Die lfd. Nr. 14 war gemeinsame Priorität von SPD und Linksfraktion unter dem Tagesordnungspunkt 4 c. Die lfd. Nr. 15 steht auf unserer Konsensliste.
Hierzu ist eine Beratung nicht vorgesehen. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen – die Ablehnung des Antrags. Wer dem FDP-Antrag jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktio
nen der FDP, der CDU und der Grünen. Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine Enthaltungen! Damit ist der Antrag abgelehnt.
Missmanagement des Senats beenden – Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten an den Qualitätsstandard der Bezirke anpassen!
Den Widerstand gegen die DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 als Meilenstein der Bürgerrechtsbewegung auf dem Weg zur friedlichen Revolution würdigen!
Beratungszeit jeweils wieder fünf Minuten! Für die antragstellende Fraktion der Grünen hat der Kollege Otto das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser 7. Mai 1989 war ein historisches Datum, ein Meilenstein nicht nur auf dem Weg zum Ende organisierten Wahlbetrugs, nicht nur auf dem Weg zum Ende von Einheitslisten der Nationalen Front, nicht nur auf dem Weg zum Ende der Dominanz der herrschenden Partei, sondern ein Meilenstein auf dem Weg zur Demokratisierung Ostdeutschlands und damit zum Ende der DDR. Die DDR ist deshalb untergegangen, weil sie nicht demokratisch war, und das ist auch gut so.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte in Vorbereitung dieses Tages einen Entschließungsantrag eingebracht. Die Würdigung historischer Ereignisse ist ja keine Pflichtaufgabe dieses Parlaments, aber wir tun das gelegentlich, und es ist guter parlamentarischer Brauch, dass wir das dann auch als alle Fraktionen gemeinsam einreichen und auch gemeinsam tun. Dazu ist es in dem Fall leider nicht gekommen. Im Gegenteil, der Antrag ist sogar noch in den Kulturausschuss überwiesen worden. Wir
haben uns gefragt, warum das alles. Sicherlich gibt es in der SPD-Fraktion oder in der Linksfraktion noch den einen oder anderen, der da inhaltlich Qualifizierendes beitragen will, vielleicht wird die Entschließung dann auch noch etwas länger – wir hatten uns getäuscht. Aus dem Ausschuss zurückgekommen ist keine Entschließung, sondern ein Dreizeiler, und das finde ich höchst bedauerlich.
Sie haben in den Ausschussberatungen seitens der Koalition dafür gesorgt, dass der Text in einen Antragstext und eine Begründung aufgespalten wurde. Die Begründung ist naturgemäß – das ist so bei Beschlussempfehlungen – hier im Plenum nicht wieder angekommen. Jetzt muss man sich sicherlich damit beschäftigen, was Sie gestört hat.
Wahlmanipulation durch die SED-Führung war für den DDR-Staat von seiner Gründung bis zu seinem Ende konstitutiv.
Das heißt, Wahlbetrug gehörte immer dazu. Aber es gab auch immer Protest. Wir hatten in diesen Text ein Beispiel für Protest aufgenommen. Das war das Schicksal von Hermann Joseph Flade, ein junger Mensch, 18 Jahre alt, der in Sachsen gelebt hat und der 1950 gegen die erste Wahl protestiert hat, der von der Volkspolizei festgenommen wurde, als er Plakate angemacht hat, und der dann in einem Schauprozess zum Tode verurteilt wurde.
Er hat den Polizisten verletzt – es ist gut, dass Sie das noch sagen, Frau Hiller. Er hatte nämlich ein Taschenmesser dabei.
In der Tat ist dabei ein Polizist leicht verletzt worden. Es hatte einen Schauprozess vor 1 200 eingeladenen – ich will nicht sagen vorgeladenen – Zuschauern und dann ein Todesurteil zur Folge. Dieses Todesurteil rief in der DDR selbst Protest hervor. In West-Berlin gab es eine Kundgebung. Ernst Reuter hat vor ca. 5 000 Leuten aus Ost und West gesprochen.
Das Todesurteil – und dies war auch Thema im Ausschuss – ist dann nicht vollstreckt, sondern in eine fünfzehnjährige Haftstrafe umgewandelt worden. Der Mann hat zehn Jahre in Bautzen gesessen, ist dann freigekauft worden und später an den Haftfolgen gestorben. Ich weiß nicht, wie viel besser dies war als das Todesurteil – es wäre zynisch, diesen Vergleich anzustellen. Das Todesurteil ist nicht deshalb nicht vollstreckt worden, weil die SED besonders human war, sondern weil der Widerstand, der Protest in der DDR selbst und international zu groß war.
Ich glaube, dass wir auch an solche Fälle denken müssen, wenn wir uns über den Wahlbetrug unterhalten.
Der Präsident hat uns zum Anfang etwas zum Grundgesetz gesagt. Er hat gesagt, dass viele Artikel des Grundgesetzes eigentlich erst nach Jahrzehnten bedeutsam wurden, als nämlich Leute angefangen haben, Rechte einzufordern. Genauso war das in der DDR. Da haben auch Leute versucht, Rechte einzufordern, die irgendwo auf dem Papier standen. Der Unterschied aber war, dass es ihnen in der Regel nicht gelang, weil es keine Gerichte gab, weil es keine Gerechtigkeit gab und weil es einen Repressionsapparat gab, der das jederzeit verhinderte.
Deshalb mussten auch die Leute scheitern, die 1989 versucht haben, eigene Kandidaten für diese Wahl aufzustellen. Das war natürlich von der SED nicht gewünscht, und es wurde auch verhindert. Was aber nicht verhindert werden konnte, das war das Nachzählen. Was nicht verhindert werden konnte, war das Zusammentragen von Ergebnissen. Hier in Berlin ist das besonders im Bezirk Weißensee in fast vollständigem Maße gelungen. Was nicht verhindert werden konnte, war der Nachweis, dass die Wahl gefälscht war.
Das mache ich, Herr Präsident! – Der Nachweis, dass die Wahl gefälscht war, ist, glaube ich, ein großer Schritt zur Demokratisierung gewesen, mit dem das Ende der DDR eingeleitet werden konnte. Es gab eine freie Wahl danach. Sie kennen alle das Ergebnis. Im März 1990 haben sich ungefähr 75 Prozent der Wählerinnen und Wähler dafür entschieden, Parteien zu wählen, die den Beitritt zur Bundesrepublik wollten. Das muss man akzeptieren. Das ist Demokratie. Auch wenn vielleicht einige von Ihnen oder wenn ich selbst zurückdenke – –
Wenn Sie nicht immer unterbrechen würden, wäre ich schon fertig. – Auch wenn es einigen vielleicht nicht gepasst hat: Das ist Demokratie, das muss man anerkennen. Deshalb sitzen wir heute zusammen, und ich glaube,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Otto! Wir haben diese Entschließung im Ausschuss beraten und darüber eine gute Diskussion geführt. Es gab eine sehr große Einigkeit über zwei Dinge. Erstens, dass Ihr Anliegen, dies noch einmal in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen, ein sehr gutes ist, gerade um der Geschichtslosigkeit der Zeit zu wehren. Junge Leute wissen heute überhaupt nicht, mit welchen Konsequenzen es in der DDR verbunden war, nicht zu wählen. Ich bringe ein paar Beispiele – Sie haben auch welche gebracht. Das hat uns geeint.