Bezirksamt mindestens einen Vertreter der Opposition im Bezirksamt geben dürfen. Dieser zusammengepuzzelte Unsinn fiel zu Recht auf Ihrem Landesparteitag durch.

Die Linkspartei trickste sich selbst aus und formulierte, dass ein politisches Bezirksamt, das man eigentliche begrüße, nur Sinn mache, wenn die Bezirke mehr Aufgaben und eine solide Finanzausstattung erhielten. So hatte man sich selbst zum Misserfolg verdammt, denn fortan galt es zu verhindern, dass Aufgaben und Finanzen über die Bezirke kamen.

Meine Damen und Herren! Seien Sie doch einfach ehrlich! Sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern, dass Sie nur Ihre Pfründe in den Bezirksämtern sichern wollen und deswegen am Proporzbezirksamt festhalten!

[Beifall bei den Grünen]

Bündnis 90/Die Grünen legen dagegen heute ein Gesetzes- und Antragspaket vor, das nicht nur unser Plädoyer für das politische Bezirksamt unterstreicht, wir verbinden damit gleichzeitig eine Stärkung der bezirklichen Demokratie und der Selbstverwaltung in den Bezirken.

Unser Modell sieht so aus: Die Bezirksverordnetenversammlung wählt das Bezirksamt entsprechend ihrer Mehrheit. Damit kann die Bevölkerung klarer die politische Verantwortung für das Verwaltungshandeln im Bezirk nachvollziehen. Die BVV wird gleichzeitig selbst gestärkt, indem sie bei allen Bezirksangelegenheiten das Entscheidungsrecht erhält. Das wiederum hat weitreichende Folgen für Bürgerentscheide. Die werden nämlich bindend für die Verwaltung. Damit entsprechen wir einer klaren Forderung von Mehr Demokratie e. V. und stärken die direkte Demokratie.

[Beifall bei den Grünen]

Wir wollen den Rat der Bürgermeister in ein Entscheidungsgremium von mehr Gewicht verwandeln. Er soll Rat der Bezirksämter heißen, mit jeweils zwei Vertreterinnen bzw. Vertretern pro Bezirk ausgestattet sein und ein stärkeres Vetorecht gegen Senatsentwürfe von Rechtsvorschriften erhalten, das nur durch das Abgeordnetenhaus abgewendet werden kann. Aber der RdB soll nicht nur reagieren, sondern auch durch verstärkte horizontale Zusammenarbeit selbst Qualitätsverbesserungen des Verwaltungshandelns anregen. Um einen bezirklichen Koalitionswechsel während der Legislaturperiode zu ermöglichen, entfällt die Zwei-Drittel-Mehrheit zur Abwahl von Bezirksamtsmitgliedern. Die Abwahl kann aber nur durch

Präsident Walter Momper

ein konstruktives Misstrauensvotum erfolgen. Der politische Beamtenstatus von Bezirksamtsmitgliedern soll entfallen, um im Fall einer vorzeitigen Abwahl Besoldungs- und Versorgungsansprüche zu vermeiden. – Sie sehen, wir haben an alles gedacht.

Wir wollen aber auch die Bezirke als Ganzes stärken, indem wir zum einen das Eingriffsrecht des Senats bei der Bauleitplanung auf das Maß zurückschrauben, wie es für die anderen Bereiche bereits gilt. Das heißt, die alte Lex Strieder, die einen ungebremsten Eingriff von der Würstchenbude bis hin zu Bebauungsplänen vorsah, wird abgeschafft und ebenso die unsinnige Schlussprüfung bereits beschlossener Bebauungspläne durch die Senatsjuristen. Das ist gleichzeitig unser Beitrag zur Entbürokratisierung. Zum anderen sollen die Bezirke einen abgeschlossenen, gesetzlich fixierten Aufgabenkatalog erhalten, damit die Berlinerinnen und Berliner, aber auch wir, endlich begreifen, was die Bezirke eigentlich alles leisten. Nur auf Basis eines solchen Aufgabenkatalogs kann dann auch eine Aufgabenanalyse und -kritik stattfinden. Die halten wir für dringend notwendig.

Zusammen mit unseren Alternativen zur Finanzierung der Bezirksaufgaben haben wir damit ein Paket vorgelegt, das mehr Transparenz bei der Aufgabenzuordnung und der politischen Verantwortung schafft. Wir verbinden damit eine klare Botschaft: Ein starkes Berlin braucht starke Bezirke. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]