Protocol of the Session on April 2, 2009

Die NPD-Propaganda zielt darauf ab, Hass zu verbreiten, auszugrenzen und den Menschen einfache Lösungen als Erfolgsrezepte vorzugaukeln. Dabei ist es nicht zuletzt die rechte Gewalt, die selbst längst zu einem politischen und wirtschaftlichen Standortrisiko in Teilen Berlins und der neuen Länder geworden ist.

Es ist schwierig, einer nicht verbotenen Partei den Zutritt zu den kommunalen Räumen eines Bezirkes zu verweigern. Umso leichter sollte es aber allen Bürgerinnen und Bürgern fallen, der NPD zu zeigen, wie unwillkommen sie in Berlin ist.

Das Reinickendorfer Bezirksamt hat angekündigt, es auf einen Rechtsstreit ankommen zulassen, um nicht an die NPD vermieten zu müssen. Dies begrüßen wir. Doch in den letzten Jahren ist es der Partei, die in Berlin bereits in mehreren Bezirksversammlungen sitzt, leider mehrfach gelungen, sich die Nutzung von kommunalen Räumlichkeiten für Parteiveranstaltungen vor Gericht zu erstreiten. „Die Nazis gehen dorthin, wo es schon einmal geklappt hat“, stellt dazu die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin fest.

Schon 2006 hat die NPD ihren Bundesparteitag im Fontanehaus abgehalten. Der damalige öffentliche Protest der Reinickendorfer Bürgerinnen und Bürger ist der NPD nicht Anlass genug, davon Abstand zu nehmen, schon wieder an diesem Ort aufzutreten.

Demokratische Parteien stehen in der gemeinsamen Verantwortung, gegen die NPD zu protestieren und so ein Zeichen gegen rechte Gewalt zu setzen. NPDVeranstaltungen dürfen nicht als Selbstverständlichkeit hingenommen und geduldet werden.

Wir wollen verantwortlich der menschenverachtenden Ideologie und der mörderischen Praxis des Neofaschismus entgegentreten. Wir wünschen uns, dass sich viele Menschen unterschiedlicher sozialer und politischer Herkunft zu einer gemeinsamen Aktion gegen Hass, Gewalt und Ausgrenzung zusammenfinden.

Gemeinsam ruft das Abgeordnetenhaus von Berlin daher alle demokratisch gesinnten Bürgerinnen und Bürger auf, machtvoll für unsere freiheitlich-demokratische Grund

ordnung einzutreten und sich mit uns an den Kundgebungen gegen die NDP in Reinickendorf zu beteiligen.

Neuordnung der Jobcenter – Prinzip Hilfe aus einer Hand dauerhaft absichern!

Das Abgeordnetenhaus von Berlin fordert die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass der zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Vertretern der Länder gefundene Kompromiss zur Änderung des Grundgesetzes im Bundestag und im Bundesrat beschlossen wird.

Das ist die Voraussetzung dafür, ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren zur Neuordnung der Jobcenter auf neuer verfassungsrechtlicher Grundlage einzuleiten und rechtzeitig abzuschließen. Damit bleibt den Ländern, Kommunen und der Bundesanstalt für Arbeit genug Zeit, die Veränderungen organisatorisch umzusetzen und Schaden von Betroffenen und Beschäftigten fernzuhalten. Ziel ist es, die einheitliche Leistungsgewährung und Förderung der SGB-II-Empfänger/-innen gesetzlich zu regeln.

Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“

Berlin ist eine Stadt der vielfältigen Kulturen, Lebensweisen und Lebensentwürfe. Berlin steht und bekennt sich zur kulturellen Vielfalt und zur Unterschiedlichkeit sexueller Orientierungen, Identitäten und individueller Lebensentwürfe. Die Offenheit der Metropole Berlin ist in einem langen Prozess gereift. Sie ist Ergebnis des couragierten Einsatzes der Zivilgesellschaft, sie ist das Ergebnis der Akzeptanz durch die Berlinerinnen und Berliner und des Engagements und der Förderung durch den Berliner Senat.

Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2000/78/EG im Beamtenrecht hat Berlin in herausragender Weise die Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe gefördert und damit bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen. Berlin wird in diesem Jahr sämtliche landesrechtlichen Spielräume genutzt haben, um Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung bzw. Identität zu begegnen.

Doch die erschütternden Überfälle auf Lesben, Schwule, Transsexuelle und Transgender in den vergangenen Monaten zeigen leider auch, dass die Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt nicht von allen Menschen in dieser Stadt getragen wird. Das ist eine Herausforderung für den Senat und für alle Berlinerinnen und Berliner. Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, ob in der Schule, im Betrieb, in Vereinen und Verbänden, in der

Familie und in den Universitäten, dürfen Diskriminierungen, Ausgrenzung oder vorurteilsmotivierte Gewalt, ob in Form von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder Homophobie wie auch Transphobie, nicht unbeantwortet bleiben.

Die Akzeptanz kultureller und sexueller Vielfalt lässt sich nicht verordnen. Deshalb bedarf es eines engagierten Wirkens aller Teile der Gesellschaft. Das Land Berlin muss sich zum Ziel setzen, die Zivilgesellschaft in ihrem Engagement für sexuelle Vielfalt zu unterstützen, um ein zivilcouragiertes Verhalten bei Übergriffen und Diskriminierungen zu fördern. Hierzu sind weitere ressortübergreifende Anstrengungen nötig.

Das Abgeordnetenhaus hat vor diesem Hintergrund beschlossen:

Bildung und Aufklärung stärken

1. Der Senat von Berlin evaluiert die Praxis fächerübergreifender Unterrichtung des Themas Sexualerziehung. Dabei ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob die Behandlung sexueller Vielfalt im Schulunterricht den anspruchsvollen Voraussetzungen der A V 27 (Rahmenrichtlinie zur Sexualerziehung) des Rahmenplans für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule tatsächlich entspricht und welche Defizite es gibt. Es sind die Ursachen für Defizite zu analysieren und Maßnahmen zu ihrer Überwindung zu entwickeln. Der Senat berichtet dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Dezember 2010.

2. Der Senat von Berlin stellt sicher, dass die Berliner Lehrkräfte, Pädagoginnen und Pädagogen sowie (Schul-)psychologinnen und -psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Erzieher, in der Landesverwaltung und bei freien Trägern in adäquater Form zu den Themen Diversity (Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Identität, Behinderung, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung, soziale Herkunft), Antidiskriminierung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verpflichtend weitergebildet werden. Insbesondere sollen für Jugendhilfe und Schule verantwortliche Schlüsselpersonen informiert und zu diesen Themen geschult werden. Dies muss in Kooperation mit den qualifizierten Einrichtungen freier Träger geschehen, die über Erfahrungen und nachgewiesene Expertise in diesem Bereich verfügen und die hierfür gestärkt werden müssen. Die Angebotspalette und die Wahrnehmung dieser Angebote sind auf Defizite hin zu untersuchen. Ursachen für vorhandene Defizite sind zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen – bis hin zu Umsetzungsmaßnahmen und ihrer haushaltsmäßigen Untersetzung – zu ziehen. Der Senat berichtet dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Dezember 2010.

3. Der Senat von Berlin wirkt darauf hin, dass die Lehrkräfte sowie die Pädagoginnen und Pädagogen im

Rahmen von Ausbildung, Studium und Vorbereitungsdienst in Berlin verbindlich zum pädagogischen Umgang mit sexueller Vielfalt und Diversity befähigt werden. Es ist zu analysieren, weshalb das Feld bislang in der Ausbildung eine randständige Rolle spielt, und es sind Maßnahmen zu ergreifen, die diesem Zustand abhelfen. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Dezember 2010 zu berichten.

4. Es ist zu gewährleisten, dass die Berliner pädagogischen Einrichtungen über ausreichend zielgruppenspezifisches Informationsmaterial zum Thema sexuelle Vielfalt verfügen und dieses den Kindern, Jugendlichen und Eltern/Sorgeberechtigten auch in geeigneter Form und niedrigschwellig zur Verfügung gestellt wird. Es ist bis zum Ende des Schuljahres 2009/2010 sicherzustellen, dass an jeder Berliner Schule eine Lehrkraft als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für sexuelle Vielfalt mit entsprechender Qualifikation zur Verfügung steht. Die Aufgabe dieser Lehrkraft besteht einerseits darin, Schülerinnen und Schülern Unterstützung und Hilfe bei der Suche nach der eigenen Sexualität (Identitätsfindung, aber auch bei Fällen von Mobbing) zu geben, für ein offenes und diskriminierungsfreies Klima in der Schule zu wirken, aber auch als Ansprechpartnerin oder -partner für zivilgesellschaftliche Akteure im Berliner Netzwerk der Initiativen zur Verfügung zu stehen. Sie soll auch darauf achten, dass die A V 27 im Rahmen der Schulpraxis Beachtung findet. Der Senat berichtet dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Dezember 2010.

5. Der Senat von Berlin entwickelt gemeinsam mit Schulen und zivilgesellschaftlichen Trägern ein BestPractice-Leitbild für die Schule, in der sich in vorbildlicher Weise dem offenen Umgang mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen bzw. Identitäten gewidmet, homo- und transphoben Einstellungen und Verhaltensweisen (Mobbing) mit Auseinandersetzung begegnet wird. Mit der Entwicklung dieses Leitbildes werden Anreize verbunden, die die Schulen zur Auseinandersetzung mit dem Schulklima (Schülerinnen und Schüler, Lehr- und Schulpersonal, Elternschaft) in Hinblick auf sexuelle Vielfalt anregen. Es ist zu prüfen, inwieweit der Umgang mit sexueller Vielfalt an der Schule zum verbindlichen Gegenstand des Schulprofils gemacht und im Rahmen der Schulaufsicht und der Schulinspektion die Praxis der Umsetzung als wichtiges Element des Schulklimas auch bewertet werden kann. In ähnlicher Form ist sicherzustellen, dass Jugendhilfeeinrichtungen und -maßnahmen im Rahmen ihrer Konzeptionen durchgehend der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Rechnung tragen. Der Senat berichtet dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Dezember 2010.

6. Die Geschichte der Frauen-, Lesben- und Schwulenbewegung ist auch Berliner Geschichte. In unserer Stadt gibt es Orte und Einrichtungen, die dem Ausdruck verleihen oder dies dokumentieren. Sie machen die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt

auch im Stadtbild sichtbar, sind Informationspunkte für die Berlinerinnen und Berliner, Anlaufstellen für Jugendgruppen und Schulklassen oder schlicht für Besucherinnen und Besucher Berlins. Die Sichtbarkeit dieser Tradition, aber auch die Pflege ihres Erbes, ist auch Aufgabe der Stadtpolitik. Der Senat wird ermuntert, die Unterstützung und Förderung solcher Einrichtungen weiterhin zu betreiben und dieses Engagement zu intensivieren.

7. Akzeptanzförderung sexueller Vielfalt ist aber auch in der älter werdenden Stadt Berlin ein wichtiges Thema. So ist nicht nur das selbstorganisierte Leben von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgenders und Intersexuellen (LSBTTI) im Alter ein zentraler Aspekt, dem das Land bereits viel Aufmerksamkeit widmet, sondern auch die Aufklärung in Pflegeeinrichtungen, Pflegeheimen und Wohneinrichtungen, die sich nicht speziell an LSBTTI richten. Der Senat wird aufgefordert, dieses Thema fortgesetzt in Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen und freien Trägern zu thematisieren.

Diskriminierung, Gewalt und vorurteilsmotivierte Kriminalität bekämpfen

8. Das Land Berlin bekennt sich zur sexuellen Vielfalt. Vertreterinnen und Vertreter des Landes Berlin setzen in der Öffentlichkeit deutliche Zeichen für das Erfordernis ihrer Akzeptanz: Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund der sexuellen Orientierung oder aufgrund der Geschlechtsidentität haben in Berlin keinen Platz. Der Senat von Berlin und das Abgeordnetenhaus sind in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem sie diese Botschaft bei jeder geeigneten Gelegenheit im städtischen bis hin zum internationalen Rahmen nachdrücklich öffentlich vertreten. Es ist wichtig, die Sensibilität für die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen zu stärken und Opfern von Diskriminierung die Solidarität der Gesellschaft zu vermitteln.

9. Akteurinnen und Akteure in der Berliner Zivilgesellschaft sollen in ihrem Engagement für sexuelle Vielfalt gestärkt werden mit dem Ziel, die Zivilcourage bei Diskriminierungen von LSBTTI zu erhöhen. Insbesondere sind diejenigen Projekte zu stärken, die für die Berliner Verwaltung als Partnerinnen und Partner in der Aufklärung und Beratung zur Verfügung stehen und über nachgewiesene Qualifikationen verfügen. Hierbei ist darauf zu achten, dass einerseits der Wirkungskreis dieser Projekte erhöht wird. Andererseits müssen die Projekte darin unterstützt werden, erhöhten Anforderungen an ihre Beratungs- und Aufklärungsarbeit tatsächlich auch gerecht werden zu können. Die Verstärkung von Maßnahmen zur Erweiterung der Ausstrahlung der Projektarbeit muss mit der Bereitstellung der Ressourcen einhergehen. Das ist

auch durch die Anmeldung im Verfahren der Haushaltsplanaufstellung zu berücksichtigen.

10. Die Arbeit der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden muss mit entsprechender Sensibilität für die Belange der Opfer verbunden sein. Der Senat von Berlin setzt seine Anstrengungen fort, bei den Bediensteten in den Strafverfolgungsbehörden den Blick für die Belange von Menschen in Berlin als einer Stadt der sexuellen Vielfalt zu schärfen und Diskriminierungserscheinungen und diskriminierenden Einstellungen entgegenzutreten. Hierzu ist die erfolgreiche Arbeit der Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Berliner Polizei weiterhin mit allen Möglichkeiten zu unterstützen.

11. Die Berliner Polizei muss mit vertrauensbildenden Maßnahmen fortgesetzt auf die Stärkung der Anzeigebereitschaft der Opfer von vorurteilsmotivierten Delikten hinwirken und hierbei eng mit freien Trägern und Vereinen zusammenarbeiten. Die existierenden Ansätze zur lokalen Kooperation zwischen den Beauftragten in den Polizeidirektionen, den Initiativen der Zivilgesellschaft und den Einrichtungen Berlins bis hin zu den Quartiersmanagements und den lokalen Unternehmen in den Feldern Stärkung von Zivilcourage, Gewaltprävention und Aufklärung sind durch ressortübergreifende Anstrengungen auf der Ebene der Hauptverwaltungen und in Zusammenarbeit mit den Bezirken abgestimmt zu koordinieren und zu stärken. Insbesondere sind die vorhandenen Angebote stärker zu bewerben, um ihren Verbreitungsgrad zu erhöhen und ihren Vorbildcharakter herauszustellen.

12. Der Senat von Berlin prüft, inwieweit zum Zwecke des Opferschutzes bei der auf Anzeigen folgenden Strafverfolgung und im Strafverfahren mit ladungsfähigen Anschriften gearbeitet werden kann, die von der Meldeadresse abweichen, um dem Bedürfnis der Opfer nach Anonymität gegenüber den Tätern Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob es weitere Möglichkeiten gibt, das Sicherheitsgefühl und das Vertrauen der Opfer bei Strafverfolgung und -verfahren zu erhöhen. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Dezember 2010 zu berichten.

13. Es ist zu gewährleisten, dass LSBTTI, die Opfer der Nichtakzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt geworden sind, in qualifizierter Weise betreut, unterstützt und beraten werden. Zudem ist im Rahmen der Förderung der Opferhilfe auf die verbindliche Kooperation der Angebote von Antidiskriminierungs- und Opferhilfeprojekten des Bereichs sexuelle Vielfalt hinzuwirken. Die Begleitung der Opfer von Homophobie und Transphobie soll spezifischen Standards entsprechen, die zwischen dem Land Berlin und dem Netzwerk der Träger der Opferhilfe zu vereinbaren sind. Der Senat von Berlin berichtet dem Abgeordnetenhaus von Berlin bis zum 31. Dezember 2010.

14. Der Senat von Berlin wird aufgefordert zu prüfen, mit welchem kriminologischen Erkenntniszuwachs eine statistische Erfassung von gegen die sexuelle Selbst

bestimmung und Vielfalt gerichteten Delikten bereits in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) verbunden wäre. Gegebenenfalls ist eine entsprechende Initiative zu ergreifen, um die statistische Erfassung dieser Straftaten, auch über die bisherige Erfassung beim Kriminalpolizeilichen Meldedienst - Politisch Motivierte Kriminalität (KPMD - PMK) hinaus, zu sichern.

15. Das Abgeordnetenhaus betont, dass die sachgerechte Ausschöpfung und die konsequente Anwendung des geltenden Straf- und Strafprozessrechts alle Möglichkeiten bieten, um die rechtsstaatliche und effektive Verfolgung von Delikten der vorurteilsmotivierten Kriminalität zu sichern. Die Verschärfung des geltenden Rechts hält das Abgeordnetenhaus nicht für einen geeigneten Weg, um die Sicherheit von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Lebensentwürfen in Berlin zu erhöhen.

Wandel der Verwaltung vorantreiben

16. Die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt muss im Sinne der von Berlin unterzeichneten Charta der Vielfalt integrativer Bestandteil der Tätigkeit innerhalb der Berliner Behörden und Verwaltungen sein. Jegliche Form der Diskriminierung und Ausgrenzung, der Nichtakzeptanz sexueller Vielfalt muss in öffentlich erkennbarer Weise geächtet und zum Gegenstand der Auseinandersetzung um die Anforderungen an die Akzeptanz sexueller Vielfalt gemacht werden. Hierzu bedarf es der Sensibilisierung der Verwaltungen Berlins, angefangen bei der Verwaltungsspitze. Die Entwicklung von Diversity-Richtlinien für den öffentlichen Dienst ist fortzusetzen und abzuschließen. Hierzu gehört auch die Überlegung, inwieweit durch proaktive Ausschreibungen von Stellen im Rahmen von Einstellungskorridoren die LSBTTI-Freundlichkeit des öffentlichen Dienstes erhöht werden kann. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Dezember 2010 zu berichten, welche konkreten Maßnahmen in den Hauptverwaltungen entwickelt und ergriffen worden sind, um diesem hohen Anspruch noch besser gerecht werden zu können.

17. Es ist darauf hinzuwirken, dass die Projekte die durch den Berliner Senat oder die Berliner Bezirke gefördert werden, die Akzeptanz sexueller und geschlechtliche Vielfalt im Fokus ihrer Arbeit qualifiziert und nachweisbar verfolgen. Dies gilt nicht nur für „klassische“ Jugend-, Bildungs- und Sportprojekte, wo solche Anstrengungen schon seit Längerem unternommen werden, sondern im Besonderen auch für die Interventionsinstrumente des Berliner Quartiersmanagements, der Streetwork und der Notunterkünfte, Nothilfedienste und Weglaufhäuser. Im Rahmen der Förderung von Jugendarbeit muss ein besonderer Fokus auf die geschlechterreflektierende Arbeit vor allem mit Jungen gelegt werden. Es sind Standards zu entwickeln, auf die die Empfängerinnen und Empfänger von öffentlichen Fördermitteln im Rahmen der Mittelvergabe verpflichtet werden. Es ist ein Qualitätsmanagement zu

entwickeln, welches es ermöglicht, die Einhaltung und Berücksichtigung der Ziele der Akzeptanzförderung sexueller Vielfalt zu kontrollieren. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Dezember 2010 zu berichten.

Erkenntnisgrundlagen verbessern

18. Der Senat von Berlin wird aufgefordert, Maßnahmen zur Verbesserung der empirischen Basis zu den sozialen Erfahrungen von LSBTTI und zur Diskriminierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Berlin zu ergreifen. Dazu gehört die repräsentative wissenschaftliche Erforschung des Dunkel- und des Hellfeldes der strafrechtlich relevanten Diskriminierungen sexueller Vielfalt in unserer Stadt. Es ist eine breit angelegte Studie anzustoßen und zu fördern, die die unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen von LSBTTI im öffentlichen Raum und im sozialen Nahfeld und die gesellschaftlichen Ursachen dieser Diskriminierung, aber auch die Wirksamkeit von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Akzeptanz sexueller Vielfalt über einen längeren Zeitraum erforscht und reflektiert. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Dezember 2009 über den bis dahin erreichten Zwischenstand (Forschungsansatz und Forschungshypothesen) zu berichten.

19. Der Senat von Berlin wird aufgefordert, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen mit dem Ziel, eine stärkere Kooperation zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen, dem Land Berlin und den Vereinen, Initiativen und Trägern herbeizuführen, um die zivilgesellschaftliche Förderung der Akzeptanz sexueller Vielfalt noch zu verbessern. Hierbei ist auch auf die Strategien und Erfahrungen im internationalen Vergleich zurückzugreifen.

Den Dialog fördern

20. Der Dialog und die Kooperation des Senats mit Vertretern aus dem Sport, den großen Kirchen, von Religion und Musik, von Verbänden der migrantischen Selbstorganisation auf dem Gebiet der Akzeptanz sexueller Vielfalt soll fortgesetzt und kontinuierlich ausgebaut werden. Interreligiöse und integrationspolitische Initiativen, die die Akzeptanz sexueller Vielfalt fördern, sollten dabei besonders berücksichtigt werden. Der regelmäßige und enge Austausch über landesweite Schwerpunkte der Antidiskriminierungsarbeit, der Verfolgung gemeinsamer Kampagnen, zur Überwindung gegenseitiger Wissensdefizite und zur Weiterentwicklung einer gesamtstädtischen Antidiskriminierungsstrategie ist zu intensivieren, wobei eine möglichst breite Beteiligung von Vertretern aus Jugend- und Communityverbänden, Musikszenen, Sport, Religionsverbänden, Opferhilfen, Verwaltung und Politik motiviert werden soll.

21. Antigewaltpräventions- und Aufklärungsprogramme des Landes Berlin sollen verstärkt auf die Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen und Ge

schlechtsidentität hinarbeiten und den Bezug zu anderen Diskriminierungsformen verdeutlichen.

22. Der Senat von Berlin wird aufgefordert, für die Entwicklung einer gemeinsamen gesamtstädtischen Akzeptanzkampagne zu werben. Ziel soll sein, die gemeinsame Ablehnung aller Formen von Diskriminierung – seien es beispielsweise Rassismus, Homo- und Transphobie, Islamophobie oder Antisemitismus – und das gemeinsame Bekenntnis zu einer Wertschätzung von Vielfalt öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck zu bringen. Dabei soll die Stärkung von und die Ermunterung zur Eigeninitiative, das Lernen von Akzeptanz durch Auseinandersetzung im Vordergrund stehen, nicht die Belehrung. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Dezember 2010 zu berichten.