Auch wenn das jetzt in die Untiefen der Arbeitsmarktpolitik geht – zwei Dinge kann ich mir leider nicht verkneifen, weil es mir reicht mit den rot-roten Märchen in der Arbeitsmarktpolitik.
Zum Ersten, Herr Wechselberg: Sie erzählen nicht nur uns, sondern auch der „taz“, die 50 Millionen € für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor seien eine rot-rote Errungenschaft. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die rot-rote Errungenschaft ist, von weit über 100 Millionen € für Arbeitsmarktpolitik, die wir 2001 hatten, auf 50 Millionen € herunterzukürzen. Das ist Ihre Errungenschaft in der Arbeitsmarktpolitik, Kürzungen und nichts anderes!
Zum Zweiten: Ihr famoser öffentlicher Beschäftigungssektor ist eine Mogelpackung. 350 Stellen als Modellprojekt – nice to have, das ist nicht strittig. Angesichts von 30 000 Ein-Euro-Jobs, die Mehrheit davon in Lichtenberg und Marzahn, meine lieben Damen und Herren von der Linkspartei, und eines Personalabbaus von über 15 000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung ist das jedoch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, da ist nichts erkennbar auf dem heißen Stein. Das ist eine Veräppelung der Leute, und das wollte ich so einfach nicht stehenlassen.
Ich bitte um Nachsicht, Herr Präsident. – Aber was soll eigentlich dieser Grad an Erregung auf Ihrer Seite, Frau Kollegin Pop? – Ich glaube, das hat Sie ungeheuer geärgert, dass wir bei den Koalitionsverhandlungen gesagt haben, wir wollen ein Modellprojekt mit 2 500 Stellen im öffentlichen Beschäftigungssektor schaffen, und dann haben Sie die ganze Zeit darauf spekuliert, dass uns das nicht gelingt.
Und dann vereinbaren wir uns mit der SPD um das Vierfache – da hat Sie wahrscheinlich geradezu der Schlag getroffen. – Das ist doch wunderbar. Aber wir finanzieren das doch entsprechend gegen. Da findet doch eine Berliner Leistung statt,
die nicht selbstverständlich für ein Land in unserer Lage ist. Es würde helfen, wenn Sie das einmal zu Kenntnis nähmen. – Dann, sage ich Ihnen, sollte man sich auch nicht leichtfertig darüber hinwegsetzen, was das an politischer Bedeutung hat, wenn ein solcher öffentlicher Beschäftigungssektor entsteht. Wenn wir in Berlin den Nachweis antreten werden – das wird uns ja gelingen –, dass sinnvolle Beschäftigung in einem solchen zweiten Sektor möglich ist – das wird auf Ihrer Seite wieder ungläubige Empörung auslösen –, ist es doch wunderbar,
wenn sich das mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zusammenfindet, wie sie die Bundesregierung plant. Das finde ich großartig. Was soll ich dagegen haben? – Aber wir aus Berliner Perspektive leisten eben auch einen erheblichen Beitrag, und es wäre schön, wenn Sie das nicht ignorieren würden. – Danke schön!
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Sich über die historischen Entwicklungen zu unterhalten, wie es dazu gekommen ist, dass Berlin in diese prekäre haushaltspolitische Situation gekommen ist, lohnt sich grundsätzlich nicht. Daran wird jeder einen gewissen Anteil haben.
Ich bin auch überzeugt, dass die Regierung von Herrn Diepgen durchaus Möglichkeiten gehabt hätte, etwas früher Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise im Bereich des Personalabbaus.
Aber ich finde es unerträglich, wenn ausgerechnet ein Vertreter derjenigen Partei, die maßgeblich historisch dafür Verantwortung zeichnet, dass diese Stadt in diesen Zustand gekommen ist, ausgerechnet Sie, Herr Wechselberg, von der umetikettierten SED, PDS oder wie sich Ihr Club im Jahreswechsel auch nennen mag, der CDU vorwirft, hauptsächlich und allein für die Haushaltssituation verantwortlich zu zeichnen – das ist unerträglich und eine Unverschämtheit. Das muss man ganz klar sagen.
Es ist Ihre Partei, die historisch dafür Verantwortung trägt, dass diese Stadt eingemauert wurde und nach unten gewirtschaftet worden ist. Das muss man ganz klar sehen, bevor man zum Haushalt im Einzelnen kommt.
Das Zweite, was ich eingangs bemerken möchte, ist das, was der Kollege Esser gesagt hat – mit der ruhigen Hand. Das ist wahr, Herr Sarrazin. Ich habe gehört, Sie haben das gestern im Hauptausschuss gesagt: „Das ist ein Haushalt der ruhigen Hand.“ – Sie sollten sich schon überlegen, wie es Politikern Ihrer Partei ergeht, die Dinge mit ruhiger Hand erledigen wollen. Damals, als Schröder das sagte, ging es denen auch noch ganz gut. Zwei Jahre später war dann Schluss.
Genau darum geht es heute. Sie enthalten sich jeder Politik in diesem Haushalt. Sie glauben, Sie können sich durch quasi fremd verdientes Glück aus dem Staube machen, in Berlin noch Politik zu betreiben. Da muss man natürlich betrachten, wie die Haushaltskonsolidierung mit Ihren Leistungen zusammenhängt. Wenn wir dann anschauen, dass die Verpflichtungsermächtigungen um 453,9 Millionen € von 2007 zu 2008 gestiegen sind und die Ausgaben auch um 319 Millionen € und dass die Verpflichtungsermächtigungen zu 2009 sogar um 3,4 Milliarden € steigen sollen, dann sehen wir, dass die Haushaltskonsolidierung mit allen möglichen Sachen zu tun hat, aber nicht mit einem strikten Sparkurs auf der Aufgabenseite. Den haben Sie spätestens 2003 verlassen. Ihr erster Doppelhaushalt hatte noch anerkennenswerte Bemühungen, gerade im Bereich des Personalabbaus, aber seit dieser Zeit haben Sie ausnehmend nur noch Glück gehabt. Vor einem Jahr standen Sie vor dem Bundesverfassungsgericht und haben herumgejammert. Seitdem haben Sie die Früchte geerntet, die woanders verdient werden.
Dann stellen Sie mal Ihre Frage, und dann können wir hier fortfahren. – So, das klappt nicht, dann fahre ich fort.
Es ist ausnehmend nur fremdes Glück. Es ist konjunkturell, es ist die Mehrwertsteuererhöhung, und dazu, Kollege Pflüger, muss ich Ihnen sagen: Als Christdemokrat muss man, wenn es um Grundsteuer und Grunderwerbsteuer geht, ein bisschen kleinere Brötchen backen. Ihr habt den Leuten, auch den kleinen Leuten, mit der Mehrwertsteuererhöhung frech in die Tasche gegriffen.
Dazu sind dann noch die Grundsteuer- und Grunderwerbsteuererhöhung gekommen. So setzt sich dieses Glück zusammen.
Wenn Sie glauben, dass dieses Glück ein quasi kontinuierlicher Zustand ist, Herr Sarrazin, dann müssen Sie nur lesen, was IWF und andere Prognosen zum leichten Einbrechen der konjunkturellen Entwicklung sagen. Es ist nicht seriös, dauerhaft mit drei Prozent Wirtschaftswachstum zu kalkulieren. Das ist auf Sand gebaut, das sind keine Kassandrarufe, sondern das ist eine klare Sache. Dies wird so nicht eintreffen. Allerdings ist eines auch ganz klar: Lottoglück ist auch Glück. Deswegen gilt es gar nicht, etwas mies zu machen. Wir freuen uns, dass der Haushalt in die Situation gekommen ist, in der er sich heute befindet. Aber, Herr Wechselberg – der Senator räumt ein, dass das Geld woanders verdient wird –, wenn
Es sind Solidarpaktmittel, es ist der Länderfinanzausgleich, und es sind Steuererhöhungen. Nichts, aber auch gar nichts, was Sie zu verantworten haben, trägt zu diesem Glück bei. Ganz im Gegenteil. Sie benehmen sich wie „Lotto-Lothar“. Der hat im Lotto Glück gehabt, sich die Taschen damit gestopft, aber nichts unternommen, um seine prekäre finanzielle Situation zu bereinigen, weiter Geld ausgegeben, und irgendwann saß er wieder dort, wo er vor dem Lottoglück saß. So wird es auch hier gehen, wenn wir nicht diese günstige finanzielle Situation nutzen, um unsere Ausgaben, unsere Struktur in Berlin so zu modernisieren, dass sie auch unabhängig vom Glück, unabhängig vom Finanzausgleich, unabhängig vom Solidarbeitrag der anderen Länder und vor allen Dingen auch unabhängig davon, dass andere Länder hauptsächlich den wirtschaftlichen Beitrag in Deutschland erbringen, solide und robust werden. Hierzu fehlt jede Antwort in diesem kümmerlichen Haushalt.
Natürlich heißt es, wir seien Miesmacher, wenn man Ihnen die Rahmendaten der Berliner Wirtschaft unter die Nase hält. Das hat der eigene Finanzsenator gemacht, da kann ich mir fast einen Teil meiner Rede sparen, indem er die Sozialausgaben – das sind Folgen Ihres wirtschaftspolitischen Versagens – Ihnen unter die Nase gehalten hat. 44,5 Prozent der erwerbsfähigen Berliner hatten im Jahr 2006 einen sozialversicherungspflichtigen Job in der Stadt. Auf 100 Ausbildungswillige kommen 84 Ausbildungsplätze. Das ist die Situation in der Stadt. Wir haben mit 13,2 Prozent Alg-II-Empfängern den absolut höchsten Satz in diesem Land. Jeder fünfte Berliner ist auf Transferleistungen oder Alg I angewiesen. Diese Situation ist verbunden mit einer rapiden Kinder- und Jugendarbeitslosigkeit und -armut. Das sind die Probleme und Herausforderungen der Stadt. Hierzu haben Sie nichts anzubieten und der Finanzsenator nichts gesagt, was Sie unternehmen, um diese wirtschaftlichen Defizite in der Stadt zu bekämpfen. Das einzige, was passiert, ist, dass Herr Zöllner die Kinder- und Jugendarmut als Tragödie bezeichnet. Wenn man so lange Ressortverantwortung für den Zustand der Kinder und Jugend trägt, dann ist diese Aussage tragisch, aber nicht der Gesamtzustand eine Tragödie. [Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Scholz (CDU) und Carsten Wilke (CDU)]
Es ist absurd, Herr Wechselberg, wenn Sie sagen: Wir nutzen der Stadt nichts, aber wir schaden ihr auch nicht. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie Sie in der Bertelsmann-Studie abschneiden, können wir doch nur zu dem Ergebnis kommen, dass Sie massiv schaden. Berlin hat sich abgekoppelt von der wirtschaftlichen Entwicklung
Das ist nicht schlechtreden, sondern das Referieren von Zahlen, die weder von der FDP, weder der CDU noch von irgendwelchen sonstigen Instituten kommen, sondern das sind die Zahlen, die unabhängige Institute zusammengetragen haben.
Wir brauchen eine Strukturreform, wir müssen die Dinge anpacken. Das Erste ist natürlich der Personalabbau. Es ist übrigens lustig, dass Sie selbst 102 000 Beschäftigte abbauen wollen. Als wir das vor drei, vier Jahren gefordert haben, waren wir die böse, neoliberale FDP.
Jetzt wollen Sie das selbst. Der Unterschied ist nur, dass wir durch Verwaltungsreform, Bürokratieabbau und eine neue, klare Struktur dieses Ziel erreichen wollen, Sie hingegen die Verwaltung lediglich ausbluten.
Hinterher wundern Sie sich dann, dass Sie gerade hinsichtlich wirtschaftlicher Ansiedlungen einer der größten Hemmschuhe in dieser Stadt geworden sind.
Wir brauchen Investitionen. Da ist es müßig, erneut auf das Thema Tempelhof zu verweisen. Aber wenn Sie sich ansehen, wie der Regierende Bürgermeister mit einem der größten, internationalen Multiplikatoren, Herrn Lauder, umgegangen ist, dann kann man zu Tempelhof stehen, wie man will, aber man muss sich nicht wundern, wenn man international vom Investitionszettel heruntergenommen wird. Darüber muss man sich nicht wundern, wenn Herr Lauder so schäbig behandelt wird, wie ihm dies durch die hiesige Regierung widerfahren ist.