Nach unserer Ansicht geht es vielmehr darum, ob es unser demokratischer Rechtsstaat der Zivilgesellschaft ermöglichen muss, dagegen zu demonstrieren und dagegen auf der Straße ein Gesicht zu zeigen.
Die FDP-Fraktion kann gleich noch reden. Vielleicht möchte Herr Lindner zu diesem Thema reden. Das würde mich freuen.
Wie sah der Polizeieinsatz vor Ort aus? – Es ist mit unglaublicher Härte vorgegangen worden. Bereits um 9.30 Uhr wurden Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zur Matinee zugelassen. Zweimal wurden Blockaden brutal geräumt, und das nicht nur von linken Chaoten, sondern da waren auch Bürgerinnen und Bürger, Anwohnerinnen und Anwohner und auch ältere Menschen beteiligt.
Im Nachhinein muss man von einem eher ungeordneten Polizeieinsatz mit harten Maßnahmen sprechen. Flaschen und andere Gegenstände sind geworfen worden, und es haben auch Straftaten aus der rechten Demo stattgefunden, wie Fotografieren, Hitlergruß zeigen und Rufe wie „Nie, nie wieder Israel!“. Es gab aber auch einiges Erfreuliches. So hat die Berliner Polizei, anders als im letzten Jahr, Festnahmen wegen des Singens verbotener Lieder durchgeführt.
Auch wir wollen in Zukunft keine Polizei, die auf dem rechten Auge blind ist. Aber der wahllose Einsatz von Wasserwerfern gegen abrückende, friedliche, zivilgesellschaftliche Protestler ist uns völlig unklar geblieben, und das können wir nicht tolerieren. Jeder, der dies nicht miterlebt hat, kann es auf „Spiegel-Online“ nachsehen. – Herr Körting! Lassen Sie es bitte nicht mehr zu, dass es in Zukunft in Berlin nicht möglich ist, Gesicht gegen braune Demonstrationen zu zeigen.
Die BVV in Marzahn-Hellersdorf macht Ihnen auch das zum Vorwurf, nämlich die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Ich denke, auch in diesem Haus würden wir hierfür eine Mehrheit finden.
Wer ist am Samstag marschiert? – Am Samstag ist der schwarze Block der Nazis marschiert. Die Rechten haben einen anderen Auftritt. Der rechte Look kennzeichnet sich durch „Ton, Steine, Scherben“, Che-Guevara-T-Shirts, Palästinenser-Tücher. All das gehört zum neuen rechten Look. Aber wer weiß das schon? Dies ist nur ein Baustein der rechtsextremen Strategie, die immer mehr gezielt junge Menschen anspricht. Braune Rattenfänger an Schulen verteilen CDs oder Zeitungen. An Freizeitorten, die bei jungen Menschen beliebt sind, wird Freibier verteilt, und die wenigsten wissen das. Hierüber muss aufgeklärt werden. Es muss mehr Aufklärung für Kinder und Jugendliche in den Bildungsinstitutionen stattfinden, aber auch für pädagogisches Personal.
Auch in Berlin gibt es z. B. gewachsene rechtsextreme Familienstrukturen, wo Kinder bei der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ in Freizeitlagern waren und dann in die Kita kommen und die Erzieherinnen mit dem Hitlergruß begrüßen. Was macht eine Erzieherin dann? Diese Menschen dürfen wir nicht allein lassen. Hier braucht es ein geordnetes Präventionsprogramm.
Auch die Jugendlichen im Jugendforum, die sich mit diesem Thema befasst haben, haben eindeutig angemahnt, dass es in der Schule zu wenig Aufklärung über den Neofaschismus, seine Symbole, Strategien und Inhalte gibt, und sie fordern diese dringend ein. Wir brauchen dieses gebündelte Präventionsprogramm, denn Kenntnis über Rechtsextremismus und Alternativen dazu sind das beste Mittel gegen Rechtsextremismus und dafür, einen breiten zivilgesellschaftlichen Protest gegen diese braune Ideologie zu ermöglichen und sich für demokratische Grundwerte einzusetzen. Deshalb bitten wir Sie alle um die Unterstützung für diesen Antrag. – Danke!
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr der Kollege Saleh das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund der schlimmen Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund, leider auch in Berlin, ist es unsere Verantwortung, alles zu tun, um rechtsextremem Gedankengut und menschenverachtender Ideologie entschieden entgegenzutreten.
Alle demokratischen Parteien – und jeder Einzelne von uns – sind aufgefordert, aktiv für die Demokratie einzutreten und parteiübergreifend ihren Beitrag dazu zu leiste
Eine besondere Verantwortung liegt dabei in den Bildungseinrichtungen – in den Kitas, den Schulen sowie den Hochschulen. Hier muss angesetzt werden, um gegenzusteuern und jungen Menschen demokratische und tolerante Einstellungen zu vermitteln.
Je früher man anfängt, je früher man handelt, desto effektiver wird der Versuch, Rechtsextremismus zu reduzieren und ihm erfolgreich zu begegnen. Rechtsradikalismus ist kein Problem nur der Jugendlichen, es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es betrifft nicht nur den Rand der Gesellschaft, sondern reicht bis in deren Mitte. Es umfasst auch Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Ausgrenzung von Andersdenkenden und Anderslebenden. Rechtsextremes Gedankengut betrifft alle Altersgruppen, ist jedoch bei Jugendlichen auffälliger, weil es sich hier eher als bei älteren Menschen in Form von Aktivitäten widerspiegelt.
Die Motive von Jugendlichen sind dabei oft geprägt von der Suche nach Bezugspersonen, nach Vertrauenspersonen, schlichtweg nach sozialen Kontakten, die ihnen persönlich Anerkennung und Sicherheit bieten. Diese Form der Sicherheit ist eine gefährliche Sicherheit. Wir
mit einer umfassenden und nachhaltigen Strategie, welche darauf abzielt, jungen Menschen Chancen und Angebote insbesondere im kulturellen und sportlichen Bereich zu geben, gegensteuern. Dies ist eine gesamtstädtische Aufgabe.
Der vorliegende Antrag enthält neben den guten Ansätzen auch vieles, was bereits in Arbeit ist und tagtäglich umgesetzt wird. Eines ist klar: Die Bekämpfung von Rechtsradikalismus darf nicht nur Aufgabe der Sicherheits- und Verfassungsschutzpolitiker sein, sondern gehört ausdrücklich in den Aufgabenbereich der Bildungs- und Jugendpolitiker.
Bei jungen Menschen, die noch nicht in den Fängen der rechtsradikalen Szene sind, aber aufgrund ihres Umfeldes und Freundeskreises gefährdet sind, müssen früh Alternativen und Demokratiebewusstsein vermittelt werden. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, wenn man anfängt, bezirksübergreifend einen Austausch vorzunehmen. Es gibt Jugendliche, die mir in meiner Arbeit vor Ort sagen, dass sie noch nie im Ostteil der Stadt waren, und viele Jugendliche aus dem Ostteil der Stadt waren noch nie im Westteil. Kein Wunder, dass auf diese Art und Weise auch Vorurteile aufgebaut werden und sich verfestigen. Viele junge Menschen brauchen den Kontakt zu anderen Jugendlichen. Man muss versuchen, Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen. So werden bei einem Interessenausgleich zwischen den Jugendlichen automatisch die Gemeinsamkeiten hervorgehoben und die Unterschiede minimiert.
In diesem Sinne freue ich mich, im Ausschuss über den Antrag zu reden. Ich hoffe, dass wir das Gute von dem Antrag beibehalten und bei dem, was bereits umgesetzt wird, sehen, wie man damit umgeht. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Saleh! – Für die Fraktion der CDU hat nun Frau Demirbüken-Wegner das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Extremismus bekämpfen ist demokratisches Selbstverständnis. Wir begrüßen deshalb jeden Ansatz, extremistischer Entwicklung entgegenzuwirken und diese bereits im Vorfeld durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Doch wenn ich mir den hier vorliegenden Antrag der Fraktion der Grünen ansehe, muss ich mich fragen, was an dem Antrag neu ist, welche Forderungen die bekannten Missstände verbessern können.
Die Aktualisierung laufender Konzepte und Projekte mit aktuellen Begriffen ist mir leider zu wenig und die Ausgrenzung von aktiv Handelnden bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sicherlich das Falsche. Oder wollen Sie wirklich unter den Engagierten im Kampf gegen den Extremismus ein Zulässigkeitszertifikat vergeben? Wollen Sie nicht vielmehr die am Anfang begründet bemängelte Wirkung der gemeinsam beschlossenen Präventionskonzepte verbessern? – Doch dann, liebe Freunde von den Grünen, sollten Sie nicht ausgrenzen, sondern die Gemeinsamkeiten stärken. Wirkungsvolle Maßnahmen gegen demokratische Fehlentwicklungen und extremistische Auswüchse sind am besten aus der Gemeinschaft zu entwickeln. Das hat auch mein Vorredner betont.
Dafür sehen wir durchaus Möglichkeiten. Schubladendenken gehört allerdings nicht dazu. Es ist doch ein Irrglaube, wenn immer wieder ein Unterschied zwischen Rechtsextremismus oder Antisemitismus erzeugt wird, wenn politisch motivierte Kriminalität und Gewalt nach nützlicher oder schädlicher Form aufgeteilt wird. Dann bleibt die Sprachlosigkeit übrig, wie zuletzt an der Humboldt-Universität. Eine nicht rechtsextremistisch organisierte Demonstration zerstört mit brutaler Gewalt die Ausstellung über die Pogrome der Nazi-Diktatur.
Ich glaube – und ich weiß, wovon ich rede! –, dass wir bei der Bekämpfung des Extremismus und anderer gesellschaftlicher Verwerfungen wie Jugendgewalt, Kindesmisshandlung oder Fremdenfeindlichkeit mehr gesellschaftlichen Konsens innerhalb der Demokraten brauchen. Wir benötigen deshalb ganzheitliche Präventionskonzepte, denn dann müssen wir nicht mehr gegen die Fehlentwicklung ankämpfen. Ja, wir brauchen unter uns Demokraten, und das kann in einer pluralen Gesellschaft mit unterschiedlichen Ethnien nicht eindimensional vorgegeben werden! Für ein funktionierendes Zusammenleben – das ist mir wichtig – müssen verbindliche Werteregeln von Menschen mit verschiedenen Lebensgrundsätzen bestehen.
Dabei sind drei Dinge besonders wichtig: Erstens muss jeder wissen, wo seine Wurzeln sind. Deshalb unterstützen wir auch den Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht als ordentliches Unterrichtsfach. Mit solch einer präventiven Maßnahme können auch viele extremistische Einflüsse abgewehrt werden. Zweitens funktioniert die Verständigung über eine gemeinsame Werteplattform nur mithilfe kontinuierlicher Kommunikation, indem man mit einer Sprache spricht. Hier meine ich nicht nur die verbale Form. Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen Gesellschafts- und Lebensformen sind drittens Grundvoraussetzung zur Verständigungsbereitschaft. Werte miteinander vorleben und damit aktiv in den Elternversammlungen von Kitas und Schulen verwirrte und verirrte Geister wieder in die Wertegemeinschaft zurückzuführen, daran müssen wir sicherlich arbeiten. Oder haben Sie schon einmal durch das Umhängen eines Schildes, also das Markieren oder dem Mit-dem-Finger-daraufzeigen bei rechtspopulistisch agierenden Eltern einen Umdenkprozess erreichen
können? In diesem Sinn würden wir den Antrag gern mit Ihnen im Ausschuss qualifiziert diskutieren und wirkungsvoll umsetzen wollen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe kurz überlegt, ob ich auf den Beitrag von Frau Demirbüken-Wegener eingehe oder ob ich mich an dem Antrag entlanghangele.
Zwei Bemerkungen vorweg: Ich halte nichts von pauschalen Präventionsangeboten für alle Formen des jugendlichen Verhaltens, von Gewalt über Kleinkriminalität bis hin zum Rechtsextremismus. Ich finde, der Rechtsextremismus hat eine besondere Bedeutung. Mit allgemeinen Präventionsangeboten für Jugendliche kann man dagegen nichts tun.
Was den Antrag angeht, so möchte ich ebenso wie unser Koalitionspartner darauf hinweisen, dass wir jede Initiative unterstützen, die sinnvoll und geeignet ist, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft entgegenzutreten. Deshalb werden wir den vorliegenden Antrag der Grünen im Ausschuss sorgfältig prüfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass die Maßnahmen, die wir bisher ergriffen haben, den gewünschten Erfolg vermissen lassen, wie Sie in der Antragsbegründung schreiben. Wer – wie ich auch – die Gegendemonstration gegen die NaziDemonstration am Wochenende in Lichtenberg erlebt und danach auch das Jugendforum hier im Haus besucht hat, der kann bestätigen, dass es gerade die jungen Menschen sind, die kreativ und vielfältig gegen Gewalt und für ihre zivilgesellschaftliche Verantwortung kämpfen. Das ist übrigens ein Aspekt, der mir in dem Antrag der Grünen ein wenig zu kurz kommt. Sie gehen nicht davon aus, dass man etwas mit Kindern und Jugendlichen macht, sondern es soll etwas für Kinder und Jugendliche getan werden. Ich erinnerte mich kurz an Parteischulungen. Angesichts der sonst eingeforderten Beteiligungsprojekte der Grünen wundert mich das schon. Bitte mehr Bottom-up und weniger Top-down!
Was die Initiativen des Senats angeht, so hat sich in den letzten Jahren erwiesen, dass es besonders die bezirklichen Netzwerke sind, die Wissen vermitteln, die Protest und Gegenmaßnahmen bündeln und die organisieren können. Gerade in der Arbeit und den lokalen Aktionsplänen haben sich diese Bündnisse gestärkt, wie ich aus meinen eigenen Erfahrungen aus einem Aktionsbündnis, in dem
ich Mitglied bin, berichten kann. Wir haben mobile Beratungsstellen, wir haben Standpunkte-Pädagogen, und wir haben auch andere Initiativen und Einrichtungen, die dort eine Vorreiterrolle einnehmen. Das können wir übrigens nicht zuletzt deshalb, weil der Senat viele Bundesmittel, aber auch eigene Mittel zur Verfügung stellt. Insofern kann ich das Versagen, dass Sie schildern, nicht sehen. Im Gegenteil, ich bin der Auffassung, dass noch nie so viele junge Menschen so sehr sensibilisiert für die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Einstellungen und Handlungen waren wie heute.
Natürlich ist nichts so gut, dass man es nicht besser machen könnte. Das Erreichte ist nicht immer das Erreichbare. Deshalb werden wir Ihren Antrag ausführlich prüfen. Wir müssen unsere Konzepte weiterentwickeln, und wir müssen dabei auf Aktuelles reagieren. Da können zum Beispiel die Vorschläge, die in diesem Jahr im Jugendforum gemacht worden sind, eine Hilfe sein.
Der Senat hat im Juni des Jahres die Berliner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgelegt. Darin wird dem Schwerpunkt Kinder und Jugendliche ein breiter Raum gewidmet. Es geht darum, Demokratie in der Schule und im außerschulischen Kontext erlebbar und erfahrbar zu machen und sich erfolgreich mit rechtsextremistischem und rassistischem Gedankengut auseinanderzusetzen. Es geht natürlich auch darum, Pädagoginnen und Pädagogen sowie andere, die mit jungen Menschen zu tun haben – z. B. Übungsleiterinnen und Übungsleiter aus Sportvereinen –, zu qualifizieren. Dabei sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass viele zivilgesellschaftliche Institutionen und Einrichtungen bereits jetzt entsprechende Angebote vorhalten. Auch hier spielen übrigens die Bündnisse eine wichtige Rolle. Damit das so bleibt, ist es wichtig, dass das Engagement, die vielen Maßnahmen, Initiativen und Projekte eine solide Finanzierung erhalten. Dabei sehen wir auch die Bundesebene in starker Verantwortung. Auch dazu wäre ein Zeichen im Antrag begrüßenswert gewesen.