Drucksache 16/0001-3: Änderungsantrag aller Fraktionen, Stichwörter: „Zusammensetzung des Ältestenrates“
Drucksache 16/0001-4: Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion, Stichwörter: „Reihenfolge der Fraktionen“
Es liegen insgesamt vier Wortmeldungen vor. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen bitten, sich an eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zu halten, wie dies im Ältestenrat vereinbart worden ist. Es beginnt die Fraktion der FDP.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass eine Geschäftsordnung von einem neu gewählten Parlament im Großen und Ganzen unverändert übernommen wird, ist sicherlich keine Bequemlichkeit, sondern Ausdruck dafür, dass sich eine alte Geschäftsordnung im Großen und Ganzen bewährt hat. Deswegen sollten wir trotzdem für Veränderungen und insbesondere für Verbesserungen offen sein. Wenn es Fehlentwicklungen im parlamentarischen Bereich gibt, wird eine Veränderung der Geschäftsordnung sogar zum Gebot.
Unser erster Geschäftsordnungsantrag auf Drucksache 16/0001-1 fällt unter das Stichwort „Verbesserung“, nämlich Verbesserung der Parlamentskultur im Berliner Abgeordnetenhaus. Wir schlagen Ihnen vor, die Geschäftsordnung dahin gehend zu verändern, dass der Vorsitz im Hauptausschuss der Opposition zusteht.
Das bedeutet praktisch: sicherlich der größten Oppositionsfraktion. Wir Liberalen reden hier nicht pro domo. Diese angestrebte Geschäftsordnungsregelung entspricht einem langgeübten Parlamentsbrauch im Deutschen Bundestag und in vielen Landesparlamenten, für den es sehr gute Gründe gibt. Das Budgetrecht des Parlaments ist eines der vornehmsten Rechte des Parlaments. Mit diesem Recht sind umfangreiche Kontrollbefugnisse verbunden. Gerade in der jetzigen prekären Haushaltssituation ist es von besonderer Wichtigkeit. Es ist so wichtig wie noch
Jedoch ist das Kontrollbedürfnis der Regierungsfraktionen oftmals weniger ausgeprägt als das Schutzbedürfnis dieser Fraktionen ihrer Regierung gegenüber. Koalitionsvertreter sind daher oftmals geneigt, den über den Ausschussvorsitz vermittelten Einfluss auf die Verhandlungsführung im Hauptausschuss zu nutzen, um Kontrollbemühungen der Opposition zu schwächen. Das kann sich Berlin nicht leisten. Wer keinen Sparkommissar von außen will, der muss größtmögliche Haushaltskontrolle im Parlament sicherstellen. Das geht nur durch und mit der Opposition.
Vielen Abgeordneten der PDS wird dieser Antrag sicherlich bekannt vorkommen. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Ja, es ist genau der gleiche Antrag, den Sie hier an dieser Stelle vor fünf Jahren gestellt haben.
[Vereinzelter Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Sibyll-Anka Klotz (Grüne): Genau! – Uwe Doering (Linksfraktion): Und den Sie abgelehnt haben! – Heiterkeit]
Zuvor hatten diesen Antrag schon die Grünen zu Beginn der 13. Wahlperiode gestellt. Ja, meine Damen und Herren von der PDS! Ihr Vertreter, Herr Dr. Nelken, hat damals auch genau die gleiche Begründung gegeben, die ich jetzt gerade vorgetragen habe. Ich darf Ihnen vorlesen, was Herr Dr. Nelken damals in Richtung Grüne sagte:
Ich denke, dass den Grünen auch jetzt in der Regierung ihre alten Vorsätze nicht abhandengekommen sind.
Ich sagen Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS: Sie haben heute Gelegenheit, zu beweisen, dass Ihnen Ihre Grundsätze und Vorsätze nicht abhandengekommen sind, wo Sie selbst in den Senatssesseln sitzen.
Unser zweiter Änderungsantrag auf Drucksache 16/0001-2 fällt unter das zweite Stichwort, nämlich „Korrektur von Fehlentwicklungen“. In den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses werden vielfach bestimmte Anträge nicht auf die Tagesordnung gesetzt, oder sie werden, wenn sie auf der Tagesordnung stehen, mit Mehrheit abgesetzt. Das hat zu einer Praxis geführt, dass oftmals Oppositionsanträge in diesem Hause gar nicht mehr beraten werden. Sie „versacken“ in den Ausschüssen – ohne Beratung – und fallen inhaltlich dann der Diskontinuität zum Opfer. Diese Praxis ist nicht nur respektlos, sondern auch verfassungswidrig. Das Antragsrecht der Abgeordneten und Fraktionen begründet einen Anspruch darauf, dass sich das Parlament mit einem Antrag befasst, dass es einen Antrag berät und darüber durch Annahme oder Ablehnung einen Beschluss fasst. Wir beantragen daher, die Geschäftsordnung dahin gehend zu ändern, dass Anträge
spätestens nach einem halben Jahr im federführenden Ausschuss abschließend beraten werden müssen, wenn dies die antragstellende Fraktion wünscht.
Abschließend noch ein Wort zum Änderungsantrag von SPD und PDS: Ihr Antrag ist inhaltlich nicht zu beanstanden, aber für uns gilt das, was Herr Dr. Lindner auch bereits vor fünf Jahren an dieser Stelle gesagt hat:
Wir akzeptieren nicht, dass man an einer konkreten parlamentarischen Situation einen Geschäftsordnungsantrag festmacht, nämlich daran, wie jetzt gerade die Mehrheitsverhältnisse aussehen und welche Koalitionen möglicherweise entstehen.
Deshalb werden wir Ihren vom Eigennutz geprägten und gegen die Grünen gerichteten Antrag ablehnen. – Vielen Dank!
Herr Alterspräsident! Meine Damen und Herren! Kurz zu mir – Sie erlauben mir zwei Sätze: Mein Name ist Dirk Behrendt. Ich bin neu in diesem Haus – direkt gewählt im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg 2 – und von Hause aus Richter, zuletzt am Verwaltungsgericht in Berlin. Daher hat mich meine Fraktion ausersehen, zur Geschäftsordnung zu sprechen.
Zunächst zu dem Antrag, den wir eingebracht haben – Stichwort „Missbilligungen“: Nicht dass wir heute schon die Regierung missbilligen wollten, sondern hierbei handelt es sich eine Folgeänderung. Sie erinnern sich, dass die Wahl der Senatsmitglieder verändert worden ist. Das – wie wir finden – schöne Recht des Parlaments, nämlich jeden einzelnen Senator und jede einzelne Senatorin zu wählen, ist abgeschafft worden. Es wird nur noch der Regierende Bürgermeister gewählt. – Das geschieht wahrscheinlich im November. Wir sind gespannt. – Aber auch bei der Abwahl hat es eine Änderung gegeben. Wir hatten versucht, in den betreffenden Verhandlungen durchzusetzen, dass zumindest noch die Abwahl einzelner Senatorinnen und Senatoren ermöglicht wird. Bei der Verfassungsänderung konnten wir uns damit aber nicht durchsetzen. Deswegen wollen wir jetzt zumindest die Möglichkeit eröffnen, dass missbilligt werden kann. Das bezieht sich auf die Amtsführung bzw. die Verantwortlich
Wir wollten zusätzlich noch, dass eine geheime Abstimmung über die Missbilligungsanträge stattfindet, damit man feststellen kann, wie hoch und wie weit die guten Pferde springen. Damit konnten wir uns jedoch nicht durchsetzen, und deswegen verzichten wir vorerst darauf. Der jetzt vorliegende Antrag sieht also eine offene Abstimmung über die Missbilligungsanträge vor. Wir werden sehen, ob sich dieses Verfahren bewährt. Man kann die Geschäftsordnung ja auch noch während der laufenden Legislatur ändern. Wir haben keinen Zweifel, dass wir trotz der guten Dagmars und der guten Michaels und all der anderen, die im Gespräch sind, Anlass haben werden, von diesem Instrument womöglich Gebrauch zu machen. Wir hoffen im Interesse des Wohles der Stadt, dass wir das nicht allzu häufig nutzen müssen.
Zum Vorsitz im Hauptausschuss hat der Kollege von der FDP dankenswerterweise schon vieles Richtige gesagt. Auch ich hatte mir die Rede des ehemaligen Kollegen Nelken herausgesucht, wo er dies begründet hat. Es wurde auch schon richtigerweise gesagt, dass es ursprünglich ein Antrag der Grünen war – vor zwei Legislaturperioden –, dass die Opposition den Vorsitz stellen sollte. Damit wäre nach dem Zugriffsrecht die CDU dran, den Hauptausschussvorsitz zu stellen. Es ist ein vornehmes Recht der Opposition, den Hauptausschussvorsitz zu übernehmen, um das Haushaltsrecht des Parlaments auch verfahrensrechtlich abzusichern. Wir bedauern außerordentlich, dass die Linke sich nicht mehr daran erinnert, dass sie diesen Antrag, solange sie noch Opposition war, gut fand und dass sie ihn jetzt plötzlich nicht mehr so gut findet. Wir appellieren an Einzelne – Sie kennen die Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus –, sich daran noch zu erinnern und die Legislaturperiode mit einem Entgegenkommen in Richtung der Oppositionsfraktionen zu eröffnen.
Noch kurz zu den anderen Anträgen, die vorliegen: Die Bearbeitungsfrist von sechs Monaten für Anträge halten wir für eine gute Regelung. Wir werden den betreffenden Antrag der FDP unterstützen.
Dann gibt es noch einen weiteren Geschäftsordnungsantrag zur Zusammensetzung des Ältestenrates. Der soll wie das Präsidium zusammengesetzt sein. Es geht um die Frage, wie man die Präsidenten und die Vizepräsidenten anrechnet. Wir halten das für eine sinnvolle Regelung und unterstützen das.
Es bleibt der Antrag von Linkspartei und SPD. Der Kollege der FDP sagte schon etwas dazu, wie damit umzugehen sei, dass wir nun 23 Sitze haben und die Linkspartei ebenfalls. In der letzten Legislaturperiode war die Lage ähnlich. Da waren die FDP und wir gleich stark. Wir finden die Entwicklung, die sich mit der letzten Wahl ergeben hat, positiv.
Wir werden sehen. – Die Frage ist, wie man bezüglich der Reihenfolge damit umgeht. Die bisherige Regelung sah einen Losentscheid vor. Ein Fraktionskollege sagte, diesen solle man beibehalten, weil es im Parlament davon so wenige gibt. Die Linkspartei schlägt nun plötzlich vor, man solle dies anhand der Zweitstimmen regeln. Da liegt die Linkspartei noch vor uns. – Aber auch das kann sich noch ändern. – Das ist offensichtlich eine interessengeleitete Regelung. Wir wundern uns, dass plötzlich diese Idee geboren wurde und nicht bereits beim letzten Mal, als Ihre eigene Fraktion nicht betroffen war. Man kann das so regeln. Es gibt Landesparlamente, die das tun, aber auch andere. Es wird Sie nicht wundern, dass wir an der alten Regelung festhalten wollen und deshalb den Antrag ablehnen werden. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege Behrendt! – Nun hat der Kollege Gaebler von der SPD-Fraktion das Wort. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer schön, die neue Legislaturperiode mit einer Geschäftsordnungsdebatte zu beginnen. Die Geschäftsordnung ist wichtig, weil sie unser Miteinander in den nächsten Jahren regelt. Deshalb fand ich es als Einstieg nicht so gut, dass der Kollege von der FDP offensichtlich Zweifel an der Arbeit der SPD als eigenständige Fraktion hat. Alle Fraktionen in diesem Parlament haben zunächst einmal gleiche Rechte und Pflichten. Dabei ist es völlig egal, ob sie in der Regierung oder in der Opposition sind. Insofern ist es nicht hilfreich, der SPD-Fraktion zu unterstellen, sie kontrolliere den Senat nicht richtig und unterstütze im Hauptausschuss nur Mauscheleien, insbesondere in Form des Vorsitzenden Ralf Wieland. Das ist kein guter Einstieg. Solche Argumente können Sie sich sparen.
Zum Grundsatz: Alle Fraktionen haben, wie gesagt, die gleichen Rechte und Pflichten. Es ist in der Geschäftsordnung nun einmal festgelegt, dass die stärkste Fraktion den ersten Zugriff auf die Ausschussvorsitze hat. Das hat die CDU in der Zeit, als sie noch stärkste Fraktion war, immer in Anspruch genommen und sich den Hauptausschussvorsitz gegriffen. Das haben auch wir so gemacht, und das werden andere, wenn sie in die Lage kommen – Herr Kluckert, bei Ihnen wird das wohl nicht der Fall sein –, auch tun. Es ist unser gutes Recht. Wir haben uns das gründlich überlegt und die Verfahren in anderen Landesparlamenten angeschaut, aber wir sind zu der Entscheidung gekommen, dass es nach wie vor unser Recht ist und auch bleiben muss. Wir werden deshalb Ihren Vorschlag ablehnen. Wir finden nicht, dass die Fraktionen
Zu dem Antrag von SPD und Linkspartei hinsichtlich der Reihenfolge der Fraktionen: Herr Behrendt, Herr Kluckert! Es besteht das Problem, dass sich die Frage bisher nicht gestellt hat, weil es zu Beginn der Legislaturperiode noch keine Gleichheit der Sitze von zwei Fraktionen gegeben hat. Man muss sich überlegen, ob man das tatsächlich per Losentscheid regeln und damit das Wahlergebnis quasi verändert will. Das kann auch nicht im Interesse der Oppositionsfraktionen sein. Es ist nicht sinnvoll, fünf Jahre lang mit einem verfälschten Wahlergebnis zu arbeiten.
Wir hatten das in der letzen Legislaturperiode nicht, Herr Ratzmann. Wir hatten es seinerzeit innerhalb der Legislaturperiode. Da soll die Regelung nicht geändert werden, wenn Sie den Antrag genau lesen. – Die Linkspartei hat nun einmal ein stärkeres Zweitstimmenergebnis als die Grünen. Das sollte sich in der Redereihenfolge und im Zugriff auf die Ausschussvorsitze niederschlagen. Darüber darf nicht das Los entscheiden. Ich bitte Sie – bei allem Verständnis dafür, dass Ihnen das momentan nicht gefällt –, die grundsätzliche Idee zu unterstützen.
Ich habe Sie nicht richtig verstanden, Herr Dr. Lindner. Stellen Sie doch bitte eine Zwischenfrage, auf die ich eingehen kann.