Sodann die Vorlage – zur Beschlussfassung – über das Berliner Gesetz zum Schutz des Kindes, Drucksache 20/2154, überwiesen in der 43. Sitzung am 5. März 2009 federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie mitberatend an die Ausschüsse für Bildung, Jugend und Familie sowie Inneres, Sicherheit und Ordnung und an den Hauptausschuss, nunmehr zusätzlich mitberatend an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. – Zu den Änderungen der
1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD zum Thema: „Klarheit für Arbeitslose und Beschäftigte in Jobcentern – die Reform muss schnell kommen“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin ist unverzichtbar – Senat, SPD- und Linksfraktion müssen Sarrazins letzte Attacke gegen das UKBF zurückweisen und sich klar zur Charité bekennen“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Ausbau A 100 stoppen – Berlin braucht endlich den Vorrang für die Schiene“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Das Konjunkturpaket soll die Konjunktur fördern und nicht rot-rote Schulstrukturreformen“.
Zur Begründung der Aktualität der Anträge rufe ich für die Koalitionsfraktionen Frau Radziwill von der SPD auf. – Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Themenvorschlag der Koalition für die Aktuelle Stunde lautet: „Klarheit für Arbeitslose und Beschäftigte in Jobcentern – die Reform muss schnell kommen“.
Eine Vorbemerkung: Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. Dezember 2007 entschieden, dass die derzeitige Mischverwaltung, also die Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit mit den Kommunen im SGB II, unzulässig ist und maximal bis zum 31. Dezember 2010 zu gelten hat. Der Bundesminister für Arbeit, Olaf Scholz, SPD, hat seine Arbeit getan. Ein denkbarer Kompromiss wurde am 13. Februar dieses Jahres vorgelegt – ein mit Vertretern der Union verhandelter Vorschlag liegt auf dem Tisch. Das Maximum, was in einer großen Koalition verhandelbar ist, ist herausgearbeitet. Was ist nun passiert – und das begründet auch die Aktualität unseres Themenvorschlages? – Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat am 17. März dieses Jahres diesen Vorschlag des Bundesarbeitsministers abgelehnt. Man könnte meinen, die Verfassungsfeinde befinden sich in der Mitte des Bundestages, genauer gesagt, halb rechts, in der CDU/CSU-Fraktion. Man weigert sich, einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgen, denn bisher liegen keine seriösen und realisierbaren Vorschläge der Gegner des Kompromissvorschlages vor.
Wozu das Ganze, fragt man sich? Will die CDU/CSUBundestagsfraktion dem Bundesverfassungsgericht zeigen, was man von ihm hält? Oder will die CDU/CSUBundestagsfraktion der Bundeskanzlerin zeigen, dass man von ihr nichts hält? – Das zweite ist wohl wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, dass auch die Bundeskanzlerin diesem Kompromiss gegenüber wohlgesonnen war.
Was ist nun die Folge? – Eine Untätigkeit bei diesem Zeitfenster können wir uns nicht leisten, und deshalb wollen wir mit der Aktuellen Stunde auf die möglichen Folgen hinweisen. Wir fordern die CDU/CSUBundestagsfraktion auf, endlich zu handeln,
die Regierungszeit der großen Koalition zu nutzen und endlich eine sinnvolle Lösung zur Neuorganisation der Jobcenter zu finden. Fallen Sie nicht in das alte Regierungsverhalten zurück, kopieren Sie nicht die kohlsche Ära des Stillstands! Verantwortungsvolle Politik besteht auch darin, maßvolle Kompromisse zu finden.
Mit diesem Verhalten zeigt die Union gerade in der schwersten Wirtschaftskrise, die die Weltwirtschaft aktuell erlebt, welch hochgradig verantwortungslose Politik sie betreibt. Die Anzahl der Hilfesuchenden wird steigen, eine Umsteuerung wird Zeit beanspruchen. Wir wollen, dass die Hilfe aus einer Hand weiterhin fortgesetzt wird – das bedeutet Dienstleistung und Bürgerfreundlichkeit. Die Verweigerungsstrategie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist fern jedes Dienstleistungsgedankens, verunsichert die Betroffenen, verunsichert die Mitarbeiter und baut, wie es scheint, auch Bürokratie auf. Wahlkampf schon jetzt auf Kosten der Betroffenen und der Mitarbeiter zu führen, ist unprofessionell und hilft nicht in der Sache. Bei einer Verschiebung nach der Bundestagswahl verschenken Sie kostbare Zeit zum Handeln. Das Thema ist uns wichtig, es sollte auch der Union wichtig sein. Daher fordere ich Sie auf, heute unserem Themenvorschlag zur Aktuellen Stunde zu folgen. Setzen Sie mit uns ein Zeichen und fordern auch Sie die CDU/CSUBundestagsfraktion auf, zu handeln! Fordern Sie mit uns Klarheit für Arbeitslose und Beschäftigte in Jobcentern – die Reform muss schnell kommen! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Zimmer das Wort zur Begründung der Aktualität. – Bitte schön, Herr Zimmer, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation an der Charité ist nicht nur aktuell, sie ist auch akut, wie wir einer Berichterstattung der vergangenen Tage entnehmen konnten. Im vergangenen Jahr ist dort ein Defizit
von knapp 57 Millionen Euro aufgehäuft worden. Es gibt keine Aussicht auf Besserung: Wenn bereits jetzt im Entwurf eines Wirtschaftsplans mit 19,5 Millionen Euro Defizit für das laufende Jahr kalkuliert wird, kann man sich ausrechnen, dass das schöngerechnete Zahlen sind und am Ende dieses Jahres möglicherweise wiederum ein Defizit steht, das an das des vergangenen Jahres heranreicht.
Wenn man sich dieses vor Augen führt, ist die Erstellung eines Wirtschaftsplans für das Jahr 2009 nicht vor dem Jahr 2009, sondern mitten im Jahr 2009 völlig verantwortungslos und erfordert eine Debatte heute im Parlament.
Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass ein Unternehmen dieser Größenordnung vier Monate nach Beginn des Geschäftsjahres noch keinen Wirtschaftsplan vorgelegt hat, und es ist noch viel unvorstellbarer, dass dies bei einem öffentlichen Unternehmen der Fall ist, das dem Parlament gegenüber berichtspflichtig ist. Wir müssen uns heute mit dem Senat über seine Verantwortung für die Charité auseinandersetzen, denn es gibt ein massives Versagen des Aufsichtsrats der Charité.
Die Vertreter des Senats – Herr Zöllner und Herr Sarrazin – haben ihre Aufsichts-, Kontroll- und auch ihre Steuerungsfunktion im Aufsichtsrat offensichtlich in keiner Weise wahrgenommen. Jetzt wird das Problem auf die lange Bank geschoben. Mit Interesse durften wir der Zeitung entnehmen, dass für Mai eine Klausurtagung geplant ist, in der man sich der wirtschaftlichen Lage der Charité annehmen möchte. Ich frage mich, wann Sie den Wirtschaftsplan haben möchten, Ende des Jahres oder vielleicht Mitte des nächsten Jahres. Man kann so mit den aktuellen Problemen nicht umgehen.
Es findet keine politische Führung statt. Es gibt nur einen bunten Strauß von Zielvorgaben, die offensichtlich in der Form nicht erfüllbar sind. Es ist richtig: Die Charité droht, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Welche Therapie empfiehlt nun Dr. Sarrazin? – Er empfiehlt die Amputation eines Standbeins, nämlich die Schließung des Klinikums Benjamin Franklin in Steglitz. Das ist ein Unding.
Wo ist eigentlich Senator Zöllner, während Herr Sarrazin die universitätsmedizinische Knochensäge schwingt? Wenn ich mich nicht täusche, ist dieser Senator der Aufsichtsratsvorsitzende. Auf jeden Fall befindet er sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Heute könnten Sie sich hier äußern, wenn Ihre Koalition Sie lassen würde. Jedes weitere Schweigen ist nicht nur verantwortungslos gegenüber der Charité, deren Beschäftigten und Patienten, sondern auch schädlich für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin. Die Charité ist auch und gerade am Standort Benjamin Franklin ein unverzichtbarer Baustein für die Exzellenz der Berliner Wissenschaftslandschaft.
Nicht zuletzt deswegen ist sie im Exzellenzwettbewerb mit mehreren Projekten erfolgreich gewesen, beispielsweise mit der Graduiertenschule „Berlin School of Mind and Brain“.
Mehr mind und brain tut offensichtlich im Senat not. Wie könnte es sonst dazu kommen, dass Gesundheitswirtschaft als ein wesentliches Entwicklungsfeld der Zukunft in Anspruch genommen wird, aber der Senat nicht in der Lage ist, für die einmalige Einrichtung Charité verlässliche und vor allen Dingen funktionierende Rahmenbedingungen zu schaffen?
Wir wollen die Universitätsmedizin am Standort Steglitz und erwarten heute ein klares Bekenntnis – auch des abwesenden Regierenden Bürgermeisters – zum UKBF und zur Zukunft der Charité. Daher bitten wir um Ihre Zustimmung zu unserem Vorschlag zur Aktuellen Stunde.
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Eichstädt-Bohlig das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Senatorin Junge-Reyer! Für uns ist es wichtig, dass in diesem Haus endlich einmal über das Autobahnprojekt A 100, Abschnitt 16 und offenbar jetzt auch schon Abschnitt 17, gesprochen wird, damit Klarheit darüber entsteht, in welch hohem Maß dieses Vorhaben absurd, unsinnig und unverträglich für die Stadt ist.
Dieses Projekt ist verkehrspolitisch widersinnig. Es ist für die Stadt nicht verträglich. Derartige Planungen sind für das Klima und den Umweltschutz absurd. Es ist für die Umwelt und Natur in höchstem Maße schädlich. Es ist eine Betonschneise, ein Betonmonster, mit dem Sie Berlin schaden wollen, anstatt die Berliner Verkehrspolitik positiv voranzutreiben. Das machen wir so nicht mit.
Ich muss gleich dazu sagen, Frau Junge-Reyer: Die Werbung, die Sie machen, ist ein dummdreistes Lügengebilde. Sie verkaufen die Berliner Bürger für dumm. Hier wird mit zuckersüßen Worten behauptet, durch Autobahnen entstehe die autofreie Stadt. Sie sprechen nur von glücklichen Menschen, die keine Autos kennen. – So kann man die Bürger nicht für dumm verkaufen.
Sehr viele Menschen sind von Luftschadstoffen und dem Lärm der Kraftfahrzeuge betroffen. Um diesen Menschen mehr Lebensqualität zu bieten und den Verkehr besser zu bündeln, ist die Erweiterung der Stadtautobahn A 100 im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen der beste Weg.
Wer den Bürgern so etwas verkauft, der weiß nicht, wie Verkehrspolitik, die den Umstieg auf öffentliche Verkehre ins Zentrum stellt, funktioniert. So darf das nicht sein. Ich bedauere sehr, dass wir immer noch so viele Politiker in diesem Haus haben, die nicht wissen, wie moderne Verkehrspolitik aussieht, und die ins vorige Jahrhundert zurückkehren wollen. Das schadet der Stadt.