Protocol of the Session on February 19, 2009

Danke, Herr Präsident! – Weshalb verweist der Senat auf die bezirkliche Zuständigkeit und entzieht sich damit der Verantwortung, obwohl jeder weiß, dass es letztlich die Senatsverwaltung war, die dieses Strandbad mit dem Werkzeug Berliner Bäder-Betriebe an die Wand gefahren hat?

Das war keine richtige Frage, aber wenn der Senat das akzeptiert, gibt er eine Antwort darauf. – Bitte schön, Herr Dr. Körting!

Herr Kollege! Welche Bäder von den Berliner BäderBetrieben betrieben werden, ist in einem mühsamen – ich glaube sogar, gesetzmäßigen – Verfahren festgelegt worden. Eine Betriebspflicht für das Strandbad Müggelsee besteht – wenn ich mich richtig entsinne – für die Berliner Bäder-Betriebe nicht.

[Oliver Scholz (CDU): Nicht mehr! – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Seit 2001!]

Ja, nicht mehr! Aber das hat dieses wertvolle Abgeordnetenhaus beschlossen, ich glaube, damals noch in der großen Koalition – oder 2002, mag sein! Da haben wir nämlich die entsprechenden Vorschriften des Bädergesetzes verändert. Diese Grundentscheidung wurde hier getroffen. Man sollte zu bestimmten Grundentscheidungen stehen: Was kann der Staat leisten, was kann er finanzieren? – Da hat man sich entschieden, einige Bäder von Staats wegen über die Berliner Bäder-Betriebe zu betreiben und andere nicht. Der Bezirk war – wie man auf Berlinisch sagt – scharf darauf, dieses Strandbad zu übernehmen. Da hat man andere Dinge in der bezirklichen Hoheit belassen und den Bezirken gesagt: Wenn du das zusätzlich zu den Berliner Bäder-Betrieben betreiben willst, dann mach es! – Der Staat hat sich auf eine bestimmte Aufgabe beschränkt. Jetzt immer zu sagen: Ihr müsst aber noch mehr tun, ihr müsst noch mehr tun – ist nicht zu hundert Prozent ehrlich, wenn ich mir die Finanzsituation des Landes Berlin ansehe.

Jetzt geht es weiter mit den Fragen 4 und 10. Zunächst hat der Kollege Birk von der Fraktion Bündnis 90 das Wort zum Thema

Chaos in Bürgerämtern und Wohnungsämtern durch Berlin-Pass und Wohngeldnovelle – Wie beteiligt sich der Senat bei der Problemlösung?

Bitte schön, Herr Birk!

Ich frage den Senat:

1. Welche kurz- und mittelfristigen Lösungsvorschläge verfolgt der Senat, um dem offensichtlich von Senat und Bezirken unterschätzten zusätzlichen Kundinnen und Kundenansturm auf die Bürgerämter und Wohnungsämter durch die Einführung des Berlin-Passes und die Wohngeldnovelle dauerhaft angemessen begegnen zu können?

2. Erwägt der Senat, die Ausgabe des Berlin-Passes für die entsprechenden Anspruchsberechtigten in die Jobcenter und Sozialämter zu verlagern und darüber hinaus die direkte Versendung mit den zugehörigen Leistungsbescheiden zu ermöglichen, um den Betroffenen unnötige Wege zu ersparen?

Danke schön, Herr Kollege Birk!

Jetzt ist der Kollege Hoffmann von der Fraktion der CDU zu dem Thema

Das durch den Berlin-Pass entstandene Chaos in den Sozialämtern beseitigen!

an der Reihe. – Bitte schön, Herr Kollege Hoffmann!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Welche Möglichkeiten zur Ausgabe des Sozialpasses wurden vor seiner Einführung durch den Senat geprüft, und welche Gespräche mit welchen Ergebnissen sind dazu u. a. mit der Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Berlin-Brandenburg geführt worden?

2. Welche Vereinbarungen hat die Sozialsenatorin jetzt mit den Bezirken getroffen, um das durch die Ausgabe des Berlin-Passes entstandene Chaos in den Sozialämtern zu beseitigen?

Danke schön, Herr Kollege Hoffmann! – Für den Senat beginnt der Innensenator. – Bitte schön, Herr Innensenator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Birk und Herr Kollege Hoffmann! Die Kollegin Dr. Knake-Werner und ich werden uns die Beantwortung dieser beiden mündlichen Anfragen teilen.

Ich beginne mit dem Vorspruch, den ich eben gemacht habe: Wir sollten uns immer davor hüten, für jede exekutive Aufgabe eine Allzuständigkeit des Senats festzustellen. Die Organisation der Bürgerämter wie auch anderer Ämter in der exekutiven Ausformung ist nach unserer Verfassung Sache der Bezirke. Deshalb ist schon die Überschrift über Ihren mündlichen Anfragen – „Chaos in den Bürgerämtern“ – nicht zutreffend.

Nach meiner Kenntnis gibt es Probleme in einigen Bezirken.

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

Andere Bezirke habe diese Probleme in Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen exekutiven Aufgabe nicht, weil sie nämlich Vorsorge getroffen haben.

Aber Sie haben recht. Wir bemühen uns, allen zu helfen. Dementsprechend haben wir versucht, steuernd einzugreifen. Wir – die Senatsverwaltung der Kollegin Dr. KnakeWerner, meine Senatsverwaltung und die Leitstelle Bürgerdienste im Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten sowie eine Reihe von Bezirken, nämlich stellvertretend Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf – haben im Jahre 2008 ein Konzept für die Übertragung der Dienstleistung „Ausgabe des Berlin-Passes auf die Bürgerämter“ erarbeitet. Dazu wurden den Bürgerämtern zusätzlich finanzielle Mittel aus dem Haushalt der Kollegin zur Verfügung gestellt. Diese Mittel wurden je nach prozentualem Anteil der berechtigten Personen in den

einzelnen Bezirken auf die Bezirke verteilt und konnten zur Finanzierung von Stellen genutzt werden.

Diesem Konzept hat der Rat der Bürgermeister als das Gremium, das am nächsten an der exekutiven Aufgabe dran ist, zugestimmt. Für die Einrichtung und Besetzung von Stellen und das Ergreifen organisatorischer Maßnahmen im Einzelnen zur Vermeidung von unkontrollierbaren Kundenströmen sind die Bezirke verantwortlich. Sie wissen, dass einige Bezirke kluge Vorkehrungen getroffen haben, z. B. die Einrichtung eines gesonderten Raumes, in dem nur Berlin-Pässe ausgestellt werden, und die Übertragung der Aufgaben für den Personenkreis Grundsicherungsempfänger auf das Sozialamt. Wir arbeiten mit den Bürgerdienstleitern zusammen.

Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten und der Zahl der ausgestellten Berlin-Pässe, um das einmal deutlich zu sagen. Der Bezirk, der bisher die meisten Berlin-Pässe ausgestellt hat, ist der Bezirk Mitte mit 5 050. Die anderen haben teilweise nur 1 460 Pässe oder ähnlich wenige ausgestellt. Mitte ist der Bezirk, bei dem keine gravierenden Probleme aufgetreten sind. Das heißt, wir haben dort einen empirischen Beweis, dass mit einer vernünftigen Behördenorganisation dieser dezentralen Behörde Bezirksamt die Probleme lösbar sind.

Zur zweiten Frage von Herrn Birk: Der Senat erwägt nicht die Verlagerung der Aufgabe in die Jobcenter. Die Verlagerung der Aufgabe in die Sozialämter ist nur für den Personenkreis der Grundsicherungsempfänger möglich und obliegt den Bezirken im Rahmen ihrer Bezirkshoheit. Ich habe schon gesagt, dass die Bezirke teilweise von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Ansonsten möchte ich die Kollegin Knake-Werner bitten, den Rest abzuschmettern.

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner – bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Ja, mir ist sozusagen ein Rest geblieben, weil Herr Hoffmann interessanterweise nicht nach dem Chaos in den Bürgerämtern, sondern nach dem Chaos in den Sozialämtern fragt. Ich hoffe, dass dies ein Irrtum ist und wir uns darüber einig sind, dass es hier um die Bürgerämter geht. Dazu hat der Innensenator schon das Entscheidende gesagt, dass es einen langen Vorbereitungsvorlauf zur Übertragung dieser Aufgabe an die Bürgerämter gegeben hat, dass den Bürgerämtern dafür zusätzliche Personalmittel zur Verfügung gestellt wurden und sie schlussendlich schauen mussten, wie sie diese Aufgabe vor Ort lösen.

Zu der Frage, die Sie, Herr Hoffmann, noch gestellt haben, was das mit den Jobcentern auf sich habe, ob wir mit ihnen vorher gesprochen hätten: Erstens ist es so, dass der

Berlin-Pass bekanntermaßen das Sozialticket S ablöst. Dieses Sozialticket S wurde bisher – mit Ausnahme der Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg – in den Jobcentern ausgestellt. Dieses ist auch von Ihnen hier im Haus immer kritisiert worden, weil das Sozialticket eine landeseigene Leistung ist. Wir mussten deshalb an die Jobcenter hohe Verwaltungskosten im Umfang von 639 000 Euro zahlen, damit sie dieses Ticket ausstellen.

Deshalb haben wir alle gemeinsam gesagt, es macht Sinn, dass diese wichtige Aufgabe, eine weitere Dienstleistung des Landes, auch an die Bürgerämter übertragen wird, die eine solche Dienstleistung wahrnehmen können. Das ist in umfänglichen Gesprächen und in einer Rahmenvereinbarung mit den Bezirken abgeschlossen worden. Insofern brauchte es keine weiteren Gespräche mit den Jobcentern, sondern mit denen ist fristgerecht der Vertrag, der damals bestand, aufgelöst worden. Das Geld, das vorher an die Jobcenter ging, bekommen jetzt die Bürgerämter.

Nun gibt es zweifelsohne, was die Belastung angeht, eine ganze Reihe an Schwierigkeiten in den Bürgerämtern. Ich habe heute alle Verantwortlichen in den Bezirken zu mir zu einem Gespräch eingeladen, um mich mit ihnen auszutauschen, aber auch, um darüber zu sprechen, welche unterschiedliche Praxis es in den Bürgerämtern gibt und ob man sich gegenseitig mit guten Ideen aushelfen kann. Eines ist klar geworden: Die Belastung ist hoch. Das hat niemand bestritten. Das Zweite ist, dass diese Belastung nicht nur durch die Ausgabe der Berlin-Pässe kommt, sondern eine Reihe von Fragestellungen hinzukommen, nämlich: Bürgerbegehren, Wahlen, Wohngeldnovelle und dann auch der Berlin-Pass. Daran hat es sich festgemacht, weil der Ansturm gerade zu Beginn des Jahres ziemlich groß war. Insofern ist es richtig, darüber zu reden, wie man dieses Problem löst. Wir haben jetzt verabredet, dass wir ein halbes Jahr auswerten und uns im Juni erneut treffen wollen, um dann den Umfang des Arbeitsaufkommens zu analysieren und gemeinsam darüber zu sprechen, welche Veränderungen nötig sind.

Danke schön, Frau Senatorin. – Jetzt kommen die Nachfragen, und zwar zuerst vom Kollegen Birk. – Bitte schön!

Zum einen erst einmal die Bemerkung: Es gibt das Konnexitätsprinzip, das auch für Entscheidungen für zusätzliche Leistungen, die hier getroffen werden, gilt. – Meine Frage noch einmal: Wenn ich mich als Studierender rückmelde und die Bestätigung der Rückmeldung bekomme, erhalte ich automatisch den Studierendenausweis zugeschickt, dafür brauche ich gar nichts zu tun. Warum ist es nicht möglich, auch beim Berlin-Pass alle Antragsberechtigten automatisch mit dem Berlin-Pass zu versorgen, damit die Bürger und insbesondere die Jugendlichen, die sogar vierteljährlich zum Amt laufen müssen, diese Wege nicht machen müssen?

[Beifall bei den Grünen]

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Lieber Herr Birk! Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in einem Jobcenter waren.

[Volker Ratzmann (Grüne): Da ist es immer voll, da wird es immer voller!]

Die Langzeitarbeitslosen sind leider ganz offensichtlich nicht in der komfortablen Situation der Studierenden, die etwas zugeschickt bekommen. Nein, zum Jobcenter muss jeder für jeden einzelnen Bescheid hingehen.

[Zuruf von den Grünen: So etwas Blödes! – Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Ja, das ist einfach so.

[Oh! von den Grünen]

Das kann man ja bedauern, man kann sagen, man müsse das alles reformieren, aber das steht hier im Moment nicht zur Diskussion.

[Thomas Birk (Grüne): Es geht um die Bürgerämter!]

Nun war es in den Jobcentern keineswegs so, dass Arbeitslose automatisch mit ihrem Leistungsbescheid auch die Bescheinigung für ein Ticket S bekommen haben, sondern sie mussten innerhalb des Hauses in eine andere Warteschlange gehen. Es war keineswegs so komfortabel wie Sie sich das vorstellen, sondern es war belastend. Ohnehin sind die Jobcenter für viele Langzeitarbeitslose häufig belastend. Deshalb kam mit den Vertretern der Bürgerämter zusammen die gemeinsame Idee auf, dass wir eine bürgerfreundliche, einheitliche Lösung wollen; der Senat solle prüfen, ob das bei den Bürgerämtern nicht sinnvoller gegeben ist.

Danke schön! – Jetzt kommt die Nachfrage des Kollegen Hoffmann. – Bitte schön!

Habe ich das für mich Unvorstellbare richtig verstanden, dass Sie es für mindestens ein halbes Jahr weiter in Kauf nehmen wollen, dass die Bürger in den Bürgerämtern sechs bis acht Stunden warten müssen, obwohl es keine Kostenersparnis gibt und das, was der Senat in seiner Strukturreform beschlossen hat, jetzt auf die Bezirke abgewälzt wird? Ist das wirklich Ihr Ernst?

[Mieke Senftleben (FDP): Ja!]