Es gibt Leute, die halten Unternehmer für einen räudigen Wolf, den man totschlagen müsse, andere meinen, der Unternehmer sei eine Kuh, die man ununterbrochen melken könne. Nur ganz wenige sehen in ihm das Pferd, das den Karren zieht.
Damit Sie das auch verstehen – nicht jeder hier im Haus kann etwas mit unternehmerischer Initiative anfangen, wobei ich insbesondere die Koalitionsfraktionen anschaue –, will ich Ihnen diesen Begriff kurz darstellen: Es geht um die Fähigkeit des Einzelnen, Ideen in die Tat umzusetzen. Sie setzt Kreativität, Innovation und Risikobereitschaft voraus sowie die Fähigkeit, Projekte zu planen und durchzuführen, um bestimmte Ziele zu erreichen. 20 Prozent der Schüler, die sich in der Sekundarstufe an Schülerfirmen beteiligt haben, gründen später ein eigenes Unternehmen. Der einzelne junge Mensch verbessert mit
der Erziehung zu unternehmerischem handeln und Denken die Chance zur Firmengründung und Selbstständigkeit. Dies verschafft dem Einzelnen mehr wirtschaftlichen Erfolg und Zufriedenheit.
Wir Liberale wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche eine passive Versorgungsmentalität erwerben und primär auf die soziale Verantwortung des Staates bauen. Wir wollen, dass unsere Kinder und Jugendlichen schon früh Tugenden wie Fleiß, Strebsamkeit, Ehrgeiz, Selbstverantwortung und Eigeninitiative vermittelt bekommen.
So können sie Vertrauen in die eigene Kraft gewinnen und sich eine unternehmerische Perspektive für die eigene Zukunft erschließen. Unterstützen Sie unseren Antrag und leisten Sie so einen wichtigen Berliner Beitrag für Europa und für unsere Berliner Kinder und Jugendlichen! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Dragowski! Nach Ihrem Redebeitrag ist man fast versucht, Ihnen zu danken für den Beitrag zum Karneval. Schließlich ist heute der Auftakt des Straßenkarnevals, und Sie haben sich redlich geschlagen.
Aber zurück zum Antrag: Wenn man Ihren Antrag liest, könnte man vieles sagen, und mir würden dazu etliche Dinge einfallen. Ich könnte Ihnen vorhalten, dass dieser Antrag die Karikatur eines FDP-Bildungsantrages ist.
Ich könnte Ihnen zahlreiche Forderungen um die Ohren hauen, und ich könnte Ihnen auch im Detail erklären, warum das, was Sie dort vorschlagen, nichts mit der Lissabon-Strategie zu tun hat.
Ich schlage vor, dass wir das jetzt beiseite lassen und uns dieses Schauspiel für den Ausschuss aufheben. Dort gibt es weitere theatralisch begabte Kollegen, die dazu sicherlich den einen oder anderen Beitrag leisten können.
Lassen Sie uns lieber über den politischen Kern Ihres Antrags sprechen! Lassen Sie uns da einmal genauer hinschauen! Was ist der politische Grundgedanke Ihrer vielseitigen Drucksache? – Sicher ist, dass es Ihnen im Kern nicht um eine umfassende wirtschaftliche Bildung von Schülerinnen und Schülern geht. Ihnen geht es um das Unternehmertum als gesellschaftliches Leitbild. Jeder Schüler soll zum Unternehmer erzogen und qualifiziert
werden. In der Unternehmerexistenz sehen Sie den Weg zur Selbstverwirklichung für Schülerinnen und Schüler – so schreiben Sie es zumindest in Ihrem Antrag. Die Vorstellung, dass ein junger Mensch kein Unternehmer sein will, gehört für Sie wahrscheinlich zu dem, was Sie – ich zitiere aus der Begründung Ihres Antrags – unter „veralteten Einstellungen und Verhaltensweisen“ verstehen, die abgelegt werden und durch die Implementierung von „Wettbewerbsausrichtung“ ersetzt werden sollen.
Mal abgesehen davon, dass kein Mensch versteht, was Sie damit sagen wollen, ist das ziemlich absurd.
Wahrscheinlich klingt das nicht nur in meinen Ohren wie eine Formulierung aus der Bibel des orthodoxen Neoliberalismus.
Einen derart eingeengten Ökonomiebegriff kann meine Fraktion nicht teilen. Wir wollen nicht, dass der Unternehmer zum alleinigen ökonomischen Leitbild für Schüler wird. Selbstverständlich wollen wir, dass Schülerinnen und Schüler sich mit wirtschaftlichen Themen auseinandersetzen, und selbstverständlich spielt das Unternehmertum dort eine Rolle. Aber Sie wollen, dass Schüler zur Reflexion von ökonomischen Prozessen befähigt werden, und das muss das Ziel eines auf wirtschaftliche Kompetenz abzielenden Unterrichts sein. Lern- und Bildungsziel sollte es sein, ökonomische Prozesse zu verstehen, zu hinterfragen – ich bin mir nicht sicher, ob die FDPFraktion das kann – und sich als ökonomisches und gesellschaftliches Subjekt zu begreifen.
Das unterscheidet sich deutlich von dem von Ihnen propagierten innovativen Unternehmertum als Lern- und Bildungsziel.
Ich erwarte von der FDP nicht eine kritische Reflexion des Unternehmers und des Unternehmertums. So weit gehe ich nicht. Aber in Zeiten einer Wirtschaftskrise, die von unverantwortlichen Managern und auch von Unternehmern ganz wesentlich erzeugt wurde, sollte man sich schon fragen, ob der Unternehmer in allen seinen Facetten und mit allen seinen Widersprüchen als Leitbild für Schülerinnen und Schüler geeignet ist.
[Beifall bei der SPD – Beifall von Özcan Mutlu (Grüne) – Björn Jotzo (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Lieber Herr Kollege Oberg! Vielen Dank! Angesichts Ihrer karnevalesken Rede möchte ich Sie bitten, mir einige der Unternehmerinnen und Unternehmer zu benennen, die Ihrer Meinung nach besonders dafür verantwortlich sind, dass die Finanzkrise uns so hart getroffen hat.
Wenn Sie möchten, dass ich Ihnen Namen nenne, dann bin ich mir sicher, dass Sie Frau Scheffler im Blick haben. Aber das erspare ich uns jetzt. Ich diskutiere nicht, wer gerade durch welche Entscheidung wie viele Arbeitsplätze ruiniert hat und wer das in der Regel nicht auf Grundlage vernünftiger Entscheidungsprozesse, sondern aufgrund ziemlich überbordender Gier getan hat.
Dieser Antrag ist ein Beleg dafür, wie weit das politische Grundverständnis der FDP auf der einen und der SPD auf der anderen Seite auseinanderliegen. Das ist schade, denn da waren wir schon einmal weiter. Für die Autoren Ihres Freiburger Programms kann ich nur hoffen, dass ihnen die Lektüre dieses Antrags erspart bleibt, denn es muss bitter sein, in der eigenen Partei eine derartige Degeneration von Grundpositionen zu erleben. – Herzlichen Dank!
[Beifall bei der SPD – Beifall von Steffen Zillich (Linksfraktion) – Dr. Martin Lindner (FDP): SPD – 22 Prozent!]
aber leider findet es nicht die Resonanz im Plenum, die wir erwarten. Sicherlich ist das auch ein Grund, warum wir die Europawahl nicht mit „Pro Reli“ zusammenlegen.
Ich möchte kurz auf den Kollegen Oberg eingehen. Herr Kollege! Es ist sicherlich schade, dass Sie bei diesem Europa-Antrag inhaltlich nicht zum Thema Europa gesprochen haben.
Herr Gaebler! Ich hätte gern erfahren, warum dieser Antrag nichts mit der Lissabon-Strategie zu tun hat. Wir können auch die Oslo-Agenda 2006 nennen. Sie finden diese Position durchgehend in den Papieren des Parlaments und der Kommission, und wir Liberale werden als Europäer weiter dafür streiten, dass auch die Beschlüsse und Ideen von Lissabon – u. a. die Stärkung der Kreativität und Innovationen – durchgesetzt werden. Wir werden das auch in Berlin weiter einfordern, auch wenn Sie sich als rot-rote Regierung weigern, uns hierbei entgegenzukommen.
Zum Thema Wettbewerb will ich jetzt gar nichts sagen. Dass Sie damit Probleme haben, kann ich verstehen. Aber da Sie die Wirtschaftskrise angesprochen haben: Wir gehen davon aus, dass wir den Kindern und Jugendlichen in der Schule Schlüsselkompetenzen vermitteln, die ihnen im späteren Leben helfen. Sie müssen dann nicht unbedingt Unternehmer werden, aber sie können es werden. Denn es zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche mehr ökonomische Bildung haben wollen und dass sie sich eine spätere Unternehmensgründung nicht zutrauen. Da wollen wir ansetzen. Sie als Sozialdemokraten haben auch Unternehmer in Ihren Reihen. Es ist letztendlich alles nicht so wild. Man kann ein Unternehmen gründen, muss das aber vernünftig machen. Man benötigt gewisse Fertigkeiten, und die wollen wir in der Schule vermitteln.
Herr Kollege Oberg! Darüber können wir sicherlich im Ausschuss weiter streiten, aber Ihre Äußerung hier im Plenum kann ich nicht so stehen lassen. Wenn wir über das Leitbild des Unternehmers reden, so möchte ich auf Folgendes hinweisen: In deutschen Schulbüchern werden sicherlich auch Unternehmer als Personen dargestellt, aber es handelt sich dabei um Unternehmer, die heute nicht mehr aktiv sind. Herr Siemens und andere sind nicht mehr aktive Unternehmer. In heutigen Schulbüchern finden Sie keinen aktiven Unternehmer mehr, in der schulischen Bildung bzw. in der ökonomischen Bildung tauchen sie nicht als Vorbilder auf.
[Uwe Doering (Linksfraktion): Sie sollten einige der jetzigen Manager als Vorbild nehmen! Nehmen Sie die Banker!]
Herr Doering! Ich verweise auch auf meine Kleine Anfrage, die ich im Jahr 2007 zur ökonomischen Bildung in den Berliner Schulen gestellt habe. Es wird dann auf einmal von Indoktrinationsverbot gesprochen. Das heißt, vonseiten des Senats möchte man sich mit dem Thema „Unternehmerische Initiative“ in der Schule nicht beschäftigen. Daher müssen wir als Abgeordnetenhaus handeln. Wir Liberale werden den Rückenwind aus Europa nutzen und werden hier zum Wohl der Kinder und Jugendlichen dieses Thema weiter einfordern. Werte Kol
leginnen und Kollegen – auch von Rot-Rot! Ich kann nur an Sie appellieren: Unterstützen Sie uns dabei, und helfen Sie, dass es dieser Stadt zukünftig ein wenig besser geht und dass wir mehr Unternehmerinnen und Unternehmer haben. – Vielen Dank!