Protocol of the Session on May 29, 2008

Aber beim dritten Punkt gibt Ihr Handeln Rätsel auf. Sie fordern den Senat auf, alle zwei Jahre einen Bericht über die Umsetzung der Provenienzforschung abzugeben. So weit, so gut. Dabei wissen Sie ganz genau, dass das ein frommer Wunsch ist. Alle Experten sagen, dass Provenienzforschung im jeweiligen Museum erfolgen sollte, weil dort die erforderliche Sachnähe gegeben ist. Gleichzeitig ist Ihnen die personelle und materielle Situation der Institutionen bekannt. Bedenkt man dabei, dass Sie den Antrag der Grünen, Forschungsmittel für Provenienzforschung in Höhe von 1,6 Millionen € überhaupt erst zur Verfügung stellen zu wollen, mit Ihrer Mehrheit abgelehnt haben, dann kann ich zum dritten Punkt nur noch sagen: Das ist nur großschnäuzige Ankündigungspolitik und Heuchelei.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Ich komme zum Schluss. – Lassen Sie uns also den Antrag überweisen und im Ausschuss darüber reden, wie wir das Papier den Ergebnissen des Sonderauschusses gemäß abändern können. Ich sehe keinen nachvollziehbaren Grund, über den Antrag hier und heute abstimmen zu

müssen. Es sei denn, Sie können es nicht abwarten, dem Senat eine umfassende Ermächtigung, an Parlament und Haushaltsrecht vorbei handeln zu dürfen, zu erteilen. Diesen Freifahrtschein, garniert mit Selbstverständlichkeiten und leerer Ankündigungspolitik, müssen wir von der CDU-Fraktion jedoch ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Brauer.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Juhnke, bitte gucken Sie noch mal nach, was das für ein Ausschuss war. Verwechseln Sie nicht in Permanenz Untersuchungsausschüsse mit Sonderausschüssen. Ich weiß, Sie hätten gern einen Untersuchungsausschuss gehabt, aber den haben Sie nicht bekommen, okay.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Das hätten wir machen müssen, nach dem, wie Sie sich benommen haben!]

Ebenso weise ich zurück, dass die Koalitionsfraktionen handstreichartig die Arbeit dieses Ausschusses beendet hätten. Das ist ein hanebüchener Blödsinn! Wenn Sie genau in den Einsetzungsbeschluss dieses Hohen Hauses hineinsehen, werden Sie feststellen, die Arbeit dieses Ausschusses war von Anfang an zeitlich befristet. Da war nichts von Handstreichartigkeit.

[Beifall bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Und wurde verlängert!]

Immerhin hat sich der Sonderausschuss Restitution ein ganzes Jahr lang, das gesamte Jahr 2007, mit den Auswirkungen der Rückgabe der „Berliner Straßenszene“ aus dem Bestand des Brücke-Museums auf weitere Kulturgüter in öffentlichen Einrichtungen zu befassen gehabt. Er hat dies getan, auch wenn dieser Ausschuss gelegentlich – Ihre Rede eben war der beste Beleg dafür – seine eigentliche Aufgabe zu vergessen drohte. Am Ende seiner Arbeit stand ein respektabler Abschlussbericht, der auch angesichts höchst unterschiedlicher Voten von Koalition und Opposition durchaus Handlungsempfehlungen zu formulieren suchte.

[Christoph Meyer (FDP): Und das ist das Ergebnis davon?]

Nun sind Empfehlungen per se parlamentarisch folgenlos, wenn sie nicht in Beschlussform gegossen werden. Das wissen auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition sehr genau. Nichts anderes haben wir getan mit unserem Antrag. Jüngste Ereignisse – Frau Kollegin Lange hatte das schon angedeutet –, hier sei nur an die vergangenen Restitutionen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten erinnert, gemahnen uns, diesen uns selbst gestellten Auftrag ernst zu nehmen. Denn angesichts sicherlich unterschiedlich begründeter, aber dennoch jahrzehntelanger Handlungsabstinenz auf diesem Feld in beiden

deutschen Staaten, Ost wie West, nimmt es nicht wunder, wenn der Umgang mit NS-Raubkunst nach wie vor kein abgeschlossenes Kapitel deutscher Geschichte ist, für die Sammlungen in öffentlicher Trägerschaft nicht und für anderen auch nicht. Die blamable Affäre um ein Berliner Auktionshaus im Zusammenhang mit einem LiebermannGemälde dürfte da auch nur die Spitze eines Eisbergs sein.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Deshalb wollen wir – erstens – die Neufassung der „Handreichung“ der parlamentarischen Debatte dieses Hauses unterziehen. Es ist ein Unterschied, ob ich im Ausschuss mal so dahinparliere oder ob ich mich einer geordneten, regulierten parlamentarischen Debatte unterziehe. Das sind zwei völlig verschiedene Seiten. Bislang ist es tatsächlich so, dass dieser neue Text bislang senatsseitig quasi top secret behandelt wurde. Das kann so nicht sein. Es handelt sich um öffentliche Angelegenheiten. Die Ausplünderung der europäischen Juden war keine Privataktion eines kleinen Ganovenklubs. Es war bewusst organisiertes staatliches Handeln. Ob es uns gefällt oder nicht, wir stehen in der Verantwortung, und die Konditionen, dieser Verantwortung gerecht zu werden, gehören öffentlich verhandelt. Das ist unser Anliegen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Brigitte Lange (SPD)]

Zweitens wollen wir sehr grundsätzlich geklärt haben – die Rede des Kollegen Juhnke spricht eigentlich dafür –, dass der Senat berechtigt ist, Restitutionen – und jetzt hören Sie genau zu –, die auf der Grundlage der gemeinsamen Erklärung zwingend sind – um nichts anderes geht es –, auch vorzunehmen, ohne sich ständig dem Vorwurf aussetzen zu müssen, er – der Senat – würde den Eigentümern ihr Eigentum zurückgeben und damit öffentliches Eigentum veruntreuen. Das war die jeder Logik hohnsprechende Argumentation einiger Oppositionspolitiker, die in der Folge zu für Berlin blamablen juristischen Konsequenzen führte. Wir wollen hier Klarheit schaffen, deswegen unser Antrag.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Drittens verlangen wir vom Senat darzustellen, wie künftig in den Sammlungen und Museen Berlins Provenienzforschung und Provenienzrecherche gesichert werden. Bislang haben wir nur gebetsmühlenartig ein Klagelied gehört, nämlich das Klagelied „Wir können nicht“. Die Grünen haben als Refrain dazu getextet und uns eine willkürlich gegriffene 1,6-Millionen-€-Summe genannt, die man unbedingt brauche. Aber genauer belegen können sie das auch nicht.

[Zurufe von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Thomas Birk (Grüne)]

Wir wollen es genauer wissen. Dann kann man über die nötige Finanzausstattung und Personal reden. Alles andere im Vorfeld ist Voodoo und nichts anderes. Aber auf der Basis von Voodoo-Übungen kann man keine Politik betreiben.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Viertens verlangen wir regelmäßig Aufklärung über den Stand der Umsetzung der allgemeinen Erklärung, über nichts anderes. Ich empfinde es als zunehmend schwerer erträglich, wenn Einzelpersonen – egal ob es Museumsmenschen oder politisch Verantwortliche sind – in einzelnen Bereichen sich gleichsam verhalten, als wären es in dero höchst persönlichen Verfügungsgewalt befindliche Bestände bzw. Institute. Es sind öffentliche Einrichtungen.

Herr Kollege! Ihre Redezeit ist zu Ende.

Und da haben wir die Pflicht der Information. – Herr Präsident! Ich bin gleich fertig, noch ein letzter Satz. – Weshalb die Sofortabstimmung? – Die Mitglieder dieses Hohen Hauses spalten sich in dieser Frage in zwei Gruppen auf. Eine Minderheit möchte weiterdiskutieren – sie sitzt dort – und irgendwann am Sankt-Nimmerleins-Tag zu einer Entscheidung kommen. Wir wollen die Entscheidung heute. Wir wollen, dass die Sammlungen und Museen des Landes Berlin aus der Situation des Reagierens in eine solche aktiven Handelns kommen. Wir wollen Taten sehen und kein weiteres Schwätzen. Ich hoffe, unser Antrag findet eine deutliche Mehrheit. Wir sind dies den Erben der Opfer der Generation unserer Großväter und Urgroßväter schuldig. – Vielen herzlichen Dank

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Ströver.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag zum künftigen Umgang mit NS-Raubkunst zieht sich die rot-rote Parlamentsmehrheit zur Frage des Umgangs mit der Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut auf sehr simple Art und Weise aus der Affäre.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Quatsch!]

Da soll heute dem Senat ohne Befassung durch den Fachausschuss ein Blankoscheck erteilt werden, dass er Restitutionsverfahren behandeln und Entscheidungen fällen kann, ohne auch nur wenigstens durch einen nachträglichen Bericht das Parlament zu beteiligen. Man möchte mit der oft komplexen Frage der Restitution nichts mehr zu tun haben und sich damit immer auf der moralischen Bonusseite befinden. Doch das ist so zu einfach.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Sie erzählen bewusst die Unwahrheit!]

So einfach ist das Problem wirklich nicht zu lösen, denn die Restitutionsfragen sind evident und in Berlin noch lange nicht gelöst. Da ist zum einen die zuständige Verwaltung, an die viele Anfragen auf Restitution gerichtet sind. Sie ist personell unterbesetzt, vielleicht auch nicht ausreichend qualifiziert. Das haben wir im Sonderausschuss Restitution deutlich erfahren. Und sie ist zum Teil durch impertinentes Insistieren von Anwälten enorm unter Druck gesetzt, Kunstwerke ohne Prüfung herauszugeben. Da sind zum Zweiten die öffentlichen Museen, die – da haben meine Vorredner durchaus recht – die Herkunft ihrer Bestände immer noch nicht geklärt haben. Bei Weitem gibt es keine vollständige Erfassung der Kunstwerke. Insbesondere die ehemaligen Kultureinrichtungen in der DDR haben viele Herkünfte von Kunstwerken verschleiert und manches NS-Raubgut in ihren Museen verschwinden lassen.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Das heißt, Provenienzforschung ist notwendig. Dazu braucht es Mittel und Personal. Rot-Rot hat hier die finanzielle und logistische Hilfe verweigert, wie wir es gefordert haben.

[Beifall bei den Grünen]

Der nächste Punkt ist der Aspekt einer fairen und gerechten Lösung gemäß der Washingtoner Erklärung. Davon ist in Ihrem Antrag nicht ein einziges Mal die Rede. Aber wir müssen immerhin feststellen dürfen, dass es um eine moralische Verpflichtung geht, die freiwillig erfolgt, denn die Betroffenen wurden – wenn auch unzulänglich – entschädigt. Wir sagen: Ja, es muss geprüft werden, dann werden wir berechtigte Forderungen erfüllen. – Aber was ist, wenn es sich um ein schützenswertes nationales Kulturgut handelt, wo die Rechtslage sagt, es darf nicht ausgeführt werden? – Hier kann doch nicht das Interesse des Landes sein, dass das Kunstwerk dann unter der Hand auf dem Kunstmarkt landet und unwiederbringlich weg ist. Hier müssen doch Regelungen gefunden werden, die die Kunstwerke in Berlin halten können. Wir brauchen eine seriöse und transparente Prüfung von Restitutionsbegehren. Wenn diesem stattgegeben wird, dann muss geschaut werden, ob es sinnvoll ist, das Kunstwerk für Berlin zu erhalten und zu erwerben. Spätestens an dieser Stelle, Herr Brauer, Frau Lange, benötigt man die Befassung des Abgeordnetenhauses und – was viel wichtiger ist – die Unterstützung durch Stiftungen und die Öffentlichkeit. Schon häufiger hat es in der Vergangenheit dank eines bürgerschaftlichen Engagements den Ankauf oder den Verbleib von Kunstwerken durch Zahlung von Entschädigungen oder Ankäufen gegeben. Von all diesen Fragen aber wollen Sie in Ihrem Antrag nichts wissen. Das kann doch nicht die Antwort auf die Frage sein.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das ist doch ein hanebüchener Blödsinn!]

Ich will Sie einfach mit Ihren eigenen Argumenten schlagen. In der 23. Sitzung am 24. Januar dieses Jahres sagte der Abgeordnete Brauer – hören Sie gut zu, verehrte Kollegen vor allem von der Linksfraktion –:

Wir als Linke wollen eine aktive Restitutionspolitik, und wir wollen, dass diese auf transparenter und parlamentarisch kontrollierter Grundlage erfolgt.

Nichts davon machen Sie!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das steht doch im Antrag! Können Sie nicht lesen?]

Ich habe hier noch von Frau Lange gleiche Zitate, wo sie sagt:

Mit dem weiteren Vorgehen werden wir uns ausgiebig im Kulturausschuss befassen.

Sie tun nichts von Ihren eigenen Worten. Die Koalition will sich aus der Verantwortung stehlen, die Museen bei ihrer Arbeit nicht unterstützen und den Senat allein weiterwursteln lassen. Das ist nach zehn Monaten Sonderausschuss Restitution verantwortungslos, und es ist auch im Kern undemokratisch.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Den berechtigten Forderungen der Erben ehemaliger Eigentümer von Kunstwerken, die sich in Berlins Besitz befinden und die dringend gefunden sollten, ist mit Ihrem Antrag nicht gedient.

Frau Ströver! Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie haben bereits den Restitutionsausschuss abgebrochen. So wollen Sie weitermachen. Ich muss Ihnen sagen, das ist unmoralisch in der Sache, und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.