Protocol of the Session on January 29, 2009

Noch zwei Anmerkungen möchte ich machen, wenn es immer um das Geld geht. Wenn es bei dieser Frage um das Geld gehen würde, hätte man Volksbegehren gar nicht einführen dürfen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat es schon Millionen gekostet. Das ist in Ordnung. Wer mehr Demokratie will, muss es eben auch bezahlen. Das ist überhaupt kein Problem.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es gibt noch einen weiteren Punkt. Vielleicht ist das eine kleine Nachhilfe für Sie. FDP und CDU haben in ihrem Antrag formuliert, es sei so wichtig, dass man an einem Wahltermin abstimme, damit das Beteiligungsquorum erreicht werde. Damit Sie es auch noch einmal verstehen: Es gibt gar kein Beteiligungsquorum. Es gibt nur ein Zustimmungsquorum.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch bei dem Volksentscheid, den wir schon hatten, war nicht das Problem, dass zu wenig Menschen zur Wahl gegangen sind. Das Problem ist, dass sie Ihren Vorstellungen nicht gefolgt sind und mit Nein gestimmt haben. Deswegen ist dieses Volksbegehren gescheitert.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir reagieren mit unserem Ethikunterricht auf eine besondere Berliner Situation. Wir sind eine internationale Stadt. Christen, Moslems, Juden, Buddhisten, verschiedene Kulturen, Religionen treffen in der Stadt aufeinander und auch in der Schule. Wir wollen, dass man im Klassenverband Unterschiede kennenlernt, aber auch gemeinsame Werte feststellt, miteinander redet, aber nicht übereinander redet. Ich will das abschließend noch sagen: Auch das Bundesverfassungsgericht teilt diesen Ansatz durchaus. In der Begründung zur Ablehnung der Verfassungsbeschwerde, die es von Eltern und Schülern gegeben hat, sagt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich, weder die Religionsfreiheit der Schüler noch das Erziehungsrecht werden eingeschränkt. Natürlich kann der Landesgesetzgeber Integrationsmaßnahmen auch für die Schule beschließen. Im Urteil heißt es wörtlich:

Im Rahmen des staatlichen Erziehungsauftrags darf der Landesgesetzgeber (...) – die Einführung eines gemeinsamen Ehtikunterrichts für alle Schüler ohne Abmeldemöglichkeit vorsehen, um so die damit verfolgten legitimen Ziele gesellschaftlicher Integration und Toleranz zu erreichen und den Schülern eine gemeinsame Wertebasis zu vermitteln. Der Berliner Landesgesetzgeber durfte davon ausgehen, dass bei einer Separierung der Schüler nach der jeweiligen Glaubensrichtung und einem getrennt erteilten Religionsunterricht oder der Möglichkeit der Abmeldung von einem Ethikunterricht dem verfolgten Anliegen möglicherweise nicht in gleicher Weise Rechnung getragen werden könne wie durch einen gemeinsamen PflichtEthikunterricht.

Genau darum geht es.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir müssen es schaffen, den gemeinsamen Unterricht zu organisieren. Ziel sollte es doch für uns alle sein, dass alle jungen Menschen mit einem ausgeprägten demokratischen Grundverständnis und Respekt vor den Weltanschauungen anderer die Schule verlassen. Gewaltfreiheit, Toleranz, Gleichberechtigung, das sind die Werte, die wir lehren und leben wollen. Das sind die Werte, die wir gemeinsam und nicht getrennt lehren und leben wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Müller! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Kollege Henkel das Wort. – Bitte schön, Herr Fraktionsvorsitzender!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. Januar endete die Eintragungsfrist für das Volksbegehren „Pro Reli“, und wir können jetzt schon festhalten, dass es

das bislang erfolgreichste Volksbegehren in der deutschen Hauptstadt ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Knapp 300 000 Menschen haben ihre Unterschrift abgegeben. Das ist ein überragendes Votum, das auch dieser selbstherrliche und selbstgerechte rot-rote Senat nicht ignorieren kann. Das ist ein deutliches, das ist ein starkes Bekenntnis zum Religionsunterricht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dieses breite Bürgerbündnis erfährt eine überwältigende Unterstützung quer durch alle Bezirke, Bevölkerungsschichten und Parteien. Laut einer Umfrage von Infratest dimap vom Juni 2008 sprechen sich Zweidrittel der Eltern für ein Wahlpflichtfach Religion aus und sogar Dreiviertel der jüngeren Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Klaus Wowereit stellt sich in dieser Frage aber nicht nur gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung, sondern auch gegen die SPD-Bundesspitze und die Mehrheit der eigenen Parteianhänger. Herr Steinmeier, Ihr Kanzlerkandidat, hat für das Volksbegehren unterschrieben, Wolfgang Thierse, der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Frau Nahles, die stellvertretende Bundesvorsitzende, und Hubertus Heil, Ihr Bundesgeneralsekretär, hat sich ebenfalls für das Anliegen von „Pro Reli“ starkgemacht. Was braucht es eigentlich noch, damit Sie erkennen, dass Sie sich hier völlig verrannt und selbst innerhalb der eigenen Partei isoliert haben, Herr Wowereit?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Aber Berlin hat jetzt die Gelegenheit, einen Fehler zu korrigieren und den Religionsunterricht aus seiner vom Senat gewollten Randexistenz zu lösen und in den Schulalltag zu integrieren.

[Özcan Mutlu (Grüne): Blödsinn!]

Wir als Union werden uns gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern dafür einsetzen, dass es in einer modernen, vielfältigen Stadt auch ein vielfältiges Angebot gibt. Wir wollen ein Angebot, bei dem die Menschen mit ihren kulturellen und religiösen Wurzeln ernst genommen werden.

Wir sind dabei nicht gegen den Ethikunterricht.

[Ah! von links]

Anders als Sie sind wir nicht für ein Gegeneinander, sondern für ein Miteinander, für eine sinnvolle Ergänzung

[Beifall bei der CDU]

und Kooperation von Ethik- und Religionsunterricht. Ja, Herr Müller, es ist richtig, auch denjenigen ein Angebot zu machen, die keiner Religion angehören, aber dabei muss Chancengerechtigkeit herrschen!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Eine Mutter wird es sich sehr gut überlegen, ob sie ihrem Kind angesichts der überfrachteten Stundenpläne noch zwei zusätzliche Stunden christlichen Religionsunterricht in den späten Nachmittagsstunden zumuten kann. Das ist

keine Freiheit, höchstens ein Arrangement mit der Ungleichbehandlung.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir wollen, dass Eltern und Kinder Wahlfreiheit haben zwischen zwei gleichberechtigten, ordentlichen Unterrichtsfächern, und nicht, dass der Staat wieder einmal allen Menschen vorschreiben will, was das Beste für ihn ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mutlu?

Ich glaube, die Argumente sind ausgetauscht.

[Zurufe von links]

Herr Mutlu! Es ist doch relativ einfach: Es geht heute nicht um die inhaltlichen Differenzen. Es geht nicht um die Frage, was die CDU will,

[Nein! von den Grünen]

was Rot-Rot will oder was die Grünen wollen, sondern es geht um die Frage, wie wir mit 300 000 Menschen umgehen, die einen klaren Willen zum Ausdruck gebracht haben, die von einem verfassungsmäßig verbrieften Recht direkter Demokratie Gebrauch machen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Hier offenbaren Sie wieder einmal eine Arroganz, die ihresgleichen sucht. „Das sind schöne Demokraten, Berlins Sozialdemokraten“, wie Herr Stoltenberg zutreffend in der „Berliner Morgenpost“ schreibt. Genau darüber wollen wir heute mit Ihnen reden, über das massive Problem der Sozialdemokraten mit der Bürgerbeteiligung. Wieder wollen Sie tricksen,

[Beifall bei der CDU und der FDP]

manipulieren und einem Volksbegehren Steine in den Weg legen. Bei Tempelhof hat sich Herr Wowereit hingestellt und erklärt: Egal, wie das Volk abstimmt, der Flughafen wird dichtgemacht. – Dieser dreiste Umgang mit Volksbegehren, Herr Wowereit, setzt sich jetzt bei „Pro Reli“ nahtlos fort.

Hinter mir – jetzt nicht mehr – – Wo sitzt er? – Jetzt sitzt er vor mir. – Vor mir sitzt der Präsident dieses Hauses, der Präsident aller Fraktionen sein soll, aber als Schirmherr der Initiative „Pro Ethik“ klar parteipolitisch agiert und der den Initiatoren des Volksbegehrens die Räume in diesem Haus verweigert.

Zu meiner Linken sitzt ein Verfassungssenator, der sich nicht dafür zu schade ist, der Initiative praktisch unlautere Mittel zu unterstellen, in einem laufenden Volksbegehren öffentlich die Gültigkeit von Stimmen in Zweifel zieht, und dadurch versucht, die Menschen zu verunsichern.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Herr Henkel! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lederer?

[Zurufe von der Linksfraktion]

Nein, danke! – Herr Lederer! Ich würde mich gern mit Ihnen intellektuell duellieren,

[Gelächter bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]