Protocol of the Session on February 14, 2008

[Zurufe von den Grünen]

Meine Damen und Herren! Ich habe soeben das Wort Herrn Goetze erteilt und nicht Ihnen! – Bitte sehr, Herr Goetze!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Parlament ist der Ort, wo man sich mit den Versprechungen, den Leistungen oder dem Versagen der Regierung auseinandersetzt. Das ist heute das Thema und nichts anderes.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Und den Alternativen der Opposition!]

Deshalb ist es folgerichtig, dass sowohl der Kollege Esser den Regierenden Bürgermeister und seinen Senat angesprochen hat und wir als CDU-Fraktion uns mit dem beschäftigen werden, was dieser Senat in der Vergangenheit nicht geleistet hat.

Unstreitig ist, dass die BVG ein Angebot bereithält, das im Vergleich zu anderen Ballungsräumen immer noch hervorragend ist. Ergänzt durch die S-Bahn sind die öffentlichen Verkehrsverbindungen in Berlin ein positiver Standortvorteil, den es zu erhalten gilt.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Aha!]

Aber der Erhalt dieses Standortfaktors ist schwierig, denn man muss ihn über Jahre kontinuierlich begleiten. Er bringt keine schnelle Erfolgsmeldung, und damit ist dieses Thema für den Senat völlig ungeeignet, denn der Senat setzt ausschließlich auf schnelle Effekte und nicht auf kontinuierliche Arbeit.

Die BVG hat nach wie vor große Probleme. Ohne massive Zuschüsse aus dem Landeshaushalt ist das Unternehmen nicht lebensfähig. Das Konsolidierungsprogramm BSU 2000 ist nach den uns vom Senat vorgelegten Berichten weit verfehlt worden, und es besteht kein Anlass mehr anzunehmen, dass die Zielmarken, die sich die große Koalition im Jahr 1999 gesetzt hat, von diesem rotroten Senat erreicht werden. Wowereit hat zwar die Konzeption vorgefunden, aber in der Umsetzung hat dieser Senat kläglich versagt.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Trotz der Veräußerung der Gesellschaften GAGFAH und VVR Berek drückt die BVG immer noch eine enorme Schuldenlast von knapp 800 Millionen €. Gerade hat uns der Senat im Beteiligungsbericht 2007 mitgeteilt, dass die operativen Erträge der Anstalt im vergangenen Jahr ungefähr 10 Millionen € hinter dem Vorjahr zurückgeblieben sind und das bereinigte operative Ergebnis ein Defizit von 66,9 Millionen € aufweist. Das ist das Versagen dieses Senats angesichts jahrelang praktizierter Vorgabenverfolgung, angesichts eines bestehenden Konzepts. Man hat die BVG im Stich gelassen.

Für 2006 liegen die Erträge um 13,3 Millionen € unter den Zielen, der Personalaufwand ist um 138 Millionen € höher als geplant und das Jahresergebnis wird um über 70 Millionen € schlechter ausfallen. Es ist nicht gelungen, die Schulden nennenswert abzubauen und das jährliche Defizit entsprechend zu verringern. Trotz steigender Fahrpreise und sogenannter Fahrplanoptimierungen ist das Versprechen des Regierenden Bürgermeisters gebrochen worden. Er hat in der Sitzung vom 16. Juni 2005 während seiner Regierungserklärung formuliert:

Es ist deutlich zu machen, dass das ein gemeinsames Projekt ist.

die Sanierung der BVG –

Keiner hat ein Interesse daran, dass es der BVG schlecht geht. Wir haben ein großes Interesse daran, dass unser Unternehmen erfolgreich arbeitet und erfolgreich aufgestellt wird für die Zukunft.

Nur, meine Damen und Herren, der Senat hat dieser Ankündigung zweieinhalb Jahre nichts folgen lassen. Still ruht der See, nichts ist passiert.

[Beifall bei der CDU]

Der Senat hat dieses Versprechen, das er den Beschäftigten und den Berlinerinnen und Berlinern gegeben hat, gebrochen. Wir haben darauf bereits damals hingewiesen. Unser damaliger Redner hat formuliert:

Aber ich frage Sie, Herr Wowereit und Herr Sarrazin: Wo ist ihr Strukturkonzept, um die BVG zu erhalten? Wie wollen Sie sie konkurrenz- und wettbewerbsfähig machen? – Darüber schweigen Sie sich aus. So ist es immer mit Ihnen, insbesondere mit Herrn Sarrazin. Entweder können Sie nicht oder Sie dürfen nicht, was im Zweifelsfall immer noch die bessere Variante ist.

Das ist das Problem. Vor zweieinhalb Jahren haben wir darauf hingewiesen: Kein Strukturkonzept, kein Plan, absehbares Versagen. – Heute müssen wir feststellen, genau diese Befürchtungen sind eingetreten, zweieinhalb Jahre verschenkt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Das Versäumnis von Herrn Wowereit und des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Sarrazin besteht darin, dass sie den ursprünglichen Sanierungsplan von 1999, der in der großen Koalition entwickelt worden ist, nicht weiterverfolgt und jahrelang die strukturellen Defizite des Unternehmens schöngeredet haben. Mit jedem Abschluss hat sich das Defizit um einen zweistelligen Millionenbetrag vergrößert.

Ich wiederhole es noch einmal: Die Sanierung der BVG ist schwierig, muss kontinuierlich über Jahre begleitet werden und bringt nicht die schnelle Erfolgsmeldung, das schnelle Foto oder das schnelle Zitat. Der rot-rote Senat meinte jedoch, dass er es sich einfach machen kann. Ein Gehaltsverzicht bei den Mitarbeitern, und alles wird gut. – Wir müssen heute feststellen, dass diese Strategie leider gescheitert ist.

Die bittere Wahrheit stand schon im Sanierungskonzept BSU 2000. Diese strukturellen Probleme, die da beschrieben worden sind, finden ihre Fortsetzung darin, dass bis heute die Proportionen zwischen Personalaufwand im operativen Bereich und im Verwaltungsbereich immer noch nicht korrigiert sind. Die Verwaltung scheint uns nach wie vor zu groß zu sein. Dieses und viele andere Strukturprobleme, die die BVG plagen, sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht angepackt worden. In der Beratung des Abgeordnetenhauses vom 9. September 2004 hat unser damaliger verkehrspolitischer Sprecher Kaczmarek schon angemahnt:

Wir haben an dieser Stelle kein Erkenntnisdefizit mehr,

was die BVG betrifft –

sondern ein dringendes Umsetzungsdefizit. Deswegen fordern wir einen breiten Konsens unter Einbeziehung von Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Politik und Personalvertretung. Das halbe Jahr

Stillstand hat BVG und Land bares Geld gekostet, und bisher bekommen wir als Konzeption des Senats immer nur die Kopien der Vorlagen des BVGVorstands.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Senat hat bis heute keinen Plan, keine Strategie, keine Umsetzungskonzeption zur Sanierung der BVG. Deswegen müssen wir immer wieder ein geradezu bizarres Bild bei der Kontrolle des Senats im Ausschuss für Beteiligungsmanagement zur Kenntnis nehmen. Da setzen sich die Senatsvertreter hin, lassen sich von den Geschäftsführern der landeseigenen Unternehmen bespielen, und obwohl der Senat die Vorgaben gemacht hat, indem er und letztlich die ihn tragenden Parteien hier den Haushalt beschlossen, die Zuschüsse reduziert oder eingefroren haben, obwohl diesen Senat die Verantwortung trifft, mühen sich die Geschäftsführer der landeseigenen Unternehmen ab zu erklären, warum sie aufgrund dieser desolaten Vorgaben ihr Unternehmen nicht besser aufstellen konnten. Die Senatsvertreter sitzen herum und lassen sich bespielen. Das ist keine Wahrnehmung von Verantwortung. BVG, landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, Bäderbetriebe? Gehören die denn wirklich dem Land? Kann das sein? Können wir denn tatsächlich Verantwortung tragen? – So steht es in ihren Gesichtern geschrieben, und das ist ein unglaublich verantwortungsloses Verhalten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die BVG ist für Berlin ein Asset, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Wir haben die Verantwortung sowohl für die Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Verkehrskonzeptes als auch eine Verantwortung für die mehr als 12 000 Beschäftigten und deren Familien in der Stadt. Wir haben auf der anderen Seite aber auch klare Erkenntnisse, wie die BVG zu sanieren ist, was gemacht werden muss. Wir haben ein Handlungsdefizit aufseiten des Senats. Zweieinhalb Jahre sind verschenkt worden. Es ist doch ein Unding, dass hier eine Auseinandersetzung stattfindet zwischen BVG und den Tarifpartnern Gewerkschaften über Fragen, die dieser Senat hätte schon längst abschließend klären müssen, die der Aufsichtsratsvorsitzende hätte transportieren müssen, die der Regierende Bürgermeister, der uns vor zweieinhalb Jahren vollmundig das Blaue vom Himmel erzählt hat, längst hätte erledigen können. Nichts ist passiert, und wir müssen heute in dieser Debatte die Scherben zusammenkehren.

Dieses grundlegende Versagen ist nicht nur etwas, was zwischen den Fraktionen als Problem dasteht. Nein, die Stadt leidet unter dieser Situation. Sie leidet unter dem Konflikt bei der BVG, und wir müssen den Regierenden Bürgermeister auffordern, endlich das, was ihm dieses Haus gegeben hat, die Richtlinienkompetenz, wahrzunehmen. Herr Wowereit, machen Sie es ein einziges und erstes Mal, und kümmern Sie sich endlich um diese BVG!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die Linksfraktion hat Frau Abgeordnete Matuschek das Wort. – Bitte sehr!

[Mario Czaja (CDU): BVG einschränken und dann keine Straßen bauen!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Goetze! Den Namen Landowsky kennen Sie doch noch und auch noch die Reden, die er bei der BVG gehalten hat, richtig?

[Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von der Linksfraktion: Nein!]

Es ist Ihnen auch noch bewusst, dass die berühmte Fahrertochter das Grundkonstrukt dieses Konzepts BSU 2000 sein sollte und dass genau diese Fahrertochtergründung dazu geführt hat, dass in einem Unternehmen für dieselbe Arbeit unterschiedliche Löhne gezahlt werden. Auch das müssten Sie auf Ihre Bilanz schreiben.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das Thema der Aktuellen Stunde ist die Zukunftsfähigkeit der BVG, und diese Frage ist nur mit einem einzigen Satz zu beantworten: Die Koalition von Linkspartei und SPD hat den einzig sicheren Weg gewählt, die Zukunftsfähigkeit der BVG zu gewährleisten, nämlich den Abschluss eines langfristigen Verkehrsvertrags. Aus diesem Verkehrsvertrag gehen die Pflichten der BVG hervor, auf Qualität und Quantität des Nahverkehrs wie auch die Pflichten des Landes Berlin, und wir werden diese Pflichten auch einhalten.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Kurz gefasst: Der Verkehrsvertrag ist die Entscheidung von Rot-Rot, die BVG als Landesunternehmen zu sanieren und nicht zu zerschlagen und zu privatisieren.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Daseinsvorsorge statt Privatisierung, das ist Zukunftsfähigkeit. Das sehen die Grünen offensichtlich anders, und deswegen fängt ihre Polemik schon mit dem Zusatz „ohne Wettbewerb“ an. Da sage ich Ihnen, Herr Esser, Frau Hämmerling, Frau Eichstädt-Bohlig: Der Wettbewerb, den Sie meinen, ist Lohndumping und Arbeitsplatzvernichtung. Der Wettbewerb, den wir praktizieren, ist der Wettbewerb um sichere Arbeitsplätze.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Entschuldigung, Frau Matuschek! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Eichstädt-Bohlig?

Später! – Die Grünen und die FDP insbesondere haben eine unsägliche Sozialneiddebatte vom Zaun gebrochen, indem sie wieder behaupten: Die BVGer seien zu viele. Sie verdienten zu viel. Sie arbeiteten zu schlecht. Bei Ausschreibungen sei das Land doch viel besser dran. Viele Köche würden doch im Berliner Nahverkehr einen besseren Kuchen backen. Das gipfelt in der Forderung, der Senat möge in Anbetracht der angekündigten Streiks andere Verkehrsunternehmen mit Aufträgen bedienen. Das ist der Aufruf an den Senat, Streikbrecher zu bestellen und zu organisieren, und das machen wir nicht.

[Henner Schmidt (FDP): Das ist Daseinsvorsorge! – Beifall bei der Linksfraktion]

Wir als Linke und in der Koalition verteidigen das verfassungsmäßig verbriefte Streikrecht ohne Wenn und Aber, und wir bestellen keine Streikbrecher. Wir werden auch den geschlossenen Vertrag mit der BVG nicht schon einen Monat nach Inkrafttreten brechen. Wir werden diesen erfüllen. Wir sind verlässliche Vertragspartner und keine Rechtsbrecher.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]