Protocol of the Session on June 26, 2008

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ganz absurd wird es, wenn Sie dann auch noch sagen: Was gibt es denn für einen wirtschaftlichen Ausgleich für Nordberlin? – Da sehe ich ja jetzt schon die Wärmetonnen auf der Straße in Frohnau und Hermsdorf, wo die Leute alle betteln müssen, weil der Flughafen Tegel wegzieht. Das ist doch absurd, Herr Pflüger! Wo kommen wir denn da hin, wenn wir mit solchen Szenarien arbeiten?

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Ja, ich weiß, die Reinickendorfer CDU war schon immer für die Offenhaltung von Tegel. Das fördert das Projekt BBI auch nicht besonders. Herr Heide klatscht, sehen Sie, erwischt! Aber wenn Herr Pflüger sagt, er ist für BBI, das hat Nutzen für die ganze Region, dann ist es nicht nur kleinkariert, sondern auch ein bisschen dümmlich, einen wirtschaftlichen Ausgleich für Frohnau und Hermsdorf zu fordern. Das muss man hier einfach einmal festhalten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie betreiben ein verzweifeltes Suchen nach Problemen und Luftnummern, wo Sie dann ankündigen, wie man das alles lösen kann. Und zur Dresdner Bahn von mir nur den Hinweis, dass es CDU-Mitglieder des Deutschen Bundestags aus dem Haushaltsausschuss waren, die in Zweifel gezogen haben, ob aus den Privatisierungserlösen Gelder an die Bahn gehen sollen, geschweige denn an die Länder für die Projekte, die Sie gerade genannt haben. Dafür können wir gern kämpfen, aber Herr Pflüger, das ist eine Ihrer berüchtigten Luftnummern. Dabei wird nicht viel herauskommen.

Sie skandalisieren ganz normale Vorgänge: Man wisse nicht genau, die Finanzierung, da gibt es eine Ausschreibung, und wer weiß und überhaupt. – Es ist bei Unternehmen einer solchen Größenordnung ganz normal, dass es auch einmal an bestimmten Stellen Probleme gibt, dass es Fragen, Unwägbarkeiten gibt.

[Christoph Meyer (FDP): Bei so einem Senat!]

Die kann man auch nicht bis ins Letzte auflisten. Deshalb, Herr Pflüger, muss ich dabei bleiben: Sie versuchen, das hier schlechtzureden. Dieser Senat aber hat es unter der Führung von Klaus Wowereit geschafft, BBI überhaupt realisierungsfähig zu machen. Das haben wir gemeinsam mit Ihnen in der Regierung nämlich nicht geschafft – leider.

[Beifall bei der SPD]

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat dieses Projekt in den Sand gesetzt, und zwar gleich zweimal: einmal vor Gericht, und einmal bei der Frage der Finanzierung. Dieser Senat, von SPD und Linken gestellt, hat es geschafft, das Projekt auf die Spur zu bringen und realisierungsfähig zu machen. Und genau das lassen wir von Ihnen nicht schlechtreden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie können viele große Reden führen – der Regierende Bürgermeister hat das ausreichend klargestellt. Sie werden weiterhin sagen, was sein könnte und was sein würde. Die Wahrheit liegt, wie so oft, auf dem Platz – hier auf dem Flugplatz. Aktuell haben wohl die meisten mehr Interesse daran, was auf dem Fußballplatz passiert, mehr jedenfalls als an Ihren Trockenflugübungen. Deshalb mache ich hier Schluss und widme meine restliche Redezeit dem spanischen Fußballteam. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Das Wort für die Grünen hat nunmehr der Kollege Otto. – Bitte schön, Herr Otto, Sie haben das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man konnte es ahnen, dass es sich bei dieser Großen Anfrage der CDUFraktion um eine Tempelhof-Nachlese handeln wird. Sie haben gefragt: Ist die Flughafenpolitik des Senats noch bedarfsgerecht? Das unterstellt erstens, dass sie das irgendwann einmal gewesen ist, und zweitens, dass irgendjemand weiß, welchen Bedarf es gibt.

Die Grünen stellen sich immer die Frage: Was ist zukunftsfähig? Das ist die Frage. Wo geht es hin, und was ist die langfristige Perspektive? Darum geht es, und das müssen wir hier diskutieren.

[Beifall bei den Grünen]

Sie wissen, dass die Umweltauswirkungen des Flugverkehrs nicht gering sind – CO2-Ausstoß, Luftverschmutzung und vieles andere ist bekannt. Trotzdem kann es sinnvoll sein, das in einer Debatte immer noch einmal zu nennen.

Wenn ich in der letzten Woche gelesen habe, dass die CDU sich jetzt noch stärker als Umweltpartei präsentieren will – Sie haben einen Leitantrag für Ihren Parteitag formuliert,

[Kurt Wansner (CDU): Das ist doch schön!]

der lautet: Bewahrung der Schöpfung – Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz, das ist der Antrag für den Parteitag, den man nachlesen kann –, meine ich, haben Sie hier in Berlin ein kleines Problem. Sie haben sich mit dem Tempelhof-Thema etwas für Ihre Kampagne ausgesucht, das dort gerade nicht hineinpasst. Das ist das Schwierige. Wenn ich die CDU wäre – man soll ja mit Ratschlägen immer etwas vorsichtig sein, ich versuche es dennoch –, würde ich von den Flughafenthemen erst einmal die Finger lassen und versuchen, andere, bei den Umweltaspekten erfolgsträchtigere zu suchen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben – das kann man der Anfrage und dem hier Gesagten entnehmen – über kurz oder lang die Debatte über Tegel. Das wird vielleicht so ähnlich sein wie bei Tempelhof. Ich hoffe das nicht, sondern ich hoffe, dass wir da – so wie die Vereinbarungen getroffen und Beschlüsse gefasst worden sind – ganz planmäßig zu einer Schließung von Tegel kommen werden.

Ich bin Abgeordneter aus Pankow. Sie wissen, da haben 50 000 Leute bei dem Volksentscheid gegen Ihr Ansinnen gestimmt, weil sie wissen, dass es um Tegel geht, weil die Einflugschneise über Pankow geht und weil sie das nicht wollen, weil sie sagen: wir wollen innerstädtisch eine Lebensqualität haben. Da stört uns der Flugverkehr. Deswegen wollen wir BBI, obwohl wir wissen, dass auch da Menschen von dem Lärm behelligt werden, aber wir wollen das, weil es weniger sind. Deswegen wollen wir das in der Stadt, in den dicht bebauten Gebieten von Pankow, Reinickendorf und Spandau nicht haben. Das bitte ich Sie zu bedenken. Machen Sie nicht den Fehler noch einmal und versuchen abermals, so eine Kampagne zur Offenhaltung von Flughäfen, die nicht benötigt werden!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben den Regierenden Bürgermeister gefragt, was seine Prognosen sind, wie er die Entwicklung des Flugwesens in Berlin und Brandenburg beurteilt. Er hat – das ist interessant – gesagt, dass es um etwa 1,3 Millionen Passagiere im Jahr 2008 gegenüber 2007 zunehmen wird. Das sind 6 Prozent. Das ist schon ein deutlich geringeres Wachstum als in den Jahren zuvor. Nun mag man sagen, das ist eine konservative Schätzung. Ich weiß das nicht, aber es wird deutlich – davon bin ich überzeugt, und das sollten Sie auch überlegen –, dass das Wachstum des Flugverkehrs, des traditionellen Flugverkehrs seinem

Ende entgegen geht. Das ist etwas, was sich jeder überlegen muss.

Wenn wir auf den Ölpreis schauen, der ist in der Debatte schon verschiedentlich thematisiert worden, so steht er heute auf 134 Dollar. Vor zwölf Monaten stand er auf 67 Dollar, das heißt, bei der Hälfte. Der Kerosinpreis hat sich im Jahr 2007 um 60 Prozent erhöht. Die fossilen Brennstoffe gehen zu Ende, schneller als manche denken. Viele von Ihnen werden die Peak-Oil-Theorie kennen. Es ist umstritten, ob dieses besondere Jahr schon 2006 war oder ob es 2008 ist oder 2010 sein wird. Aber allen, die die Wirtschaftsseiten der Zeitung verfolgen, ist klar: Wenn die Nachfrage steigt und ein Gut knapper wird, dann gehen die Preise nach oben. Das ist eine Binsenweisheit. Ob die nun jedes Jahr um 10, 20, 30 oder 50 Prozent steigen, das können wir hier beobachten, aber es wird so kommen, und es wird sich insbesondere auch auf den Flugverkehr auswirken.

Eine starke Steigerung der Zahl der Flugbewegungen auch hier in Berlin ist unwahrscheinlich. Laut Flughafengesellschaft ist es internationaler Trend, dass die Fluggesellschaften Flüge abbauen, dass sie eventuell überlegen, mit größeren Maschinen zu fliegen, aber im Großen und Ganzen glaube ich, dass wir den Wachstumsglauben in diesem Bereich etwas erschüttern müssen. Schauen Sie auf United Airlines, die in diesen Tagen 1 000 Piloten entlassen. Das ist ein ziemlich großer Schlag. Schauen Sie auf Air Berlin. Air Berlin geht bei den Langstreckenflügen nach unten, geht bei den kürzeren Strecken nach unten. Das Wirtschaftsergebnis von Air Berlin – Sie werden die Hauptversammlung vielleicht verfolgt haben – sieht auch nicht sehr gut aus. Das alles sind Indizien dafür – das denke ich mir nicht aus, sondern Sie können es den einschlägigen Veröffentlichungen entnehmen –, dass es nicht weiter nach oben geht mit dem traditionellen Luftverkehr, sondern eher in die andere Richtung.

Unter diesen Aspekten fragen wir uns: Wie viele Flugbewegungen wird es geben? – Da kann ich Ihnen sagen: Wir halten die Zahl, die im Planfeststellungsbeschluss für BBI steht, nämlich maximal 360 000, für sehr viel. Die ist viel zu groß. Die wird auf keinen Fall ausgeschöpft. Da brauchen Sie überhaupt keine Angst zu haben und keine Panik zu verbreiten.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe das für Sie vielleicht ein bisschen zu schwarz gemalt, aber was wird passieren, wenn die Leute weniger fliegen? – Wenn Sie sich die Statistik ansehen, haben wir von den ca. 20 Millionen Passagieren in Berlin ungefähr 8 Millionen, die im Inland fliegen. Die müssen das alle nicht. Die können – davon sind wir überzeugt – das auch mit der Bahn abwickeln. Das ist eine Form, die vielleicht ein bisschen länger dauert und für manche unbequemer ist, aber es wird dahin gehen. Wir müssen uns darum kümmern, dass die Bahn in der Lage ist, das aufzufangen.

[Beifall bei den Grünen]

Es gibt im Augenblick eine ganze Menge Veröffentlichungen, in denen man zum Beispiel lesen kann: Wenn nur jeder vierte Geschäftsreisende auf die Reise verzichtet und es per Videokonferenz erledigt – ich weiß, es gibt dafür viele Gegenargumente, aber man wird dorthin kommen müssen –, dann können wir viele Millionen Tonnen CO2-Emission im Flugverkehr einsparen, denn darum geht es. Es ist eigentlich ein Umweltthema, über das wir hier sprechen. Das steht für uns im Vordergrund.

[Beifall bei den Grünen]

Ich will noch einmal konkret zum BBI-Projekt kommen. Auch wir sind darüber verwundert, dass man zunächst einen sechsspurigen Autobahnanschluss baut, aber dass überhaupt keine vernünftige Bahnanbindung existiert. Herr Pflüger und Herr Wowereit, Sie haben schon darüber gesprochen, was man da tun kann und wer sich wo einsetzt. Ich will einmal einen konkreten Vorschlag hinsichtlich der Finanzierung einbringen. Wir sind sehr skeptisch hinsichtlich Ihres Vorhabens A 100, liebe Senatorin, lieber Herr Wowereit. Wir wollen das nicht! Wir halten es für unnötig, eine zusätzliche Autobahnstrecke in der Stadt zu bauen. Versuchen Sie in Ihren Verhandlungen, dieses Geld umzuwidmen! Das ist nicht einfach. Da muss man sich anstrengen, aber wenn Sie und Herr Pflüger das gemeinsam angehen, ist das den Versuch wert.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn man schon einen neuen Großflughafen in Betrieb nimmt, muss man sich auch über die Auswirkungen dort vor Ort Gedanken machen. Wir sind sehr in Sorge, dass dort – insbesondere, was das Nachtflugverbot anbelangt – etwas schiefgehen könnte. Wir hatten in den letzten Jahren in Tegel große Schwierigkeiten einzudämmen, dass Maschinen auch nach dem Ende der Tagflugzeit noch dort landen. Da müssen wir etwas tun. Wir sind sehr beunruhigt darüber, dass das Land Brandenburg und auch die Flughafengesellschaft nicht den nötigen Elan an den Tag legen.

Das Nachflugverbot ist also besonders wichtig, und auch sonst fragen wir uns: Ist es ernst gemeint, dass wir die Auswirkungen für die Anwohner, die es in Schönefeld gibt, minimal halten wollen? Ist es ernst gemeint, dass das ein Flughafengebäude sein wird, das modernsten Ansprüchen genügen soll? Ist es möglich – das haben wir im Bauausschuss diskutiert –, dass man dort wenigstens eine Solaranlage auf dem Dach hat? – Das ist etwas Symbolisches angesichts der Umweltverschmutzung durch den Flugverkehr, aber es ist etwas. Darüber haben wir noch nichts gehört. All dies sind Dinge, die Sie machen müssen. Da fordern wir den Senat und erwarten einiges.

Ich möchte eines wiederholen: Hören Sie auf mit der Schlacht um Tegel, die vielleicht schon irgendwo im Hinterkopf schwelt! Lassen Sie uns BBI fertigbauen! Kümmern Sie sich mit darum, dass nicht so viel geflogen wird! Machen Sie mit bei unserem Projekt, die Auswirkungen durch eine Abgabe zu minimieren! – Wir haben einen Beschluss über „Klimaneutral fliegen!“ gefasst. All das sind

Dinge, die man sofort machen kann. Darum geht es. Aber hören Sie auf mit solchen Debatten von gestern! – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort hat nunmehr Frau Matuschek. – Bitte schön!

[Ah! und Oh! von der CDU]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Begrüßung! – Habe ich ein Glück: Ich wollte glatt eine Wette eingehen, dass Herr Pflüger heute nicht noch einmal über Tempelhof reden wird, aber diese Wette hätte ich verloren.

Die Tempelhof-Debatte hat Berlin geschadet. Sie hat dem Projekt BBI geschadet.

[Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Sie haben BBI geschadet!]

Da können Sie reden, wie Sie wollen: Es war ein Schaden für das Projekt, und das, was Sie heute mit der Großen Anfrage abfahren, und die gesamten Vorwürfe, die Sie immer wieder in den Raum stellen, schaden dem Projekt BBI. Da können Sie Ihren Satz: „Wir unterstützen BBI!“ gern als Monstranz vor sich hertragen. Das ist nicht richtig. Sie schaden dem Projekt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Uwe Goetze (CDU): Worin soll der Schaden bestehen? – Andreas Statzkowski (CDU): Sie schaden BBI!]

Dann noch einmal zum Erbe von Herrn Diepgen: Das Erbe haben wir aus gutem Grunde ausgeschlagen. Das Erbe von Herrn Diepgen hätte nämlich im Klartext bedeutet: Das Ding wäre längst verscherbelt – mit einer staatlichen Garantie für Superrendite. Da hätten Sie auch gar nicht mehr mitreden können, ob das Modul XY heute, morgen oder übermorgen gebaut wird. Das wäre dann die alleinige Entscheidung des privaten Eigentümers gewesen – einschließlich der Entscheidung über die Verfahren, wie gebaut wird etc. Das Land Berlin und die anderen Gesellschafter hätten die Garantien zu erbringen, zu zahlen und immer wieder zu zahlen. Das wäre das Erbe von Eberhard Diepgen gewesen. Gott sei Dank haben wir es ausgeschlagen!