Viertens: Gut ist auch, dass es keinen NC, also keinen Notendurchschnitt mehr geben wird, denn diese Noten sind auch nicht sehr aussagekräftig, und die Maßnahme könnte auch eventuell zu einer Inflation der Grundschulnoten führen. Außerdem würde dieses Kriterium die soziale Ungerechtigkeit, die wir ja bekämpfen wollen, eventuell verstärken.
Fünftens: Gut ist auch, dass es keine Aufnahmeprüfungen geben wird, denn diese würden nur einen punktuellen Wissensstand der Elfjährigen abbilden – auch dieses Kriterium ist daher langfristig nicht aussagekräftig.
Sechstens bleibt das umstrittene Probehalbjahr, das nun zu einem Probejahr ausgeweitet werden soll. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich persönlich war stets gegen das Probehalbjahr, weil ich aus eigener Erfahrung den Druck kenne, unter dem die betroffenen Schülerinnen und Schüler leiden. Das war die Kröte, die ich als Kompromiss schlucken musste, denn die anderen Kriterien halte ich für sinnvoll. Die Ausweitung der Probezeit von einem halben auf ein ganzes Jahr halte ich sogar für humaner, auch wenn es manchmal andersherum dargestellt wird. Ich bin bereit, dieses Gesamtpaket mitzutragen.
[Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu (Grüne): Warum denn auch? Müssen wir denn mit Ihnen einer Meinung sein?]
Zum zweiten Punkt der Aktuellen Stunde „Gymnasien reformieren“ – das passiert mit unserem Antrag zur Schulstrukturreform ja. Da sich die Gymnasien einen Großteil ihrer Schülerinnen und Schüler selbst aussuchen können,
müssen sie sich natürlich auch mehr individuell kümmern. Es gibt dieses Probejahr, darüber haben wir ja nun lang und breit diskutiert, aber danach ist kein Abschieben mehr möglich, und das ist eine riesige Verbesserung und Reform der Gymnasien im Gegensatz zu früher.
Zum dritten Punkt „Sekundarschulen stark machen“ – auch das wird passieren. Die integrativen Sekundarschulen bilden neben den Gymnasien eine gleichberechtigte Schulform, und sie führen auch – anders als beispielsweise die Mittelschule in Sachsen – zu allen Abschlüssen. Das Abitur kann in 12 oder 13 Jahren abgelegt werden – das ist doch eine Chance für Schülerinnen und Schüler, die neben dem Unterricht auch noch anderen Aktivitäten nachgehen wollen. Alle integrierten Sekundarschulen werden zu Ganztagsschulen, sie werden mit einer Frequenz von 25 Schülerinnen und Schülern je Lerngruppe, zusätzlichen Ressourcen für Teilungsstunden und individuellen Förderungen ausgestattet.
Gestatten Sie mir zum Abschluss noch einige Bemerkungen zu dem Antrag der CDU. Herr Mutlu hat dazu überhaupt nichts gesagt, aber da der Antrag ja hier mitverhandelt werden soll, will ich noch ein paar Worte darüber verlieren.
Ich persönlich, das wissen Sie, war damals aus finanzpolitischen Gründen gegen die Abschaffung der Lernmittelfreiheit, weil ich sie aus bildungspolitischen Gründen nicht einsah. Nun, ich bin unterlegen, das passiert schon mal in einer Demokratie, und nun haben wir das Verfahren. Das Verfahren läuft, und ich muss Ihnen sagen: Die Schulen sind damit zufrieden.
Ich selbst bin Mitglied der Schulkonferenz der MartinBuber-Oberschule, das ist eine dieser nachgefragten Gesamtschulen in Spandau, die drei Mal so viele Anmeldungen wie Plätze hat,
und dort haben wir das Verfahren in der letzten Schulkonferenz diskutiert – es ist alles wunderbar! Sie haben ihren Lernmittelfonds, die Eltern zahlen darauf ein, ab und an gibt es säumige Eltern, die man mal mahnen muss, dann
Sie wissen doch, Frau Senftleben, Sie machen das doch auch schon ein paar Jahre, dass wir wieder vor schwierigen Haushaltsberatungen stehen, und gerade im Einzelplan 10 – Bildung – stehen wir vor großen Herausforderungen:
Wir müssen die Universitäten gut ausstatten, der Stufenplan der Kitas muss angemessen berücksichtigt werden, unsere Schulstrukturreform muss auskömmlich finanziert werden. Da werde ich doch gefragt: Wo nimmst du nun die 11 bis 12 Millionen Euro her? – Darauf habe ich dann keine Antwort. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie von der Koalition die Stadt mit diesem Gefasel von der größten Schulstrukturreform ihrer Geschichte überzeugen wollen, das ist mir völlig schleierhaft!
Seit Monaten ist Rot-Rot nicht dazu in der Lage, ein Konzept für die Schulstrukturreform vorzulegen – keine Idee von der inneren Organisation der Sekundarschulen, keine Idee von den Zugangsregeln der Schulen, keine Idee von den notwendigen Lehrereinstellungen. Irgendwann kündigt die Koalition dann an, dass sie die größte Reform im Schulbereich in der Geschichte der Stadt durch ein Koalitionsanträgchen beschließen lassen will. Anstatt ein ordentliches pädagogisches Konzept durch die Senatsverwaltung erarbeiten zu lassen
bekommen wir heute – vor anderthalb Stunden, zu Beginn dieser Plenarsitzung – eine Tischvorlage, um diese Strukturreform zu diskutieren.
Um es ganz deutlich zu sagen: Dieses Hin und Her, der offene Streit in der Koalition, das mehrmalige Zurückpfeifen Ihres Senators durch die Linkspartei,
und jetzt diese Tischvorlage, das alles ist unzumutbar und hat mit seriöser Bildungspolitik nichts zu tun.
Der Senator ist ja mittlerweile fast handlungsunfähig geworden. So kann man eine Reform, von der 300 000 Schüler, 20 000 Lehrer und mehrere Hunderttausende Eltern in dieser Stadt betroffen sein werden, nicht organisieren, das ist Stümperei!
Das jüngste Kapitel im Drama Ihrer Strukturreform wurde in der vorvergangenen Woche aufgeschlagen, als der Senator eine Pressekonferenz um 19.30 Uhr ansagte,
um die Zugangsregeln für das Gymnasium zu verkünden. Offensichtlich musste er ganz schnell an die Öffentlichkeit gehen, um Fakten zu schaffen, weil der faule Kompromiss – wenn alle ihn in der Koalition gekannt hätten – keine Stunde überlebt hätte.
Und was er der Öffentlichkeit dann vorstellte, schlug dem Fass den Boden aus: Zwei sich völlig widersprechende Zugangsregeln wurden einfach zusammengepackt: 40 Prozent Leistungs- und Profilprinzip, 50 Prozent Losverfahren. Wie kann man eigentlich auf so eine völlig absurde Idee kommen,