Die Berlinerinnen und Berliner werden nicht noch einmal denjenigen auf den Leim gehen, die öffentliche Gelder in Elitenprojekte mit Dauerzuschuss lenken wollen, wie die derzeitigen Zuschüsse nach Tempelhof. Sie wissen doch ganz genau, dass das nicht anders finanzierbar ist. Und Herr Pflüger, bevor Sie sich gleich wieder aufregen: Mein Name ist nicht Raiko Thal oder Andreas Schneider. Behalten Sie sich einfach im Griff!
Die Berlinerinnen und Berliner werden nicht noch einmal denjenigen auf den Leim gehen, die zurückschauen statt nach vorn, die die Reste der Mauer in den Köpfen für die Reaktivierung von Reflexen als Fundament nutzen wollen, denen nichts wichtiger ist als die pure parteipolitische Machttaktik. Deshalb habe ich überhaupt keine Angst vor dem Volksbegehren um Tempelhof, vor dem Volksentscheid um Tempelhof. Es ist heute ein großer Tag für die Stadt. Darüber freue ich mich. – Danke!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der nunmehr der Kollege Lux das Wort. – Bitte schön!
Werter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein guter Tag für die Stadt, es ist ein guter Tag für die direkte Demokratie, aber vielleicht ist unser Beitrag dazu ein ganz normaler, bescheidener. Ich würde sagen, wir haben mit dem Volksabstimmungsgesetz unsere Hausaufgaben erledigt, auch konsensual. Das ist für einen Grünen auch immer Zeit, Danke zu sagen. Mit uns ist die Zusammenarbeit – wie zu Recht betont wird – oft ein bisschen schwieriger; gerade wenn es um ein urgrünes Thema wie direkte Demokratie geht, da sind wir nicht nur nervig, sondern zum Teil unausstehlich, und diese Unausstehlichkeit haben Sie ertragen,
Aber diese Zusammenarbeit bei dem urgrünen Anliegen – mehr direkte Demokratie – waren wir den Berlinerinnen und Berlinern schuldig. Wir sind im Dezember 2006 groß gestartet, da war angekündigt, dass es gleich zu Mitte letzten Jahres erledigt wird. Wir haben sehr lange gebraucht. Ich glaube, letztendlich lag es daran, dass sich die SPD selbst nicht einig ist, wie viel direkte Demokratie
sie will und wie leicht sie die direkte Demokratie machen will. Es hat ziemlich lange gedauert, bis die SPD klargekommen ist.
Aber: Wir sehen die Erfolge. Heute um 18 Uhr schließen die Bürgerämter und sammeln die letzten Listen für das Volksbegehren Tempelhof ein. Die Initiative „Berliner Wassertisch“ für die Aufdeckung der Verträge mit den Wasserbetrieben zieht die ersten Erfolge ein, hat über 30 000 Stimmen, und „Pro Reli“ ist auf einem guten Weg. Man sieht: Berlin hat Lust auf mehr direkte Demokratie, Berlin will mehr direkte Demokratie, und deshalb ist es richtig, dass wir als Parlament sagen: Macht es den Leuten leicht, mehr direkte Demokratie praktizieren zu können.
Mit dem Abstimmungsgesetz haben wir etwas vorzuweisen. Ich betone es auch noch einmal: die freie Sammlung. Zum Glück ist die SPD von dem üblen Vorhaben abgegangen, den Personalausweis – –
Liebe SPD! Den Personalausweis! „Darf ich einmal Ihre Unterschrift haben! Ich möchte hier gern gegen das neue ASOG eine Unterschrift haben. Darf ich einmal Ihren Personalausweis dafür sehen?“ Wie absurd ist das denn, was Sie dort gefordert haben? – Das war absurd. Davon sind Sie zu Recht abgerückt. Ich lobe es auch. In Zukunft wird die freie Sammlung möglich sein. Es wird hoffentlich mit Downloads im Internet funktionieren. Es wird also leichter sein, und auch die Transparenz für die öffentlichen Haushalte ist gewährleistet. Insofern haben wir zusammen ein gutes Ergebnis erzielt.
Eines haben wir nicht geschafft. Ich will es nicht zu hoch hängen, aber die Kostenerstattung wäre schon richtig gewesen, und sie wäre auch demokratisch richtig gewesen, denn im Kern haben sie vier Parteien dieses Hauses getragen, nur die SPD nicht. Ich sage auch nicht, dass das ganz unsachlich ist, weshalb Sie diese Kostenerstattung nicht wollen, aber sie wäre doch symbolisch gewesen, auch wenn jetzt ein Volksentscheid zu Tempelhof ansteht. Nehmen Sie doch einmal die Realität wahr und erkennen, dass ähnlich wie bei einer Wahl Kosten bis zu 1 Million € auf die öffentlichen Haushalte zukommen werden, allein um die Wahl durchzuführen. Aber um die ICAT jetzt für das erfolgreiche Volksbegehren zu entschädigen, wären 25 500 € drin gewesen.
Um einen Volksentscheid zu entschädigen, wären 50 000 € drin gewesen. In diesem Verhältnis – Herr Dr. Felgentreu! – wäre auch diese geringe Kostenentschädigung drin gewesen. Das haben Sie nicht gemacht, und deshalb habe ich gesagt und halte nach wie vor daran fest: Die SPD ist „tempelhofisiert“. Die SPD ist unter dem Eindruck dieses Tempelhofs-Volksbegehrens – oh, die Konservativen kommen aus ihren Löchern und wollen mit
Geschichtsbewusstsein für einen Geschäftsflughafen mit popeligen 80 Flugbewegungen am Tag kämpfen – zusammengezuckt. Da kommen Sie nicht aus den Pötten und wollen nicht einmal 70 000 € für gute Sachen, für ein erfolgreiches Volksbegehren, einen erfolgreichen Volksentscheid lockermachen. Das ist doch lächerlich, meine Damen und Herren von der SPD!
Ja! Für die Trägerin des Volksbegehrens Tempelhof hat Herr Dr. Lederer im Rechtsausschuss die Kostenentschädigung gefordert. Er saß dort und hat gesagt: „Eine Träne rollt mir aus dem Knopfloch, dass das die SPD nicht mitmacht. Ich bin so traurig, aber froh, dass ich diszipliniert bin und die Koalitionsräson nicht gefährde.“ – Das war die Haltung Ihres Parteivorsitzenden, und das können Sie sich gern in der Realität zu Gemühte führen.
Ich darf meine letzten 20 Sekunden nutzen, um einen Appell zu starten: Liebe SPD! Lieber Dr. Felgentreu! Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Kommen Sie doch endlich einmal hervor. Wir schließen den Flughafen. Wir rufen die Berlinerinnen und Berliner zur Wahl auf. Sie sollen sich entscheiden. Wir werden es schaffen. Wir werden den Flughafen mit diesen 80 Flugbewegungen, der den Standort Berlin gefährdet, schließen. Wir Grüne waren für direkte Demokratie, und zwar nach dem Grundsatz: Wir wollen sie auch, wenn wir nicht immer gewinnen. Was das Begehren zu Tempelhof angeht, werden wir es gewinnen. Also, liebe SPD, aufwachen!
Danke schön, Herr Kollege Lux! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zum Antrag der FDP Drucksache 16/0831 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen CDU und FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen – die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich komme zur Beschlussvorlage 16/0787. Ich lasse zuerst über den Änderungsantrag der Oppositionsfraktionen Drucksache 16/1180-1 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt. Einstimmig empfehlen die Ausschüsse die Annahme der Beschlussvorlage Drucksache 16/0787 unter Berücksichtigung der Änderungen durch die Beschlussempfehlung Drucksache 16/1180 einschließlich der Anlagen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen, dann ist das Gesetz zur Anpassung abstimmungsrechtlicher Vorschriften und begleitender Regelungen gemäß den Drucksachen 16/0787 und 16/1180 angenommen.
Nun haben wir noch über den Antrag der Oppositionsfraktionen Drucksache 16/0690 abzustimmen. CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bitten wegen der soeben beschlossenen gesetzlichen Regelung darum, diesen Antrag für erledigt zu erklären. – Widerspruch höre ich dazu nicht, damit ist der Antrag Drucksache 16/0690 erledigt.
Das Gesetz war schon vorab an die Ausschüsse für Bildung, Jugend und Familie überwiesen worden. Die nachträgliche Zustimmung des Hauses hierzu stelle ich fest.
Ich eröffne die I. Lesung, zu der die Reden zu Protokoll gegeben werden oder worden sind. – Ich schließe den Tagesordnungspunkt damit ab.
Diese Änderung des Schulgesetzes ist ein erster Endpunkt nach einer langen Debatte in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften, Runden Tischen und nicht zuletzt im Beirat Gemeinschaftsschule.
Welchen Vorlauf hatte diese Gesetzesänderung? – Wir haben die Einrichtung einer Pilotphase Gemeinschaftsschule in die Koalitionsvereinbarung geschrieben. Auf SPD-Seite ist diese Entscheidung durch zahlreiche Landesparteitagsbeschlüsse gestützt. Was wollen wir inhaltlich mit der Gemeinschaftsschule? – Wir wollen die Grundidee einer „Schule für alle“ verwirklichen, unabhängig von ethnischer, sozialer oder kultureller Herkunft. In keinem Land ist die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungsabschluss so hoch wie in Deutschland. Deshalb hoffen wir, mit der Gemeinschaftsschule mehr Chancengleichheit zu erreichen. Dabei soll die Heterogenität als Chance begriffen werden. Es ist nicht mehr möglich, Schülerinnen und Schüler „abzuschulen“, d. h. sie bei Nichterreichen eines Leistungsniveaus auf die nächstniedrigere Schule zu schicken. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich vielmehr um jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler kümmern.
Warum muss das Schulgesetz geändert werden? – Die Pilotphase Gemeinschaftsschule ist mehr als ein reiner Schulversuch. Dem wird in dem neuen § 17a Rechnung getragen. Was steht nun genau in diesem neuen Paragrafen? – Zunächst ist es uns wichtig, dass alle Beteiligten von der Pilotphase überzeugt sind, deshalb soll die Schulkonferenz mit einer Zweidrittelmehrheit einen Beschluss herbeiführen. Dies steht im ersten Absatz.
Im Gegensatz zu reinen Schulversuchen sind die Genehmigungen für die Gemeinschaftsschulen unwiderruflich, damit diese Schule eine gewisse Planungssicherheit über die Legislaturperiode hinaus haben. Dies steht im zweiten Absatz.
Die Absätze 3 und 4 definieren die Grundsätze der Gemeinschaftsschule, wobei hier der wichtigste Punkt ist, dass die Sekundarstufe I sich nicht in unterschiedliche Bildungsgänge aufspaltet.
Im fünften Absatz finden sich die wichtigsten Neuerungen: kein Probehalbjahr, kein Sitzenbleiben und keine äußere Fachleistungsdifferenzierung.
Das Gesetz wurde vorab in den Schulausschuss überwiesen. Hier fand eine interessante Debatte statt. Nach Auswertung der Anhörung werden wir abschließend beraten und dann das Gesetz hoffentlich zeitnah in II. Lesung im Plenum beschließen.
Heute fällt vielen ein Stein vom Herzen: Der PDS fällt ein Stein vom Herzen, weil sie es geschafft hat, ihr Gemeinschafts-/Einheitsschulexperiment auf den Weg zu bringen. Senator Zöllner fällt ein Stein vom Herzen, dass er das Experiment nur auf elf Schulen begrenzen konnte. Dem Regierenden Bürgermeister fällt ein Stein vom herzen, dass nun Gemeinschaftsschulen anstatt Einheitsschulen eingeführt werden, obwohl niemand den Unterschied erklären kann. Nur 750 Schulen wundern sich über so viel Glückseligkeit angesichts der dramatischen Probleme des Berliner Schulsystems. Die Schulen kämpfen mit dem täglichen Unterrichtsausfall, der Brutalisierung der Gewalt, der zunehmenden Frustration vieler Lehrer, dem Zerfall vieler Schulgebäude, dem Umsetzen der zahlreichen schlecht vorbereiteten Reformen … Das Letzte, was die Berliner Schule jetzt brauchte, war eine neue Schulform.
Nach der Hauptschule, der Realschule, der Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe, der Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe, der verbundenen Haupt- und Realschule und dem Gymnasium soll es nun eine siebente Schulform geben. Anstelle eines sinnvollen Wettbewerbs zwischen pädagogischen Profilen wird der sinnlose Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Organisationsformen weiter forciert. Und was steckt hinter Ihrer Gemeinschaftsschule? – Sie planen so eine Art linkes Paradies aus überkommenen pädagogischen Vorstellungen des Jahres 1968 und verbrämten DDR-Einheitsschulidealen. Sie denken, alle Kinder sind gleich, und deshalb werden alle Kinder schlicht nebeneinander gesetzt, völlig unabhängig von ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten. Dauerhafte Leistungsdifferenzierung wird an den Gemeinschaftsschulen per Gesetz ausgeschlossen und Sitzenbleiben verboten. In der Anhörung des Bildungsausschusses sagte der Erziehungswissenschaftler und Präsident der Freien Universität Berlin, Prof. Lenzen, es brauchte
12 Jahre, bis man Ihr Gemeinschaftsschulexperiment wissenschaftlich seriös auswerten könnte. Meine Damen und Herren, um es ganz deutlich zu sagen: Weder können sich die Schülerinnen und Schüler der elf Gemeinschaftsschulen ein zwölfjähriges Experiment leisten, noch können wir es uns leisten, die restlichen 750 Schulen sich selbst zu überlassen.
Fragen Sie sich doch einmal selbstkritisch, warum CDU, FDP, Grüne und auch der Philologenverband und der Verband Bildung und Erziehung aus Ihrem Beirat ausgetreten sind. Sicher nicht, weil wir meinen, es sei alles in Ordnung und jede Reform überflüssig. Nein, diese Reform ist überflüssig, sie lenkt ab von den wahren Problemen, und sie hilft den 750 Schulen eben kein Stück.
Noch etwas zur Wahrheit, ob es der Einstieg in die flächendeckende Einführung eines neuen Schulsystems ist: Sie wollen langfristig die Gymnasien abschaffen; das müssen alle Berlinerinnen und Berliner wissen.