Protocol of the Session on December 11, 2008

Gerade in der Jugendpolitik vermissen wir Liberalen beim Senat den ressortübergreifenden Ansatz. Die Berücksichtigung von jungen Menschen als Querschnittsthema im Rahmen des Demografiekonzepts des Senats ist daher wichtig. Der Senat muss hier die Träger der Jugendhilfe ebenso wie Vertreterinnen und Vertreter der jungen Menschen unserer Stadt wie beispielsweise Vertreter des Landesjugendrings und des Landesschülerausschusses einbinden.

Zu dem Änderungsantrag der CDU kann ich für meine Fraktion nur erklären, dass wir uns enthalten werden. Die Fragestellungen sind sicherlich richtig, Frau Kollegin Demirbüken-Wegner! Dennoch wird es langsam sehr kleinteilig, wenn wir über immer neue Handlungsfelder sprechen. Wir als Liberale sind bereit, im Ausschuss ausführlicher über das Thema und weitere Handlungsfelder zu sprechen. Aber wir sind auch gesprächsbereit – wenn

das Demografiekonzept des Senats weit hinter den Erwartungen bleibt –, weiterhin über eine Enquetekommission zu sprechen und das Thema „Demografischer Wandel in Berlin“ so angemessen zu diskutieren, wie es ihm zukommt und wie wir es bisher leider nicht haben.

Wichtige Fragen für den Handlungsbereich Jugendpolitik sind u. a.: Wie kann Berlin alle jungen Menschen bei der Entwicklung von Lebensperspektiven unterstützen? Wie will der Senat das zivilgesellschaftliche Engagement junger Menschen fördern? Welche Beteiligungschancen will er den jungen Menschen geben? Welche Bedeutung misst der Senat außerschulischer Jugendbildung bei? – Wir sind auf die Entwicklung des Potenzials unserer jungen Menschen angewiesen. Interessant sind sicherlich die Aussagen des Senats dazu, wie er bei der sinkenden Zahl von Kindern und Jugendlichen die Jugendhilfemittel verteilen möchte. Will er sie weiter senken, oder will er der Jugendhilfe die Ressourcen zur Verfügung stellen, die sie für ihre vernünftige Arbeit in dieser Stadt benötigt?

Wir müssen letztlich auch über das Thema sprechen, dass sich viele junge Menschen des Problems „Demografischer Wandel“ gar nicht bewusst sind. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann weiß ein Großteil der jungen Menschen nicht, was der demografische Wandel ist. Das ist ein Punkt, über den wir sprechen müssen. Aus dem Grund ist es notwendig, dass auch in den Bezirken, beispielsweise in den Kinder- und Jugendparlamenten, der demografische Wandel stärker thematisiert wird. Wir als Abgeordnete, aber auch der Senat sind aufgefordert, mit den Bezirken darauf hinzuwirken, dass der demografische Wandel auch bei Jugendlichen stärker thematisiert und diskutiert wird.

[Beifall bei der FDP]

Ein weiterer Punkt, der wichtig ist: Wir Abgeordnete sollten auch überlegen, wie wir mit dem Thema Jugendpolitik in den Ausschüssen umgehen. Ich nenne nur die letzte Anhörung zum Thema Jugendgewalt. Da haben wir gemerkt, dass die zwei Stunden, die wir vorher vereinbart hatten, für das Thema nicht reichten. Ich will das verallgemeinern: Wir messen der Jugendpolitik leider in der Ausschussberatung zu wenig Zeit bei. Wir als Parlamentarier sollten überlegen, ob wir der Jugendpolitik nicht mehr parlamentarischen Raum geben, um das Thema demografischer Wandel, aber auch das Thema Jugend gegebenenfalls mit den Jugendlichen angemessen diskutieren zu können. Insofern werden wir weiterhin bei Ihnen dafür werben, dass wir die Ausschussberatungszeit auf drei Stunden anheben, um die Themen endlich einmal vernünftig diskutieren zu können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Elfi Jantzen (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zuerst lasse ich über den Änderungsantrag der CDU abstimmen. Wer der

Drucksache 16/1958-1 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion der FDP. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zum Ursprungsantrag. Da empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung der CDU die Annahme in neuer Fassung. Wer so gemäß Drucksache 16/1958 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der FDP. Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist die CDUFraktion. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 b:

Beschlussempfehlung

Vollzugsbeauftragten für den Strafvollzug einsetzen!

Beschlussempfehlung Recht Drs 16/1891 Antrag der CDU, der Grünen und der FDP Drs 16/1609

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die mitantragstellende Fraktion der CDU, und Frau Seibeld hat das Wort. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete Seibeld!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Einführung eines Beauftragten für den Strafvollzug. Dieser ist weder eine Berliner Idee noch eine Idee allein der CDU. In NordrheinWestfalen hat die SPD kürzlich sogar beantragt, den dortigen Strafvollzugsbeauftragten bzw. Ombudsmann in der Landesverfassung zu verankern. Ich darf – mit Erlaubnis der Frau Präsidentin – aus der Rede des SPD-Abgeordneten im Landtag von NRW, Frank Sichau, zitieren:

Wir wollen mit unserem Antrag nicht, dass der Ombudsmann Verfassungsrang erhält wie der Wehrbeauftragte des Bundes. Das haben wir nicht im Sinn, auch wenn dies bei näherer Betrachtung das Amt zweifellos stärken würde. Wir wollen, dass ein Ombudsmann, eine Ombudsperson oder wie auch immer genannt ein Hilfsorgan des Parlaments wird. Uns ist neben Transparenz, Schutz und Kontrolle der Exekutive wichtig, dass er unabhängig von der Exekutive ist.

In Berlin dagegen wehren sich SPD und auch die Linke mit allen Mitteln gegen die Einrichtung eines ehrenamtlichen Strafvollzugsbeauftragten.

Welche Aufgaben soll der Strafvollzugsbeamte übernehmen, und wie soll er arbeiten? – Diese Fragen haben sich die Koalitionsparteien bei der Diskussion im Ausschuss erst gar nicht gestellt, sondern den Antrag letztlich ohne inhaltliche Diskussion abgelehnt – also wie immer eine Politik der Macht statt des Verstands.

Ich will Ihnen an dieser Stelle gar nicht erneut vor Augen führen, welche Probleme und Pannen es im Justizvollzug in den letzten Jahren in Berlin regelmäßig gegeben hat. Ich will Ihnen vielmehr vor Augen führen, welche Möglichkeiten ein Strafvollzugsbeauftragter hätte, Probleme zu lösen und mäßigend einzuwirken. Es liegt in der Natur der Sache, des Vollzugs, dass es zu erheblichen Reibungspunkten kommt. Konflikte der Häftlinge untereinander, Konflikte mit den zuständigen Justizvollzugsbeamten, Konflikte mit der jeweiligen Anstalt und Defizite in der Kommunikation mit den Angehörigen sind nur einige wesentliche Punkte. In Berlin wird dieses Konfliktpotenzial durch die andauernde Überbelegung, durch den verhältnismäßig hohen Krankenstand der z. T. überforderten Mitarbeiter im Vollzugsdienst und die verschiedenen aufeinandertreffenden Kulturen noch potenziert. Ein Vollzugsbeauftragter, beispielsweise ein ehrenamtlich tätiger ehemaliger Richter oder Staatsanwalt, könnte in viele der bestehenden Konfliktherde mäßigend eingreifen. Allein die Vollstreckungskammern bei den Gerichten sind jährlich mit zahlreichen Verfahren überflutet. Viele davon könnten durch die Einrichtung eines Vollzugsbeauftragten vermieden werden.

[Beifall bei der CDU]

Sie, sehr geehrte Frau Senatorin, haben nun eingewandt, in Berlin gebe es bereits den Berliner Vollzugsbeirat – dem ich an dieser Stelle für seine ehrenamtliche Arbeit auch ausdrücklich Dank sagen möchte. Das ist richtig, allerdings definiert sich der Vollzugsbeirat in Berlin auf seiner eigenen Homepage dahingehend, sich für die Ziele und die Fortentwicklung des Berliner Strafvollzugs in den Haftanstalten und in der Öffentlichkeit zu engagieren. Der Berliner Vollzugsbeirat versteht sich also selbst als eine Organisation, die vollzugspolitische Anliegen verfolgt, sich also der dringend nötigen Verbesserung der Haftbedingungen im Allgemeinen widmet. Im Gegensatz hierzu bestünde die Kernaufgabe des Vollzugsbeauftragten in der Lösung von konkreten Einzelfällen, die an ihn herangetragen werden. Der Vollzugsbeauftragte versteht sich gerade nicht als vollzugspolitisches Gremium, sondern als Schlichter und Problemlöser im Einzelfall.

Ich appelliere an Sie, dem Antrag auf Einsetzung eines Vollzugsbeauftragten in Berlin zuzustimmen, denn so gut ist der Strafvollzug in Berlin beim besten Willen nicht, dass es Verbesserungen nicht mehr bedarf.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Seibeld! – Für die SPDFraktion hat jetzt der Abgeordnete Kohlmeier das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Seibeld! In den Prioritäten werden eigentlich die wichtigsten Anträge der Fraktionen beraten. Die CDU hat augenscheinlich kein anderes Thema. Deshalb wird das Thema Ombudsmann oder Vollzugsbeauftragter im Berliner Strafvollzug hier hervorgeholt, zu Recht. Zu Recht, lieber Herr Czaja, sitzen Sie in der Opposition.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der CDU]

Sie fordern eine bürokratische Maschinerie und zeigen, dass Sie im Berliner Strafvollzug bestehende Tatsachen nicht kennen und auch nicht anerkennen wollen.

Der Vorschlag eines Vollzugsbeauftragten war vielleicht vor 20 Jahren innovativ, auch deshalb, weil NordrheinWestfalen den Vollzugsbeauftragten aus einem anderen Grund eingerichtet hat. Wir haben in Berlin eine Reihe von Instrumenten, die als Ansprechpartner der Bediensteten und der Gefangenen dienen, wo Hinweise, Beschwerden und Probleme eingebracht werden können. Genau das machen diese Personen: Sie sind die Schlichter und Problemlöser, die Sie mit dem Vollzugsbeauftragten fordern. Es gibt die Personalvertretung, es gibt als Besonderheit in Berlin einen Gesamtpersonalrat. Es gibt in den Justizvollzugsanstalten Anstaltsbeiräte, die jedem Insassen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, und es gibt den von Ihnen bereits angesprochenen engagierten Berliner Vollzugsbeirat. Er tagt monatlich und bietet ein Forum für den Berliner Vollzug. Dem Berliner Vollzugsbeirat ist dafür auch zu danken.

Wenn diese vier Institutionen nicht helfen und nicht nützen, kann man sich mit einer Petition an das Berliner Abgeordnetenhaus wenden. Man kann Rechtsbeschwerden einlegen, und man kann als engagierter Rechtspolitiker, auch der Opposition, selbstverständlich als Ansprechpartner für Probleme im Vollzug zur Verfügung stehen.

Wir haben für alle Themen und Probleme des Berliner Strafvollzugs bewährte Institutionen. Ein zusätzlicher Beauftragter würde nur eines schaffen: zusätzliche Bürokratie. In diesem Zusammenhang wundere ich mich insbesondere über die Kollegen der FDP, die immer Bürokratieabbau fordern, aber in Wirklichkeit neue Bürokratie aufbauen, neue Institutionen schaffen wollen.

Es gibt – das hat Frau Kollegin Seibeld angesprochen, und sie sagt es, wenn es um den Vollzug geht, wie einen Teller bunte Knete immer wieder – natürlich Probleme im Vollzug. Das Problem liegt weniger in der Personalausstattung, wie Sie immer wieder deutlich zu machen versu

chen. Da liegt Berlin im bundesweiten Durchschnitt, und bei den Psychologen und Sozialarbeitern liegen wir sogar deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Es gibt ein Problem mit der Überbelegung, aber das wird auch der von Ihnen vorgesehene Beauftragte nicht lösen. Das löst die Justizvollzugsanstalt Heidering mit 650 neuen Haftplätzen, die wir als rot-rote Koalition beschlossen haben.

Herr Kohlmeier! Entschuldigen Sie bitte die Störung! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lux, der auf dem Platz von Herrn Mutlu sitzt?

Nein, das mache ich nicht! Herr Lux wird möglicherweise gleich reden, dann kann er noch Schlaues dazu sagen. Wird er nicht reden, dann sollte er beim nächsten Mal, wenn das Thema Strafvollzug dran ist, das Gleiche wiederholen.

[Zurufe von den Grünen]

Der Berliner Vollzug braucht keine zusätzliche Bürokratie. Er braucht auch keine Parallelwelten und schon gar keinen Beauftragtenüberhang. Selbst der Berliner Vollzugsbeirat lehnt Ihren Antrag ab. In einer Stellungnahme heißt es:

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Begrenzung des Antrags auf den Strafvollzug unseres Erachtens falsch ist.

Herr Kohlmeier, ich darf Sie erneut stören. – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rissmann?

Das macht die Sache auch nicht besser, wenn jetzt Herr Rissmann versucht zu fragen! – Deshalb kann, um zum Abschluss zu kommen, lieber Herr Kollege Rissmann, Ihrem Antrag, dem Antrag der Opposition, nur ein Schicksal drohen: eine deutliche Ablehnung hier in diesem Haus. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grüne hat jetzt der Abgeordnete Behrendt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kohlmeier! Vielleicht hätten wir im Ausschuss ausführlicher über diesen Antrag beraten sollen. Ihre Rede hat mir gezeigt, dass Sie offensichtlich überhaupt nicht verstanden haben, worum es uns mit die

diesem Antrag gegangen ist, denn im Wesentlichen haben Sie an dem Antrag vorbeigeredet. Aber genauso haben Sie diesen Antrag ja auch im Ausschuss behandelt.

[Zurufe von der SPD]

Wir hatten vorgeschlagen, dass wir einmal eine Anhörung machen, den Vollzugsbeauftragten aus NordrheinWestfalen einladen und uns von seiner Arbeit berichten lassen. Das haben Sie mit Ihrer Mehrheit genauso wie den Antrag vom Tisch gewischt. Es wäre, glaube ich, der Sache angemessener gewesen, wenn wir eine fachlich fundierte Debatte geführt und die SPD auch einmal mit einem Sachargument erreicht hätten.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Stattdessen vergibt die Koalition hier ohne Not die Chance, rechtsstaatlich-liberales Profil zu zeigen. An dieser Stelle wäre es einmal möglich gewesen, denn beim Ombudsmann, an dem sich das ja orientiert, handelt es sich um eine Institution aus dem skandinavischen Rechtskreis, um ein modernes Verwaltungselement, das weggeht von dem Über- und Unterordnungsverhältnis der Verwaltung hin zu konsensualen Lösungsfindungen. Das wäre, glaube ich, für den Berliner Strafvollzug genau das richtige Mittel gewesen.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]