Protocol of the Session on November 8, 2007

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Liebich! Wo Sie recht haben, haben Sie recht. – Jetzt sehe ich ihn gerade nicht, er hört nicht zu. Es macht nichts.

Dass die Fraktion Die Linke dieses Gesetz zu ihrer Priorität erhoben hat, ist nur konsequent, spiegelt dieses doch Gesetz vollkommen wider, was für eine Wirtschaftspolitik wir in den vergangenen Jahren in dieser Stadt gehabt haben. Rot-Rot will geradezu mit einer satanischen Lust

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Genau!]

immer mehr in die Unternehmen hineingreifen, um ihnen Vorschriften zu machen. Rot-Rot schafft mehr Bürokratie, statt sie endlich abzuschaffen, wir hatten heute schon bei der sogenannten Umweltzone darüber diskutiert. Das gilt auch für die zu erwartenden Ausnahmegenehmigungen vom Anschluss- und Benutzungszwang.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Was, es gibt Ausnahmegenehmigungen?]

Rot-Rot – und das stimmt auch – ist konsequent auf dem Weg zu immer mehr sozialistischer und unsozialer Staatswirtschaft.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wo hat man das denn? Das kann man nur im Westen sagen!]

Das wollen Sie zementieren.

[Beifall bei der FDP]

Die Senatsvorlage hat diese zwei Schwerpunkte, die Sie erwähnt hatten: erstens die Zementierung des Staatsmonopols der BVG mit den negativen Folgen für Preis und Serviceentwicklungen, zweitens den Anschluss- und Benutzungszwang für das Wasser mit den negativen Folgen nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern – darauf hatte ich an anderer Stelle schon hingewiesen – auch mit einem nicht messbaren, aber durchaus vorhandenen Imageschaden für den Wirtschaftsstandort Berlin. Wie

hoch der sein wird, wird man nicht bemessen können. Dass er aber da ist, gerade wenn Sie alle letzten kleinen Freiheiten, die diese Stadt ihren Unternehmen noch gewährte, im Zug der Allgemeinpolitik auch noch wegnehmen, ist offensichtlich. Damit schlägt man in der Politik die falsche Richtung ein.

Im Einzelnen zur BVG ein paar Anmerkungen: Diese Vorlage schafft Ihnen die Legitimation, die BVG in Form einer Direktvergabe ohne europaweites Vergabeverfahren zu beauftragen. Dazu werden Sie einen Verkehrsvertrag machen. Wie der aussehen wird, können wir erahnen, aber wir werden ihn abwarten. Ob Sie die EU-Vorgaben wirklich umgesetzt haben, nämlich eine geografische Begrenzung vorzunehmen, wage ich zumindest zu bezweifeln, denn Sie sagen selbst, die BVG solle im Wesentlichen in Berlin tätig sein. Ob das ausreicht, werden unter Umständen Gerichte entscheiden müssen. Sie werden uns sicherlich in der einen oder anderen Ausschusssitzung erklären, wie Sie mit den Beteiligungen der BVG in Dresden und Köln in Zukunft umzugehen gedenken. Trennen Sie sich davon? Was machen Sie damit? Wir sind überzeugt, nur im Wettbewerb werden vernünftige Fortschritte in der Preispolitik, aber auch in der Servicepolitik erreicht. Wenn wir die BVG nicht in den Wettbewerb stellen, wird das perspektivisch zulasten der Steuerzahler gehen.

[Beifall bei der FDP]

Sie gehen genau den umgekehrten Weg. Statt endlich die BVG wettbewerbsfähig zu machen und sie in den Wettbewerb zu entlassen, motten Sie sie weitere 12 Jahre ein.

[Beifall bei der FDP]

Der Anschlusszwang dokumentiert Ihre Marktwirtschaftsferne und Ihre wirkliche Liebe zur sozialistischen Gleichmacherei gut. Es ist schon zynisch, wie Sie in der Senatsvorlage argumentieren. Sie sprechen vom öffentlichen Wohl, das einen Anschlusszwang zeitigen lässt. Dieses öffentliche Wohl müssen Sie erst einmal darstellen. Stattdessen wissen Sie genau, dass es erhebliche Mehrkosten für diejenigen gibt, die jetzt davon betroffen sind, gerade in der Pharma- und Lebensmittelindustrie. Aber wir haben uns vorhin unterhalten: Das gesamte Reinigungsgewerbe ist mittlerweile aus Berlin schon so gut wie verschwunden. Wenn sie nicht nach Polen gehen, gehen sie zumindest nach Brandenburg. Unternehmensverlagerungen werden anstehen. Der Presse nach zu urteilen, werden sich auch die Brauerein überlegen, ob sie in Zukunft den Standort Berlin weiter bedienen können oder nicht, wenn sie gezwungen sind, Trinkwasser und nicht selbst gefördertes Grundwasser zu verwenden.

Ich hatte auf den Imageschaden schon hingewiesen. Ich halte dies für einen der wesentlichen Punkte, die der Wirtschaftsstandort zu verkraften hat.

Die Ausnahmegenehmigungen, die Sie hier erwähnen, reichen uns nicht aus, weil Sie auf eine Rechtsverordnung verweisen, die uns nicht vorliegt. Wir wissen nicht, nach welchen Kriterien sie gegeben werden und wieso nur bis

zu neun Jahren. Warum ist 2023 endgültig Schluss mit Ausnahmegenehmigungen? All das können wir nicht nachvollziehen. Wir hoffen, dass wir im Ausschuss mehr Informationen bekommen. Wir erwarten, dass wir die Rechtsverordnung von Ihnen vorgelegt bekommen, damit wir wissen, wie sie umgesetzt werden soll. Wir freuen uns auf die Ausschussberatung. Ich glaube, es ist verständlich, wenn ich nur darauf hinweise: Die FDP-Fraktion trägt eine solche Gesetzesinitiative natürlich nicht mit! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Alles andere hätte uns gewundert!]

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie an den Hauptausschuss. Widerspruch zu dieser Überweisung höre ich nicht. Dann wird so verfahren.

Wir kommen zur Priorität der Fraktion der Grünen

lfd. Nr. 4 b:

Antrag

Projekt 17 Deutsche Einheit zum Ausbau der Wasserwege qualifiziert abschließen

Antrag der Grünen Drs 16/0933

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 27. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Frau Kubala, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie wird konsequent umgesetzt.“ – Das haben sich SPD und PDS/Linke in den Koalitionsvertrag geschrieben. Es zeichnet sich jetzt deutlich ab, dass mit dem Ausbau von Havel und Spree gegen diese Wasserrahmenrichtlinie verstoßen wird. Zu diesem Ergebnis sind vor vielen Jahren schon die Umwelt- und Naturschutzverbände gekommen. Aber zu diesem Ergebnis sind jetzt auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Senatsverwaltung für Umwelt gekommen. Dennoch hält die Koalition an diesem unsinnigen, überdimensionierten und umwelt- und naturzerstörenden Projekt fest.

[Christian Gaebler (SPD): Stimmt doch gar nicht!]

Wir fordern den Senat auf, das Projekt 17 jetzt zu beenden.

[Beifall bei den Grünen]

Die massive Kritik an diesem WasserstraßenausbauProjekt haben Umwelt- und Naturschutzverbände immer wieder zu Recht vorgetragen. Es ist überdimensioniert,

zerstört Umwelt und Natur, und es ist nicht mehr zeitgemäß. Es geht am Bedarf der Binnenschifffahrt vorbei.

[Beifall bei den Grünen]

Kritik an dem Projekt 17 haben jetzt auch die beiden Senatsverwaltungen mit ihren Stellungnahmen im aktuellen Planfeststellungsverfahren vorgetragen. Die Senatorin für Stadtentwicklung kritisiert in ihrer Stellungnahme, dass der Vorhabenträger bereits 2004 und 2005 vorgetragene Belange des Natur- und Artenschutzes nicht berücksichtigt hat. Sie kritisieren darüber hinaus, dass mehrfach angeforderte Gutachten zum Natur- und Artenschutz vom Vorhabenträger nicht vorgelegt wurden. Die Senatorin für Stadtentwicklung kritisiert zudem, dass keine Planungsvarianten zu dem jetzt vorliegenden Planungsentwurf vorgestellt wurden, z. B. die einspurige Befahrung durch Schiffe von Havel und Spree und nicht wie jetzt geplant die zweispurige.

Massive Kritik an diesem Projekt kommt ebenfalls aus der Senatsverwaltung für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Die Wasserbehörde ist hier für Berlin die Einvernehmensbehörde, die das Einvernehmen zwischen den Beteiligten in Berlin herstellen muss. Sie hat in ihrer Stellungnahme massive Kritik an diesem Projekt vorgetragen.

Ich zitiere aus der Stellungnahme:

Mit der vorliegenden Planung werden die Belange der Wasserrahmenrichtlinie nicht in dem erforderlichen Maße berücksichtigt.

Das ist das Fazit der Wasserbehörde.

Es wird gegen das Fischereigesetz verstoßen, der ökologische Zustand wird gefährdet, und die von der Bundesbehörde vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen sind nicht akzeptabel. Zudem sollen 1 000 Bäume entlang der Spree gefällt werden. Das hat Auswirkungen auf den Naherholungsraum der Spree und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Wasserqualität. So lautet die Stellungnahme der Umweltbehörde.

Last, but not least: Die Kritik an diesem Projekt kommt auch aus der Koalition selbst. Zu Recht beklagt Herr Buchholz, der umweltpolitische Sprecher der SPD, öffentlich, dass die mit dem Projekt verbundene Verschwendung öffentlicher Steuermittel nicht akzeptabel ist. Das Projekt wurde in den 90er Jahren geplant, und es ist nicht mehr am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet. Es ist überdimensioniert, zerstört Natur und Umwelt und kostet unendliche Steuermittel, die hier im wahrsten Sinne des Wortes versenkt werden.

[Beifall bei den Grünen]

Er kritisiert zu Recht, dass man 2,3 Milliarden € für Schiffe investiert, die gar nicht kommen werden. Trotz dieser massiven Kritik aus den Senatsverwaltungen und aus der Koalition selber hält die Koalition an diesem Projekt weiter fest und stellt Mittel in Millionenhöhe in den Haushalt

2008/2009 und in die Folgehaushalte ein, um den Brückenbau für Projekt 17 zu finanzieren.

Herr Buchholz! Das muss doch auch Ihnen selbst schizophren vorkommen, dass Ihre Koalition die Kritik, die aus fachlicher Sicht und auch von Ihnen selbst vorgetragen wird, rundherum negiert und den Ausbau von Havel und Spree entschlossen durchziehen will.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie Ihre eigene Kritik ernst, und beenden Sie endlich dieses Projekt! Sie haben jetzt die Chance. Ende November läuft die öffentliche Anhörung zum Planfeststellungsverfahren. Wenn die Einvernehmensbehörde – also die Wasserbehörde – das Einvernehmen nicht herstellt und gegenüber dem Vorhabenträger – der Wasser- und Schifffahrtsdirektion – sagt: „Nein, dieses Projekt 17 wollen wir im Land Berlin nicht haben.“, dann bleibt der Wasser- und Schifffahrtsdirektion nur die Möglichkeit zu klagen, und das ist dann das sichere Aus für dieses Projekt von vorgestern.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Kollegin, würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Herr Präsident! Ein Abschlusssatz: Mich erinnert dieses Projekt fatal an den Börsengang der Bahn. Niemand will ihn, aber keiner hat den Mut, das auch zu sagen, damit man diesem Irrsinn endlich ein Ende macht.

[Beifall bei den Grünen]