Wir kommen zur Abstimmung über den FDP-Antrag „Regierungserklärung durch den Regierenden Bürgermeister zu einer Entschuldungsinitiative für Berlin“. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank! Wer ist gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich? – Mit einer knappen Mehrheit ist der Antrag abgelehnt.
[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – Lars Oberg (SPD): Unparlamentarisch! – Christian Gaebler (SPD): Das ärgert Sie richtig. Stimmt’s?]
Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung.
Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Abgeordnete Grosse. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt etwas Erfreuliches: Die Wirtschaft zieht an. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind gut gefüllt. Das ist schon so gut wie seit langem nicht mehr der Fall und gilt auch für die kleinen und mittleren Unternehmen. Es wird wieder Personal eingestellt. Das sind die Schlagzeilen, die wir in letzter Zeit vernehmen konnten.
Auch in Berlin macht sich die gute Konjunktur bemerkbar, meine Damen und Herren von der Opposition, auch wenn es Ihnen nicht so richtig passt. Auch in Berlin wird wieder eingestellt. Und wenn Sie hier immer etwas anderes behaupten, so ist es schlichtweg falsch.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Rainer-Michael Lehmann (FDP): Das ist nicht Ihr Verdienst!]
Herr Lehmann! Sie kommen danach doch sicherlich auch an die Reihe. Dann können Sie sagen, wessen Verdienst es ist. Ich glaube kaum, dass es das Verdienst der FDP ist.
Damit auch die Langzeitarbeitslosen, die älteren und die jungen, daran teilhaben können, müssen aber die Jobcenter gut aufgestellt sein. Der Aufbau, der zwei Jahre lang gedauert hat, muss endlich vollzogen sein. Es muss Qualität in die Jobcenter einziehen. Die Kundenunzufriedenheit lässt leider nicht nach, insbesondere im Leistungsbereich, was Widersprüche und Klagen mit sich zieht. Das muss und darf nicht sein. Das muss abgestellt werden.
Zur Erreichbarkeit der Qualität gehört erstens, dass das Personal in den Jobcentern an die erhöhte Zahl der Bedarfsgemeinschaften endlich angepasst wird. Dabei müssen alle Möglichkeiten, Mitarbeiter aus dem Stellenpool über Außeneinstellungen einzustellen, genutzt werden. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Mitarbeiter aus dem Stellenpool nicht zu rekrutieren sind. Darüber müssen wir noch einmal gesondert sprechen.
Zweitens muss das Problem der befristeten Arbeitsverträge gelöst werden, um eine personelle Katastrophe zu verhindern. Hier geht mein Appell an die Senatorin, sich vehement dafür einzusetzen, dass dies in Berlin nicht passiert. Drittens müssen ausreichende Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der Jobcenter durchgeführt werden.
Mit einem weiteren Antrag der Koalition wollen wir erreichen, dass sich die Serviceleistungen der Jobcenter verbessern. Dazu gehört ganz einfach die telefonische Erreichbarkeit. Es kann nicht sein, dass die Kunden ihren Ansprechpartner nur über das Servicecenter, nicht aber persönlich telefonisch erreichen können. Damit werden auch Warteschlangen erzeugt. Wir müssen einheitliche Öffnungszeiten der Jobcenter sowie eine bessere Betreuung der Menschen mit Behinderung erreichen. Wir brau
Auch bei anhaltendem Konjunkturaufschwung und zunehmender Zahl der Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt wird es uns aber nicht gelingen, alle Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Deswegen werden wir in Berlin einen öffentlichen Beschäftigungssektor umsetzen. Dazu hat die Koalition einen detaillierten Antrag vorgelegt, der die Koalitionsvereinbarung noch einmal untermauert. Der Senat hat nun die Pflicht, diesen öffentlichen Beschäftigungssektor auszugestalten und Konzepte dazu vorzulegen. Die CDU hat dazu ebenfalls einen Antrag eingebracht, mit dem wir uns aber zunächst im Ausschuss beschäftigen werden. Dann werden wir entscheiden, ob er zu diesem Zeitpunkt noch notwendig ist, wovon ich noch nicht so richtig überzeugt bin.
Vielmehr würde ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, bitten, sich auf der Bundesebene dafür einzusetzen und den Appell an Ihre Abgeordneten zu richten, damit endlich das Hunderttausender-Programm zum Laufen kommt.
Die beiden Anträge der Fraktion der Grünen werden wir ablehnen, weil die Arbeit der Jobcenter bereits sehr transparent ist. Gerade in der letzten Ausschusssitzung lag uns die Maßnahmeplanung aller Jobcenter sowie der letzte Stand der Mittelbewirtschaftung vor. Das Controlling und auch die Vergleichbarkeit sind bereits umgesetzt und somit nicht nur bedingt möglich, wie Sie in Ihrem Antrag ausführen. Über die Einrichtung einer Ombudstelle sind wir lange hinaus. Wir wollen eine Beschwerdestelle, die bei der zuständigen Senatsverwaltung eingerichtet wird. Die dort eingegangenen Beschwerden versetzen uns dann in die Lage, entsprechende Forderungen an die Jobcenter zu stellen, um Fehlverhalten abzustellen.
Mit den Anträgen der Koalition sind wir auf dem richtigen Weg. Wir werden nicht nachlassen, die Situation der arbeitslosen Menschen in Berlin zu verbessern. Rot-Rot wird das schon schaffen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD! Mit einer erneuten Debatte wird der Inhalt Ihrer Anträge, die Sie, Frau Grosse, am 22. März mir gegenüber als Zitatausfluss von zwei Jahren Umsetzung des Reformprozesses der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe bezeichnet haben, auch nicht besser. Wenn das so ist, sind diese Anträge, die sich in erster Linie mit der
Heilung von Defiziten in der Arbeitsorganisation und in der Arbeitsweise der Arbeit der Jobcenter befassen, eine wahrlich traurige Bilanz der Umsetzung der Arbeitsmarktreformen in Berlin. Das machen wir Ihnen zum Vorwurf. Erst jetzt, nachdem die Opposition von Anfang an die Facilität des Senats in diesen Fragen angeprangert hat, haben Sie die Kraft gefunden, sich wenigstens pro forma um die öffentliche Diskussion zur Verbesserung der Arbeit der Jobcenter einzuschalten. Eine politische Leistung, auf die Sie stolz sein können, ist das wahrlich nicht. Im Gegenteil! Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen: Rot-Rot drückt sich vor der politischen Verantwortung. Rot-Rot drückt sich vor den politischen Entscheidungen, und Rot-Rot drückt sich sogar vor der eigenen Courage.
Ich nenne Beispiel 1, die Wahrnehmung kommunaler Verantwortung. Ich kann Ihrerseits nur einen halbherzigen Versuch feststellen, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen umfassend inhaltlich zu verbessern. Sie gehen in keinem Ihrer Anträge darauf ein, wofür der Senat als Kommune selbst verantwortlich ist.
Herr Kollege Hoffmann, der Kollege Kohlmeier von der SPD-Fraktion hat den Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.
Das muss nicht sein. – Wo bleibt Ihr Einfluss, Vermittlungshemmnisse bei langzeitarbeitslosen Menschen schneller abzubauen und notwendige Beratungen in guter Qualität ausreichend und ohne große Wartezeiten zur Verfügung zu stellen? Wo bleibt Ihr Einfluss bei der Verbesserung der Situation der Schuldnerberatung, der psychosozialen Betreuung, der Klienten, der Familienberatung, der Mieterberatung und vor allem der Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit von jungen Menschen? Das gleiche gilt für die schon lange versprochene Rahmenvereinbarung gemäß SGB II § 44b, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Inzwischen gibt es ein Rollenpapier des zuständigen Bundesministeriums, das Sie aller weiteren schwierigen Entscheidungen enthebt. Sie müssen sich deshalb die Frage gefallen lassen, ob Sie bewusst Strukturen geschaffen haben, mittels derer Sie sich möglichst der direkten Verantwortung entziehen können.
Ich komme zu Beispiel 2, dem Antrag zur Serviceleistung. Hier setzen Sie sich geradezu für ein zentralistisches Regime in allen Jobcentern ein, ohne dafür auch nur im Ansatz Ideen zu entwickeln, wie dies politisch begleitet werden könnte. Sie wissen nur allzu gut, dass ohne entsprechende Grundsatzentscheidung diese Forderungen zwar verständlich und für die Klienten in gewissem Maß wünschenswert sind, doch durch die Eigenständigkeit jedes einzelnen Jobcenters jedoch nur schwer umsetzbar sein werden.
Danke! – Sie drücken vor den damit zusammenhängenden Problemen und sind nicht bereit, wie beispielsweise in Hamburg andere Wege zu gehen. Dort gibt es nur ein Jobcenter als übergeordnete Einrichtung mit in Bezirken angesiedelten Geschäftsstellen. Das hat viele Vorteile, unter anderem die, schneller und leichter Entscheidungen für bestimmte Zielgruppenbedarfe, unter anderem für Menschen mit Behinderungen, treffen zu können sowie politisch direkter Ansprechpartner für die regionale Agentur zu sein, um so auch über Arbeitsmarktinstrumente direkter Schwerpunkte setzen zu können.
Ich komme zum Beispiel 3, öffentlicher Beschäftigungssektor. Bereits vor Monaten hat Ihre Senatorin verkündigt, dass bereits zum 1. Juli dieses Jahres der öffentliche Beschäftigungssektor in Berlin gemäß den Übereinkünften Ihrer Koalitionsvereinbarung etabliert sein soll. Dazu gibt es immer noch mehr Fragen als Antworten. Für wen genau mit welchem Ziel mit welchen Modalitäten und welchen zeitlichen Aspekten wollen Sie eigentlich Landesmittel einsetzen? Wir werden den Eindruck nicht los, dass die politische Spitze selbst nicht so recht weiß, wohin es gehen soll. Über Ihre Ziele und Zielgruppen haben Sie offenbar neben dem Parlament auch noch die Agentur im Dunkeln gelassen. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag dazu auf, mehr Licht ins Dunkel und damit mehr Transparenz in Ihr Vorhaben zu bringen. Das sind Sie nicht nur dem Parlament, sondern auch der Öffentlichkeit schuldig. Viel Zeit bis zum angekündigten Termin, Frau Knake-Werner, bleibt Ihnen nicht mehr. Die bisherige fruchtlose Politik zeigt jedenfalls, dass auch Arbeitsmarkt nicht Ihre Stärke zu sein scheint. – Vielen Dank!