Grotesk finde ich Ihre Vorschläge zur Rufnummer 112. Die Zahlen in der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage stammen aus dem Jahr 2006. Wir haben pro Jahr eine halbe Million Anrufe abgearbeitet, und in einem Einzelfall ist es einmal zu einer Wartezeit von 15 Minuten gekommen. Das muss man doch in Beziehung zueinander setzen. Das wird gar nicht getan.
Jetzt kommt der Rettungsvorschlag der FDP. Wenn jemand sich in der Warteschleife befindet, dann möge er die
Priorität seines Notrufs selbst durch Eingabe einer Ziffer bestimmen. Da wäre ich gespannt, wie die Berlinerinnen und Berliner, die in einer Notlage die Feuerwehr anrufen, reagieren, wenn dann die Computeransage kommt: Bitte entscheiden Sie selbst, ob Sie die Hilfe etwas früher oder später brauchen. – Das ist weltfremd! Oder wollen Sie – wie wir das inzwischen kennen – ein Call-Center schalten, wo dann gesagt wird: Hier ist Ihre Berliner Feuerwehr. Wenn Ihr Haus lichterloh brennt, drücken Sie bitte die Eins. Sitzt Ihre Katze auf Dem Dach, drücken Sie bitte die Drei. Ist Ihr Haus schon abgebrannt, legen Sie wieder auf, und rufen Sie den Abbruchdienst an. – Nach fünf Minuten Ansage dürfen Sie dann endlich eine Nummer eintippen. Das soll eine Hilfe für Menschen in einer Notsituation sein? Menschen, die schnell Hilfe brauchen, die auch jemanden am Telefon brauchen, der in der Lage ist, sie in ihrer aufgeregten Stimmung zu verstehen, diesen Menschen wollen Sie ein Call-Center oder einen Computer anbieten! Das braucht Berlin nicht. Wenn das Ihre besten Anträge sind, dann überdenken Sie sie noch einmal!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kleineidam! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Luther das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, heute zu diesem Thema zu reden.
X-mal haben wir das Thema im Fachausschuss beraten und mehrfach vertagt. Und nun soll es auch noch im Parlament beraten werden! Ich sage Ihnen, warum das ärgerlich ist.
Wir reden über eine absolute Selbstverständlichkeit für alle Menschen in dieser Stadt, eine Selbstverständlichkeit auch für jeden Abgeordneten. Wir reden darüber, dass die schnelle medizinische Hilfe tatsächlich so schnell wie irgend möglich vor Ort ist. Aber anstatt, dass wir sagen, dass wir das eigentlich alle wollen, spielen wir die Spielchen Opposition gegen Regierung. Nur weil die Opposition es jetzt fordert, sagt die Regierung: Nein, das ist alles falsch, so wollen wir das alles gar nicht.
Was ist eigentlich Schlimmes passiert? – Die FDP hat aufgeschrieben, man möge die Hilfszeiten, die der Rettungstransportwagen – RTW – der Feuerwehr braucht, um zu einem Verkehrsunfall zu kommen, optimieren. Ich frage mich, was an dieser Bitte falsch sein kann. Aber okay! Wir haben gelernt: Politik ist offensichtlich so. Wer etwas fordert, hat noch lange nicht recht, wenn es die anderen nicht haben wollen.
Dabei – die FDP hat recherchiert − stimmen die Zahlen. Natürlich stimmen sie! Sie stammen auch aus der eigenen Verwaltung, aus der Innenverwaltung oder aus der Feuerwehr. Die Zahlen stimmen also. Und wenn das so ist, wäre es eigentlich wirklich an der Zeit, dass auch einmal Regierungsfraktionen, SPD und Linke, über ihren Schatten springen: „Natürlich, machen wir mit!“, könnten sie sagen. – Oder glauben Sie im Ernst, dass bei einem Notruf in der Feuerwehrleitstelle bei einem Herzinfarkt gefragt wird: Gehörst du zur Regierung, zur SPD oder zur Linken? Oder: Bist Du ein CDU-Mann? Oder: Bist du vielleicht ein Grüner? – Nein, das machen sie nicht. Wir alle sind gleichermaßen betroffen. Deshalb ist es einfach nur ärgerlich, dass wir immer wieder darüber streiten müssen, dass die Regierungsfraktionen immer wieder sagen – vor wenigen Minuten wieder gehört –: Das sind Einzelfälle, das ist nur Panikmache. – Das ist es wirklich nicht. Dafür ist dieses Thema zu wichtig.
Ich mache noch eine letzte Anmerkung zu „Panikmache“ und „Einzelfall“. Wenn aus der Statistik der Feuerwehr ein Medianwert herausgelesen wird – ich bin kein Mathematiker, aber der Medianwert ist der Wert, der in der Mitte aller aufgelisteten Werte liegt, der im Regelfall zu erwarten ist – und wenn dieser Medianwert 31 Minuten beträgt, bis der Rettungstransportwagen bei einem Verkehrsunfall, bei einem Herzinfarkt oder bei einem Atemstillstand eintrifft, dann sage ich Ihnen aus medizinischer Sicht – davon verstehe ich mehr als von Mathematik –: Nach 31 Minuten braucht der Rettungstransportwagen in den meisten Fällen gar nicht mehr zu kommen. Oder der Unfall geht für die betroffene Person so schwerwiegend aus, wie er eigentlich nicht hätte ausgehen dürfen.
Es ist einfach nur ärgerlich – und deshalb wollte ich zu diesem Thema nicht reden –, dass immer wieder, wenn aus der Opposition etwas gewünscht oder gefordert wird, nur gesagt wird: Das sind Einzelfälle, das ist Panikmache. – Das sollte man bei solch einem Thema nicht tun.
Lassen Sie uns darüber nicht streiten, denn die Bitte, die ausgesprochen wurde, betrifft uns alle in diesem Haus – Oppositions- wie Regierungsfraktionen gleichermaßen. Und vor allen Dingen würde die Bevölkerung von einer Optimierung der Eintreffzeiten profitieren. Das ist ein Wunsch, den wir alle haben sollten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Luther! – Für die Linksfraktion hat jetzt die Frau Abgeordnete Seelig das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Luther! Mir ging es auch so wie Ihnen: Ich hatte keine Lust, dieses Thema zum wiederholten Male
und zu später Stunde zu beraten. Aber das, was Sie uns vorwerfen, ließe sich ebenso der FDP vorwerfen. Wir reden über Dinge, die eine Feuerwehrführung selbstverständlich von sich aus optimiert.
Die eingebrachten Anträge haben konkrete Inhalte. Wenn wir die konkreten Inhalte für nicht umsetzbar halten, wie beispielsweise den ersten Antrag, in dem die Priorität von den Anrufenden selbst bestimmt werden soll, dann ist das eben so, und dann muss man das auch deutlich sagen. Dieser Vorschlag, dass man den Anrufenden die Möglichkeit gibt, durch das Drücken bestimmter Telefontasten Priorität bei der Entgegennahme des Notrufs zu erreichen, entspricht in keiner Weise der Lebenswirklichkeit, das hat auch schon die SPD gesagt. Natürlich ist ein Herzinfarkt gegenüber einem Wassereinbruch im Keller vorrangig zu behandeln. Dafür hat die Berliner Feuerwehr ein einheitliches Abfrageprotokoll eingeführt, nach dem ausgebildete Fachleute ihre Entscheidungen treffen.
Frau Kollegin Seelig! Wenn Sie die Priorisierung der Notrufannahme als lebensfern bezeichnen, dann haben Sie in den Ausschusssitzungen nicht zur Kenntnis genommen, dass dieses System in vielen europäischen Staaten sehr erfolgreich zum Einsatz kommt.
Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, denn die Bürgerinnen und Bürger sind in ihrer verständlichen Aufregung kaum in der Lage, nicht auch einen Wasserschaden im Keller als prioritär einzustufen und die entsprechende Taste dafür zu drücken. Ich gehe davon aus, dass die anrufenden Bürgerinnen und Bürger in einem Notfall – und nicht nur bei einem Herzinfarkt, sondern auch, wenn wegen eines Wasserschadens die Decke herunterkommt – derartig aufgeregt sind, dass sie immer die Eins drücken. Das ist eine ganz normale menschliche Reaktion. Deswegen wurde auch ein einheitliches Abfrageprotokoll erstellt, damit der Feuerwehrmann in die Lage versetzt wird, bestimmte Schwerpunkte genauer einzuordnen.
Auch Ihr zweiter Antrag, dass die Feuerwehr ihre Schutzziele einhalten können müsse, erübrigt sich aus meiner Sicht. Das Einsatzkonzept 06 wird erst seit dem 1. Februar 2008 umgesetzt. Um die Schutzziele zu optimieren, werden Feuerwehrwachen dabei in Außenbezirke umgesetzt, das haben wir im Innenausschuss bereits besprochen. Im Innenausschuss haben wir auch beschlossen,
dass die Umsetzung des neuen Einsatzkonzepts zunächst zwei Monate lang beobachtet werden soll. Ich weiß nicht, warum wir heute Abend darüber diskutieren müssen. Ich gebe Ihnen allerdings darin recht, dass wir als Innenausschuss die Umsetzung dieses Konzepts, das bei Feuerwehrbeamten insbesondere durch die Umsetzung der EUArbeitszeitrichtlinie für große Aufregung gesorgt hat, eng begleiten müssen. Durch die Neueinstellung von Feuerwehrbeamten sind bestimmte Probleme noch nicht gelöst. Schließlich müssen sie in der Regel erst noch ausgebildet werden. Nur durch diese Begleitung und dann mögliche Optimierung in einigen Monaten, wenn wir überhaupt wissen, wie das ganze Konzept läuft, wird es möglich sein und nicht durch einen Antrag, der heute Abend hier die Ergebnisse vorwegnehmen soll.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Seelig! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte!
Danke, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Seelig! Lieber Herr Dr. Luther! Sie sprechen mir aus dem Herzen, dass man diese Debatte hier heute nicht mehr hätte führen müssen,
aber die FDP hat sie gefordert. Es entspricht wohl einer demokratischen Pflicht, dann hier auch anzutreten.
Da brauchen Sie nicht so zu schreien, Herr Doering, das ist wie im Ausschuss. Dort stellen wir uns auch dem Begehren der FDP.
Herr Jotzo hat ja mit einem recht. Wenn die Berliner Feuerwehr 180 Millionen € im Jahresetat hat, dann kann man bei diesem rot-roten Senat schon vermuten, dass einiges effektiver zu managen ist. Deswegen ist es unsere Pflicht, darauf einmal zu schauen.
Nach meinem Wunsch hätten wir im Ausschuss für Inneres durchaus länger und mehr beraten können. Ich sehe es – verzeihen Sie mir – ähnlich wie die anderen Fraktionen hier im Haus, dass Ihre Anträge höchstens zwei kleine Stückwerke sind, die im Einzelnen die Rettungseinsätze in dieser Stadt nicht optimieren können.
Denn was fordern Sie? – Sie wollen auf der einen Seite die Priorisierung bei Notrufen. Da wurde ein schönes Beispiel genannt. Jemand, der zu Unrecht einen Notruf betätigt, wird es auch in Zukunft machen können. Jemand, der es für ganz prioritär hält, dass sein Auto gerade in der Stadt verloren gegangen ist, wird das für ganz wichtig
halten und dafür die Priorität 1 setzen. Andere Leute werden nicht verstehen, wie sie sich dort durchzuwählen haben. Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, dass Berlin direkt ans Telefon geht. Immerhin waren es im Jahr 2006 236 000 Rettungseinsätze, 28 000 Hilfeleistungen und 8 200 Brandeinsatzbekämpfungen, die mit direkter Hilfe ohne Katastrophe bewältigt wurden.
Wir können von Glück sagen – Herr Jotzo, auf diese Debatte freue ich mich im Innenausschuss –, dass ein Brand wie in der Ufnaustraße mit neun Toten am 9. August 2005 – wir erinnern uns alle –, mit einer Reihe von Vorwürfen, was die Sprachkompetenz und die Einsatzzeiten der Berliner Feuerwehr betrifft, nicht unlängst hier passiert ist. Wir können uns in aller Ruhe der Frage zuwenden, wie gut ausgebildet unsere Feuerwehrbediensteten im Land sind und welche Sprachkompetenzen sie haben.
Es gibt noch eine weitere Forderung, die wir aus grüner Sicht nach Katastrophen, aber auch sonst immer zu etablieren versucht haben. Wir glauben, dass die Menschen, wenn es Feuer gibt und Unfälle mit Toten drohen, etwas brauchen, das nicht das Telefon ist. Denn wenn es bei mir zuhause brennt und ich finde mein Handy nicht oder komme nicht schnell genug zum Telefon, dann gehe ich hinaus auf den Flur und schaffe es vielleicht, im Treppenhaus einen Feuermelder in Gang zu setzen. Diese Forderung haben wir schon vor zwei Jahren erhoben. Auch diese wäre in diesem Zusammenhang denkbar und konzipierbar. Ich glaube, wir sollten diese Debatte im Innenausschuss noch einmal aufrufen und produktiver führen. Dann wird auch Herr Dr. Luther mit all seinem Sachverstand dabeisein. Was dann aber die Koalition macht, ist wie vor Gericht oder auf hoher See. – In dem Sinn danke ich Ihnen!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lux! – Zum FDP-Antrag Drucksache 16/0795 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von CDU und den Grünen auch mit einem neuen Berichtsdatum die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das ist die Koalition. Enthaltungen? – Das sind vier Kollegen der CDUFraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Auch zum FDP-Antrag Drucksache 16/0877 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die CDU und die FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDPFraktion und die CDU-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Die Vorgänge unter den lfd. Nrn. 12 a und 12 b hatten wir bereits mit der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 aufgerufen.