noch einmal auf das zu Beginn Gesagte zurückkommen: Das Land Berlin hat die gegenwärtige Krise der Finanzwirtschaft weder zu verantworten, noch hat es die Kraft, deren Folgen an Berlin vorbeizuführen. Aber das, was wir tun können, das sollten wir tun. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Liebich! Das war eine in jeder Hinsicht interessante Rede.
Im ersten Teil war sie mehr etwas für die Parteischule. Im zweiten Teil habe ich mich gefragt: Warum tun Sie es nicht einfach? Sie regieren in dieser Stadt seit dem Jahr 2001 mit, und jetzt geben Sie hier einen Wunschzettel ab, als ob Sie in den letzten sieben Jahren nicht die Chance gehabt hätten, irgendetwas von Ihren Vorschlägen umzusetzen.
Wir haben in diesem Haus vor knapp zwei Monaten über die dramatische Krise auf den internationalen Finanzmärkten debattiert. Damals ging es darum, schnell und entschieden zu handeln, weil beinahe täglich ein großes Finanzinstitut zu kippen drohte. Die Bundesregierung hat mit dem Bankenrettungspaket ein deutliches Signal gesetzt, dass kein Bürger in unserem Land um seine Sparguthaben fürchten muss. Hier wurde ein Schirm aufgespannt, der nicht den Managern zugute kommt, sondern der den Betrieben und Menschen in unserem Land Sicherheit verschafft. Das war wichtig, das war gut, und das hat verlorenes Vertrauen wieder hergestellt.
Heute haben wir es jedoch mit einer anderen, viel breiteren Verunsicherung zu tun, mit einer Angst, dass die Weltwirtschaft in eine schwere Krise rutscht und unser Wohlstand – auch hier in Deutschland, auch hier in Berlin – in erheblichem Umfang gefährdet ist. Diesen Herausforderungen können wir nur mit einem großen Kraftakt begegnen. Unsere Bestrebungen müssen darauf ausgerichtet sein, Vertrauen wieder herzustellen, Beschäftigung zu sichern und Konjunkturimpulse zu geben.
Dabei kommt es vor allem auf zwei Dinge an: investieren und entlasten. Das heißt, dass der Staat zukunftsbezogen und nachhaltig denken und handeln muss und dass die Menschen mehr in der Tasche haben müssen, um den Konsum anzukurbeln.
Ich bin der Bundeskanzlerin dankbar, dass sie auf besonnene Maßnahmen und sinnvolle Impulse setzt. Das gilt insbesondere für den Schutzschirm für Arbeitsplätze. Der Bundesrat hat am Freitag ein steuerliches Ent
lastungspaket verabschiedet und zwölf Milliarden Euro an Investitionsanreizen zugestimmt. Dazu gehören verbesserte Abschreibungsbedingungen für Unternehmen, gerade für kleine und mittelständische Betriebe. Privathaushalte können nun doppelt so hohe Ausgaben für Handwerker von der Steuer absetzen. Das sind zielgerichtete und stabilisierende Maßnahmen.
Wir werden uns dennoch im nächsten Jahr die Frage stellen müssen, ob die bisherigen Konjunkturmaßnahmen ausreichen, um der Situation gerecht zu werden. An dieser Stelle kann man verschiedener Auffassung sein. Klar ist: Wir dürfen keine Strohfeuer entzünden – wie zum Beispiel Konsumgutscheine –, die bis zum nächsten Frühjahr wieder verpufft wären. Nein, wir müssen uns Handlungsspielräume bewahren, um gegebenenfalls nachzujustieren. Denn das ist ein langer Lauf, und wer sich schon am Anfang verausgabt, der läuft am Ende Gefahr, das Nachsehen zu haben.
Unserer Ansicht nach müssen gerade Mittelschicht und Leistungsträger weiter entlastet werden. Konkret heißt das, zum Beispiel die Wirkung der kalten Progression zu beenden, weil sie Leistung bestraft.
Wir brauchen eine strukturelle Reform der Einkommenssteuer, die den Prinzipien „einfacher, niedriger und gerechter“ folgt.
Unter dem Gesichtspunkt der Entlastung ist auch das Urteil aus Karlsruhe zur Pendlerpauschale zu bewerten. Die Berliner CDU hat sich seit Langem für eine Rückkehr zur alten Regelung starkgemacht, und deshalb begrüßen wir den Spruch des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich.
Bevor Sie darüber gesprochen haben, haben wir auf einem Parteitag im April einen entsprechenden Beschluss gefasst. Ich brauchte dieses Urteil nicht, um mir klar zu sein, wie wir zur Pendlerpauschale stehen.
Was kann Berlin aus eigener Kraft und Verantwortung tun, um sich gegen diese Krise zu stemmen? Rot-Rot hat das ein bisschen hilflos als Frage formuliert, als Frage, die Sie nicht stellen, sondern beantworten sollten. Berlin muss natürlich seinen eigenen Beitrag leisten. Ich habe in den vergangenen Wochen oft gelesen – auch von Ihnen, Herr Wolf –, dass Berlin aufgrund seiner wirtschaftlichen, speziell industriellen Schwäche besser gerüstet sei für diese Krise. Das klingt für mich ein wenig nach dem Motto: Weil es uns ohnehin schlecht geht, haben wir nicht so viel zu verlieren wie andere, denen es besser geht.
Diese Haltung ist für mich nicht nachvollziehbar, zeigt aber das traurige Selbstverständnis dieses rot-roten Senats.
Wohin dieses Verständnis führt – nämlich konsequent auf die letzten Plätze des Rankings –, habe ich ja vorhin schon in der Begründung der Aktuellen Stunde beschrieben: die höchste Arbeitslosigkeit, die höchste Kinderarmut und die meisten Empfänger von Transferleistungen.
Nein, die Krise wird vor Berlin nicht haltmachen! Der Wirtschaftssenator hat letzte Woche den Konjunkturbericht für das dritte Quartal 2008 vorgelegt und für 2009 von einer Stagnation gesprochen. Die IHK rechnet sogar mit einem Minuswachstum. Eine globale Rezession hätte natürlich spürbare Auswirkungen, zum Beispiel auf den Tourismus. Deshalb sage ich: Die Stadt mit dem größten Anteil an Arbeitslosen und Transferleistungsempfängern muss ganz besonders großes Interesse daran haben, sich mit aller Kraft gegen eine Krise zu stemmen.
Meine Fraktion erwartet konkrete Schritte von Ihnen. Sie müssen schleunigst Maßnahmen präsentieren, wie die Folgen für die regionale Wirtschaft gemildert werden können. Dazu gehört zum Beispiel, dass vorgesehene Investitionen in größtmöglichem Umfang vorgezogen werden, um dem Einbrechen der privaten Nachfrage entgegenzuwirken.
Zukunftsfähig ist, was in Substanz gesteckt wird. Nicht nur aus Gründen der Konjunkturbelebung, sondern auch aus Gründen der Werterhaltung und Wertsteigerung muss viel stärker in die Sanierung von Infrastruktur investiert werden. Baden-Württemberg hat zum Beispiel ein Konjunkturpaket in Höhe von einer Milliarde Euro geschnürt, um Straßen, Schulen und Hochschulen zu sanieren.
Das sind Dimensionen, die Berlin nicht stemmen kann. Aber auch hier bei uns muss etwas getan werden.
Da ist es nicht hinnehmbar, dass dieser Senat im laufenden Jahr Investitionsmittel in Höhe von knapp 100 Millionen Euro verfallen lässt, weil sie durch bürokratische Hürden nicht abgerufen werden. Das hat mit verantwortungsbewusster und vorausschauender Politik nicht das Geringste zu tun.
Nun haben Sie, Herr Wowereit, gestern angekündigt, die Sanierungsmittel für Schulen um 50 Millionen Euro zu erhöhen – pünktlich zur Aktuellen Stunde, möchte man meinen, damit Sie hier mindestens etwas vorzuweisen haben. Klar, das ist besser als nichts, aber uns geht das nicht weit genug. Der Sanierungsstau an Schulen und Kitas beträgt knapp eine Milliarde Euro, und wir fordern Sie daher
auf, ein Infrastrukturprogramm für die Berliner Bezirke in Höhe von wenigstens 100 Millionen Euro aufzulegen und das Sportanlagensanierungsprogramm aufzustocken. Dieses Programm soll durch Haushaltseinsparungen auf Senatsebene finanziert werden. Legen Sie auch endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab, und setzen Sie sich dafür ein, dass dem Sanierungsstau an Schulen mit öffentlich-privaten Partnerschaften begegnet werden kann!
Für Berlin gilt wie im Bund, Wirtschaft und Verbraucher zu entlasten. Das ist unabhängig von der Krise, aber jetzt ganz besonders wichtig.
Das glaube ich gerne, und ich verzichte auch gerne darauf. – Ich wiederhole mich: Für Berlin gilt wie im Bund, Wirtschaft und Verbraucher zu entlasten, unabhängig von der Krise. Hören Sie deshalb auf, die Menschen und Unternehmen mit Abgaben und Bürokratie zu gängeln!
Wir haben Ihnen ganz konkrete Vorschläge unterbreitet: eine Senkung der Bürokratiekosten um 25 Prozent durch einen Bürokratie-TÜV, eine Verschiebung der zweiten Stufe der Umweltzone auf 2012 und die Abschaffung des unsäglichen Straßenausbaubeitragsgesetzes.
Nun weiß ich nicht, wer vom Senat nachher zu dieser Aktuellen Stunde redet. – Aber ein Wort noch zu Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister! Ich habe Ihnen vor zwei Monaten unsere Unterstützung angeboten, weil es in dieser schwierigen Phase auf Solidarität und gemeinsames Handeln ankommt. Aber wir erwarten auch etwas von Ihnen, nämlich Führung, wie es beispielsweise die Ministerpräsidenten Oettinger, Koch und Müller tun.
Diese Krise ist eine permanente Führungsaufgabe. Neben entschlossenem Handeln muss um das Vertrauen der Menschen gerungen werden.
Zwischen der Plenardebatte von zwei Monaten und Ihren gestrigen Presseankündigungen war nichts von ihnen zu vernehmen. Besinnen Sie sich endlich wieder auf ihre Verantwortung für Berlin, und nehmen Sie Ihr Amt auch öffentlich sichtbar wahr! Herr Regierender Bürgermeister, auch wenn Sie amtsmüde sind: Diese Krise wird sich nicht aussitzen lassen! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, über das wir heute debattieren, ist ein globales Problem, dessen bedrohliches Auf-uns-zu-Kommen seit Längerem zu beobachten war, obwohl sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland und gerade auch bei uns in Berlin so günstig darstellte wie seit Jahren nicht mehr. Das Jahr 2007 war für die Berliner Wirtschaft ein gutes Jahr mit einem Wachstum von 2,0 Prozent und damit nur noch einen halben Prozentpunkt unter dem Bundesdurchschnitt, nachdem Berlin bis 2004 noch eine zum Bundestrend gegenläufige Entwicklung genommen hatte. Dies ist nicht ausschließlich, aber auch ein Verdienst der Wirtschaftspolitik dieses Senats und dieser Koalition, Herr Henkel!