Protocol of the Session on November 13, 2008

Die Grünen – und auch Ihre Fraktion, Herr Henkel – waren nicht wirklich hilfreich.

[Ramona Pop (Grüne): Brauchten Sie Hilfe?]

Herr Henkel wird sich bestimmt daran erinnern, dass er im Oktober 2007 zu Protokoll gegeben hat, er sehe keinen Spielraum für Zahlungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Grünen haben viele disparate Vorschläge gemacht. Einerseits wollen sie den Anwendungstarifvertrag weiterführen, andererseits sollen die Personalkosten gesenkt werden, aber nur nach Personalplanung. Es war relativ kompliziert, was Sie den jungen Lehrerinnen und Lehrern gesagt haben, die jetzt mit einem neuen Tarifvertrag eingestellt werden, der gemeinsam mit der GEW verhandelt worden ist. Sie haben denen gesagt, man solle nicht in die Tasche des Landes greifen, sondern eine Zielvereinbarung abschließen.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Das halte ich für falsch. Das ist übrigens eine Regelung, die in den nächsten Wochen noch gefunden werden muss – gerade für neu einzustellende Lehrerinnen und Lehrer, die nach dem neuen Tarifrecht bereits ausgehandelt jetzt eingestellt werden können –, diese so einzugruppieren und nicht zu verbeamten, dass Berlin tatsächlich neue Lehrerinnen und Lehrer bekommt. Diese Aufgabe muss in der Tat noch geleistet werden.

Wir haben eine Tarifeinigung, die in ihren einzelnen Punkten noch einmal gewürdigt werden soll. Ich finde die Lösung eines gleich hohen Sockelbetrages für alle Beschäftigten sozial sehr viel besser als einen prozentualen Anteil, der sich je nach Eingruppierung unterschied

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Ratzmann?

Ja, bitte!

Vielen Dank für die unangemessene Titulierung! – Ich frage – –

Herr Ratzmann! Sie sind schwer zu verstehen. Sie müssen näher an das Mikrofon heranrücken.

Ich verstehe auch nicht, was mit dem Mikrofon los ist. – Frau Bluhm! Sie sind heute zusammen mit Herrn Lederer in der Presse damit zitiert, dass es eine Einigung mit den Gewerkschaften über ein stufenweises Heranführen und einen stufenweisen Einstieg in den TVöD gegeben habe. Vielleicht können Sie uns darüber aufklären, wie diese stufenweise Heranführung vonstatten gehen soll.

Zum einen ist mit 65 Euro Sockelbetrag ein Beitrag erbracht, der strukturell weiter reicht als zweimal 300 Euro Einmalzahlung, zum anderen ist eine Prozessvereinbarung getroffen worden, die besagt, dass während der Laufzeit des neuen Tarifvertrags Verhandlungen über das neue Tarifrecht, die Einführung von TV-L oder/und TVöD geführt werden. Das ist ein wichtiger Schritt, der Spielräume eröffnet, nicht ausschließlich über finanzielle Ressourcen zu reden, sondern die Möglichkeiten zu nutzten, die das neue Tarifrecht bietet. Dafür ist Zeit. Die kurze Laufzeit dieses Tarifvertrages ermöglicht es dann 2009 wiederum, je nach der wirtschaftlichen und finanziellen Situation, in der wir uns dann befinden, Verhandlungen darüber zu

führen, in welchen Schritten wir uns dem Bundestarifniveau annähern.

[Beifall bei der Linksfraktion – Volker Ratzmann (Grüne): Mit anderen Worten: Es gibt noch keine Vereinbarung!]

Weil Sie das Stichwort Anzahl der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes genannt haben: Ich finde es sinnvoll, dass wir einen Konsens in Senat und Koalition haben, dass 100 000 Beschäftigte die untere Grenze sind, die einen leistungsfähigen – –

[Volker Ratzmann (Grüne): Sie wissen doch noch nicht einmal, wie viele Beschäftigte Sie jetzt haben!]

Doch sehr wohl! Das wissen wir, weil wir nämlich all diesen Beschäftigten 65 Euro monatlich zahlen werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

100 000 Beschäftigte sind die gesetzte Zielmarge. Sie ist viel besser, als immer wieder Personalabbau zu fordern und im Einzelnen – wie die Grünen es immer wieder machen – zu sagen: Dort muss mehr Personal hin. Solch eine inkonsistente Politik kann man sich in der Opposition leisten, in der Regierung aber nicht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben einen sehr streik- und streitintensives Jahr hinter uns. Deshalb bin ich auch so froh, dass wir diese Tarifeinigung für 2008 noch hinbekommen haben. Sie lässt selbstverständlich wichtige Fragen für die Zukunft noch gestaltbar, und wir können uns im Jahr 2009 darauf konzentrieren, diese vorzubereiten. Ein Anfang ist in jedem Falle gemacht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Jotzo.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie erwarten von mir heute sicher, dass ich für die FDP-Fraktion ausführe, der Senat habe mit dieser Tarifeinigung einen Fehler gemacht.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Eigentlich nicht!]

Aber das werde ich heute nicht sagen. Der Senat hat mit dieser Tarifeinigung nämlich nicht nur einen Fehler, sondern sogar drei Fehler gemacht, und die werde ich Ihnen auch benennen.

[Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie heute morgen einen Clown gefrühstückt?]

Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Herr Sarrazin und der Regierende Bürgermeister die Gelegenheit genutzt haben, sich dieser Debatte durch Entfernung – –

[Christian Gaebler (SPD): Schauen Sie! Da sitzt er!]

Der Regierende Bürgermeister ist da, dann beschränke ich es auf Herrn Sarrazin, der sich der Debatte entzogen hat, indem er den Saal verlassen hat, weil er das hier nicht ertragen kann.

Meine Damen und Herren! Sie feiern sich hier für einen Sieg in der Tarifpolitik. Von liberaler Seite kann ich Ihnen nur sagen: Er wird sich als Pyrrhussieg erweisen. Sie haben nämlich einerseits eine unnötige Niederlage für die Steuerzahlerinnen und -zahler im Land Berlin verursacht, aber auch eine unnötige Niederlage für eine nachhaltige Tarif- und Personalpolitik des Berliner Senats. Diese werden die Bürgerinnen und Bürger bis 2011 jedenfalls nach wie vor vergeblich suchen. Das ist der eigentliche Skandal in dieser Debatte.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt darf ich Ihnen noch die drei Fehler benennen, die der Senat begangen hat: Der erste Fehler ist, dass Sie hier mit Geld um sich geworfen haben, das das Land Berlin nicht hat. Es sind 35 Millionen Euro pro Jahr, die für diesen Tarifabschluss insgesamt verwendet werden. Herr Ratzmann hat schon zutreffend darauf hingewiesen, dass das Mittel sind, die uns in Zukunft nicht zur Verfügung stehen werden. Wir haben einerseits die sich absenkenden SoliMittel. Dort werden uns 1,9 Milliarden Euro fehlen. Wir haben andererseits die steigenden Versorgungslasten. Bis zum Jahr 2018 werden wir wahrscheinlich 1,8 Milliarden Euro mehr einsetzen müssen. Und die Auswirkungen der Finanzkrise sind zurzeit nicht absehbar.

Ich gehe davon aus, dass die aktuelle Steuerschätzung, die die Auswirkungen der Finanzkrise noch nicht enthält, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, dass diese Tarifeinigung so stattfinden konnte, wie es der Fall war. Es ist das Glück des Innensenators, dass er diese Mittel jetzt noch zur Verfügung hatte. Aber im Jahr 2009 wird es schon ganz anders aussehen, und dann werden Sie an diese Worte denken.

Der zweite Fehler, den Sie begangen haben und den Sie fortwährend begehen, ist Ihre konzeptionslose Tarifpolitik. – Frau Bluhm, Sie haben hier so euphemistisch gesagt, es gebe noch Fragen, die für die Zukunft gestaltbar seien. So kann man es auch nennen, wenn man Probleme nicht löst.

[Beifall bei der FDP]

Insbesondere ist hier das Urteil zu den überkommenen BAT-Altersstufen zu nennen. Dort müssen Sie sich etwas einfallen lassen. Sie haben diese Chance nicht genutzt, Herr Körting! Auch bei den Problemen im Hinblick auf die Versetzungen in den Stellenpool – um die Beamten heranzuziehen – hört man nichts Konzeptionelles von Ihnen. Im Hinblick auf den Wiedereinstieg in die Tarifgemeinschaft der Länder hört man nur Nebulöses: Wir wollen uns irgendwann wieder zusammensetzen. – Das feiern Sie und verkaufen es den Menschen als Erfolg, dass Sie mit den Beschäftigten nach 2010 in den Dialog gehen

wollen. Aber das ist doch nichts Inhaltliches. Das ist doch überhaupt kein Fortschritt. Das ist nichts Konzeptionelles. Sie haben sich nichts überlegt, und das führt dazu, dass wir 2010 wieder genau da stehen, wo wir vorher waren, nur mit 70 Millionen Euro weniger in der Tasche.

[Beifall bei der FDP]

Aber der dritte Fehler ist der entscheidende, das ist Ihre konzeptionslose Personalpolitik. Das Problem – das wir schon vor zwei Sitzungen angesprochen haben – ist, dass Sie sich keinerlei vernünftige Ziele setzen. Der Einzige, von dem ich ein Ziel höre, ist der Finanzsenator, der – wie gesagt – diese Debatte leider versäumt. Aber dieses Ziel von 93 500 Stellen – Vollzeitäquivalenten – im öffentlichen Dienst scheint die Koalition nicht mitzutragen. Ich höre zwar viel von Ihnen, meine Damen und Herren, wie gerecht oder ungerecht es sei, wenn man das eine oder das andere tut. Was ich aber nicht von Ihnen höre und was die Berliner Bürgerinnen und Bürger nicht von Ihnen hören, ist: Wie soll der öffentliche Dienst in Berlin in Zukunft aussehen? Welche Leistungen wollen Sie noch erbracht sehen? Wie viel Personal vor allem benötigen Sie in welcher Altersstruktur und in welcher Struktur in der Landesverwaltung, um diese Aufgaben leistungsfähig durchzuführen? – Das sind doch die Dinge, über die Sie sich Gedanken machen müssten, nicht über Zahlenspiele und nicht darüber, ob Sie heute oder morgen Almosen ausreichen oder nicht. Das ist die Leistung, die Sie nicht erbringen.

[Beifall bei der FDP]

Was haben Sie stattdessen getan? – Sie haben den Antrag der FDP-Fraktion auf ein Personalstrukturkonzept abgelehnt. Es wäre dringend an der Zeit, dass wir ein fünfjähriges Personalstrukturkonzept bekommen. Sie haben sich im Ausschuss dagegen zur Wehr gesetzt. Ich frage mich, warum. Ein solches Personalstrukturkonzept kann auch Ihnen als Regierungsfraktionen nur nützen, denn es würde endlich etwas Transparenz in die Personalpolitik des Senats bringen, und es würde ihn zwingen, sich langsam konzeptionelle Gedanken zu machen. Dass Sie das versäumt haben, zeugt von einer gewissen Kleinmütigkeit dieser Regierungskoalition. Diese Kleinmütigkeit wird die Berliner Bürgerinnen und Bürger noch teuer zu stehen kommen.

[Beifall bei der FDP]

Unsere Ziele sind ganz klar. Als FDP-Fraktion wollen wir einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst, der angemessen und mit leistungsbezogenen Elementen bezahlt wird. Allen, die heute sagen, die FDP-Fraktion stelle sich dagegen, dass sich Berlin wieder der Tarifgemeinschaft der Länder anschließt, kann ich nur sagen: Es ist gar nicht unser Ziel, uns irgendwo einzugliedern. Wir stehen zum Wettbewerbsföderalismus, und das bedeutet nicht, dass man die eigenen Beschäftigten immer schlechter bezahlen muss als andere Länder. Im Gegenteil: Es geht auch darum, dass wir hier in Berlin bewusst überlegen, eigene Schwerpunkte zu setzen, dass wir den Beschäftigten in Berlin in bestimmten Bereichen besonders entgegenkommen und sie auch durchaus besser bezahlen können

als die anderen Länder. Aber bringen Sie doch Berlin endlich in die Lage, dass wir eine solche zukunftsweisende Personalpolitik auch durchführen können! Dazu gehört ein Personalentwicklungskonzept, und es ist bedauerlich, dass Sie nicht bereit sind, das zu leisten.

[Beifall bei der FDP]

Sie haben hier von den Rednern der Regierungskoalition die Worte vernommen, jetzt sei der Tarifkonflikt gelöst, alles sei beigelegt, jetzt sei alles beendet, und dafür müsse man ihnen wahrscheinlich auch noch danken. Ich kann nur sagen: Vor zwei Sitzungen habe ich das, was Sie hier im Land Berlin machen, als tarifpolitischen Eiertanz bezeichnet, und dieser ist keineswegs beendet. Er geht weiter, und zwar auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger im Land Berlin.

Wenn Sie, Herr Müller, davon reden, dass Sie irgendwann ab 2010 über die Tarifangleichung sprechen wollen, ohne sich konzeptionelle Gedanken über den Stellenkörper im Land Berlin zu machen, dann ist das nichts anderes als ein politischer Betrug an den Beschäftigten – das wäre die eine Variante – oder an den Bürgerinnen und Bürgern, denen Sie für diese Einigung das Geld aus der Tasche ziehen wollen, ohne dass Sie die konzeptionellen Grundlagen für eine solche Einigung legen.

Wenn Sie sagen, wir seien noch nicht über den Berg, dann ist das wohl richtig. Wenn Sie tatsächlich die Absicht hatten, diese heutige Debatte zu einer Art Siegesdebatte über Ihre Tarifpolitik zu machen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Damit sind Sie gescheitert. Sie haben sich ein kleines bisschen auf die Beschäftigten zubewegt, Sie haben eine unnötige Einigung an einer Stelle gesucht, wo man sie nicht hätte machen müssen. Aber die wesentlichen Gedanken, die die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von Ihnen erwarten dürfen, haben Sie sich nicht gemacht. Deswegen sind Sie in dieser Debatte auch heute wieder zu kurz gesprungen. Das ist bedauerlich, und das Land Berlin hat etwas Besseres verdient als das, was Sie hier geboten haben. – Ich danke!

[Beifall bei der FDP]