Aber was genau in Ihren Fraktionsräumen beschlossen wurde, das scheinen Sie uns nicht mitteilen zu wollen. – Gut, dass wir mal darüber geredet haben! Weil Sie eine Debatte und eine Entscheidung in Ihren eigenen Fraktionen scheuen, versuchen Sie nun doch, dem Senat einen Blankoscheck auszustellen, damit dieser ohne Votum des Parlaments entscheiden kann. Sie haben dem Abgeordnetenhaus von Berlin durch Ihre Vertagung bewusst die Möglichkeit einer Beschlussfassung genommen. Gestaltungswillen – darauf legen Sie, Herr Brauer, im Kulturausschuss immer Wert – sieht anders aus.
Es gibt hier im Haus zumindest drei Fraktionen, die sich eine klare Meinung zu den vorliegenden Entwürfen gebildet haben. Das ist die CDU-Fraktion, das sind die Grünen und das ist die FDP-Fraktion. Da Sie sich offensichtlich davor scheuen, Farbe zu bekennen, hat die FDP-Fraktion soeben einen Entschließungsantrag eingereicht, mit der Überschrift:
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: Der Senat wird aufgefordert, die Entscheidung über den Umbau der Staatsoper Unter den Linden nicht vor einer Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses über die eingebrachten Anträge zu dieser Frage zu treffen.
Die Debatte, die in der interessierten Öffentlichkeit seit Wochen geführt wird, geht uns ein wenig an der Ausgangslage vorbei. Wir sind in einem laufenden Vergabeverfahren. Herr Wowereit hat dankenswerterweise in der Fragestunde noch einmal darauf hingewiesen. Entsprechend sollte sich die Debatte auf die Siegerentwürfe und die im Rahmen des Vergabeverfahrens noch möglichen Verbesserungen konzentrieren. Eine Debatte über die Gewichtung der Faktoren historisches Ambiente, Raumakustik, Sichtfelder im Zuschauersaal und Kontext des Saals zum übrigen Zuschauerhaus hätte der Senat vor dem Ausschreibungsverfahren führen müssen. Dass dies unterblieben ist und die Wettbewerbsaufgabe so breit gefächert ist – da irrt Herr Flierl – und jetzt die Debatte nach Vorlage der Ergebnisse geführt wird, ist ein Versäumnis von Herrn Wowereit, aber vor allem auch von Herrn Schmitz. Die Stadtentwicklungsverwaltung hat die Ausschreibung gemacht. Wenn Sie mit dem Ergebnis ein Problem haben, dann hätten Sie zunächst auf den Ausschreibungstext einwirken müssen.
Die Position der FDP zur Neugestaltung der Staatsoper ist klar: Bei einem Sanierungsvolumen von 250 Millionen € erwarten wir eine grundlegende Beseitigung der funktionalen Mängel des Saals, die bisher ein Musizieren und Musikerleben auf internationalem Niveau verhindern. Das heißt, die Akustik im Zuschauerraum ist so zu verbessern, dass zumindest Orchester und Sänger sich wechselseitig hören und die Klangqualität im gesamten Raum ein ordentliches Niveau erreicht. Das ist keine Frage von Nachhallzeiten.
In Bezug auf die Sichtachsen gilt Ähnliches. Anspruch der FDP-Fraktion ist eine möglichst optimale Sicht von allen Plätzen.
Der dritte Aspekt, auf den wir Wert legen, ist die Gestaltung des übrigen Zuschauerhauses. Wir sind der Auffassung, dass die Eingangssituation, die Garderoben, die Sanitärbereiche und letztlich die Anbindung des Apollosaals an den Zuschauerraum dringend verbesserungsbedürftig sind und man hier für 250 Millionen € ein überzeugendes Konzept erwarten kann.
Die Debatte um eine historisierende oder moderne Fassung des Zuschauerraums ist nicht die zentrale Frage, sondern die Leistungsfähigkeit der vorgestellten Entwürfe in Bezug auf die vorgenannten Punkte. Es gibt einen Entwurf, der laut Zweidrittelmehrheit der Fachjury diese Verbesserung überzeugend leistet, neben der gleichzeitigen Beseitigung baulicher und technischer Mängel des Hauses. Die logische Konsequenz hieraus ist es doch, sich zunächst grundsätzlich zu diesem Entwurf zu bekennen – Herr Wowereit hat dazu gleich noch Gelegenheit –, denn sowohl der zweit- als auch der drittplatzierte Entwurf leisten die gewünschten Verbesserungen nicht in dem Umfang wie der erstplatzierte Roth-Entwurf.
Aber diese Konsequenz zieht der Senat bisher nicht. Er leistet vielmehr durch seine Unentschlossenheit einer Geschmacksdebatte Vorschub nach dem Motto: Wie viel Plüsch darf’s denn sein?, die mittlerweile – das haben auch meine Vorredner schon zugegeben – abstruse Ausmaße annimmt. Richtig ist, dass zu dem Kulturerlebnis Oper auch eine festliche Gesamtatmosphäre gehören muss. Fraglich ist doch nur, wie diese erreicht werden kann.
Der Weg über historisierende Elemente im Zuschauersaal ist ein naheliegender. Schon ein Blick auf den zweiten und dritten Entwurf zeigt aber, wie unterschiedlich eine historisierende Fassade interpretiert werden kann. Geschmäcker sind nun einmal verschieden und eignen sich daher nur bedingt als Grundlage für eine 250-Millionen€-Entscheidung.
Von dem jetzigen Paulick-Saal auszugehen, lehnen wir ab. Paulick selbst – Frau Ströver hat darauf hingewiesen – hat in den Fünfzigerjahren ebenfalls nur eine historisierende Interpretation des Knobelsdorff-Langhans-Baus vorgenommen. Alle eingereichten Entwürfe weichen von
Paulick ab und verunklaren diesen letztlich. Bei allen Vorschlägen handelt es sich zunächst um eine komplette Entkernung des Saals. Ehrlicherweise müsste das auch so in der Debatte zugestanden werden. Paulick ist tot, Herr Flierl!
Welche historisierenden Elemente aus welcher Epoche aufgenommen werden sollten, kann man danach gerne diskutieren. Auch wenn wir als FDP-Fraktion von der Eleganz des Saals und dem neuen Raumkonzept von Klaus Roth überzeugt sind, welches sich im Übrigen am ehesten an den ursprünglichen Knobelsdorffbau anlehnt, sind wir offen für eine entsprechende Überarbeitung des Entwurfs, solange die Vorteile in Akustik und Sichtachse nicht infrage gestellt werden. Eine solche Überarbeitung könnte in der Sommerpause geleistet werden. Die befürchteten Verspätungen bei der Baumaßnahme wurden uns leider vom Senat nicht näher erläutert. Im Kulturausschuss haben wir nachgefragt, eine ausführliche Darstellung dazu erbeten, leider war der Senat dazu nicht in der Lage. Den Zeitdruck, der von der Koalition aufgebaut wird, können wir nicht nachvollziehen. Zeitdruck ist immer ein schlechter Ratgeber und ein noch schlechterer Bauherr. Zusammenfassend steht die FDP jenseits aller Verbesserungsmöglichkeiten in der ästhetischen Qualität für eine Realisierung des ersten Platzes, weil er die höchste Lösungskompetenz für die vielfältigen Probleme des Hauses bietet.
Genau deshalb hat ihn die Jury ausgelobt. Genau deshalb muss der Senat diese Entscheidung auch ernst nehmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Meyer! Wenn Sie sich während meiner Redebeiträge weniger aufregen würden – ich meine das auch durchaus akustisch –, dann könnten Sie besser zuhören.
Richtig! Sie haben nicht richtig zugehört. – Zunächst einmal: Wir haben uns kundig gemacht und auch mit den anderen Fraktionen gesprochen. Ich habe feststellen müssen, dass in keiner einzigen Fraktion dieses Hauses ein hundertprozentig homogenes Bild hinsichtlich des Sanierungsansatzes für diesen Saal vorhanden ist.
Herr Kollege Lindner! Dies ist ein normaler Vorgang. Das ist nichts Verwerfliches. Es geht um Ästhetisches, um baukünstlerische Verfahren.
Und wenn Sie, Frau Kollegin Senftleben, nur gewöhnt sind, alles in Kästen und Schubläden zu sortieren, ist das bitte schön Ihr Problem!
Ich habe gelernt, dass das nicht funktioniert. – Zum Kulturausschuss: Hier hatten Sie die heftigste Attacke auf mich geritten, Herr Kollege Meyer! Ich habe nicht gesagt, so war das auch nicht formuliert, das war auch nicht so beabsichtigt: Jetzt fahren wir einmal einen fiesen Trick und kicken das Parlament ins Aus. Ehe der nächste Ball herangeholt wird, sorgt der Schiedsrichter dafür, dass irgendwelche Tore gezählt werden. – Da haben Sie auch nicht richtig zugehört. Ich habe gesagt, auch im Kulturausschuss: Bitte schön, wir haben hier eine Menge offener Fragen. Wir möchten die stellen können. Wir haben hier Klärungsbedarf. – Der ist zum Teil in den letzten 14 Tagen erfüllt worden, zum Teil nicht. Ich betrachte es nach wie vor als misslich, dass wir kein drittes, unabhängiges Akustikgutachten haben. Wir haben nur jeweils Gutachten des Akustikers des jeweiligen Herzens des gerade Sprechenden. Das ist ein Problem. Aber die Zeit ist halt das andere. So ähnlich war das mit anderen Fragestellungen. Meine Fraktion hat sehr deutlich gemacht, dass wir uns in einem Abwägungsprozess befinden. Das heißt – Sie sind ja juristisch gebildet –, dass ich hier tatsächlich abwäge und dass ich aufpassen muss, bevor ich zu einem vorschnellen Urteil komme.
Meine Meinung haben Sie gehört, ich habe sie sehr deutlich gesagt! – Ich habe aber auch gleichzeitig gesagt: Ich lehne es ab – und bislang hat meine Fraktion dies auch nicht getan, und ich habe gesagt, aus sehr weisen Gründen –, politische Mehrheitsentscheidungen zu ästhetischen Fragen zu fällen.
Das ist ein verwerflicher Ansatz. Wenn wir dahin kommen, Herr Kollege, dann wird ganz Berlin, Frau Pop, so ein bisschen wilhelminisch aussehen, aber autogerecht mit Tiefgaragen und achtspurigen Zugangsstraßen.
Was ist denn das für ein Blödsinn, den Sie dieser Stadt hier zumuten wollen? Es ist vollkommener Unsinn. Das ist genauso Unsinn wie das Verknüpfen von Eleganz mit Plüsch und Stuck. Gehen Sie ins Gründerzeitmuseum! Dafür ist das da.
Herr Brauer! Es ist richtig, dass die Frage, ob man sich eher für einen modernen oder eher für einen historisierenden Entwurf ausspricht, eine ästhetische Frage ist. Aber grundlegend die Frage, wie man eine Prioritätensetzung zwischen Sichtverhältnissen, Akustik, Laufwegen im Haus und dem Paulick-Saal, wie man dieses gewichtet, das muss sich doch noch ein Abgeordnetenhaus zutrauen, und nur darum geht es. Dass Sie diese Debatte und diese Beschlussfassung verweigern, ist auch der Vorwurf der FDP-Fraktion.
Nach Ihrer Einlassung, Herr Brauer, muss man wirklich fast versuchen, zu jedem Ihrer Geschäftsordnungsanträge im Kulturausschuss eine Art Wortprotokoll anzufertigen,
weil Sie in der Tat genau das, was Sie eben gesagt haben, im Kulturausschuss nicht gesagt haben. Sie haben uns, die versammelte Opposition, die Pressevertreter verladen. Sie haben uns vorgegaukelt, dass Sie bereit sind,
eine Entscheidung erst nach einem Votum des Abgeordnetenhauses zu treffen. Wie der konkrete Antrag von Ihnen formuliert ist, ist etwas anderes. Aber Sie haben sich in dieser Debatte am weitesten aus dem Fenster gelehnt, dann dürfen Sie sich auch nicht wundern, dass man Ihnen das hier in der Form vorwirft.