Protocol of the Session on August 31, 2006

Sie wollen allen Ernstes in Berlin eine flächendeckende Videoüberwachung einführen. Da kann ich Ihnen nur sagen: Informieren Sie sich! Das nutzt überhaupt nichts. Deswegen werden wir dem auch nicht zustimmen.

[Niedergesäß (CDU): Sie sind blind!]

Nein, ich glaube nicht, Herr Niedergesäß! Wir sind nicht blind, aber wir sitzen nicht auf unserem Hirn. Deswegen sind wir in der Lage, nachzudenken und uns anzuschauen, was etwas nützt und was nicht. –

[Beifall bei den Grünen]

Was die CDU betreibt, ist pure Ideologie. Sie haben kein Interesse daran, zu gucken, wie man Kriminalität effektiv bekämpfen und mit Ressourcen vernünftig umgehen kann. Das fehlt in der Bundesrepublik, und Sie sind ein Teil des Problems, weil Sie immer wieder Ängste schüren und verhindern, dass vernünftig diskutiert werden kann. Herr Niedergesäß, ich kann Ihnen nur raten: Stehen Sie auf, und fangen Sie an, nachzudenken! Bleiben Sie nicht einfach hocken!

In einem Punkt hat der Innensenator jedoch nicht Recht, das will ich hier kurz ansprechen. Wenn er meint, man könne die Aufzeichnung von in der U-Bahn oder sonstigen videoüberwachten Nahverkehrsmitteln gewonnenen Daten einfach einführen, verkennt er die Dimensionen dieser Angelegenheit. – Herr Körting, Sie haben während der WM angefangen, die öffentlichen Räume zu privatisieren und die Rechtsstaatlichkeit von Datengewinnen einfach outzusourcen, indem Sie das Ganze auf das Privatrecht, das Hausrecht geschoben haben. So kann man mit diesem Problem nicht umgehen. Es ist Ihre Fraktion, die sehr viel Wert darauf legt, dass unsere BVG eine Anstalt öffentlichen Rechts ist. Wir haben in der Stadt eine Situation, in der die Menschen darauf angewiesen sind, sich mit diesem Verkehrsmittel durch die Gegend zu bewegen.

Weil dies so ist, können Sie sich nicht einfach des Mittels des Hausrechts bedienen und so tun, als könnten Sie per Zuruf von Bediensteten der BVG, die ohne jede Vorbedingung Daten aufzeichnen, diese Daten ohne Vorbedingung Ihrerseits wieder abrufen. Das geht nicht. Falls Sie dies weiterhin machen sollten, müsste man dies rechtlich überprüfen. Wenn Sie meinen, dass es diese Aufzeichnungen geben soll, dann müssen Sie einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem die Bedingungen, unter denen Sie abfragen können und unter denen aufgezeichnet wird, genannt sind. Stellen Sie sich dem Problem, dass Sie mit Ihrer Methode das, was Sie an anderen Orten ablehnen, nämlich die Ausweitung der Videoüberwachung auf die ganze Stadt, an einem ganz bestimmten Ort auf nicht rechtsstaatliche Weise ausdehnen! Falls Sie das dennoch wollen, müssen Sie den Mut haben, die Bedingungen zu nennen und festzuschreiben, unter welchen Bedingungen abgerufen wird.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Ratzmann! – Das Wort für die FDP hat nunmehr der Kollege Ritzmann. – Bitte schön!

[Beifall bei der FDP]

Innere Sicherheit ist dann in richtigen Händen, wenn man nach zwei Kriterien schaut: Wirksamkeit – ist die Maßnahme geeignet, das Problem wirklich zu lösen – und Verhältnismäßigkeit. Man will ja nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir wollen ein liberaler Rechtsstaat bleiben. Es ist wichtig, diese beiden Kriterien zu berücksichtigen, weil die Bedrohungslage immens ist.

Es wundert mich schon, dass verschiedene Vorredner argumentiert haben, seit den Anschlagsversuchen vor einigen Wochen habe sich die Bedrohungslage drastisch verändert. Bereits im Jahr 2000 hat eine Gruppe Frankfurter Islamisten versucht, einen Sprengstoffanschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Straßburg durchzuführen, mit dem Ziel, Deutsche, Franzosen und andere Gäste in die Luft zu jagen. Ich sage es zur Erinnerung: Das war vor dem 11. September. Das war vor dem Irakkrieg, vor dem Afghanistaneinsatz und vor der zweiten Intifada. Es gibt den konstruierten Zusammenhang, dass, wenn sich die Demokratien nur wohl verhalten und zurückziehen, der Islamist von seinem Werk ablässt, in dieser Form nicht. Die radikalen Islamisten fühlen sich bedroht. Sie sehen sich in einer Verteidigungshaltung. Sie sehen sich von liberaler Demokratie bedroht, weil sie mit Gleichheit, Meinungsfreiheit und Bürgerrechten nichts anfangen können und weil es Ihrem Ziel von Kalifat und Scharia entgegensteht.

Grüne und PDS, schwergewichtige politische Reden: Das sind zwei Parteien, die den Verfassungsschutz abschaffen wollen. Sie haben sich vollständig abgelöst. Sie sind mit dem Beitrag, den sie vor einigen Wochen in den

Gremien vorgebracht haben, aus der innenpolitischen Debatte herausgefallen. Wenn Sie den Verfassungsschutz bei dieser Bedrohungslage abschaffen wollen – die PDS will das vollständig tun, kommuniziert durch Herrn Zillich, und die Grünen wollen daraus ein Dokumentationszentrum machen, ohne nachrichtendienstliche Befugnisse – und dann hier von innerer Sicherheit faseln, so kann das doch nicht Ihr Ernst sein.

Zwei Punkte zum Schluss – offene Baustellen: Hamas und Hisbollah sind in Deutschland weiterhin nicht verboten. Das heißt, dass in Deutschland Geld gesammelt wird, um Anschläge gegen Zivilisten in Israel zu finanzieren. Das ist für mich unerträglich. Dieser Senat und diese Bundesregierung müssen darauf hinwirken, dass diese Organisationen in Deutschland ein Betätigungsverbot bekommen. Das können wir nicht akzeptieren – nach dem Motto: Wenn wir mit denen kuscheln, sind die vielleicht nett zu uns. – So ticken Islamisten nicht. Das wird vielleicht in Zukunft verstanden.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass man dem Terror nicht entgeht, indem man nichts tut. Das hat auch gerade das Beispiel Spaniens gezeigt, wo es vor dem Irakkrieg Anschlagsversuche gab, während des Irakkriegs ein Anschlag erfolgreich war und es danach, obwohl sich Spanien aus dem Irak zurückgezogen hat, wieder Anschlagsversuche gab. Ich bitte alle, sich mit dem islamistischen Terrorismus zu beschäftigen. Diese Diskussion wird die nächsten Jahrzehnte die icherheitsdebatte prägen. S

Viedeoüberwachung: Es gibt sinnvolle Einsätze, es gibt sinnlose Einsätze. Der Antrag der Union ist von erschreckender Naivität. 5 Jahre habe ich hier umsonst gewirkt und versucht, Herrn Henkel und Kollegen zu erklären, dass sich kein Krimineller zum Gärtner umschulen lässt, wenn der Breitscheidtplatz überwacht wird. Er geht dann zum Ku’damm oder anderswo hin. Es gibt aber sinnvolle Einsätze von Videoüberwachung bei konkreten gefährdeten Objekten, ansonsten ist es ein teures und stumpfes Schwert. Es kostet Steuergeld. Wir müssen bei der Polizei sparen. Wir müssen bei anderer Ausrüstung sparen. Ich will lieber verdeckte Ermittler und Polizisten vor Ort. Die schaffen echte Sicherheit und nicht die Kamera auf einem Pfosten.

[Beifall bei der FDP]

Anti-Terror-Datei: Herr Henkel! Die Union ist aus meiner Sicht allein ursächlich dafür, dass wir sie noch nicht haben, nämlich durch die absurde Forderung, daraus eine Volltextdatei zu machen. Das würde zur Folge haben, dass die Polizei in Hamburg einsehen kann, woher der Bundesnachrichtendienst seine Informationen hat. Das kann niemand fordern, dem die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wichtig ist. Die Anti-Terror-Datei muss her, aber eine Indexdatei ist der richtige Weg dafür.

Der Vorschlag verdachtsunabhängiger Kontrollen stammt ebenfalls aus der Gulaschkanone. Er hat bereits damals zum Aufdecken von Schleusungen nicht funktioniert. Wenn es Hinweise auf einen geplanten Terroranschlag gibt, ist es in Berlin möglich, überall in der Stadt Kontrollstellen einzurichten und jedermann, dessen Gepäck und Auto, zu kontrollieren. Die Gesetzeslage reicht hierfür aus. Wir brauchen keine Beschäftigungsmaßnahme für Berliner Polizisten, die ohne ersichtlichen Grund Berliner Bürger kontrollieren sollen. Aus diesem Grund können wir auch diesem Vorschlag nicht zustimmen.

Wir brauchen in der inneren Sicherheit das Beheben der Vollzugsdefizite, und dafür ist dieser Senat verantwortlich. Dem unkontrollierten Personalabbau bei gleicher Aufgabenbelastung und der mangelnden technischen Ausstattung vom Digitalfunk bis zu Datenbanken müssen wir entgegenwirken und die Entlastung der Polizei endlich durchsetzen. Dazu haben wir diverse Vorschläge gemacht. Keiner ist von diesem Senat befolgt worden.

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Henkel (CDU)]

Sie haben sich von einer seriösen Sicherheitsdebatte völlig verabschiedet.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf beim Senat. Die Anträge der Union sind zu weiten Teilen überflüssig. Berlin ist eine sichere Stadt. Herr Henkel! Im internationalen Vergleich ist Berlin eine sichere Stadt. Ich nehme an, dass Sie noch nicht viel herumgekommen sind, denn Sie haben z. B. im Ausschuss die 3,4-MillionenStadt Berlin mit Beirut und mit Nordirland in den Zeiten der IRA verglichen.

Berlin muss aber noch sicherer werden, und das ist der Ansatz der FDP, nämlich mehr Sicherheit zu produzieren bei gleichzeitigem Schutz der Bürger- und Freiheitsrechte. Wenn Sie das wollen – Sicherheit und Freiheitsrechte, Liberalität –, dann müssen Sie die FDP wählen.

[Beifall bei der FDP – Gaebler (SPD): Nein, uns!]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und wir kommen zu den Abstimmungen.

Zum CDU-Antrag auf Drucksache 15/3800 – „Aktionsprogramm Innere Sicherheit (I)“ – wurde im Ausschuss gegen CDU und FDP die Ablehnung empfohlen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Die Gegenprobe! – Das sind die übrigen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht.

Dann kommen wir zum CDU-Antrag auf Drucksache 15/5030 – „Aktionsprogramm Innere Sicherheit (II)“ –, zu dem der Ausschuss mehrheitlich gegen die CDU die Ablehnung empfohlen hat. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist

Bei der Ausfertigung des Gesetzes hat sich ergeben, dass der den Abgeordneten zur Abstimmung vorgelegte Staatsvertrag, der dem Gesetz als Anlage beigefügt war, in mehreren Punkten nicht mit dem Original des am 3./4. Mai 2006 abgeschlossenen Vierten Staatsvertrages über die Änderungen des Landesplanungsvertrages übereinstimmt. Gemäß Artikel 59 Abs. 5 der Verfassung von Berlin ist in der heutigen III. Lesung die Möglichkeit gegeben, die notwendigen Korrekturen vorzunehmen. Dazu liegen Ihnen zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Gesetz zu dem Vierten Staatsvertrag über die Änderung des Landesplanungsvertrages – Drucksache 15/5100 – die Austauschseiten 11 bis 16, die den mit dem Original übereinstimmenden Text wiedergeben, als Tischvorlage vor.

Die Abweichungen des in der 88. Sitzung des Abgeordnetenhauses vorgelegten Staatsvertrages zu der Ihnen jetzt vorliegenden Fassung des Staatsvertrages, die mit dem Original übereinstimmt, können Sie der Ihnen gleichfalls vorgelegten Synopse entnehmen. Ich hoffe, dass das auch alle gemacht haben.

die Fraktionen der CDU. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht.

Zum CDU-Antrag auf Drucksache 15/5031 – „Aktionsprogramm Innere Sicherheit (III)“ – wurde im Ausschuss gegen die CDU die Ablehnung empfohlen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind die anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht.

Zum CDU-Antrag auf Drucksache 15/5115 – „Aktionsprogramm Innere Sicherheit (IV)“ – wurde im Ausschuss gegen die CDU bei Enthaltung der FDP die Ablehnung empfohlen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei.PDS. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Die FDP enthält sich. Danke!

Dann geht es weiter mit dem FDP-Antrag auf Drucksache 15/5112 – „Aufnahme von Bagatellunfällen auf Dritte übertragen“. Zu diesem Antrag wurde im Fachausschuss mehrheitlich gegen Grüne und FDP – im Hauptausschuss bei Enthaltung der CDU – die Ablehnung empfohlen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind CDU, SPD und Linkspartei.PDS. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich keine.

Wer nun dem CDU-Antrag unter dem Tagesordnungspunkt 43 – Stichwort: „Videoüberwachung“ – mit der Drucksachennummer 15/5455 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich keine.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

III. Lesung

Gesetz zu dem Vierten Staatsvertrag über die Änderung des Landesplanungsvertrages

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/5100

Eine III. Lesung – das ist selten genug!

Das Gesetz zu dem Vierten Staatsvertrag über die Änderung des Landesplanungsvertrages – Drucksache 15/5100 – ist unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz – Drucksache 15/5372 – in der 88. Sitzung des

Abgeordnetenhauses am 29. Juni 2006 in II. Lesung beschlossen worden.

[Doering (Linkspartei.PDS) und Goetze (CDU): Selbstverständlich!]

Wir fragen das gleich einzeln ab. – Nein, das machen wir doch nicht.

Ich eröffne die III. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragraphen 1 und 2 gemäß den Drucksachen 15/5100 und 15/5372. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen die Annahme des Gesetzes. Wer so gemäß den Drucksachen 15/5100 und 15/5372 und unter Berücksichtigung der Austauschseiten 11 bis 16 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Enthaltung der drei Oppositionsfraktionen! Damit ist der Antrag angenommen.

Ich möchte an dieser Stelle meine tiefe Hochachtung vor den Beamten des Hauses zum Ausdruck bringen, die so etwas merken. Das sind die ganz Genauen.

[Allgemeiner Beifall]

Danke schön! Wir werden das weitergeben.