Protocol of the Session on April 24, 2008

Viele Menschen haben persönliche Erlebnisse mit Tempelhof: ihren ersten Flug. Viele Menschen sind vor 30 Jahren dort gelandet, fanden ihn einen schönen Flughafen, waren damals schon traurig, als Tegel gebaut wurde, dass Tempelhof für zehn Jahre geschlossen wurde, bis die Lärmschutzfenster eingebaut wurden. Viele Menschen sind also bewegt.

Dann gibt es andere, wie Herrn Lindner, die einseitige Wirtschaftsinteressen von wenigen vertreten. Die bekennen sich auch dazu. Aber Herr Lindner, warum bekennen Sie sich heute nicht dazu? Sie haben immer gesagt, dass es Quatsch sei, Tempelhof als Verkehrsflughafen offen zu lassen. Sie haben immer gesagt: Ich will, dass wir wenige privilegierte Verkehrsflieger, Privatflieger haben, die dort privilegiert landen können. Das war immer Ihre Position.

[Christoph Meyer (FDP): Das haben Sie geträumt, Herr Wowereit! – Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Dann sagen Sie es doch den Menschen auch, damit sie am Sonntag wissen, wofür sie stimmen, wenn Sie ihren Argumenten folgen, Herr Lindner!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das ist genau der Unterschied: Verfassung ernst nehmen oder sich hier hinstellen und so tun, als ob wir in Sim

babwe seien. Der Unterschied zu Simbabwe ist tatsächlich, dass hier verantwortungsvolle Politik gemacht wird, dass hier die Verfassung ernst genommen wird, zuvörderst von den Vertretern in diesem Haus ernst genommen werden sollte,

[Henner Schmidt (FDP): Aha!]

weil wir dem Berliner Volk den Vorschlag gemacht haben, wie die Berliner Verfassung geändert werden sollte, für mehr plebiszitäre Elemente, aber auch mit einem Letztentscheidungsrecht für die Politik, für den Senat und für dieses Abgeordnetenhaus von Berlin.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Also?]

Das ist der Inhalt der Verfassungsänderung gewesen. Dem haben die Berlinerinnen und Berliner zugestimmt. Da wussten sie, dass nicht ihr Votum letztverbindlich ist, sondern eine Empfehlung ist, die abgewogen werden muss.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Kaspertheater!]

Diese Abwägung werden wir vornehmen. Dies ist nicht ein Verbrechen an der Verfassung, sondern das Einhalten der Verfassung.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall von den Grünen]

Selbstverständlich ist es schwer verständlich für viele Menschen, die sagen: Wenn wir uns so engagieren und eine Mehrheit im Quorum bekommen – das ist ja noch keine Mehrheit in der Bevölkerung,

[Michael Braun (CDU): Die haben Sie auch nicht!]

3,4 Millionen Menschen leben hier, 2,4 Millionen sind abstimmungsberechtigt, das Quorum, das man erreichen muss, sind 611 000 Ja-Stimmen, also 25 Prozent der Wahlberechtigten und zugleich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, das ist der Pakt.

[Christoph Meyer (FDP): Sie haben auch keine Mehrheit!]

Sie wissen heute schon, wie es ausgeht. Sie wussten es schon beim ersten Teil des Verfahrens; das haben Sie immer behauptet, dass das erfolgreich sein wird. Warten wir es erst einmal ab.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Der Teil Ihrer Kampagne war, dass die Zustimmung, die in demoskopischen Umfragen einmal bei 74 Prozent war, wie heute noch plakatiert war, letzte Woche auf 50 Prozent geschrumpft ist, dank Ihrer parteipolitischen Kampagne, Herr Pflüger, weil die Menschen merken, dass sie missbraucht werden sollen. Das werden sie Ihnen am Sonntag mit ihrem Stimmzettel zeigen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dadurch kriegt das eine Problematik, weil es Ihnen gar nicht um die Sache geht. Sie verdummen heute noch das Volk, weil Sie genau wissen, der Verkehrsflughafen geht rechtlich überhaupt nicht, weil Sie genau wissen, jede Landebewegung auf diesem Flughafen gefährdet BBI.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Und dann wissen anschließend auch alle, wer daran schuld ist, nämlich nicht Sie und nicht das Volk, sondern immer der Regierende Bürgermeister. Sie verdummen das Volk mit dieser Wahl! Sie bekennen sich eben nicht zum BBI, Sie tun das nur verbal. Sie tun alles, damit BBI nicht gebaut werden kann! Sie riskieren einen Baustopp! Das ist die Zukunftsgefährdung für Berlin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Zum Hinweis auf die überall vorhandenen Irritationen: Ja, diese Emotionen gehen durch alle Reihen! Auch in meinem Freundeskreis sind viele Menschen, die sagen: Warum willst du Tempelhof schließen? Ich bin emotional dafür, das ist doch so ein schöner Flughafen. – Frage: Wann bist du das letzte Mal von dort geflogen? – Antwort: Vor 30 Jahren! – Okay! – Aber das ist doch so ein schöner Flughafen! – Wenn man dann argumentiert, dann sehen sie es ein. Trotzdem bleibt viel Emotion. Das ist klar, deshalb brauchen wir uns auch nicht zu wundern, dass das durch alle Reihen geht.

Natürlich, Herr Bisky und Herr Gysi – tolle Steilvorlage! Aber mich wundert, dass Sie nicht Ihren Kollegen Kauder zitiert haben, den Sie am Montag zu einer Propagandaveranstaltung auf dem Flughafen Tempelhof eingeladen haben. Er, der sich so vehement dafür eingesetzt hat, dass das Volksbegehren beachtet wird, wird gefragt: Sagen Sie einmal, Herr Kauder, was sagen Sie eigentlich dazu, wie sich Herr Ole von Beust verhalten hat, der sich im Jahr 2004 gleich über zwei Volksentscheide hinweggesetzt hat? – Da sagt Herr Kauder als Antwort auf Ihrer Propagandaveranstaltung, Herr Pflüger: Die Union sei gegen zu viel Bürgermitbestimmung. – Das ist die Antwort von Herrn Kauder!

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber im Umkehrschluss ist es, wenn Herr von Beust sich nicht an Volksentscheide hält, aus Ihrer Sicht korrekt. Wenn es aber der CDU in den Kram passt, dann ist es auch wieder korrekt. Das ist das, was der Bürger nicht haben will! Das nennt man auf gut deutsch Verdummung des Volkes und nicht Information des Volkes.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch die Haltung der Bundesregierung ist nicht zu überbieten. Im Deutschen Bundestag gab es wunderbar gemeinte Fragen an die Bundesregierung. Die waren so gemeint, dass man endlich wieder einmal Munition für seine Position Pro-Tempelhof bekommt. Da wird gefragt:

Sieht die Bundesregierung den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses zum BBI durch einen Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tempelhof aus rechtlicher Beurteilung gefährdet, und falls ja, mit welcher Begründung?

Die eindeutige Antwort der Bundesregierung lautet:

Ja, wir sehen den Bestand gefährdet, denn die Planfeststellung beruht unter anderem darauf, dass nach Abschluss des Ausbaus des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld die innerstädtischen Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof geschlossen werden

Ersetzungsfunktion! –

und dadurch dort eine weitgehende Verringerung der Umweltbelastung der dichtbesiedelten städtischen Flughafenumgebung erreicht und das aus der dichten und weitgehend lückenlosen Bebauung resultierende Sicherheitsrisiko reduziert wird.

Ja, da hat die Bundesregierung recht, denn das war genau die Grundlage des Konsensbeschlusses. Das war die Grundlage der planungsrechtlichen Variante. Durch alle Gerichtsinstanzen ist das bestätigt worden. Sie haben immer wieder mit Pseudogutachten gewinkt und stets gesagt, wenn es rechtlich geklärt sei, dann würden Sie alle Bedenken zurücknehmen. Sie haben bis heute alles ignoriert, Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, was das Bundesverwaltungsgericht gesagt hat: Nach Inbetriebnahme des BBI ist in Tempelhof keine Flugbewegung mehr möglich. Deshalb kann es nicht dazu kommen, dass Tempelhof offen bleibt! Das ist die Rechtslage. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Das sollten Sie auch nicht immer wieder wider besseres Wissen und Gewissen den Berlinerinnern und Berlinern vorgaukeln. Was Sie hier veranstalten, ist unredlich!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Zurufe von der CDU]

Der nächste unredliche Punkt: Alle Argumente, die Sie für das Offenhalten von Tempelhof ins Feld führen – wenn man sie den intellektuell nachvollziehen mag –, gelten selbstverständlich dauerhaft, sie gelten eben nicht nur bis zum Jahr 2011, sondern sie gelten darüber hinaus. Die ICAT, die rein wirtschaftliche Interessen hat, ist deshalb die Interessengemeinschaft von Fluggesellschaften, die dort vertreten sind. Sie sagen klipp und klar, dass sie einen Verkehrsflughafen wollen und das dauerhaft. Sagen Sie das doch endlich, oder sagen Sie, dass Sie gegen diesen Volksentscheid sind, weil er die falschen Fragen stellt! Aber Sie instrumentalisieren! Sie wollen nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger aufgeklärt werden, Sie wollend die Verdummung. Das wird Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber nicht gelingen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne)]

Es gibt auch die Bürgerinnen und Bürger, die heute sagen: Ja, wir wohnen in der Nähe des Flughafens Tempelhof, aber wir sind gar nicht so sehr betroffen. – Ich habe einmal einen Bürger getroffen, der gesagt hat: Ja, es war einmal in letzter Zeit so laut, als WM-Finale war. Da stand ich nachts im Bett, denn da gab es so viele Flugzeuge. – Er hat jedoch nicht den Umkehrschluss gezogen, dass das in Tempelhof die Normalität werden wird, wenn es nach den Plänen der ICAT geht. Sie wollen in Analo

gie zu den Docklands in London einen City-Airport mit vier Millionen Flugpassagieren und zahllosen Flugbewegungen haben, und das eben nicht nur mit kleinen Fliegern, sondern mit Maschinen bis zu 50 Tonnen. Das ist ein kleiner Airbus mit 100 bis 120 Passagieren,

[Zurufe von der CDU]

und das nicht nur für den Geschäftsflieger, sondern auch für den Tourismus. Beides soll aus ökonomischen Gründen stattfinden. Das ist das Interesse der ICAT. Das sagt sie ja auch deutlich. Dann nehmen wir das doch auch so zur Kenntnis! Sie können darüber abstimmen, ob Sie das wollen. Das können auch die Menschen, die heute in Tempelhof wohnen und sagen, dass das ein schöner Flughafen ist. Sie müssen wissen: Die Welt wird sich verändern, wenn er offen bleiben würde!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Deshalb ist es eine elementare Frage.

Die Geschichte des Flughafens Berlin-BrandenburgInternational war bis zum Jahr 2001 eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Gestern waren viele nationale und internationale Journalisten draußen in Schönefeld. Sie konnten sehen, dass das Projekt verwirklicht wird. Dieses Projekt wird unter der Voraussetzung, dass es nicht juristisch gefährdet wird, fertig. Mit der Offenhaltung von Tempelhof ist die Klagegefahr von den Gegnern von BBI immanent und nicht nur theoretisch. Es besteht die praktische Gefahr, dass man sofort zum Bundesverwaltungsgericht geht und sagt, die Planfeststellungsbehörde ändert ihre Pläne, tut das drei Jahre lang beim neuen Planfeststellungsbeschluss in Schönefeld, mit all den Risiken Bürgerbeteiligung, Träger öffentlicher Belange. Dann warten wir doch mal ab, bis das alles entschieden ist! Konsequenz: ein Baustopp. – Das wird der Antrag in Leipzig sein. Das ist das Risiko von BBI, davon hängt viel ab, nicht nur die Emotion. Rational ist es nicht zu vertreten, mit Ja zu stimmen.

Deshalb mein dringender Appell an die Berlinerinnen und Berliner: Bei aller Emotionalität bei diesem Thema, die ich gut verstehen kann, bitte denken Sie nach, was es bedeutet, wenn dieses Risiko eingegangen wird! Deshalb stimmen Sie mit Nein für eine bessere Zukunft in Berlin, für den BBI, für viele Arbeitsplätze und für umweltschonenden Flugverkehr in Berlin. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister!