Der dritte Preis wäre in der Tat ein Kompromissvorschlag. Bei diesem Vorschlag soll der Eindruck vermittelt werden: Alles bleibt anders! Die Farben sollen vertraut bleiben: Elfenbein, Rot und Gold. Die Proszeniumslogen sollen weg. Dadurch werden die Sichtverhältnisse wesentlich verbessert. Das sind die drei diskutierten Vorschläge.
Welche Möglichkeiten haben wir nun? – Wir haben ehrlich gesagt vier Möglichkeiten: die Realisierung des modernen Saals, der zweite Entwurf, der Paulick verändert, ihm aber am nächsten kommt, alles bleibt anders mit dem dritten Entwurf, und wir könnten alles so lassen, wie es ausgeschrieben ist. Das dringend sanierungsbedürftige Innere und die Technik werden erneuert, der Saal wird mit kleinen handwerklichen Eingriffen restauriert, und die Eröffnung kann zum vorgegebenen Zeitpunkt stattfinden.
Ich finde es erstaunlich, dass die Verfechter des modernen Saales in erster Linie geschichtspolitisch und moralisch argumentieren.
Der jetzige Saal zeigt das Werk von zwei Emigranten – Paulick und Kleiber –, die ihre Sicht der Dinge auf ein Land, das sie verlassen mussten, realisiert haben.
Erstaunlich finde ich auch, wie die Erfolge der Staatsoper kleingeredet werden. Schon zu DDR-Zeiten kam ein internationales Publikum in die Staatsoper, und das hat sich nach der Wende enorm verstärkt. Wir können auch – das ist aber meine persönliche Meinung – mit dem alten Saal Weltstadt der Musik werden, vielleicht sind wir das auch schon. Dirigenten wie Konwitschny, Masur, Sanderling, Luisi, Jacobs und Barenboim haben dort Triumphe gefeiert. Der Saal ist Teil des Kunstgenusses, sagt die „FAZ“, und ich finde das auch; es gehört alles zusammen.
Es gehört alles zusammen: sehen und hören sowie das Ambiente. Es gibt eine immer größere Sehnsucht nach Tradition, und dieser Saal stellt einen wichtigen Teil des Opernerlebnisses dar. Bisher hat dieser Saal dem Renommee der Staatsoper nicht geschadet. Ich sage nicht, dass das die Meinung der SPD ist, das ist meine persönliche Meinung, die ich hier vortrage. Gerade für Touristen ist die Staatsoper ein gern besuchter Ort, gerade auch wegen des historischen Opernsaals.
Es wäre jetzt auch Gelegenheit, über die Profile unserer drei Opernhäuser zu reden. Jemand sagte mir, Wagner sei in diesem Haus schlicht eine Zumutung. Dazu sage ich: Dann spielen wir Wagner doch in dem Haus mit der hervorragenden Akustik, in der Deutschen Oper.
Ich finde es gut, dass wir über die öffentlichste aller Künste, die Baukunst, so intensiv diskutieren und dass unsere Opern in aller Munde sind. Wo man über Oper nicht spricht, dort gibt es keine. Wenn wir die Deutsche Staatsoper ab 2010 sanieren wollen, dann muss eine schnelle Entscheidung getroffen werden. – Vielen Dank!
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! So geht das nicht, Frau Lange! Sie sind als Sprecherin Ihrer Fraktion ans Rednerpult gekommen. Diese Aktuelle Stunde wurde von SPD und Linksfraktion beantragt, und da können die anderen Fraktionen erwarten, dass Sie uns nicht nur über den allgemeinen Sach- und Streitstand informieren und darüber, welche Alternativen es gibt. Wir möchten wissen, welche Auffassung die SPD-Fraktion sowie die Koalition in dieser Angelegenheit haben.
Es geht nicht, dass Sie uns Ihre persönliche Auffassung mitteilen. Das können Sie tun, dafür sieht die Geschäftsordnung persönliche Erklärungen vor. Bei allem Respekt vor Ihrer persönlichen Auffassung – Sie haben völlig Recht, es ist zuerst eine Exekutiventscheidung. Wenn SPD und Linkspartei darüber diskutieren wollen, erwartet die Opposition eine klare Stellungnahme Ihrer Fraktion: Ist sie für Paulick, ist sie für Roth? Wie lautet die Auffassung der SPD-Fraktion? – Darauf möchte ich jetzt eine Antwort erhalten!
dass das Parlament sich mit der Sanierung der Staatsoper zu befassen hat, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Der Antrag, den Sie im Kulturausschuss eingereicht haben, nämlich eine Sondersitzung des Parlamentes zu beantragen – so einen Unsinn habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört!
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Dr. Martin Lindner (FDP) und Mieke Senftleben (FDP)]
Außerdem, Herr Dr. Lindner, entscheide ich immer noch selbst über das, was ich in einer Aktuellen Stunde sage oder nicht sage.
Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion über die Ausgestaltung des Innenraums der Staatsoper in Berlin hat mittlerweile ein Ausmaß angenommen und eine Anteilnahme erfahren, wie wir es in der Vergangenheit lediglich von Gebäuden mit höchster Symbolkraft wie dem Reichstag oder dem Berliner Stadtschloss gekannt haben. Ich finde das angemessen. Darüber hinaus zeigt es, dass die ursprüngliche Taktik der Senatsverwaltung, die Frage ohne das Parlament in einem ausschreibungstechnischen Handstreich beantworten zu wollen, eine grobe Fehleinschätzung war, die nur scheitern konnte und zu Recht gescheitert ist.
Dass es sich bei dieser Frage nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern um ein Anliegen, das die Bürgerschaft, den Souverän, das Volk angeht, musste eingesehen werden und hat letztendlich zu dieser Aktuellen Stunde geführt. Frau Lange spricht dem Parlament aber auch jetzt noch ein Mitspracherecht ab; das finde ich beschämend.
Im Gegensatz zu vielen anderen hier im Hause hat sich die CDU-Fraktion zu diesem Thema früh und klar positioniert. Wir sind gegen den alles zerstörenden Siegerent
wurf und sprechen uns für eine Sanierung des Zuschauerraumes aus, die sich eng an das Bestehende anlehnt.
Der Paulick-Saal muss in seiner ästhetischen Anmutung erhalten bleiben. Dabei geht es nicht darum, den alten Zustand bis zum letzten Messingsitzplatzschildchen zu bewahren; selbstverständlich sind alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Akustik und der Sichtverhältnisse auszuloten. Diese haben sich aber – und das betone ich ausdrücklich – eindeutig dem Primat des Denkmalschutzes zu unterwerfen. Es geht nicht an, übrigens durchaus unterschiedlich beurteilte Defizite bei der Akustik und den Sichtverhältnissen gegen einen der schönsten Theatersäle der Stadt auszuspielen. Dazu ist der Gegenstand zu kostbar und geht zu tief in das Mark der Berliner Baugeschichte.
Wenn die Akustik im Saal das große Problem wäre, dann frage ich mich, wie die Staatskapelle unter ihrem Direktor Herrn Barenboim in der Vergangenheit so große Erfolge verzeichnen konnte. Wenn die Sichtverhältnisse im Saal so signifikant schlechter als in anderen Häuser wären, dann frage ich mich, warum die Staatsoper in Ost und West sowie bei den auswärtigen Gästen unserer Stadt so beliebt ist. Das liegt selbstverständlich an der künstlerischen Qualität des Dargebotenen, dies liegt aber auch an der prachtvollen und festlichen Stimmung, die im Opernhaus als Einheit von Innen und Außen entsteht.
Dieser kongenial rekonstruierte Opernsaal war der Preis, den die damaligen SED-Machthaber für den sinnlosen Abriss des Berliner Stadtschlosses zahlen mussten. Wenn dies unter einer frei gewählten Stadtregierung umgedreht werden sollte, wäre dies ein Treppenwitz der Geschichte, der gleichzeitig eine der seltenen und noch plausibel erlebbaren Traditionslinien des Preussischen Kulturerbes unserer Stadt zertrennen würde.
Schuld an dieser Misere trägt der Senat. Der Siegerentwurf ist eine Ohrfeige für die ebenfalls dem Senat unterstehende Denkmalschutzbehörde.
Herr Flierl hat vorhin von einem fatalen Ergebnis gesprochen. Erst die ungeschickten Äußerungen zur Aufhebung des Denkmalschutzes am Flughafen Tempelhof, dann die unnötige und unzuständige Kritik am Neubau der USBotschaft am Pariser Platz und jetzt die vertrackte Ausschreibung zum Innenraum der Staatsoper – Frau Lüscher muss aufpassen, dass sie nicht in den Ruf kommt, in der Stadt keinen Stein mehr auf dem anderen lassen zu wollen.
Frau Junge-Reyer! Kulturpolitik ist keine Aufgabe der Stadtentwicklungsverwaltung. Einer Umfrage zufolge haben sich über 80 Prozent der Berliner für den Erhalt des alten Saales ausgesprochen. Diese Berliner sind jedoch,
wenn es nach Ihnen ginge, von der Debatte ausgeladen. Am liebsten würden Sie wohl noch Ihren eigenen Senatschef von der Debatte ausladen. Dieser hat sich in der Tat in der bisherigen Debatte sybillinisch bedeckt gehalten; so auch vorhin bei den Mündlichen Anfragen. Herr Wowereit! Ich frage Sie: Wo stehen Sie in dieser bedeutenden stadtpolitischen Frage?
Folgen Sie Ihrem Staatssekretär Schmitz, der sich in dankenswerter Klarheit für den Erhalt des Paulickschen Erbes ausgesprochen hat, oder neigen Sie eher Herrn Barenboim zu? – Herr Wowereit, die CDU fordert Sie auf, heute in dieser Debatte die Geheimniskrämerei zu beenden und eine klare Aussage zu treffen!
Ein weiterer Aspekt dieser Frage ist der kulturpolitische Diskurs. Viele Experten sind sich einig, ein zeitgenössisches Theater braucht nicht zwangsläufig einen zeitgenössischen Saal. Das Kraftvolle ist der Inhalt, nicht die Verpackung.