Protocol of the Session on November 27, 2008

Damit hat die Fragestunde für heute ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Unterschiedliche PISA-Werte, eine chaotische Strukturdebatte und Tricksereien bei der Lehrerausstattung – der Senat ist mit der Bildungspolitik völlig überfordert!

Antrag der CDU

in Verbindung mit

lfd. Nr. 22:

a) Beschlussempfehlung

Bessere Bildung: eigenverantwortliche Schule, Schulleitungen auch in der Praxis stärken!

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1912 Antrag der Grünen Drs 16/0358

b) Beschlussempfehlung

Exzellente Bildung für Berlin (VIII) – eigenständige Schulen stärken, Bürokratie abbauen!

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1913 Antrag der FDP Drs 16/0626

Für die gemeinsame Aussprache steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. – Es beginnt die Fraktion der CDU in Person von Herrn Steuer. – Herr Steuer, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aktuelle PISA-Studie hat gezeigt, schlechter als die schlechten Berliner Schüler sind die Schüler in der gesamten OECD nur noch in Hamburg, Italien, Bremen, der Türkei und Mexiko. Zwischen der mathematischen Kompetenz der Berliner Schüler und der bayerischer Schüler liegt tatsächlich ein ganzes Schuljahr. Die Berliner Schüler liegen ein Schuljahr hinter den bayerischen Schülern zurück. Wozu führt das? – Am Ende stehen dann tatsächlich 10 Prozent Schulabgänger in Berlin sogar ohne Hauptschulabschluss da, bei den Schülern mit Migrationshintergrund sind es 25 Prozent. Berlin hat die höchste Arbeitslosenrate Deutschlands. Wir können es uns nicht leisten, Schüler nach 10, 11 oder 12 Schuljahren aus der Berliner Schule zu entlassen, ohne dass sie richtig lesen, rechnen oder schreiben können.

[Beifall bei der CDU]

Anstatt an die Wurzel dieser miesen Ergebnisse zu gehen, nämlich die Unterrichtsqualität deutlich zu verbessern, führen SPD und PDS lieber eine Schulstrukturdebatte nach der nächsten.

[Uwe Doering (Linksfraktion): „Linke“ heißt das!]

Erst steht die Gemeinschaftsschule im Mittelpunkt. Sie sollte das große Projekt von Rot-Rot werden. Die ganze Stadt haben Sie aufgemischt, 22 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, aber die Gemeinschaftsschule ist ein Rohrkrepierer. Zunächst hatten sich 65 Schulen beworben, davon wurden nur 11 Standorte ausgewählt. Im zweiten Jahr sind es nun lediglich vier Schulen, also 15 Standorte von 800 Schulstandorten werden zur Gemeinschaftsschule. Das war es dann wohl.

Der Schulsenator hat sich längst von diesem Lieblingsprojekt von Rot-Rot verabschiedet. Davon konnte ihn

auch kein Hinterzimmerpapier der vereinigten Linken von Frau Dr. Tesch, Frau Buttgereit, Herrn Zillich und wenigen anderen abhalten. Herr Zöllner ging trotzig mit seinen Ideen in den Senat und stellte dort die Zweigliedrigkeit vor, die er will. Der Senat hat sein Papier nicht beschlossen. Es ist die Privatmeinung des Senators geblieben, die er dann der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Man könnte meinen, dass sich die Opposition über so viel Durcheinander in einer Strukturdebatte freuen könnte, aber um es ganz deutlich zu sagen: Die Orientierungslosigkeit und die Angst, die dadurch an Hunderten von Schulen in Berlin entsteht, ist nicht in Ordnung. Deshalb freuen wir uns nicht darüber! Das ist ein Skandal!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich frage Sie auch, Herr Senator Zöllner: Wie kommen Sie eigentlich dazu, ohne Senatsbeschluss, ohne Befassung des Abgeordnetenhauses Sitzungen der Senatsverwaltung mit den Bezirken durchzuführen, um Ihre Privatidee quasi durch die Hintertür zur Realität zu machen und Haupt- und Realschulen zusammenzulegen? Herr Zöllner! Wir haben keinen Absolutismus. Wir haben auch keine institutionelle Monarchie. Wir haben Parlamentarismus, und Sie haben Ihre Idee hier vorzulegen, bevor sie irgendwoanders umgesetzt werden. Stoppen Sie sofort die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen in dieser Stadt!

[Beifall bei der CDU]

Dabei ist klar, dass bei der Schulstruktur etwas getan werden muss, denn es kann nicht dabei bleiben, dass die Berliner Hauptschule vor allen Dingen eine Schule ist, die sich durch eine negative Sozialauslese auf 8 Prozent der Schüler beschränkt. Darin sind sich alle Parteien einig. Warum nutzen Sie nicht diese Einigkeit der Parteien, um hier einen Konsens zu erreichen, so wie er auch in Hamburg erreicht wurde? Gehen Sie auf das Abgeordnetenhaus und alle Parteien zu, und stoppen Sie Ihre sinnlosen Alleingänge in dieser Frage, Herr Zöllner!

[Beifall bei der CDU]

Letztlich spielt es keine Rolle, welche Schulform Sie haben, denn jede Schulform muss in sich gut funktionieren, braucht ausreichende, gut ausgebildete junge Lehrer, dann können viele Schulformen funktionieren. Anders herum gesagt: Ohne diese Basis funktioniert keine Schule. Warum fehlt bei Ihnen eine seriöse Personalplanung für den Schulbereich? Sie wissen zwar jetzt schon, wie viele Lehrer in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, aber Sie sind ahnungslos, wenn es darum geht, wie viele Lehrer Sie einstellen müssen und für welche Fächer Sie Lehrer brauchen. Warum wollen Sie es sich leicht machen? Wollen Sie sich nicht mit dem Finanzsenator darüber streiten? Oder warum tun Sie nichts und legen keine Personalplanung vor? Ich sage Ihnen, das birgt eine große Gefahr in sich, denn die anderen Bundesländer werden ihre Chance nutzen und werden Berlin die gut ausgebildeten Lehrer, die auch in Berlin an unseren Hochschulen mit unseren Mitteln ausgebildet werden, wegnehmen. Legen Sie jetzt eine mittelfristige Personalplanung für den Schulbereich vor! Machen Sie jetzt eine Planung für die

nächsten fünf bis zehn Jahre, damit Berlin auch in der Zukunft ausreichende und gut ausgebildete Lehrer hat, und gehen Sie damit an die wirklich wichtigen Stellschrauben der Bildungspolitik, anstatt durch sinnlose Strukturdebatten abzulenken, die Sie nicht vorgeklärt haben und letztlich alle verunsichern! Machen Sie eine seriöse Bildungspolitik, die den Schülern vor Ort tatsächlich zugute kommt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Steuer! – Für die SPDFraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist wieder eine typische Sammelsurium-Aktuelle-Stunde der CDU.

[Och! bei der CDU]

Mehr als stöhnen können Sie auch nicht! – Erstens: Was heißt denn hier „unterschiedliche PISA-Werte“? Berlin liegt im Mittelfeld.

[Mieke Senftleben (FDP): Die Hälfte von 16 ist 8!]

In Naturwissenschaften auf Platz 11, in Mathematik auf Platz 12 und in der Lesekompetenz auf Platz 9. Was ist daran, Frau Senftleben, unterschiedlich? Damit hat sich Berlin in allen Bereichen verbessert. Erstmalig liegen die Ergebnisse in den Fächern Leseverständnis und Mathematik im internationalen Durchschnitt, in Naturwissenschaften sogar über dem Durchschnitt. Wir haben die anderen Stadtstaaten, mit denen wir immer so gerne verglichen werden, deutlich abgehängt.

Ich komme gerade von einem bildungspolitischen Kongress in Hildesheim, an dem auch Frau Senftleben teilgenommen hat, die CDU nicht, die haben es ja nicht nötig.

[Özcan Mutlu (Grüne): Hat es denn geholfen? Haben Sie was gelernt?]

Sie haben es offensichtlich auch nicht nötig, weil Sie die Weisheit schon mit Löffeln gefressen haben, Herr Mutlu, und nicht über den Berliner Tellerrand hinausgucken wollen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dort wurde uns die Robert-Bosch-Gesamtschule vorgestellt, die auch den Deutschen Schulpreis gewonnen hat. Sie ist eine hervorragende Schule, aber sie hat eines der Berliner Probleme nicht: Sie hat einen Migrantenanteil von unter 4 Prozent, und sie hat dort nicht mit Eltern zu tun, die sich nicht um ihre Kinder kümmern. Ganz im Gegenteil: Diese Eltern arbeiten konstruktiv an den Projekten der Schule mit.

Entschuldigung, Frau Dr. Tesch! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schruoffeneger?

Das ist ja ganz selten. – Bitte sehr, gerne!

Es ist ganz selten, aber Sie haben es provoziert. – Glauben Sie nicht, dass Ihre Zufriedenheit damit, dass wir Mittelmaß sind, für eine Stadt wie Berlin, die ansonsten Weltmetropole ist, keine eigene Industrie und Landwirtschaft hat und eigentlich Top sein müsste, vielleicht ein bisschen zu wenig ist?

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Frau Dr. Tesch, bitte!

Herr Schruoffeneger! Sie sitzen, wenn es mich nicht täuscht, im Hauptausschuss, und ich konzediere Ihnen daher mathematische Kenntnisse. Das kann man sich mit einfachem mathematischem Verstand ausrechnen, dass die Reformen, die wir jetzt gemacht haben, noch lange nicht bei den 15-Jährigen angekommen sein können, die jetzt die Kohorte der PISA-Studie gebildet haben. Ich setze darauf, dass wir dann, wenn wir unsere Reform umgesetzt haben werden – und Reformen sind besser als Revolutionen, die haben in der Bildungspolitik nichts zu suchen –, auch verbesserte Ergebnisse zeitigen werden.

[Ramona Pop (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Aber zurück zu meinem eigentlichen Grund: Wir haben größere Probleme in der Stadt, und wir müssen uns eben um die Kinder kümmern, deren Eltern sich nicht kümmern wollen oder können. Das haben wir mit unseren Reformen getan. Wir haben das Einschulungsalter gesenkt, um früher an diese benachteiligten Kinder heranzukommen. Wir haben die Kitas zu Bildungseinrichtungen ausgebaut. Wir haben die Erzieherinnenausbildung aufgewertet. Und wir führen Sprachtests durch, um einen verbindlichen Sprachkurs vor Schuleintritt einzurichten.

[Beifall bei der SPD]