Protocol of the Session on April 10, 2008

[Ramona Pop (Grüne): Sie sprechen nur für sich selbst!]

Alle – ausgenommen die hier Anwesenden – wollten zunächst gerne fahren, fürchten dann aber doch die öffentliche Diskussion und noch mehr die innerparteiliche Auseinandersetzung.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Es müssen immer bestimmte Kriterien für eine Reise erfüllt werden. Deshalb hat das Abgeordnetenhaus für geplante Reisen entsprechende Regularien festgelegt, die selbstverständlich eingehalten werden müssen. Das ist die Voraussetzung, denn für die Reisen werden Steuergelder ausgegeben, mit denen wir Parlamentarier verantwortungsvoll umgehen müssen.

Auch für eine geplante Reise des Präsidiums nach Peking trifft dies zu wie bei den vergangenen Reisen des Präsidiums ebenfalls.

[Joachim Esser (Grüne): Aber der Bürgermeister?]

Denn verantwortungsvolles Handeln heißt auch, keine neuen Missverständnisse zu produzieren.

Seit Jahrzehnten gibt es die zu verurteilenden Menschenrechtsverletzungen in Tibet. Das hat Vertreter aus Politik und Wirtschaft nicht davon abgehalten, nach China zu reisen. Dafür gibt es viele gute Gründe: politische, ökonomische und ökologische. Gerade vor Ort kann man die Situation am besten erörtern und anprangern. Ich gehe davon aus, dass auch der Herr Abgeordnete Pflüger als Leiter der deutschen Delegation der internationalen Fachtagung der Konrad-Adenauer-Stiftung in China die Gelegenheit dafür genutzt hat.

[Ach! von der SPD – Zurufe von den Grünen]

Ebenso erwarte ich, dass Herr Senator Wolf bei seinem demnächst geplanten Besuch in China sich nicht der Stimme enthält, sondern offen über die aktuellen Probleme diskutiert. Herr Senator Prof. Zöllner, der wohl am Sonntag nach China reist, hat das bereits zugesagt. Übrigens ist er Mitglied einer Delegationsfahrt unter der Leitung von Frau Bundesministerin Schavan. Auch Herr von Beust wird sicher die Gelegenheit des Dialogs nutzen, wenn er während der Olympischen Spiele in Peking mit der künftigen schwarz-grünen Landesregierung einen Hamburg-Abend plant.

[Ha, ha! von der SPD]

Anlässlich der Olympischen Spiele in Peking und dem damit verbundenen öffentlichen Interesse der Welt nutzen die Tibeter die Gelegenheit, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Richtig! Wann, wenn nicht jetzt? Wir unterstützen das ausdrücklich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der wichtigste sportliche Wettkampf überhaupt, die Olympischen Spiele haben eine Ausstrahlungskraft, die weit über die sportliche und die wirtschaftliche Bedeutung hinausgeht. Das sollte und das muss man aufnehmen!

[Joachim Esser (Grüne): Eben!]

Aber ebenso auch, welcher Stolz und welche Freude ein Volk über die Ausrichtung der Spiele erfüllen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kubala?

Ich bin gleich fertig. – Davon habe ich mich persönlich bei meinem Besuch der Olympischen Spiele des Jahres 2004 in Athen überzeugen können. Bevor Sie jetzt anfangen zu recherchieren: Es war eine Privatreise.

[Heiterkeit bei der SPD]

Auch in Sydney habe ich erlebt, mit welcher Begeisterung und mit wie viel Stolz die Menschen noch heute von den Olympischen Spielen sprechen. Dieses Gefühl wünsche ich mir auch noch einmal für Berlin und für alle Berlinerinnen und Berliner!

Aber davor liegt noch das drittgrößte sportliche Ereignis, die Leichtathletik-Weltmeisterschaften, das zu einem großen Event für Berlin werden soll.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Darüber hinaus werben wir für weitere sportliche Großereignisse in unserer Stadt, die Berlin einfach gut tun. Wir erinnern uns alle gern an die Fußball-WM 2006 in Berlin und das damit verbundene Signal einer weltoffenen und toleranten Stadt.

Wo kann man am besten werben, wenn nicht dort, wo alle führenden Repräsentanten und Ansprechpartner vertreten sind? Wer kann am besten dafür werben, wenn nicht der Regierende Bürgermeister von Berlin?

[Du meine Güte! von der CDU]

Selbstverständlich wird er die Gelegenheit nutzen, den kritischen Dialog mit China fortzusetzen und auch die Einhaltung der Menschenrechte in Tibet zu thematisieren. Dabei wünschen wir viel Erfolg! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Seidel-Kalmutzki! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr Herr Kollege Dr. Lehmann-Brauns das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Medien erfahren wir, dass der Regierende Bürgermeister und Staatssekretär Härtel zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Peking reisen werden.

[Christian Gaebler (SPD): Brille kaufen! – Falsch! von der Linksfraktion]

Allerdings haben wir von den politischen Voraussetzungen und den Bedingungen bisher nichts erfahren. Herr Momper hatte ein „anständiges Programm“ in Peking zur Voraussetzung seiner Reise gemacht.

Aber was spielt sich denn seit Monaten zwischen Chinesen und Tibetern ab? – China, eines der ältesten Kulturvölker der Welt und eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, hat sich noch immer nicht befreit von den Fesseln einer kommunistischen Diktatur. Was das heißt, das haben wir zum Teil in Deutschland selbst erfahren, nämlich eine staatstragende Partei, ein riesiger Militär-, Polizei- und Spitzelapparat und die Verfolgung und Überwachung Andersdenkender, die in Gefängnissen und Lagern verschwinden.

[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Unerhört!]

So weit die eine, die chinesische Seite.

Die andere, das sind die 2,4 Millionen Tibeter. Seit 1950 sind sie Teil der Volksrepublik, die ihnen 1951 eine weitgehende Autonomie und die Präsenz des Dalai-Lama garantiert hatte. Aber um diese Autonomie ist es heute, wie wir alle wissen, schlecht bestellt. Wir lesen und hören, dass weder die Tibeter, noch der Dalai-Lama ihrerseits beabsichtigen, sich aus dem Staatsverband Chinas zu lösen. Sie wollen keine Unabhängigkeit, sie sind deshalb auch keine Separatisten. Sie wollen ihre Autonomie, das Recht also, ungestört ihre Kultur und Religion ausleben zu können. An dieser Forderung scheiden sich die Geister, wie wir das täglich den Medien entnehmen können.

Wie „anständig“ kann eigentlich ein Reiseprogramm unter solchen Voraussetzungen noch sein? Wie viel chinesische Folklore, wie viele Tänze und Gesänge müssen aufgeboten werden, um die Beschießung und die Proteste Andersdenkender zu übertönen?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dieses China ist kein Land des Lächelns. Bis heute höre ich aus dem Roten Rathaus keine politischen Voraussetzungen für eine Reise nach Peking, auch von keinen Bedingungen, selbst von Appellen höre ich nichts. Selbst Fahnen, wie unter anderem in Potsdam und Cottbus, wehen nicht vor Ihrem Rathaus, Herr Wowereit! Sie haben doch sonst nichts gegen bunte Fahnen vor Ihrem Amtssitz.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Buh! von der Linksfraktion]

Weshalb nutzen Sie nicht die Chance, die diese Spiele bieten, weshalb nutzen Sie sie nicht politisch aus? Herr Regierender Bürgermeister! Sollten Sie dennoch fahren, werden Sie nicht viele deutsche Politiker in Peking treffen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Herr Pflüger ist ja wieder zurück!]

Ich bin der Kanzlerin und ihrem Außenminister für die unspektakuläre Distanzierung von den aktuellen Vorgängen durch Verzicht auf eine Reise nach Peking besonders dankbar. Ich bin stolz auf eine Kanzlerin, die nicht nur russische Dissidenten in der deutschen Botschaft in Moskau empfing, sondern auch kürzlich den Dalai-Lama im Bundeskanzleramt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Volker Ratzmann (Grüne)]

Diese Maßstäbe sind verhältnismäßig neu in der deutschen Außenpolitik. Maßstäbe, die Bürger- und Menschenrechte auch gegen starke Staaten wie China, Russland oder die USA reklamieren. Das zeigt moralische Stärke, ein geläutertes Selbstbewusstsein dieser Republik, die nach einer eigenen, schwierigen Geschichte Glaubwürdigkeit und Ansehen nach außen und innen gewonnen hat.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Dafür haben Sie Willy Brandt noch beschimpft!]

Meine Damen und Herren! Herr Wowereit! Sie und wir repräsentieren eine Stadt, die mit dem Begriff der Freiheit auf das Engste verbunden ist, eine Stadt, die auf friedliche Weise mitgewirkt hat, eine Diktatur zu überwinden. Deshalb obliegt es Ihnen und uns und anderen Repräsentanten – von welcher Parteifarbe auch immer! –, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein. Es geht in dieser historischen Stunde nicht darum, Winkelemente zu schwenken. Wir können nicht in das Weltgeschehen eingreifen, aber wir können eines deutlich machen: auf welcher Seite Berlin steht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat nun Frau Abgeordnete Michels das Wort. – Bitte sehr, Frau Michels!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst gestatte ich mir eine Vorbemerkung. Es ist schon sehr erstaunlich, dass die Opposition bei einem so wichtigen Thema wie der Durchsetzung der Menschenrechte nicht einmal den Versuch unternommen hat, alle Fraktionen bei der Formulierung des Antrags einzubeziehen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Den Anschein zu erwecken, als gebe es in diesem Haus in der Menschenrechtsfrage nur drei Fraktionen der Opposition, die sich für dieses Ziel einsetzen und initiativ werden, das ist nicht nur grotesk, sondern das ist geradezu unverantwortlich.