Protocol of the Session on May 28, 2009

Herr Präsident! Vielen Dank! – Ich glaube, dass der Aufruf nach Mäßigung nicht mir persönlich galt. Ich freue mich, dass so ein Thema mit einer gewissen Leidenschaft diskutiert werden kann, aber an diesem Punkt ist ein bisschen Rationalität angebracht.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Liebe Frau Michels! Ich habe das erste Mal aus Ihrem Mund so deutlich ein Bekenntnis zu ungefähr 90 Prozent oder 95 Prozent des Lissabon-Vertrages gehört.

[Martina Michels (Linksfraktion): Im Ausschuss schon jahrelang! Sie sind nur nicht dabei!]

Liebe Frau Michels! Regen Sie sich ein bisschen weniger auf! – Mir ist immer noch unklar, warum Sie nicht mit uns den Weg gehen wollen zu sagen: Jetzt die Chance nutzen, die Elemente von Demokratisierung, von Abkehr zum Beispiel vom Einstimmigkeitszwang zu nutzen, die darin stehen, weg von dem noch unbrauchbareren Instrument Nizza-Vertrag einen nächsten Schritt zu machen, sondern sagen: Lieber bleiben wir auf dem Status Nizza stehen und vergeben uns damit die Möglichkeit, Lissabon weiterzuentwickeln. Das geht mir nicht in den Kopf.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Oliver Scholz (CDU): Weil sie eine Protestpartei sind!]

Wir wollen eine Demokratisierung der Strukturen der Europäischen Union. Das steht auch drin. Herr Scholz! Es mag sein, dass es Ihnen absurd vorkommt oder so ähnlich, wenn wir den Senat aktiv auffordern, die positiven Elemente des Lissabon-Vertrages auch in Berlin den Berlinerinnen und Berlinern näherzubringen. Es ist doch überfällig, dass der Senat das tut. Ich denke, das liegt in der Verantwortung des Senats.

[Beifall bei den Grünen – Oliver Scholz (CDU): Ich habe die Hoffnung aufgegeben!]

Es tut mir leid, Herr Scholz, dass Sie die Hoffnung aufgegeben haben. Ich habe diese Hoffnung noch, und wir müssen an den Senat appellieren. – Es ist richtig, das zu tun. Es müssen die positiven Elemente des LissabonVertrages, die positiven Elemente der Europäischen Union besser erklärt werden. Wir müssen damit nach außen gehen und uns nicht immer nur alle paar Jahre hier in unseren Hallen darüber streiten. So oft ist Europa nun doch nicht Tagesordnungspunkt, manchmal ist Europa in gewissen Ebenen ständiges Bauchgefühl. Vielleicht sollten wir tatsächlich häufiger über konkrete Anträge reden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Genau deswegen haben wir übrigens diesen Antrag eingebracht; der dreht sich nicht nur um den LissabonVertrag, einen ganz wesentlichen Teil macht auch die Ausrichtung des europäischen Strukturfonds aus oder das Thema „Berlin als Brücke nach Mittel- und Osteuropa nutzen“.

Hier komme ich kurz auf den Antrag der FDP zu sprechen. Es ist nicht so, dass wir von den Wohltaten des Beauftragtenwesens überzeugt wären – das nun wahrlich nicht. In diesem konkreten Fall ist es aber richtig, die Zusammenarbeit und die ausgestreckte Hand in Richtung Osten zu unserem direkten östlichen Nachbarn Polen auf die selbe Ebene zu setzen wie die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich.

[Mirco Dragowski (FDP): Richtig!]

Das ist ein wichtiges Zeichen!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Stimmen Sie bitte nicht mit der Begründung dagegen, das sei eine Bundesangelegenheit. Wie oft beschließen wir hier, dass der Senat eine Bundesratsinitiative anstrengen soll – an diesem Punkt kann man sich auch dafür verwenden.

[Beifall bei den Grünen]

Kommen wir noch zum letzten Punkt, dem aktiven Handeln des Senats. Es wurde gesagt, dies sei ständiger Tagesordnungspunkt. In vielen Punkten stimmt das – wenn es um Mindestlöhne geht, wenn es um einen EUSozialpakt geht, sind wir in einer breiten Mehrheit in diesem Haus. Aber dass sich das stets in konkrete Handlungsweise umsetzen würde, das kann ich nicht erkennen. Wenn ich mir z. B. den Bericht anschaue, der in der letzten Sitzung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten vor 14 Tagen zur Kenntnis genommen wurde, welche Initiativen der Senat ergriffen hat, nachdem mit großer Mehrheit von Rot-Rot und Grün beschlossen wurde, den Senat aufzufordern, sich aktiv zum Thema Mindestlöhne einzubringen. Herr Dragwoski! Das hat nichts mit Wirtschaftsnationalismus zu tun, ich bin eine Gegnerin auch jeder anderen Form von Nationalismus – Mindestlohn ist ein völlig anderes Paar Schuhe.

Martina Michels

Alles, was in diesem Bericht über die Aktivitäten des Senats stand, war vor Beschlussdatum. Da frage ich mich, was der Senat seitdem getan hat.

[Mirco Dragowski (FDP): Das fragen wir uns auch!]

Wir können nicht erkennen, dass das Thema ständig und konkret auf der Tagesordnung stehen würde, wir würden uns aber wünschen, dass dem so wäre. Genau deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Oliver Scholz (CDU)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass wir zur Abstimmung kommen.

Wir kommen zunächst zum FDP-Antrag Drucksache 16/2216 „Bedeutung der Europäischen Integration“, im Fachausschuss mehrheitlich – gegen FDP bei Enthaltung der CDU – abgelehnt. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt.

Ich komme zum FDP-Antrag Drucksache 16/2329 „Erwartungen Berlins“. Hierzu ist ebenfalls die sofortige Abstimmung beantragt worden, und wer ihm seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen?– Dann ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Ich komme zum FDP-Antrag Drucksache 16/1415 „Deutsch-polnischer Kulturbeauftragter“, im Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen – abgelehnt. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag ebenfalls abgelehnt.

Wir kommen nun zum Antrag der Grünen Drucksache 16/2437. Hierzu liegen Überweisungswünsche an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten vor, inzwischen wird aber auch hier die sofortige Abstimmung beantragt. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf als gemeinsame Priorität der Fraktion der SPD und der Fraktion Die Linke

lfd. Nr. 4 b:

a) Antrag

Ordnungsämter konsequent weiterentwickeln

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2435

b) Antrag

Das Amt kommt zum Bürger: mobile Bürgerdienste aktiv nutzen

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2436

Das ist der Tagesordnungspunkt 33. – Für die Beratungen steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Für die Fraktion der SPD hat Frau Kollegin Flesch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden hier zur Debatte stehenden Anträge haben auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun – in dem einen geht es um die Ordnungsämter, in dem anderen um die mobilen Bürgerdienste. Tatsächlich sind aber beide Anträge Ausdruck einer konsequenten und an den Bedürfnissen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen ausgerichteten Politik der Verwaltungsmodernisierung, die der Senat und die Koalition seit Jahren betreiben.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie bitte! – Meine Damen und Herren! Darf ich Sie bitten, der Rednerin zuzuhören; falls Sie das nicht beabsichtigen, bitte ich Sie, den Saal zu verlassen!

Das wäre sehr nett, vielen Dank, Herr Präsident! – Die Koalition verzichtet auf billige Effekte wie z. B. der Forderung nach viel mehr Personal. Wir konzentrieren uns darauf, notwendige Bürokratie effizienter und effektiver zu machen. Darüber mag sich die „Wirtschaftswoche“ in der letzten Woche amüsieren oder spöttisch auslassen, wir aber stehen dazu, allen Kunden und Kundinnen der Berliner Verwaltung einen möglichst guten und schnellen Zugang zu ermöglichen. Das heißt bei den Ordnungsämtern, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, die Rahmenzielvereinbarung, die mit den Bezirken abgeschlossen wurde, ernst zu nehmen und die Arbeit der Ordnungsämter fortzuentwickeln.

Die jüngste Studie des Instituts für Urbanistik zur „Servicestadt Berlin 2016“ – wie soll eine Servicestadt Berlin in 2016 aussehen – zeigt deutlich, dass sich die Verwaltung in die richtige Richtung entwickelt. Wir entwickeln sozialraumorientierte Leistungskonzeptionen, und wir ziehen die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger für bestimmte Leistungsangebote heran. Die Studie stellt auch fest, dass auch aufgrund des demografischen Wandels die Verwaltung zukünftig in Form einer aufsuchenden Stadt auf die Bürgerinnen und Bürger und auf die Unternehmen zugehen muss.

Die mobilen Bürgerämter sind Ausdruck einer aufsuchenden Verwaltung. Leider werden sie von den Bezirken weniger genutzt als wir ihnen die Mittel dafür, die Grundausstattung und die technische Ausstattung, zur Verfügung gestellt haben. Wo sie eingesetzt sind, z. B. im Bezirk Lichtenberg, haben sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Erfahrungen damit gemacht. Die Weiterentwicklung aller Vertriebswege für die Dienstleistungen der Bürgerämter muss sich an der demografischen Entwicklung orien

Anja Schillhaneck

tieren. Deshalb sind die aufsuchenden mobilen Bürgerämter für einen großen Teil der zukünftigen Bevölkerung der richtige Weg.

Über die Details der beiden Anträge werden wir in den Ausschüssen diskutieren, aber zumindest für den Verwaltungsreformausschuss bin ich sicher, im Prinzip eine große Übereinstimmung zu finden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Statzkowski das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie rufen bei einem Ordnungsamt an, Sie haben ein Anliegen, Sie wollen eine Genehmigung, und Sie hören vom Amtsleiter: Tut mir leid, das ist zur Zeit nicht möglich, ich bin der Einzige, der da ist. Eine Bearbeitung von Anträgen ist zur Zeit nicht möglich. – Das ist keine Fiktion, sondern Realität, z. B. im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, gerade so vor 14 Tagen passiert, als eine Bürgerin eine Genehmigung für die Aufstellung eines Blumentopfes auf einer Straße einholen wollte. So ist die Realität, so ist die Arbeit von Ordnungsämtern im Land Berlin, so sieht die personelle Ist-Ausstattung in den Ordnungsämtern der Berliner Bezirke aus.

Dazu könnte Herr Nußbaum, der ja irgendwann eintreffen wird, uns erzählen, welche Schwierigkeiten er hatte, sich in Berlin anzumelden. Er ging zu einem Bürgeramt, stellte fest, dass er mit zwei Stunden Wartezeit zu rechnen hatte – problematisch. Dann versuchte er – geschickt, geschickt! – telefonisch einen Termin zu erhalten, doch was stellt er fest? – Kein Durchkommen!

Da kann man sich nur einig sein, Herr Birk, wir wollen eine Onlinereservierung und künftig die modernen Möglichkeiten der Elektronik nutzen. Was aber dazugehört, ist, dass die vorhandenen Stellen von den Bezirke besetzt werden können. Es geht eben nicht nur um die Vortäuschung falscher Tatsachen, sondern wir wollen Leistungen am Bürger. Dazu gehört es, dass die vorhandenen Stellen von den Bezirken dementsprechend genutzt werden können.

[Beifall bei der CDU]