Protocol of the Session on December 14, 2006

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Mario Czaja (CDU): Tosender Beifall!]

Das ist offenbar schon so selbstverständlich, dass man es erzählen kann, ohne dass tosender Applaus gespendet wird. In der übrigen Bundesrepublik Deutschland ist es aber nicht selbstverständlich, vor allen Dingen nicht in den Ländern, in denen die CDU/CSU regiert. –

[Starker Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dieses gute Angebot wird weiter ausgebaut. Ab Januar 2007 wird das dritte Kitajahr kostenfrei sein, ab 2010 das zweite und ab 2011 das dritte.

Viele haben die Frage aufgeworfen, ob wir uns dieses bei unserer Finanzsituation leisten können.

[Christoph Meyer (FDP): Das interessiert Sie doch gar nicht!]

Ich stelle die Frage, ob wir es uns leisten können, darauf zu verzichten.

Wird man uns nicht in einigen Jahren wieder vorwerfen, dass man es nicht getan hat, wenn wir es jetzt nicht tun würden? – Wir stehen dazu und glauben, dass es richtig investiertes Geld in die Zukunft der jüngeren Generation ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Alle Fachleute sind sich darüber einig, dass es das A und O ist, Kinder möglichst früh zu fördern. Ich bin deshalb Frau Bundesministerin von der Leyen und der Bundestagsfraktion der SPD dankbar, dass sie bundesweit dafür werben und sich auch für die Finanzierung einsetzen. Wenn Sie schon nicht mehr in der Lage sind, meine sehr verehrten Damen von der CDU, den Senat zu loben, dann loben Sie zumindest Ihre Ministerin von der Leyen. Die kommt aus Niedersachsen, da sieht man, dass auch wirklich Gutes dabei herauskommt.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Wir wollen in die Vorsorge investieren und nicht in den Reparaturbetrieb. Wir werden schon die 4-Jährigen auf ihre Sprachkompetenz testen und die Sprachförderung ausbauen.

Das in der letzten Legislaturperiode verabschiedete Schulreformgesetz ist der Ausweis eines neuen Verständnisses von Bildung. Wir haben ein weithin anerkanntes gutes Gesetz, mit dem wir bundesweit an der Spitze der Bewegung rangieren. Schulreformen wirken nicht über Nacht. Aber wir tun alles dafür, dass dieses wirklich gute Gesetz nicht nur auf dem Papier steht, sondern im Alltag gelebt wird – im Alltag der Schulen genauso wie im Alltag der Schulaufsicht. Denn nur wenn die Verwaltung loslässt und die Schulen von Bürokratie befreit, können diese die Freiheiten nutzen, die wir Ihnen mit dem Gesetz eingeräumt haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Wir wollen selbstständige Schulen, die sich mit ihrer Nachbarschaft vernetzten, mit Vereinen, Jugendeinrichtungen und Unternehmen. Wir wollen, dass die Schulen engagierte Bürgerinnen und Bürger in ihre Arbeit einbeziehen – als Lesehelfer, als Streitschlichter oder in der kulturellen Bildungsarbeit. Schule soll Lust auf das Lernen wecken und Motor der Integration sein. Mein Appell an alle, die Verantwortung für die Berliner Schulen tragen, lautet: Verstehen Sie das Schulgesetz als ein Angebot und nutzen Sie es!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Haha!]

Die entscheidende Konsequenz aus der PISA-Studie lautet, alles dafür zu tun, um den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass gute Bildungsabschlüsse vom Geldbeutel der Eltern abhängen. In jedem Kind stecken Begabungen, die es zu erkennen und zu fördern gilt. Diese Begabungen zur Geltung zu bringen, muss bei leistungsstarken ebenso wie bei schwächeren Schülern gelingen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Dann investieren Sie in Bildung und nicht in Experimente!]

Viele Erziehungswissenschaftler sehen in der gemeinsamen Erziehung aller Schüler die Zukunft. In Deutschland ist dieses Thema sehr ideologiebeladen. Wir haben das traditionelle gegliederte Schulsystem. Es gibt sehr gute Erfolge, aber auch Beispiele des Versagens. Diese Koalition wird mit einem Modellversuch auf freiwilliger Basis neue Formen des gemeinsamen Lernens ausprobieren und wissenschaftlich begleiten.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Genau! Özcan Mutlu (Grüne): Na klar!]

Dies ist kein Kulturkampf gegen Gymnasien, sondern ein Angebot für Innovation, das wir dringend brauchen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Christoph Meyer (FDP) und Mieke Senftleben (FDP)]

Ich möchte den Lehrerinnen und Lehrern für ihre oft sehr schwere Arbeit danken. In Partnerschaft mit den Schülern und Eltern leisten sie gerade auch in sozialen Brennpunkten viel mehr als reine Wissensvermittlung. Oft steht das soziale Lernen im Mittelpunkt. Ich wiederhole an dieser Stelle erneut mein Bedauern über die Missverständnisse im Zusammenhang mit meinen Äußerungen zu Kreuzberger Schulen.

[Zurufe von den Grünen]

Es war nicht beabsichtigt, die Arbeit vor Ort zu diskreditieren.

[Ramona Pop (Grüne): Was haben Sie denn dann gemeint? – Zuruf: Wie denn dann?]

Sollte dies so empfunden worden sein, dann entschuldige ich mich auch an dieser Stelle noch einmal dafür.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Für was entschuldigt sich denn Herr Müller?]

Sehen Sie, Herr Lindner, das unterscheidet uns. Sie quäken dauernd lauthals herum. Sie haben sich noch nicht einmal für Ihr Benehmen entschuldigt. Ich bin dazu in der Lage, mein lieber Herr Linder. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden. –

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Für was denn? Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Ich freue mich besonders darüber, dass in Reaktion auf meine Äußerungen so viele positive Berichte über die Schulen gerade in Kreuzberg veröffentlicht worden sind.

[Gelächter bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Dies ist ein erfreuliches Zeichen.

[Zuruf von Frank Henkel (CDU)]

Hoffentlich merken sich die Absender der Briefe, was sie geschrieben haben.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja, ja!]

Trotzt dieser vielen positiven Beispiele ist allen klar, dass wir noch viel zu tun haben. Darauf muss sich die Bildungspolitik ausrichten. Wir haben darauf Antworten gegeben.

[Gelächter bei den Grünen und der FDP]

Integration ist Vielfalt und Chance zugleich. Internationalität und Weltoffenheit sind zentrale Pluspunkte unserer Stadt. Berlin ist eine Einwanderungsstadt. Wir wollen die Chancen der Internationalität Berlins nutzen. International agierende Unternehmen setzen immer mehr auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit interkulturellen Kompetenzen und Mehrsprachigkeit. In Berlin finden sie viele gut ausgebildete Fachkräfte. Unsere erstklassigen Hochschulen sorgen für qualifizierten Nachwuchs gerade auch für

die Branchen, die im globalen Wettbewerb bestens positioniert sind. Wir werden Internationalität und die hohe Kompetenz der Fachkräfte als einen der zentralen Standortfaktoren Berlins noch stärker als bisher herausstellen.

Um Interkulturalität als Stärke geht es auch im Kleinen, in den Kiezen und Nachbarschaften. Die Debatten über Integrationsprobleme haben uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, jungen Menschen eine Perspektive zu geben, damit sie unsere Gesellschaft als ihre annehmen. Zu diesem Zukunftsthema leisten schon heute viele ihren Beitrag: Unternehmen türkischer, arabischer, polnischer oder deutscher Herkunft, die sich entschlossen haben, Lehrstellen anzubieten, Lehrerinnen und Lehrer, die weit mehr tun, als Unterricht zu geben, sondern vielen Schülerinnen und Schülern zu Lebensbegleitern, zu Coaches geworden sind, Quartiersmanager in den Kiezen, die zu besserem Zusammenhalt anstiften und so wunderbare Projekte wie die große multikulturelle Tafel im Rollbergkiez ins Leben gerufen haben. Dazu gehören auch sehr viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die jungen Menschen zur Seite stehen, ihnen zuhören, sie in kritischen Phasen als Mentoren begleiten. Vieles, was hier geschieht, ist modellhaft für die ganze Republik.

Der Senat hat ein Leitbild für eine moderne Integrationspolitik entwickelt. Das Motto lautet: Vielfalt fördern, Zusammenhalt stärken. Wir haben als eines der ersten Länder bundesweit ein Ressort geschaffen, das sich vorrangig der Integration widmet. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, dass wir das beschlossene Leitbild mit Leben erfüllen. Das heißt vor allem, dass die großen Leistungen, die Migranten schon heute für unserer Gesellschaft erbringen, gewürdigt werden. Dies bedeutet, dass besonders für junge Migranten die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden müssen. Die Chance auf eine Lehrstelle und einen Job sind die beste Motivation, um Begabungen zu nutzen und sich zu engagieren: in der Schule, für Ausbildung und im Beruf.

Wissenschaft ist unsere Zukunft. Auch im Bereich der Wissenschaft geht es darum, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Berlin seine Potentiale optimal nutzt. Keine andere Stadt in Deutschland besitzt eine solche Dichte an wissenschaftlichen Einrichtungen wie Berlin. Unsere Universitäten betreiben Spitzenforschung, sind auf vielen Feldern hervorragend vernetzt mit Forschungsverbünden und privaten Unternehmen. Unsere Wissenschaftsparks in Adlershof und Buch entwickeln sich immer mehr zu innovaten Zugpferden. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Strategie aufgeht. Berlin profitiert von dem engen Miteinander von Hochschulen, privaten und öffentlichen Forschungsinstituten und Unternehmen. Wir werden alles dafür tun, damit unsere Universitäten bei der Exzellenzinitiative erfolgreich sein können.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Mit vielen Gremien!]

Wir treten für eine weitestgehende Autonomie der Hochschulen ein, und das wissen Sie auch. – Durch die Teilnahme des Landes am Hochschulpakt werden mehr Studienplätze finanziert. Die zusätzlichen Gelder für die

Forschung werden den Wissenschafts- und Forschungsstandort Berlin voranbringen. Das ist viel Geld, das in den nächsten Jahren in diesen Bereich fließt. Es wird gut investiertes Geld sein.

Wir wollen eine weitergehende Autonomie der Hochschulen. Mit den Hochschulverträgen haben wir ein modernes Instrumentarium geschaffen, das ihnen Planungssicherheit gibt. Auch hier gilt: Berlin ist bundesweit Vorreiter mit dieser Art der Steuerung. Das bedeutet aber auch, dass wir Loslassen müssen bei der Kontrolle. Eine wirkliche Revision hingegen müssen wir durchführen. Wir müssen aber vor allem auch Vorgaben machen, wohin sich die Universitäten entwickeln sollen. Ansonsten aber gilt: weitestgehende Autonomie für die Hochschulen.

Eines der zentralen Anliegen der Koalition ist, dass es keine sozialen Schranken für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen gibt. Dies gilt besonders für den Bildungssektor.

Wir werden daher keine Studiengebühren einführen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): So viel zur Autonomie der Universitäten! Deswegen gehen die auch vor das Verfassungsgericht!]

Der Hochschulzugang soll allen offenstehen: Kindern wohlhabender Eltern ebenso wie Kindern aus Familien mit geringem oder mittleren Einkommen. Dafür steht diese Koalition und für nichts anderes.