Protocol of the Session on September 11, 2008

Schulschwänzen ist ein sehr großes Problem, vor allen Dingen der Schule, der Bedingungen in der Schule und der Motivation dazu. – Wir bleiben an dieser Stelle dabei: Es geht nicht um Populismus und populistische Vorschläge von Law and Order, sondern es geht um Chancengleichheit. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Senftleben.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schulpflicht in Berlin konsequent umzusetzen ist ein richtiges Ziel. Allerdings sind wir noch weit davon entfernt, das zeigen die Zahlen, die als Beantwortung der Anfrage der CDU-Fraktion vorliegen. – Verehrter Herr Kollege Steuer! Der Antrag bringt uns auch nicht so richtig weiter. Wir halten ihn für ein bisschen dünn. Allerdings müssen wir uns mit dem Problem befassen, denn Schuldistanz, das dauerhafte Schwänzen, hat natürlich Folgen. Für die meisten Inhaftierten in Strafanstalten stimmt nach Prof. Christian Pfeiffer, dass diese Karrieren mit dem Schwänzen angefangen haben. Richterin Heisig sieht es ähnlich. Die 14-Jährigen, die ihre 40 bis 60 Straftaten inzwischen auf dem Buckel haben, gehören nicht unbedingt zu den emsigen Schulgängern, sondern eher in die Gruppe der Schulschwänzer. Also: Schulschwänzen, Schuldistanz

haben gravierende Folgen. Tun wir etwas dagegen und bleiben ehrlich! Da kann ich nur sagen, Herr Kollege Zillich, einen Mann wie Buschkowsky schlicht abzukanzeln, wie es von der SPD-Fraktion getan wurde, zeigt, dass das Problem nach wie vor ignoriert wird – schlimmer geht’s nimmer.

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir über Maßnahmen reden, muss die Erkenntnis im Vordergrund stehen: Ohne Eltern geht es nicht.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Beispiel Bürgerstiftung: Mit ihrem Projekt „Schuldistanz“ hat sie immerhin eine beachtliche Erfolgsquote von 70 Prozent, weil sie sich nur dann mit dem Einzelnen befasst, wenn Eltern mit an einem Strang ziehen. Eltern sind in den gesamten Prozess eingebunden. Das ist gut, wichtig und vor allen Dingen auch das Einzige, was nachhaltige Wirkung zeigt.

Hier lassen Sie mich nun konkrete Vorschläge aufzeigen: Erstens: Verstärkte Prävention. Augen auf bereits in der Grundschule! Hier wird das Schulschwänzen zu häufig als Kavaliersdelikt betrachtet. Das ist grundverkehrt. Die schnelle Benachrichtigung der Eltern ist hier zwingend.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Zweitens: Bildungsvereinbarungen zwischen Eltern und Schule, in denen unterschiedliche Aufgaben definiert werden. Zum Beispiel: Welche Erwartung habe ich als Schule an die Eltern? Oder: Die Schule legt einen Katalog vor, in der Regeln und Pflichten dargelegt werden. Es gibt Schulen, die es mit Erfolg machen. Hier sollten wir vielmehr darauf hinweisen, es den guten Beispielen nachzutun.

[Beifall bei der FDP]

Und drittens ist ein mir wichtiger Punkt heute nicht erwähnt worden: Die außerschulische Betreuung muss endlich einmal hier aufs Tapet! Bei gravierenden Fällen von Schuldistanz müssen Schülerinnen und Schüler zur Not temporär in eine außerschulische Betreuung. Das Ziel muss es sein, nach möglichst kurzer Zeit wieder in den regulären Schulalltag zurückzukehren. Das gelingt, das zeigen viele Beispiele, durch individuelle Förderung, Betreuung und Erziehung. In Berlin brauchen wir dafür mehr als 96 Plätze, Herr Steuer, da gebe ich Ihnen recht.

Sehr verehrte Damen und Herren von der CDU! Dies sind für uns ganz wesentliche Punkte, die das Schulschwänzen, die Schuldistanz eindämmen könnten. Ich hätte diese Ansätze gerne in Ihrem Antrag gelesen, zumindest da, wo sie im Punkt 1 vom Aufbau pädagogischer Projekte reden. Noch einmal: Ihr Antrag ist etwas zu dünn. Und es geht weiter: Das Einleiten eines Bußgeldverfahrens finden wir richtig. Das muss dann aber auch schnell geschehen und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Aber auch hier ist Ehrlichkeit nötig. Wir haben bereits jetzt die Möglichkeit, und zum anderen kennen wir doch alle die

Geschichte mit dem nackten Mann, dem man nicht in die Tasche greifen kann, Herr Steuer.

Der vierte Punkt, Schulschwänzer von der Polizei abholen zu lassen, ist richtig. Aber auch das ist heute bereits möglich, und wir sollten einmal hinterfragen, warum es nicht getan wird. Vielleicht ist es in der Tat nicht immer sinnvoll.

Fazit: Die zur Verfügung stehenden verwaltungsmäßigen Maßnahmen gegen Schulschwänzer sind in dieser Stadt geregelt. Instrumente sind vorhanden. Es kommt darauf an, sie rechtzeitig und an den richtigen Stellen einzusetzen. Das ist genau wie immer das Problem hier in dieser Stadt.

Die einzige Forderung in Ihrem Antrag ist die Einrichtung einer zentralen Meldestelle. Dagegen spricht, dass eine neue Verwaltung entsteht, von der andere Institutionen abhängig sind, denn einzig und allein die Zentralstelle soll koordinieren.

Frau Kollegin, Sie sind am Ende Ihrer Redezeit!

Unsere Fraktion unterstützt hier eine Indexdatei, die die auffälligen Schüler registriert und auf die die verschiedenen Institutionen bei Bedarf Zugriff haben. Das Jugendamt muss koordinieren, denn genau da sind die Kompetenzen, die notwendigen und richtigen Maßnahmen schnell ergreifen zu können.

Ein letzter Satz sei mir gestattet. Zum zweiten Antrag, die staatlichen Transferleistungen zu kürzen, kann ich nur sagen: Ihnen allen ist sicherlich bekannt, dass das ausschließlich zu Lasten der Kinder und Jugendlichen geht. Das können Sie nicht wollen. Auch das ist eine Forderung, die zwar plakativ, aber zu einfach ist – von der Realisierbarkeit ganz zu schweigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt zu beiden Anträgen die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, wozu ich keinen Widerspruch sehe.

Die Priorität der Fraktion Die Linke unter dem Tagesordnungspunkt 4 c war bereits gemeinsame Priorität mit der SPD unter dem Tagesordnungspunkt 4 a.

Ich rufe nunmehr auf die

lfd. Nr. 4 d:

Dringlicher Antrag

Übersiedlungen in die DDR sind nicht zentrales Thema einer Mauergedenkstiftung!

Antrag der Grünen Drs 16/1721

in Verbindung mit

Dringliche II. Lesung

Gesetz über die Errichtung der „Stiftung Berliner Mauer – Gedenkstätte Berliner Mauer und Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde“ (Mauerstiftungsgesetz – MauStG)

Beschlussempfehlungen Kult und Haupt Drs 16/1725 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/1567

Den Dringlichkeiten wird offensichtlich nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 13 Paragrafen miteinander zu verbinden. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die 13 Paragrafen. Das ist die Drucksache 16/1567 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung 16/1725. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Kollegin Ströver. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass sich gestern die rot-rote Koalition besonnen hat. Sie hat in der Hauptausschusssitzung in letzter Minute das Mauerstiftungsgesetz geändert und endlich aus der zentralen Formulierung den Stiftungszweck „Übersiedlung in die DDR“ herausgenommen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Noch in der Sitzung des Kulturausschusses in der vergangenen Woche wurde das Bemühen der Opposition, die Formulierungen zum Stiftungszweck zu ändern, von der Koalition und dem Kulturstaatssekretär brüsk zurückgewiesen. Von den Kollegen der Linken wurde gar versucht, eine ideologische Argumentationskette aufzubauen, um zu begründen, warum Übersiedlungen aus der Bundesrepublik in die DDR zentraler Stiftungszweck sein sollten. Wir jedenfalls sehen das nicht so.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Die wichtigste Aufgabe der Gedenkstättenstiftung mit Sitz in der Bernauer Straße und dem ehemaligen Notaufnahmelager Marienfelde ist die Dokumentation und Vermittlung der dramatischen Auswirkungen der Teilung Berlins, ihrer gravierenden Folgen für die Stadt und die Gesellschaft bis in einzelne Familienstrukturen hinein. Wir wollen etwas erfahren über das politische System der DDR, das Menschen zur Flucht gezwungen und so viele Todesopfer gefordert hat.

Dass nach der Gründung der DDR und auch noch nach dem Bau der Berliner Mauer Menschen aus ideologischen, politischen oder auch wirtschaftlichen Gründen aus der Bundesrepublik in die DDR übersiedelt sind, bestreitet niemand. Viele haben übrigens die DDR schnell wieder verlassen. Keine Frage, das ist ein Thema! Betrifft es doch Menschen wie Wolf Biermann, die zunächst in der DDR das bessere System gesehen, dann jedoch von eben diesem System für unerwünscht erklärt und rausgeworfen wurden.

Auch die Hilfe des DDR-Staats für RAF-Terroristen, in die DDR zu gelangen, worüber es sicher noch manches zu forschen gäbe, ist ein hochinteressantes Thema, gehört jedoch nicht zur Schlüsselaufgabe der neu zu gründenden Gedenkstättenstiftung.

[Beifall bei den Grünen]

Staatssekretär Schmitz hat gestern – uneinsichtig, wie er nun einmal ist – der Opposition gegen deren inhaltliche Bedenken vorgeworfen, sie wolle einen ideologischen Schaukampf anzetteln. Dazu sage ich Ihnen, dass ich nicht irgendwann einmal dastehen und auf kritische Fragen von wem auch immer sagen möchte, dass die DDR ein Unrechtssystem mit diesen Ausmaßen gewesen sei, hätte ich leider nicht gewusst. Unsere Veranstaltungsreihe „Schön war die Zeit – Alltag und Unrecht in der DDR“ zeigt in jeder Runde, wie wichtig es immer noch ist, sich über diesen Staat auszutauschen und sich über die Schicksale einzelner Menschen zu informieren.

[Beifall bei den Grünen]

Ich muss Ihnen sagen: Nicht die Opposition hat diese Quasi-Gleichsetzung von Flucht in die DDR und Einreise in die DDR verharmlost, sondern es war die Koalition selbst. Erzählen Sie mir nicht, das sei so reingerutscht in den Text, Frau Lange! Das ist es nicht!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Ströver?

Gleich! Ich wollte das nur kurz erläutern. Es gibt zwei Gesetzentwürfe. Der eine ist der offizielle Entwurf vom 25. Februar und vom März, auch ein offizieller Entwurf. In beiden Entwürfen ist der Stiftungszweck anders formuliert und genau diese Frage der Übersiedlung in die DDR gar nicht enthalten. Das heißt: Sie von Rot-Rot haben es nachträglich hineinformuliert,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das vermuten Sie!]