Herr Dragowski! Ich kann Ihnen gern erklären, wieso ich zum Thema Europa nichts gesagt habe: Der Antrag hat mit dem Thema Europa überhaupt nichts zu tun. Sie haben nur irgendeine Begründung dafür gesucht, um diesen merkwürdigen Antrag stellen zu können, und Sie leiten ihn her über Europa und die Lissabon-Strategie. Aber Ihnen geht es überhaupt nicht um Europa. Ihnen geht es darum, das Unternehmertum zum zentralen Leitbild der ökonomischen Bildung in den Berliner Schulen zu machen.
Da Sie dafür überhaupt keine Begründung haben, suchen Sie sich eine. Sie haben in Berlin gesucht und keine gefunden. Dann haben Sie in Deutschland gesucht und keine gefunden. Und endlich haben Sie auf der europäischen Ebene einen Ansatzpunkt gefunden, an dem Sie meinen, sich festhalten und dieses merkwürdige Konstrukt Ihres Antrags irgendwie in einen übergeordneten Rahmen einordnen zu können.
Jetzt zum Thema „Schüler und Unternehmer“: Selbstverständlich können Schüler gern Unternehmer werden. Dagegen haben wir überhaupt nichts. Wir haben auch nichts dagegen, wenn sie darüber informiert werden, unter welchen Rahmenbedingungen das stattfindet. Wir haben auch nichts dagegen, wenn sie ermutigt werden, eigene Ideen praktisch umzusetzen. Was aber nicht geht, ist eine Engführung, die als alleiniges Ziel erklärt, dass das zentrale Leitbild der Unternehmer ist, und zwar das zentrale Leitbild für jede Form der ökonomischen Wissensvermittlung. Wenn Sie glauben, dass Ökonomie allein aus Unternehmern besteht, dann haben Sie von Ökonomie überhaupt keine Ahnung. Da hatte ich von der FDP eigentlich mehr erwartet.
Jetzt mag Ihr Ziel ehrenwert sein, und Sie haben sich ja auch alle Mühe gegeben, Herr Dragowski. Das erkennen wir an, ganz ohne Zweifel. Sie sind aber in diesem Bemü
hen, ein ehrenwertes Ziel zu erreichen, ganz kräftig an diesem vorbeigeschlittert. Sie haben keinen Beitrag dazu geleistet, dass wir die ökonomische Bildung von Schülerinnen und Schülern in Berlin in irgendeiner Weise verbessern, sondern Sie haben durch diese Einengung, durch diese Engführung das gesamte Thema in Misskredit gebracht. Was glauben Sie, wenn ich einem Schüler in Nordneukölln, der sich einigermaßen mit dem Thema Ökonomie beschäftigt, erzähle: Hör mal zu! Ökonomie ist vor allem Unternehmertum. Du musst dich damit beschäftigen: Wie kannst du deine Existenz gründen? Wie kannst du dich irgendwie als Unternehmer profilieren? – Dann wird er mir sagen: Hör mal zu! Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank! Wirtschaftliches Tun ist ja wohl ein bisschen mehr als nur das! – Und da hat er vollkommen recht. Dann scheint also der Schüler in Nordneukölln deutlich weiter zu sein als die FDP hier im Abgeordnetenhaus. Insofern ist klar, dass der Antrag in die falsche Richtung geht.
Wenn Sie es ernst meinen und über ökonomische Bildung sprechen wollen, dann lassen Sie uns das tun, aber bitte auf der Grundlage eines vernünftigen Antrags. Das, was wir jetzt haben, ist keiner.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Oberg! Ich könnte bei Ihnen sein, wenn Sie sagen: Wirtschaft ist nicht allein Unternehmertum. – Natürlich gehören zum Wirtschaftsgefüge noch andere Menschen. Aber wenn wir es auf die Schule beziehen, findet Wirtschaft an Berliner Schulen überhaupt nicht statt.
Ich hatte heute Vormittag ein interessantes Gespräch mit Bildungspolitikern aus Usbekistan. Auf die Frage, was Bildungspolitik mit Europa zu tun hat, hatte ich die Gelegenheit, über die Lissabon-Strategie zu berichten. Europa hat erkannt, dass gute Bildung nicht ein, sondern der entscheidende Baustein ist, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Entscheidungsträger in Europa haben dies erkannt. Nur unser Bildungssenator tappt noch im Dunkeln und hat die Zeichen der Zeit in puncto Bildung noch nicht erkannt.
Weil der Senat keine zukunftsfähigen Konzepte hat, muss Ihnen, Herr Senator, die Opposition wie so oft auf die Sprünge helfen.
Es ist traurig, dass es dieses Antrags bedarf, um Vorschläge zu machen, die in anderen Bundesländern längst gängige Praxis sind.
Wir könnten die Diskussion auch vereinfachen, wenn sich die Verantwortlichen des rot-roten Senats diese Broschüre hier unter das Kopfkissen legen würden.
Richtig, Herr Czaja, das CDU-Papier! – Im Konzept der CDU ist alles das enthalten, was in unserer modernen Gesellschaft notwendig ist, um unsere Kinder und Enkelkinder für das Berufsleben fit zu machen.
Ihre verstaubten Rahmenpläne, Herr Zöllner, sind eben nicht geeignet, den jungen Menschen unserer Stadt eine berufliche Perspektive zu bieten oder sie aufs Berufsleben vorzubereiten.
Anders, Herr Doering, zum Beispiel in Sachsen. Dort gibt es das Pflichtfach Gemeinschaftskunde, Rechtserziehung und – man höre und staune – Wirtschaft.
Was haben Sie dagegen? Warum gibt es solche Ansätze noch nicht in Berlin? Nun gehört es zu den politischen Reflexen, immer das schlecht zu finden, was von der Opposition kommt,
oder man lehnt die Anträge erst einmal ab und kommt ein paar Jahre später mit demselben Thema. Dann müssen Sie sich aber beeilen, denn Ihre Regierungszeit läuft 2011 ab.
Aber was kann so verkehrt an dem sein, was sich in anderen Bundesländern bereits seit mehreren Jahren bewährt hat? Was haben die Schüler in Berlin getan, dass sie gegenüber Altersgenossen aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen ständig benachteiligt werden? Sicher werden wir einige Details – –
Es scheint akzeptiert worden zu sein. – Herr Kollege Scholz! Sie sind kein expliziter Bildungspolitiker. Aber
wenn Sie zu dem Thema schon reden: Ist Ihnen bekannt, dass im Schulgesetz festgeschrieben ist, dass die allgemeinbildenden Schulen in die Arbeits- und die Berufswelt einführen sollen und dass das durch die entsprechenden Pläne hinterlegt ist, das heißt, dass das Thema Wirtschaft sehr wohl in der Berliner Schule ein ganz wichtiges ist? Ist Ihnen das bekannt?
Herr Kollege Scholz! Sie hatten eben noch nicht Ihren Wunsch geäußert, ob Sie antworten wollten oder nicht. Ich nehme an, das ist der Fall, da Sie sprechen wollen. – Bitte schön!
Ich hole das mit einem deutlichen Ja nach! – Herr Oberg! Man muss nicht unbedingt Bildungspolitiker sein, um zu sehen, was in dieser Stadt los ist.
Herr Oberg! Sie können mir viel darüber erzählen, was irgendwo geschrieben steht oder was Sie möglicherweise irgendwann beabsichtigen. Ich weiß, was Realität an den Schulen ist. Als Elternvertreter, als Vater einer Tochter merke ich tagtäglich, was an Berliner Schulen läuft und was im Übrigen an Privatschulen, die Sie so verteufeln, besser läuft.
Machen Sie die Berliner Schulen fit für den Wettbewerb mit den Privatschulen, dann brauchen Sie die Privatschulen nicht zu verteufeln und brauchen den Wettbewerb nicht zu scheuen!
Sicherlich werden wir über einige Details des FDPAntrags noch zu diskutieren haben. Natürlich sind wir auch der Auffassung, dass sich die praxisbezogene Arbeit an den Schulen nicht auf reines Fitmachen für Unternehmertum beschränken sollte. Natürlich – das kann man in unserem Papier nachlesen – geht es uns in erster Linie darum, berufspraktische Nähe für die Schülerinnen und Schüler an den Berliner Schulen zu gewährleisten. Das beschränkt sich eben nicht auf Unternehmertum.