Protocol of the Session on May 10, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entspannte Finanzlage – entspannte Debatte. Die Rede wird vom Kollegen Nolte zu Protokoll gegeben. Ich würde aber gern ein paar Sätze sagen.

Meine Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen! Eine nachhaltige Haushaltspolitik, das ist auch unser Ziel. Allerdings sind wir mit dem Weg der WNABudgets, den Sie vorschlagen, an der Stelle nicht ganz einverstanden, und ich kann zumindest vor dem Hintergrund dem Antrag nicht zustimmen. Allerdings die Schwerpunkte, die Sie setzen und einfordern – das ist unserer Meinung nach der richtige Weg. Daher gilt: Nicht das Ziel, sondern der Weg zum Ziel ist aus unserer Sicht das Problem bei dem Antrag. Ihr Modell ist im Kern immer noch ein inputorientiertes Modell in der wissenschaftlichen Entwicklung, das den Schwerpunkt auf die Mittelverteilung legt. Allerdings überdehnt das aus unserer Sicht ein Stück weit die Funktion der Finanzpolitik in die Regierungspolitik. Man muss zunächst einmal festlegen, wo die Schwerpunkte sind. Dass hier zu wenig passiert ist und Berlin immer noch in der wirtschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt, ist sicherlich ein Ergebnis der visionslosen Politik des rot-roten Senats. Darin dürften wir Oppositionsfraktionen uns sicherlich einig sein.

Angesichts der immer noch prekären Finanzsituation mit Blick auf die Verschuldung und die Entwicklung der Zinslasten halten wir es nach wie vor trotz guter konjunktureller Situation für notwendig, dass wir ein effizienzorientiertes Modell zur Haushalts- und Finanzsteuerung einführen. Der theoretische Ansatz des WNA-Modells ist allerdings aus unserer Sicht dafür noch nicht geeignet, weil er in dem Fall immer nur schaut, wie viel Geld wir hineinstecken. Wir schauen nicht, dass wir auch mit viel Geld im Zweifel schlechte Leistung beziehen. Insofern halten wir das nicht für zielführend.

Einige Beispiele will ich nennen. – Erstens: Die in der Diskussion stehenden Hauptgruppen – das hat Herr Esser schon ausgeführt – sind immer noch nicht ordentlich genug abgegrenzt und sind keine ausreichende Grundlage für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Abgrenzung der entsprechenden Geldströme. Das Gleiche gilt, dass die Kosten, die dort hineinfließen, z. B. Personalkosten, immer unterstellen, dass diese entsprechend produktiv sind im Sinn der Ziele. Auch das ist ein Manko, an dem man sicherlich arbeiten muss. Last but not least handelt es sich um rein kameralistische Finanzdaten, die ebenfalls noch Ungenauigkeiten aufweisen.

Aus unserer Sicht – das ist die Forderung, an der wir gern gemeinsam mit Ihnen arbeiten wollen – sollten nicht lediglich Auszahlungen betrachtet werden, sondern die Vollkosten, die für die entsprechenden Maßnahmen entstehen, die politisch gewünscht sind, und am Ende des Tages ein gezieltes Erfolgscontrolling, sprich die Wirkung der eingesetzten Haushaltsmittel muss überprüft werden.

Wir sind in Berlin vielleicht deutlich weiter, als manche denken, denn wir haben relativ ordentliche und bereits technisch unterstützte Steuerungsinstrumente. Wir haben eine Kosten- und Leistungsrechnung, die in den Bezirken mit reichlich Erfahrung unterlegt ist. Wir können in diese Kosten- und Leistungsrechnung Qualitätsziele – was Sie in Ihrem Antrag unter Punkt 1 schreiben – mit einbeziehen.

Und wir könnten die Budgetierung von den Bezirken auf die Hauptverwaltung ausweiten. Also, wir können viel mehr als wir tun. Herr Sarrazin irrt, indem er hier die Kosten- und Leistungsrechnung als ein effizientes Instrument einfach links liegen lässt. Unsere Meinung ist: Nutzen wir doch diese Instrumente! Nutzen wir das gemeinsam, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der FDP, um in den anstehenden Haushaltsberatungen darauf zurückzugreifen und ein vernünftiges Alternativmodell zur Haushaltssteuerung aufzubauen. – Ich lade Sie recht herzlich dazu ein und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brauner! – Da die Linksfraktion auf ihren Redebeitrag verzichtet, hat jetzt Herr Thiel von der FDP-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es sehr schade, Kollege Nolte, dass Sie Ihre Rede zu Protokoll geben. Das verlängert oder verkürzt nicht unsere Lebenszeit, wie Sie sich ausdrückten – ich hoffe, sie bleibt gleich lang. Aber dadurch habe ich keine Chance zu hören, warum Sie diesen Antrag ablehnen werden.

Herr Brauner, ich habe Ihnen zugehört. Nur, so richtig verstehe ich nicht, was denn dagegen spricht, den Einstieg zu wagen. Mal zur Erinnerung: Wir hatten in der letzten Legislaturperiode die Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“. Wir haben über zwei Jahre lang über die Fraktionsgrenzen hinweg intensiv und, wie ich finde, sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Vielleicht war es auch deswegen so angenehm, in dieser Kommission mitarbeiten zu dürfen, weil die Öffentlichkeit weitestgehend ausgeschlossen war und man sich auf die Sach- und nicht auf

die Darstellungsebene konzentrieren konnte. Für mich war es ein sehr nachhaltiges Erlebnis.

Wir hatten eine gemeinsame Ausgangslage: Wir hatten die Finanzsituation unserer Stadt vor Augen und damit verbunden die Haushaltskonsolidierung, sofern sie überhaupt möglich sein kann. Uns kam ein Ansatz zu Hilfe, auf den der Kollege Esser hingewiesen hat, der von dem Finanzwirtschaftlichen Forschungsinstitut der Uni Köln entwickelt worden ist und der unter dem ein bisschen sperrigen Namen „wachstums- und nachhaltigkeitswirksame Ausgaben“ bekannt wurde. Wir haben sehr intensiv darüber diskutiert. Wenn ich mich nicht ganz täusche, kam dieser Input durch die Expertin Prof. Färber in die Kommission, die auf Ticket der SPD in dieser Kommission saß.

Worum geht es dabei? – Es geht dabei darum, Zukunftsinvestitionen – ökologisch, ökonomisch und sozial – so zu formulieren, dass sie nachhaltiges Wirtschaftswachstum generieren. Die Ergebnisse dieser Studie, in drei Punkten zusammengefasst, sind sehr nachvollziehbar und einfach. – Erstens: In einer entwickelten Struktur ist der Erhalt und die Pflege der vorhandenen Infrastruktur immer zu unterstützen, weil jede Form von verschobenen Infrastrukturerhaltungsmaßnahmen die teuerste Form der Nettoneuverschuldung ist. Wer ein praktisches Beispiel sehen will, muss nur durch unsere Straßen gehen. Statt sie instand zu halten, wird die Verkehrsgeschwindigkeit reduziert, bis zur Fußgängerzone.

Auch das Zweite ist, denke ich, zwischen uns gar nicht strittig, ich glaube, das hat man auch in anderen Debatten schon gemerkt, das ist die Investition ins Humankapital. Übersetzt heißt das: Von der Kita über die Schule hin bis zur Ausbildung zum Studium und – für viele neu, weil schwierig sich vorzustellen – auch die Investition in so etwas wie lebenslanges Lernen. Diese Punkte bedeuten Wachstum und Wohlstand, der sich darauf aufbauen kann.

Ein dritter Punkt: Interessant ist in dieser Studie gewesen, dass Investitionen ins Gesundheitswesen nicht nur eine Investition ins Humankapital darstellen, sondern auch ein starker Impuls für wirtschaftliches Wachstum sind. – Das sind die grob zusammengefassten Ergebnisse.

Dann haben sich wieder über die Fraktionen hinweg die Kolleginnen und Kollegen Gedanken gemacht: Können wir diesen Ansatz für uns hier und heute in irgendeiner Form nutzen? – Es wurde festgestellt und verwiesen auf die einzelnen Haushaltstitel, dass etwa ein Drittel unseres Haushalts sich bereits heute diesen Kriterien zurechnen lässt. Wenn wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, durch bewussten, gezielten Mitteleinsatz Wirtschaftswachstum zu fördern und zukünftige Neuverschuldungen möglichst zu vermeiden und zu verhindern, dann ist das ein Einstieg in diese Richtung.

Kollege Brauner, es ist nicht so, dass wir ein fertiges Konzept haben müssen, um das umzusetzen, sondern wir brauchen den Mut zu einem Einstieg. Es ist bestimmt richtig, Herr Nolte, wenn Sie sagen, in der jetzigen Haushaltssituation werde es sehr schwierig, das umzusetzen. Aber mit diesem Totschlagargument kann ich auch etwas so lange auf die lange Bank schicken, bis es sich von selbst erübrigt, weil niemand es mehr berücksichtigt. Ich kann nur die Kolleginnen und Kollegen, die damals dabei gewesen sind, die mitgearbeitet haben, aber auch alle anderen, die in der letzten Legislaturperiode diese Enquete mit Wohlwollen unterstützt und begleitet haben, einladen, noch einmal kritisch nachzudenken, ob wir nicht diese Chance ergreifen sollten. Ich werbe deswegen ausdrücklich für die Unterstützung des Antrags der Grünen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP, den Grünen und der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thiel!

Der Hauptausschuss empfiehlt zum Antrag Drucksache 16/0303 mehrheitlich gegen die Grünen und die FDP bei Enthaltung der CDU die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion und die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe. – Das ist die Koalition. Enthaltungen? – Das ist die CDU-Fraktion. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 14:

a) Beschlussempfehlung

Unternehmen Schule I – Schulleitung stärken

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/0454 Antrag der CDU Drs 16/0289

b) Beschlussempfehlung

Schulsekretariate angemessen ausstatten

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/0453 Antrag der CDU Drs 16/0290

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. Das ist die CDU, und Herr Steuer steht bereit. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist die Schule in Berlin im Jahr 2007 eine preußische Lehranstalt oder eher ein kleines Unternehmen? Diese Frage gilt es zu beantworten.

Mit dem neuen Schulgesetz haben die einzelnen Schulen in Berlin eine Vielzahl neuer Freiräume erhalten. Sie sollen sich ein Profil geben, Kinderbetreuung organisieren,

sich dem sozialen Umfeld öffnen, mehr für den Gesundheitsschutz tun. Außerdem erhalten die Schulen nun bei Interesse eigene Personalmittel zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls. Sie sollen Reparaturen selbst durchführen und können mit Unternehmen kooperieren, um Werbeeinnahmen zu erhalten. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Eines wird klar: Die Schulleitungen bekommen immer mehr Zuständigkeiten und Kompetenzen, aber viele fühlen sich überfordert, und zwar inhaltlich und zeitlich.

Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion bei der Einführung des Schulgesetzes vor einigen Jahren, als viele Schulleiter ein Problem damit hatten, diese neuen Zuständigkeiten zu bekommen. Sie fühlten sich als Gleiche unter Gleichen, und sie fühlten sich auch nicht reif, diese unternehmerische Tätigkeit wahrzunehmen. Zu was führte das? – Sicher zu viel Engagement bei vielen Schulleitern. Deshalb läuft es an vielen Schulen auch gut, aber insgesamt ist das keine professionelle Herangehensweise.

Als Ergänzung der Theorie des Schulgesetzes brauchen wir deshalb dringend konsequente Managementschulungen der Schulleitungen und eine ausreichende Freistellung der Schulleiter und stellvertretenden Schulleiter. Außerdem braucht jede Schule ein funktionierendes Sekretariat und Hausmeister. Das sind die „Basics“ eines kleinen Unternehmens und nichts obendrauf.

Das Studienkolleg der Stiftung der deutschen Wirtschaft fordert nun das Lehramtsstudium mit einem praxisorientierten Qualifizierungsangebot und besondere Stipendien aus Mitteln des Ministeriums für Bildung und Forschung. Zukünftige Lehrerinnen und Lehrer haben dort die Chance, schon während des Studiums Kompetenzen für pädagogische Führungsaufgaben in der Schule zu erwerben. Ziel dieses Programms ist es, angehende Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Entwicklung zu einer pädagogischen Führungskraft zu unterstützen.

Aber dies reicht nicht aus. In Berlin sind das nur wenige Plätze, und es stehen auch nur etwa 20 Plätze für die Fortbildung der bereits im Amt befindlichen Schulleitungen zur Verfügung. Das reicht hinten und vorne nicht. Die Fortbildung und die Ausbildung von qualifiziertem Schulleiterpersonal muss zum Programm gemacht werden.

[Beifall bei der CDU]

Die Koalition hat aber unseren Antrag abgelehnt. Sie ist offenbar der Auffassung, dass hier alles in Ordnung ist. Sie ignoriert damit auch die Qualifizierungsfunktion von Schulleitungen und glaubt, es ginge nur um Verwaltung. Sie suchen die Ursachen für die PISA-Ergebnisse in der Schulstruktur und beruhigen sich selbst mit diesem Märchen. Die Ursachen für das schlechte Abschneiden in Deutschland, in Berlin liegen eben nicht in der Struktur, liegen nicht außerhalb der Schule, sondern innerhalb einer Schule. Sie liegen in den Fragen: Was passiert in der Schule, wie motiviert sind Schüler, Lehrer und Eltern, also alle am Bildungsprozess Beteiligten?

Ich bin mir sicher, den Abgeordneten der Koalition sind die Augen übergegangen, als sie 2003 erstmalig eine finnische Schule betreten haben und sich wie in einer anderen Welt fühlten. Das ist wahr. Die finnische Schule ist eine andere Welt, und zwar nicht, weil sie eine Einheitsschule ist, sondern weil sie in sich anders strukturiert ist und ganz anders funktioniert. Sie treffen hier motivierte Lehrer, interessierte Schüler, strukturierte Prozesse und eine motivierte und professionell arbeitende Schulleitung. In Finnland ist es eine Selbstverständlichkeit für die Schulleitung, Personalmanagement zu betrieben, Personal zu bewerten, einzustellen und zu entlassen. Der Staat erwartet dort von Lehrern, Schülern und Schulleitung Leistungen, aber er ist auch bereit, die notwendige Unterstützung zu geben. Das und nichts anderes haben wir von Ihnen gefordert.

Die Berliner Schulen brauchen alle erdenkliche Unterstützung anstelle ständiger Ablenkungsmanöver durch reine Strukturdebatten und – wie heute wieder durch eine Pressemitteilung des Bildungssenators deutlich wurde – halbherzig, unstrukturiert und isoliert vorgetragener und auf den Weg gebrachter Gemeinschaftsschulexperimente. Darauf können die Schulen in Berlin verzichten. Sie brauchen eine gute Ausstattung. Sie brauchen Ruhe, Stabilität und Unterstützung.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Dr. Tesch.

[Özcan Mutlu (Grüne): Bitte mal was Neues!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Mutlu! Da sprechen Sie mir aus der Seele.

[Mieke Senftleben (FDP): Özcan! Du machst was falsch!]

Diesem Tagesordnungspunkt liegen nämlich zwei Beschlussempfehlungen des Ausschusses zugrunde, und wir haben die ursprünglichen Anträge im Ausschuss lange diskutiert. Ich weiß gar nicht, warum wir das im Plenum noch einmal tun müssen, zumal dies manche Kolleginnen und Kollegen nur peripher interessiert.

[Beifall bei der SPD – [Özcan Mutlu (Grüne): Ihnen ist die Situation in den Schulen egal – uns nicht!]

Positiv ist anzumerken, dass es sich wenigsten nur um zwei Anträge handelt und ich nicht nur fünf Minuten Zeit habe, um zu acht Anträgen zu sprechen.

Den ersten Antrag empfehlen wir abzulehnen. Das hat Herr Steuer schon richtig erkannt, aber nicht aus den Gründen, die Herr Steuer hier angibt, sondern aus ganz praktischen. Er beschäftigt sich mit den Schulleitungen

und schlägt vor, ein Qualifizierungsprogramm für diese einzurichten. Wir wollen ihn ablehnen, nicht weil wir dagegen sind, sondern weil er durch Verwaltungshandeln bereits erledigt ist. Es gibt nämlich am LISUM schon diverse Qualifizierungsmaßnahmen für Schulleitungen.