Protocol of the Session on March 13, 2008

Antrag der CDU Drs 16/1257 – neu –

d) Antrag

Öffentliche Vergabe mittelstandsfreundlich gestalten – Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe (Evaluierung und Vergabebericht)

Antrag der CDU Drs 16/1258

Der Dringlichkeit hinsichtlich des Vergabegesetzes wird offensichtlich nicht widersprochen.

Somit eröffne ich die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe damit die Einleitung, die Überschrift und die Artikel I und II gemäß Drucksache 16/1055 auf. Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Herr Liebich steht schon bereit. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Unternehmer kippen das Vergabegesetz“ stand am Dienstag in der Zeitung. Wir werden gleich erleben, dass weder die Unternehmer noch FDP oder CDU uns daran hindern werden, heute zu beschließen, dass in allen Branchen öffentliche Aufträge künftig nur noch derjenige erhält, der Tariflöhne zahlt, mindestens aber 7,50 €.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Was wir heute beschließen, ist ein rot-roter Exportschlager. Das gibt es in dieser Form in keinem anderen Bundesland. DGB, Gewerkschaften und Handwerkskammer begrüßen das. Industrie- und Handelskammer und Unternehmervereinigung toben. Aber auch letztere werden einsehen, dass das, was in den meisten europäischen Ländern und den USA längst gesetzlich für alle existiert, für Auftragnehmer des Landes Berlin nicht schlecht sein kann. Besser wäre nur noch gewesen, wenn die große Koalition mit Merkel, Steinmeier und Scholz auf der Bundesebene der Bundesratsinitiative des Landes Berlin gefolgt wäre und gleich einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt hätte.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Mit „arm trotz Arbeit“ muss Schluss sein, und zwar gerade in Berlin als der Hauptstadt der „Aufstocker“. Gerade wir müssen da reagieren, denn von Arbeit muss man leben können. Deutschland braucht den Mindestlohn, und wir in Berlin tun dafür, was wir können.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir könnten nicht nur hier, sondern auch bei weiteren Kriterien Vorbild sein, wenn nicht die SPD auf den letzten Metern die Kraft verlassen hätte. Dabei ist sie so mutig gestartet. Der SPD-Landesparteitag vom 17. November des letzten Jahres forderte das Gleichstellungskriterium, die ILO-Kernarbeitsnormen, den Ausschluss von Kinderarbeit und den fairen Handel in das Vergabegesetz aufzunehmen, und Herr Jahnke von der SPD hat noch in der letzten Plenarsitzung unter Beifall seines Kollegen Buchholz darauf hingewiesen, dass 5 Milliarden € Auftragsvolumen ein beachtliches Nachfragepotenzial sind, das eingesetzt werden muss, um ökologische Ziele, fairen Handel und gleichstellungspolitische Ziele zu berücksichtigen.

So weit, so gut! Der Mann hat recht,

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

und es ist schon einigermaßen überraschend, dass die SPD dann hinter Herrn Glos von der CSU zurückgefallen ist, der genau das in die bundesweite Gesetzgebung aufgenommen hat.

[Michael Müller (SPD): Das lag an der Vorlage des Wirtschaftssenators! Dann muss er ordentliche Arbeit machen!]

Nach der Anhörung im Ausschuss war auch klar, dass mehrere Anzuhörende – darunter auch der DGB – eine unabhängige Vergabekontrollinstitution gefordert haben. Der DGB ging sogar so weit, zu sagen, dass unser Gesetz ein zahnloser Tiger wird, wenn wir das nicht beschließen. So weit würde ich nicht gehen, aber wir hätten das Gesetz gern – und daraus haben wir kein Geheimnis gemacht – um soziale, ökologische und nachhaltige Ziele erweitert. Wir hätten gern eine von den Vergabestelle unabhängige Kontrollgruppe in das Gesetz geschrieben. Wir hätten gern darauf hingewiesen, dass Frauenförderverordnung und die Allgemeine Anweisung Umweltschutz beachtet werden und die Beschaffung mit den grundlegenden Zielen eines fairen und sozial gerechten Handels im Einklang steht. Die SPD wollte dies – Landesparteitagsbeschluss hin oder her; und ich sage einmal freundlich – noch nicht. Ich gehe davon aus, dass die Debatten sowohl in der SPDFraktion als auch im Senat weitergehen. Wir bleiben dran. Alle, die diesbezügliche Änderungen wollen, wissen, wer die richtige Adresse dafür ist.

Aber lassen Sie mich zum Schluss – und ich will das nicht kleinreden – klar festhalten: Dieses Gesetz, das wir heute beschließen, ist kein Bettvorleger und kein kleines Gesetz, sondern bundesweit einzigartig. Wir sind stolz, dass mit der heutigen Gesetzesänderung in Berlin Dumpinglohnzahler keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen, und deshalb werden wir diesem Vergabegesetz auch gern zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Melzer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu Herrn Liebich sage ich: Die Novellierung des Berliner Vergabegesetzes ist der rot-roten Koalition gründlich misslungen. Viel angekündigt, wenig umgesetzt! Streit zwischen den Koalitionspartnern und Symbolpolitik statt echter Unterstützung für den Jobmotor Mittelstand! Das sind die Botschaften der Berliner Vergabepolitik unter Wowereit und Wolf.

[Beifall bei der CDU]

Senator Wolf hat im Herbst letzten Jahres ein bemerkenswertes Diskussionspapier vorgestellt, das zehn konkrete Maßnahmen enthielt, die der mittelständischen Wirtschaft in der Region helfen sollten. Im Berliner Vergabegesetz wurde allerdings nur ein einziger von diesen zehn Punkten berücksichtigt – der Mindestlohn. Eins von zehn, Herr Wolf! Diese miserable Ausbeute lässt den Schluss zu, dass die mittelstandsfreundlichen Maßnahmen nur als Feigenblatt rot-roter Symbolpolitik dienen sollten.

Für die CDU ist dabei völlig klar: Jeder Bürger soll von ehrlicher Arbeit angemessen leben können.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Tut aber ganz schön weh!]

Deshalb wendet sich die Union aus der Grundüberzeugung der sozialen Marktwirtschaft heraus auch gegen Dumpinglöhne.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Gegen den Mindestlohn!]

In der Analyse sind wir uns also einig,

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Nein, Sie sind dagegen!]

bei der Lösung gibt es Unterschiede.

[Evrim Baba (Linksfraktion): Die CDU ist dagegen!]

Wenn Sie zuhören und dann vielleicht auch noch verstehen, werden Sie merken, wofür wir sind und wogegen wir sind. – Wir sind dafür, die richtigen Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung zu setzen, um die Lebensqualität für jeden Einzelnen zu erhöhen, Beschäftigung zu sichern und aufzubauen sowie durch wirtschaftlichen Erfolg für eine angemessene Entlohnung ehrlicher Arbeit zu sorgen.

Durch das Nachfragevolumen des Landes Berlin von jährlich 5 Milliarden € könnte richtig gemachte Vergabepolitik ein sinnvoller Ansatz für Wachstum und Beschäftigung sein.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): So ein Eiertanz kann keinen Spaß machen!]

In beiden Fällen hat Berlin Nachholbedarf. Eine Arbeitslosenquote von 15 Prozent und ein Wirtschaftswachstum von prognostizierten 1,3 Prozent stellen vielleicht rot-rote Politiker zufrieden, aber die Union sieht hier weiter dringenden Handlungsbedarf.

[Beifall bei der CDU]

Anstatt zu handeln, ergötzt sich die Koalition an sozialistischen Träumereien wie dem öffentlichen Beschäftigungssektor. Und der Mindestlohn wurde im Berliner Vergabegesetz auf rechtlich derart wacklige Füße gestellt, dass wir eine Klageflut kleiner und mittelständischer Unternehmen befürchten müssen. Die Unternehmensverbände haben bereits eine Verfassungsklage angekündigt, und nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zum Postmindestlohn steht auch zur Diskussion, dass der Vergabemindestlohn ebenfalls rechtlich unzulässig ist.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Das hat damit nichts zu tun. Sie haben vorhin nicht zugehört! – Burgunde Grosse (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Ihr Prestigeobjekt steht auf rechtlich wackligen Füßen.

Entschuldigung, Herr Melzer! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Grosse?

Nein, danke! Das bringt aller Voraussicht nichts. –

[Elisabeth Paus (Grüne): Warum? – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

Unabhängig davon, wie jeder Einzelne von uns zum Mindestlohn steht, steht eines jedenfalls fest: Ihre Änderungen zum Berliner Vergabegesetz werden nicht zu mehr Wachstum und nicht zu mehr Beschäftigung führen. Sie haben wieder einmal die Chance verpasst, die Berliner Wirtschaft zu unterstützen.

[Burgunde Grosse (SPD): Darum geht es doch gar nicht! – Heiterkeit – Christoph Meyer (FDP): Das ist Ihr Problem, Frau Grosse!]

Einer Beschlussfassung über echte und wirkungsvolle Maßnahmen haben Sie sich verweigert. Herr Liebich hat soeben in seiner Rede den Dissens zwischen SPD und Linksfraktion deutlich gemacht. In der „Berliner Zeitung“ lässt er sich mit den Worten zitieren:

Es geht nicht an, dass uns die SPD dann im Parlament wieder ausbremst.

Ausgebremst habe aber beide Parteien – Linksfraktion und SPD – im Wirtschaftsausschuss.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Die CDU – und das ist richtig!]

Im Wirtschaftsausschuss haben die Koalitionsfraktionen die Besprechung von vier CDU-Anträgen zur mittelstandsgerechten Auftragsvergabe verhindert. Sie wollten schlichtweg darüber nicht sprechen. Wir hingegen sagen: Regionale Unternehmensförderung muss stärker zum Zug kommen. Wir stehen dafür, dass der Mittelstand in Berlin – immerhin 99 Prozent aller Berliner Unternehmen – besser gefördert wird. Deswegen haben wir beantragt, die Vergabe in Fach- und Teillose aufzuteilen, die sich an den Kapazitäten von kleinen und mittelständischen Unternehmen orientieren. SPD und Linksfraktion haben hierzu keine abgestimmte Meinung, verweigern die Diskussion und verhindern die Beschlussfassung.